Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Strafrechtliche Abteilung, Beschwerde in Strafsachen 6B.43/2020
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Bundesgericht

Tribunal fédéral

Tribunale federale

Tribunal federal

               

6B_43/2020

Urteil vom 4. Februar 2020

Strafrechtliche Abteilung

Besetzung

Bundesrichter Denys, Präsident,

Bundesrichterin van de Graaf,

Bundesrichterin Koch,

Gerichtsschreiber Reut.

Verfahrensbeteiligte

A.________,

vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Jürg Krumm,

Beschwerdeführer,

gegen

Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich,

Beschwerdegegnerin.

Gegenstand

Widerhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz, Willkür; Strafzumessung

Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich, I.
Strafkammer, vom 18. Oktober 2019 (SU190016-O/U/jv).

Sachverhalt:

A. 

A.________ wird gemäss Strafbefehl vom 20. Juni 2018 zur Last gelegt, er habe
sich aus dem Ausland 30 Hanfsamen an seinen Wohnort liefern lassen, in der
Absicht, diese anzupflanzen und das daraus gewonnene Marihuana zu konsumieren.

B. 

Das Obergericht des Kantons Zürich verurteilte A.________ am 18. Oktober 2019
zweitinstanzlich wegen Widerhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz gemäss
Art. 19a Ziff. 1 i.V.m. Art. 19 Abs. 1 BetmG zu einer Busse von Fr. 500.-- und
bestätigte damit das am 15. März 2019 ergangene Urteil des Bezirksgerichts
Horgen. Es auferlegte A.________ die erst- und oberinstanzlichen
Verfahrenskosten.

C. 

A.________ führt Beschwerde in Strafsachen. Er beantragt, das Urteil des
Obergerichts des Kantons Zürich vom 18. Oktober 2019 sei aufzuheben und er sei
von Schuld und Strafe freizusprechen. Eventualiter sei die Sache zur
Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Zudem ersucht er um
unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung.

Erwägungen:

1.

Der Beschwerdeführer rügt, die Vorinstanz verletze seinen Anspruch auf
rechtliches Gehör. Sie habe seinen psychischen Zustand zur Tatzeit nicht
abgeklärt und zu Unrecht darauf verzichtet, Dr. B.________ als Zeugen zu
befragen.

1.1. Die Vorinstanz hält in Bezug auf die Einvernahme von Dr. B.________ fest,
die erste Instanz habe einen entsprechenden Beweisantrag des Beschwerdeführers
mit Verfügung vom 22. Januar 2019 mit ausführlicher Begründung abgewiesen.
Anlässlich der Hauptverhandlung habe der Beschwerdeführer den Antrag nicht
wiederholt, weshalb sich die erste Instanz in ihrem Urteil nicht mehr materiell
mit dem Beweisantrag habe auseinandersetzen müssen (angefochtenes Urteil, S.
7). Diese Erwägung klammert der Beschwerdeführer in seiner Beschwerde aus,
weshalb auf die Rüge der Verletzung des rechtlichen Gehörs nicht eingetreten
werden kann (vgl. zu den Begründungsanforderungen einer Beschwerde ans
Bundesgericht Art. 42 Abs. 2 bzw. Art. 106 Abs. 2 BGG; BGE 144 V 50 E. 4.2 S.
53; 141 IV 369 E. 6.3 S. 375; je mit Hinweisen).

1.2. 

1.2.1. Gemäss Art. 20 StGB ordnet die Untersuchungsbehörde oder das Gericht die
Begutachtung des Täters durch einen Sachverständigen an, wenn ernsthafter
Anlass besteht, an dessen Schuldfähigkeit zu zweifeln. Dabei ist ein Gutachten
nicht nur anzuordnen, wenn das Gericht tatsächlich Zweifel an der
Schuldfähigkeit hat, sondern auch, wenn es nach den Umständen des Falles
ernsthafte Zweifel haben müsste. Dabei genügt nicht jede geringfügige
Herabsetzung der Fähigkeit, sich zu beherrschen, um eine verminderte
Schuldfähigkeit anzunehmen. Der Betroffene muss nach der Rechtsprechung
vielmehr in hohem Masse in den Bereich des Abnormen fallen. Seine
Geistesverfassung muss mithin nach Art und Grad stark vom Durchschnitt nicht
bloss der Rechts-, sondern auch der Verbrechensgenossen abweichen. Die
Notwendigkeit, einen Sachverständigen beizuziehen, ist daher erst gegeben, wenn
Anzeichen vorliegen, die geeignet sind, Zweifel hinsichtlich der vollen
Schuldfähigkeit zu erwecken, wie etwa ein Widerspruch zwischen Tat und
Täterpersönlichkeit oder völlig unübliches Verhalten. Zeigt das Verhalten des
Täters vor, während und nach der Tat, dass ein Realitätsbezug erhalten war, er
sich an wechselnde Erfordernisse der Situation anpassen, auf eine Gelegenheit
zur Tat warten oder diese gar herbeiführen konnte, so hat eine schwere
Beeinträchtigung nicht vorgelegen (BGE 133 IV 145 E. 3.3 S. 147 f.; Urteil
6B_800/2016 vom 25. Oktober 2017 E. 8.3.2, nicht publiziert in BGE 143 IV 397;
je mit Hinweisen).

