Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 9C 90/2020
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Bundesgericht

Tribunal fédéral

Tribunale federale

Tribunal federal

               

9C_90/2020

Urteil vom 15. April 2020

II. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung

Bundesrichter Parrino, Präsident,

Bundesrichter Stadelmann, Bundesrichterin Glanzmann,

Gerichtsschreiberin Dormann.

Verfahrensbeteiligte

A.________,

Beschwerdeführer,

gegen

IV-Stelle des Kantons St. Gallen, Brauerstrasse 54, 9016 St. Gallen,

Beschwerdegegnerin.

Gegenstand

Invalidenversicherung,

Beschwerde gegen den Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons St. Gallen
vom 16. Dezember 2019 (IV 2013/78).

Sachverhalt:

A. 

Die IV-Stelle des Kantons St. Gallen richtete dem 1963 geborenen A.________
eine ganze Invalidenrente (samt Zusatzrenten) seit dem 1. November 1996 aus
(Verfügung vom 12. November 1998, Mitteilungen vom 16. Januar 2001 und 26. Mai
2006). Im Mai 2010 veranlasste sie eine Observation des Versicherten, und im
Juni 2010 leitete sie ein Revisionsverfahren ein. Im Februar 2011 beantragte
sie beim Untersuchungsamt B.________ die Eröffnung eines Strafverfahrens gegen
A.________ wegen Verdachts auf Betrug. Im April 2011 stellte sie die
Rentenzahlungen vorsorglich ein. Nach Abklärungen und Durchführung des
Vorbescheidverfahrens hob die IV-Stelle mit Verfügung vom 14. Januar 2013 die
Invalidenrente des A.________ rückwirkend (ex tunc) auf.

B. 

Das Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen sistierte das nachfolgende
Beschwerdeverfahren bis zur rechtskräftigen Verurteilung des Versicherten wegen
gewerbsmässigen Betrugs zu Lasten der Invalidenversicherung (Urteil 6B_428/2018
vom 31. Juli 2019). Mit Entscheid vom 16. Dezember 2019 bestätigte es die
Rentenaufhebung, jedoch begrenzte es deren Rückwirkung auf den 31. Januar 2006.

C. 

A.________ beantragt mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten,
der Entscheid vom 16. Dezember 2019 sei dahingehend abzuändern, dass von
jeglicher Renteneinstellung abzusehen sei. Es sei ihm weiterhin eine ganze
Invalidenrente ab April 2011 auszurichten und auf eine Rückerstattung jeglicher
bisher erfolgten Invalidenleistungen sei zu verzichten. Ferner sei der
Beschwerde die aufschiebende Wirkung zu erteilen.

Erwägungen:

1. 

1.1. Gegenstand des angefochtenen Entscheids (wie auch der Verfügung vom 14.
Januar 2013) ist einzig der Rentenanspruch (vgl. BGE 125 V 413 E. 1 S. 414 f.).
Dem Antrag betreffend Rückerstattung resp. Rückforderung kommt keine
eigenständige Bedeutung zu.

1.2. Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann eine
Rechtsverletzung nach Art. 95 f. BGG gerügt werden. Das Bundesgericht wendet
das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Dennoch prüft es -
offensichtliche Fehler vorbehalten - nur die in seinem Verfahren gerügten
Rechtsmängel (Art. 42 Abs. 1 f. BGG; BGE 135 II 384 E. 2.2.1 S. 389). Es legt
seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat
(Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann ihre Sachverhaltsfeststellung von Amtes wegen
berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer
Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht und wenn die Behebung des
Mangels für den Verfahrensausgang entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1, Art.
105 Abs. 2 BGG).

2. 

Ändert sich der Invaliditätsgrad eines Rentenbezügers erheblich, so wird die
Rente von Amtes wegen oder auf Gesuch hin für die Zukunft entsprechend erhöht,
herabgesetzt oder aufgehoben (Art. 17 Abs. 1 ATSG [SR 830.1]). Anlass zur
Rentenrevision gibt jede wesentliche Änderung in den tatsächlichen
Verhältnissen seit Zusprechung der Rente, die geeignet ist, den
Invaliditätsgrad und damit den Anspruch zu beeinflussen. Insbesondere ist die
Rente bei einer wesentlichen Änderung des Gesundheitszustandes revidierbar (BGE
141 V 9 E. 2.3 S. 10 f. mit Hinweisen). Die Herabsetzung oder Aufhebung der
Renten erfolgt rückwirkend ab Eintritt der für den Anspruch erheblichen
Änderung, wenn der Bezüger die Leistung zu Unrecht erwirkt hat oder der ihm
nach Art. 77 zumutbaren Meldepflicht nicht nachgekommen ist (Art. 88bis Abs. 2
lit. b IVV [SR 831.201]).

