Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 9C 17/2020
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Bundesgericht

Tribunal fédéral

Tribunale federale

Tribunal federal

               

9C_17/2020

Urteil vom 30. März 2020

II. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung

Bundesrichter Parrino, Präsident,

Bundesrichter Meyer, Stadelmann,

Gerichtsschreiber Grünenfelder.

Verfahrensbeteiligte

IV-Stelle Basel-Stadt, Lange Gasse 7, 4052 Basel,

Beschwerdeführerin,

gegen

A.________, vertreten durch Rechtsanwältin Dr. Eva-Maria Sommer-Bäni,

Beschwerdegegner.

Gegenstand

Invalidenversicherung,

Beschwerde gegen den Entscheid des Sozialversicherungsgerichts des Kantons
Basel-Stadt vom 22. Oktober 2019 (IV.2018.154).

Sachverhalt:

A. 

Der 1964 geborene A.________ arbeitete zuletzt als selbstständiger
Geschäftsführer einer Café-Bar. Nachdem er vom 1. Oktober 2008 bis 31. März
2009 aufgrund einer unfallbedingten Knieverletzung eine ganze Invalidenrente
bezogen hatte (Verfügung vom 22. Februar 2013), ersuchte er Ende Dezember 2014
unter Hinweis auf eine im Frühling des gleichen Jahres diagnostizierte
Erkrankung erneut um Leistungen der Invalidenversicherung. Die IV-Stelle
Basel-Stadt klärte die erwerblichen Verhältnisse ab (Abklärungsbericht vom 13.
März 2017) und holte bei der Swiss Medical Assessment- and Business-Center AG
(nachfolgend: SMAB), St. Gallen, ein polydisziplinäres Gutachten vom 29.
Dezember 2017 ein. Mit Verfügung vom 30. Juli 2018 gewährte sie A.________ nach
Durchführung des Vorbescheidverfahrens vom 1. Juni 2015 bis 31. März 2017 eine
ganze Invalidenrente. Ab 1. April 2017 verneinte die Verwaltung einen
Rentenanspruch (Invaliditätsgrad: 34 %).

B. 

Die dagegen erhobene Beschwerde des A.________ hiess das
Sozialversicherungsgericht Basel-Stadt mit Entscheid vom 22. Oktober 2019 gut
und sprach ihm ab 1. April 2017 eine Viertelsrente zu.

C. 

Die IV-Stelle führt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten und
beantragt, der angefochtene Entscheid sei aufzuheben und die Verfügung vom 30.
Juli 2018 zu bestätigen; ausserdem sei der Beschwerde die aufschiebende Wirkung
zu erteilen.

Erwägungen:

1. 

Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann unter anderem
die Verletzung von Bundesrecht gerügt werden (Art. 95 lit. a BGG). Die
Feststellung des Sachverhalts kann nur gerügt werden, wenn sie offensichtlich
unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Artikel 95 beruht
und wenn die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend
sein kann (Art. 97 Abs. 1 BGG). Das Bundesgericht legt seinem Urteil den
Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1
BGG). Es kann die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz von Amtes wegen
berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer
Rechtsverletzung im Sinne von Artikel 95 beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG).

2. 

2.1. Streitgegenstand bildet in letzter Instanz einzig die Frage, ob die
Vorinstanz Bundesrecht verletzt hat, indem sie den Rentenanspruch des
Versicherten ab 1. April 2017 anhand einer Parallelisierung der
Vergleichseinkommen ermittelte.

Nicht im Streit liegt demgegenüber, dass dem polydisziplinären SMAB-Gutachten
vom 29. Dezember 2017 - wonach vom 24. April 2014 bis 31. Dezember 2016 eine
vollständige Arbeitsunfähigkeit bestand, der Versicherte aber ab Januar 2017 in
angepasster Tätigkeit wieder zu 50 % arbeitsfähig ist - Beweiskraft beigemessen
werden kann, nachdem das kantonale Gericht die entsprechenden
Beweisanforderungen zu Recht als erfüllt angesehen hat (vgl. BGE 134 V 231 E.
5.1 S. 232; 125 V 351 E. 3a S. 352).

2.2. Das kantonale Gericht hat die Rechtsprechung zur
Einkommensparallelisierung (BGE 141 V 1 E. 5.4 S. 3; 135 V 58 E. 3.1 S. 59) und
betreffend die in diesem Zusammenhang geltende Erheblichkeitsgrenze von 5 %
(BGE 135 V 297 E. 6.1.2 und 6.1.3 S. 303 f.) zutreffend dargelegt. Darauf wird
verwiesen.

3. 

Die Vorinstanz hat (implizit) auf die Einschätzung der psychiatrischen
SMAB-Experten Dres. med. B.________ und C.________ verwiesen, wonach es nahe
liege, dass der Explorand bereits im jungen Erwachsenenalter an einer
kombinierten Persönlichkeitsstörung mit labilen, emotional instabilen,
impulsiven und haltlosen Anteilen gelitten habe; dieser habe eine
Orientierungslosigkeit und ablehnende Haltung gegenüber dem Elternhaus und der
Gesellschaft entwickelt, was in einem früh begonnenen Alkohol- und
Drogenkonsum, wiederholt schwerem delinquenten Verhalten mit Aufenthalt in
ungünstigem Milieu und schliesslich einer zweijährigen Haftstrafe gemündet
habe. Vor diesem Hintergrund hat das kantonale Gericht beweiswürdigend
festgestellt, mit Blick auf die Lebens- und Erwerbsbiografie könne nicht gesagt
werden, dass sich der Versicherte freiwillig mit einem bescheidenen
Erwerbseinkommen begnügt habe.