1.2.2. Über Tatsachen, die unerheblich, offenkundig, der Strafbehörde bekannt
oder bereits rechtsgenügend erwiesen sind, wird nicht Beweis geführt (Art. 139
Abs. 2 StPO). Die Strafverfolgungsbehörden können in ständiger Rechtsprechung
ohne Verletzung des rechtlichen Gehörs (Art. 29 Abs. 2 BV) auf die Abnahme
weiterer Beweise verzichten, wenn sie in vorweggenommener Beweiswürdigung
annehmen können, ihre Überzeugung werde durch weitere Beweiserhebungen nicht
geändert (vgl. BGE 141 I 60 E. 3.3; 136 I 229 E. 5.3 S. 236 f. mit Hinweisen).
Die Rüge unzulässiger antizipierter Beweiswürdigung prüft das Bundesgericht
bloss unter dem Aspekt der Willkür (Art. 97 Abs. 1 BGG; vgl. Urteil 6B_224/2017
vom 17. November 2017 E. 2.2 mit Hinweisen). Willkür liegt nach ständiger
Rechtsprechung nur vor, wenn die vorinstanzliche Beweiswürdigung
schlechterdings unhaltbar ist, d.h. wenn die Behörde in ihrem Entscheid von
Tatsachen ausgeht, die mit der tatsächlichen Situation in klarem Widerspruch
stehen oder auf einem offenkundigen Fehler beruhen. Dass eine andere Lösung
ebenfalls möglich erscheint, genügt nicht (BGE 143 IV 241 E. 2.3.1 S. 244 mit
Hinweis). Die Rüge der Willkür muss in der Beschwerde explizit vorgebracht und
substanziiert begründet werden (Art. 106 Abs. 2 BGG). Auf eine rein
appellatorische Kritik am angefochtenen Entscheid tritt das Bundesgericht nicht
ein (BGE 142 III 364 E. 2.4 S. 368 mit Hinweis).

1.3. Gemäss dem Bericht von Dr. B.________ vom 19. September 2018 liegen für
die erste Hälfte des Jahres 2018, d.h. insbesondere für den Tatzeitpunkt, keine
Anhaltspunkte vor, die auf ein psychotisches Erleben des Beschwerdeführers
schliessen lassen. Auf diesen Bericht stellt die Vorinstanz unter Verweis auf
das erstinstanzliche Urteil ab (vgl. angefochtenes Urteil S. 7 ff.). Weshalb
zusätzlich zum schriftlichen Bericht eine Befragung von Dr. B.________
erforderlich sein sollte, ist nicht ersichtlich. Die Einschätzung dieses
Arztes, der den Beschwerdeführer langjährig behandelt hatte, lässt keine
Zweifel an der Schuldfähigkeit des Beschwerdeführers aufkommen. Daran ändert
nichts, dass dem Beschwerdeführer in einem für die Invalidenversicherung
erstellten psychiatrischen Gutachten von Dr. C.________ vom 25. Juli 2012 eine
rezidivierende depressive Störung mit teils schweren depressiven Phasen und
einer Tendenz zur Chronifizierung, eine paranoide Persönlichkeitsstörung sowie
ein Cannabisabusus attestiert wurden. Letzteres Gutachten bezieht sich auf eine
andere, nicht strafrechtliche Thematik. Es ist zudem veraltet und für den
Gesundheitszustand des Beschwerdeführers zum Tatzeitpunkt nicht aussagekräftig.
Jedenfalls folgen aus einer vorbestehenden psychischen Erkrankung nicht
zwingend Zweifel an der Schuldfähigkeit; vielmehr sind die konkreten
Tatumstände zu berücksichtigen (vgl. Urteil 6B_1173/2015 vom 13. Mai 2016 E.
1.4). Die Rügen des Beschwerdeführers erweisen sich als unbegründet.

2.

2.1. Der Beschwerdeführer macht geltend, die vorinstanzliche Beweiswürdigung
betreffend den für die Strafzumessung relevanten Sachverhalt sei willkürlich.
Entgegen der Auffassung der Vorinstanz weise er keine einschlägige Vorstrafe
auf. Die Vorinstanz berücksichtige eine solche bei der Strafzumessung zu
Unrecht.