3.

3.1. Die Vorinstanz hat gestützt auf das Gutachten der Academy of Swiss
Insurance Medicine, Universitätsspital Basel (asim), vom 23. Dezember 2015 und
8. Juni 2017 festgestellt, spätestens ab Februar 2006 habe sich der
Gesundheitszustand des Beschwerdeführers in psychischer Hinsicht erheblich
verbessert und sei ihm eine den körperlichen Einschränkungen angepasste
Tätigkeit (wie die angestammte Arbeit) zu 88 % zumutbar. Folglich hat sie die
Voraussetzungen einer materiellen Revision nach Art. 17 ATSG bejaht und die
Rente entsprechend dem (mit einer Meldepflichtverletzung einhergehenden)
strafrechtlich relevanten und ab Februar 2006 ausgewiesenen Täuschungsverhalten
rückwirkend auf diesen Zeitpunkt aufgehoben.

3.2. Was der Beschwerdeführer dagegen vorbringt, hält nicht stand. Die
Ergebnisse der Observation sind im Lichte von BGE 143 I 377 E. 5 S. 385 f.
verwertbar (vgl. auch Urteil 6B_428/2018 vom 31. Juli 2019 E. 1.4). Die
Vorinstanz hat festgestellt, die asim-Experten hätten bei ihren Einschätzungen
nicht nur die Observationsergebnisse, sondern insbesondere auch die anlässlich
einer Hausdurchsuchung im Strafverfahren erlangten Video- und Fotoaufnahmen
berücksichtigt (nebst u.a. Angaben des Versicherten und medizinische Vorakten;
vgl. zu den Anforderungen an die Beweiskraft BGE 134 V 231 E. 5.1 S. 232; 125 V
351 E. 3a S. 352). Die "aktuelleren" ärztlichen Berichte (verkehrsmedizinisches
Gutachten vom 26. September 2018 und "Erstbericht" des Dr. med. C.________ vom
21. Oktober 2019) nähmen keinen Bezug auf die (massgebliche) Zeit bis zum
Erlass der Verfügung vom 14. Januar 2013. Diese Feststellungen sind für das
Bundesgericht verbindlich (vgl. E. 1.2). Gleiches gilt für die Feststellung
betreffend die (verbesserte) Arbeitsfähigkeit (E. 3.1).

Sodann steht der Umstand, dass der behandelnde Psychiater anlässlich des im
Februar 2006 eingeleiteten Revisionsverfahrens eine Arbeitsfähigkeit von 2,5
Stunden pro Tag als möglich erachtete und und eine Beurteilung durch einen
neutralen Sachverständigen für angebracht hielt (Bericht vom 13. Mai 2006), der
rückwirkenden Rentenaufhebung nicht entgegen. Der Psychiater gab gleichzeitig
einen stationären Gesundheitszustand an, während der Versicherte und sein
Hausarzt damals eine Verschlechterung geltend machten. Bei diesen Gegebenheiten
durfte die Verwaltung auf weitere Abklärungen mit Blick auf den Tatbestand von
Art. 17 Abs. 1 ATSG verzichten (vgl. zur antizipierenden Beweiswürdigung BGE
141 I 60 E. 3.3 S. 64; 137 V 64 E. 5.2 S. 69; 136 I 229 E. 5.3 S. 236).
Schliesslich zielen die Ausführungen des Beschwerdeführers zur Verjährung
(resp. Verwirkung) ins Leere, da sie sich auf die prozessuale Revision nach
Art. 53 Abs. 1 ATSG, nicht aber auf die hier interessierende materielle
Revision gemäss Art. 17 ATSG beziehen.

3.3. Da die Beschwerde offensichtlich unbegründet ist, wird sie im Verfahren
nach Art. 109 Abs. 2 lit. a BGG mit summarischer Begründung und unter Hinweis
auf den kantonalen Gerichtsentscheid (Abs. 3) erledigt.

4. 

Das Gesuch um aufschiebende Wirkung wird mit dem heutigen Urteil
gegenstandslos.

5. 

Dem Ausgang des Verfahrens entsprechend hat der Beschwerdeführer die Kosten zu
tragen.

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 

Die Beschwerde wird abgewiesen.

2. 

Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

3. 

Dieses Urteil wird den Parteien, dem Versicherungsgericht des Kantons St.
Gallen und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 15. April 2020

Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung

des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Parrino

Die Gerichtsschreiberin: Dormann