4.

4.1. Was die Beschwerdeführerin dagegen vorbringt, verfängt nicht. Insbesondere
gilt eine Beweiswürdigung nicht bereits dann als willkürlich (vgl. dazu BGE 140
III 16 E. 2.1 S. 18 f. mit Hinweisen), wenn eine andere Lösung ebenfalls
vertretbar erscheint oder gar vorzuziehen wäre, sondern erst, wenn der
Entscheid offensichtlich unhaltbar ist, zur tatsächlichen Situation in klarem
Widerspruch steht oder auf einem offenkundigen Fehler beruht (BGE 144 I 28 E.
2.4 S. 31 mit Hinweisen). So verhält es sich hier nicht.

4.2. Wohl erzielte der Versicherte während seiner Tätigkeit bei der National
Zeitung die höchsten Einkommen seiner Validenkarriere. In der Beschwerde wird
jedoch nicht (substanziiert) dargelegt, inwiefern es sich dabei nicht bloss um
eine Ausnahmeerscheinung handelte, zumal selbst die dort erzielten
Jahresverdienste unterdurchschittlich waren (für 1994: Einkommen gemäss
individuellem Konto [nachfolgend: IK]: Fr. 53'132.-; statistischer
Durchschnitt, angepasst an die betriebsübliche wöchentliche Arbeitszeit: Fr.
61'264.- [LSE 1994, TA 1.1.1, Anforderungsniveau 4, Männer, Papier- und
Papierwaren: Fr. 4909.- x 12 = Fr. 58'908.- x 41.6 /40]). Die seit dem
Abschluss der zweijährigen Coiffeurlehre im Jahre 1983 dokumentierte
Lohnentwicklung zeigt sich denn auch nicht ansatzweise konstant. Vielmehr
lassen sich dem IK-Auszug praktisch nur deutlich tiefere Einkommen als
diejenigen bei der National Zeitung entnehmen. Das gilt vor allem für die Zeit
unmittelbar nach der absolvierten Berufsausbildung (1984: Fr. 342.-; 1985: Fr.
3236.-; 1986: Fr. 3000.-; 1987: Fr. 3000.- und Fr. 544.-), aber auch
hinsichtlich der letzten verbuchten Einträge vor dem Stellenantritt des
Versicherten als Kellner und stellvertretender Geschäftsführer in der später
übernommenen Café-Bar (2002: Fr. 7623.-; 2003: Fr. 8307.-). Überdies endete die
Anstellung bei der National Zeitung bereits im Jahre 1997, also rund siebzehn
Jahre vor Eintritt der relevanten Arbeitsunfähigkeit im Frühling 2014. Dass der
Versicherte diese Tätigkeit aufgegeben hätte, weil er sich aus freien Stücken
mit einem geringeren Einkommen begnügte, ist nicht belegt. Ebenso wenig kann
mit Blick auf die gesamte Erwerbsbiografie davon die Rede sein, dass er - wie
die Beschwerdeführerin weiter behauptet - in der Lage gewesen wäre, "normal"
entlöhnte Anstellungen in verschiedenen Bereichen zu erhalten, nachdem er im
erlernten Beruf als Coiffeur zu keinem Zeitpunkt Fuss fassen konnte.
Schliesslich hat die Vorinstanz berücksichtigt, dass bei der Parallelisierung
der Vergleichseinkommen mitspielende Faktoren im Rahmen des Abzugs vom
Tabellenlohn (hier: 15 %) nicht nochmals einbezogen werden dürfen (vgl.
vorinstanzliche Erwägung 5.3.3). Weiterungen erübrigen sich. Damit hat es sein
Bewenden.

4.3. Nach dem Gesagten ist die entscheidende vorinstanzliche
Sachverhaltsfeststellung (vgl. E. 3 in fine) weder offensichtlich unrichtig
noch sonstwie bundesrechtswidrig. Sie bleibt für das Bundesgericht verbindlich
(E. 1). Folglich durfte die Vorinstanz eine Einkommensparallelisierung
vornehmen, ohne Bundesrecht zu verletzen. Die vorinstanzliche
Invaliditätsbemessung ist im Übrigen unbestritten geblieben. Die Beschwerde ist
unbegründet.

5. 

Mit dem Entscheid in der Sache ist das Gesuch der Beschwerdeführerin um
aufschiebende Wirkung der Beschwerde gegenstandslos.

6. 

Dem Ausgang des Verfahrens entsprechend hat die Beschwerdeführerin die
Gerichtskosten zu tragen (Art. 66 Abs. 1 Satz 1 BGG). Dem Beschwerdegegner ist
aus dem bundesgerichtlichen Verfahren kein entschädigungspflichtiger Aufwand
erwachsen, weshalb ihm kein Parteikostenersatz zuzusprechen ist (Art. 68 Abs. 1
BGG).

 Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 

Die Beschwerde wird abgewiesen.

2. 

Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.

3. 

Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons
Basel-Stadt und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 30. März 2020

Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung

des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Parrino

Der Gerichtsschreiber: Grünenfelder