2.2. Die Vorinstanz verweist zur Strafzumessung auf die erstinstanzlichen
Erwägungen. Dabei berücksichtigt die Vorinstanz, dass mit potentiell 900 Gramm
Cannabis, einer einschlägigen Vorstrafe und angesichts des direktvorsätzlichen
Handelns nicht von einem leichten Fall auszugehen sei. Sie bestätigt die
erstinstanzlich ausgesprochene Busse von Fr. 500.-- unter Verweis auf die
dortige Begründung (angefochtenes Urteil S. 10). Die erste Instanz erwägt zur
Strafzumessung, der Beschwerdeführer habe wissentlich und willentlich Hanfsamen
zum Anbau von Cannabis zwecks Eigenkonsum in die Schweiz eingeführt. Es liege
kein leichter Fall im Sinne von Art. 19a Abs. 2 BetmG vor. Mit den 30
bestellten Hanfsamen hätten potentiell 900 Gramm Cannabis produziert werden
können. Der Beschwerdeführer sei wegen seiner einst diagnostizierten
Cannabisabhängigkeit einschlägig vorbelastet. Jugendlicher Unsinn falle
aufgrund seines Alters ausser Betracht. Der Beschwerdeführer habe mit direktem
Vorsatz gehandelt, um die Samen in seinem Garten anzupflanzen und teure
Ausgaben zu vermeiden (erstinstanzliches Urteil S. 14 f.).

2.3.

2.3.1. Wer unbefugt Betäubungsmittel vorsätzlich konsumiert oder wer zum
eigenen Konsum eine Widerhandlung im Sinne von Artikel 19 begeht, wird mit
Busse bestraft (Art. 19a Ziff. 1 BetmG). Das Gericht bemisst Übertretungsbussen
aufgrund von Art. 106 Abs. 3 StGB nach den Verhältnissen des Täters so, dass
dieser die Strafe erleidet, die seinem Verschulden angemessen ist (BGE 114 Ib
27 E. 4a S. 31 mit Hinweisen; zu den juristischen Personen: BGE 135 II 86 E.
4.4). Der Strafrahmen der Busse reicht von einem bis zu Fr. 10'000.-- (Art. 103
StGB). Dem Sachgericht steht bei der Gewichtung der verschiedenen
Strafzumessungsfaktoren ein erheblicher Ermessensspielraum zu. Das
Bundesgericht greift in die Strafzumessung nur ein, wenn die Vorinstanz den
gesetzlichen Strafrahmen über- oder unterschritten hat, wenn sie von rechtlich
nicht massgebenden Kriterien ausgegangen ist oder wesentliche Gesichtspunkte
ausser Acht gelassen bzw. in Überschreitung oder Missbrauch ihres Ermessens
falsch gewichtet hat (BGE 144 IV 313 E. 1.2; 136 IV 55 E. 5.6 S. 61; je mit
Hinweisen).

2.3.2. Die Feststellung des Sachverhalts durch die Vorinstanz kann nur gerügt
werden, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Verletzung von
schweizerischem Recht im Sinne von Art. 95 BGG beruht und wenn die Behebung des
Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1
BGG). Offensichtlich unrichtig ist die Sachverhaltsfeststellung, wenn sie
willkürlich im Sinne von Art. 9 BV ist (BGE 143 IV 241 E. 2.3.1; 143 I 310 E.
2.2; je mit Hinweis).

2.4. Der Beschwerdeführer beanstandet zutreffend, dass er keine einschlägige
Vorstrafe im Betäubungsmittelbereich aufweist. Gemäss den kantonalen Vorakten
haben weder die Vorinstanz, noch die erste Instanz einen Strafregisterauszug
eingeholt, weshalb die vorinstanzliche Erwähnung einer einschlägigen Vorstrafe
keine Stütze in den Akten findet. Indessen ist diese falsche Annahme für die
Höhe der Strafe nicht entscheidend. Die Vorinstanz verweist punkto
Strafzumessung vollumfänglich auf das erstinstanzliche Urteil, welches keine
Vorstrafe erwähnt. Die erste Instanz geht in korrekter Weise davon aus, dass
der Beschwerdeführer betreffend Cannabis "vorbelastet", aber nicht
"vorbestraft" ist, da ihm das Gutachten aus dem Jahr 2012 eine
Cannabis-Abhängigkeit attestiert. Dass die Vorinstanz die Vorbelastung mit
einer Vorstrafe gleichsetzt, beruht auf einem falschen Verständnis des
erstinstanzlichen Urteils. Dieser Fehlvorstellung kommt infolge des
vorinstanzlichen Verweises auf die ermessenskonforme Strafzumessung der ersten
Instanz jedoch keine selbständige Bedeutung zu. Es ist nicht ersichtlich,
wieweit die Vorinstanz ihr Ermessen überschritten hätte. Insgesamt ist eine
Busse von Fr. 500.-- nicht zu beanstanden. Die Rüge ist abzuweisen.

3. 

Die Beschwerde ist abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden kann. Die
Gerichtskosten sind ausgangsgemäss dem Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 66
Abs. 1 BGG). Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege ist in Anwendung von
Art. 64 BGG wegen Aussichtslosigkeit abzuweisen. Der finanziellen Lage des
Beschwerdeführers ist mit reduzierten Gerichtskosten Rechnung zu tragen (Art.
65 Abs. 2 BGG).

 Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 

Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.

2. 

Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung wird abgewiesen.

3. 

Die Gerichtskosten von Fr. 1'200.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

4. 

Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Zürich, I.
Strafkammer, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 4. Februar 2020

Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung

des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Denys

Der Gerichtsschreiber: Reut