Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Zivilrechtliche Abteilung, Beschwerde in Zivilsachen 5A.152/2020
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Bundesgericht

Tribunal fédéral

Tribunale federale

Tribunal federal

               

5A_152/2020

Urteil vom 7. April 2020

II. zivilrechtliche Abteilung

Besetzung

Bundesrichter Herrmann, Präsident,

Bundesrichter Marazzi, von Werdt,

Gerichtsschreiber Möckli.

Verfahrensbeteiligte

A.________,

vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Angelo Schwizer,

Beschwerdeführer,

gegen

Kantonsgericht von Graubünden, I. Zivilkammer,

Beschwerdegegner.

Gegenstand

Rechtsverzögerung (Eheschutz),

Kantonales Verfahren ZK1 19 3.

Sachverhalt:

A.________ und B.________ heirateten im Jahr 2002 und sind die Eltern von
C.________ (geb. 2004), D.________ (geb. 2007) und E.________ (geb. 2011); seit
2017 leben sie getrennt.

Im Rahmen des gleichentags anhängig gemachten Eheschutzverfahrens beantragten
beide Elternteile die Obhut über die Kinder. Mit Entscheid vom 6. Dezember 2018
regelte das Regionalgericht Engiadina Bassa / Val Müstair das Getrenntleben,
wobei es die drei Mädchen unter die Obhut der Mutter stellte und dem Vater im
Sinn einer Minimalregelung ein Besuchsrecht von einem Tag alle zwei Wochen
einräumte.

Im Berufungsverfahren ZK1 19 3 vor dem Kantonsgericht Graubünden verlangte der
Vater namentlich die Obhut über die Kinder, eventualiter ein übliches Besuchs-
und Ferienrecht (zweiwöchentlich Freitag- bis Sonntagabend und 5 Wochen
Ferien), sowie eine entsprechend abgeänderte Unterhaltsregelung.

Mit Gesuch vom 12. April 2019 verlangte der Vater die Regelung des persönlichen
Verkehrs während des Berufungsverfahrens; hierfür legte das Kantonsgericht
unter dem Aktenzeichen ZK1 19 66 ein Verfahren betreffend vorsorgliche
Massnahme an.

Nach mehrmaliger Abmahnung beim Kantonsgericht reichte der Vater am 20. Februar
2020 in beiden Verfahren eine Rechtsverzögerungsbeschwerde beim Bundesgericht
ein. Betreffend die Berufung ZK1 19 3 wurde das vorliegende Beschwerdeverfahren
5A_152/2020 und in Bezug auf die vorsorgliche Massnahme das Beschwerdeverfahren
5A_153/2020 eröffnet. Mit Vernehmlassung vom 25. März 2020 verlangt das
Kantonsgericht die Abweisung der Beschwerde betreffend das Berufungsverfahren;
betreffend das Massnahmeverfahren weistes auf den zwischenzeitlich ergangenen
Entscheid hin, mit welchem das Beschwerdeverfahren 5A_153/2020 gegenstandslos
geworden sei.

Erwägungen:

1. 

Gegen das unrechtmässige verzögern eines anfechtbaren Entscheides kann
jederzeit Beschwerde erhoben werden (Art. 94 BGG). Der zu treffende Entscheid
würde der Beschwerde in Zivilsachen unterliegen (Art. 72 Abs. 1 und Art. 75
Abs. 1 BGG). Auf die Rechtsverzögerungsbeschwerde ist folglich einzutreten.

2. 

Jede Person hat in Verfahren vor Gerichts- und Verwaltungsinstanzen Anspruch
auf Beurteilung innert angemessener Frist (Art. 29 Abs. 1 BV). Die angemessene
Frist lässt sich nicht absolut bestimmen. Eine Rechtsverzögerung liegt vor,
wenn das zuständige Gericht seinen Entscheid nicht binnen der Frist fällt,
welche nach der Natur der Sache und der Gesamtheit der übrigen Umstände (u.a.
Bedeutung für den Betroffenen und Berücksichtigung der fallspezifischen
Entscheidungsabläufe) als angemessen erscheint. Es spielt keine Rolle, auf
welche Gründe die Verzögerung zurückzuführen ist; entscheidend ist, dass das
Gericht nicht fristgerecht handelt (zum Ganzen BGE 135 I 265 E. 4.4 S. 277; 144
II 486 E. 3.2 S. 489).

3. 

Die Vernehmlassung des Kantonsgerichtes beschränkt sich vorab auf die Aussage,
der Beschwerdeführer habe Ende November 2019 eine weitere Eingabe gemacht,
welche das Verfahren verzögert habe. Mit diesem lapidaren Hinweis dürfte sich
das Kantonsgericht auf die Eingabe des Beschwerdeführers vom 27. November 2019
beziehen, mit welcher dieser nochmals auf die aktuelle Situation hingewiesen
und um eine beförderliche Behandlung des Verfahrens gebeten hat. Inwiefern sich
daraus das Berufungsverfahren verzögert haben soll, wird vom Kantonsgericht
nicht dargelegt.

Ferner erfolgt in der Vernehmlassung die weitere Aussage, am 27. Februar 2020
habe das Kantonsgericht in Vollzug des erstinstanzlichen Eheschutzentscheides
die Kinder- und Jugendpsychiatrie aufgefordert, mit den Eltern unverzüglich
Beratungsgespräche aufzunehmen. Diese ebenfalls nicht weiter kommentierte
Aussage soll offenbar andeuten, dass im Berufungsverfahren auch in jüngster
Zeit gerichtliche Handlungen erfolgen. Indes ist die angesprochene Aufforderung
über ein Jahr nach Anhängigmachen der Berufung und augenfällig im Zusammenhang
mit der am 24. Februar 2020 versandten Anzeige der Rechtsverzögerungsbeschwerde
erfolgt. Inwiefern sie das Berufungsverfahren vorantreiben soll, wird nicht
dargelegt.

Das Kantonsgericht hat über die am 7. Januar 2019 gegen den Eheschutzentscheid
eingereichte Berufung zu befinden und streitig ist insbesondere die
Ausgestaltung des Besuchsrechts des Beschwerdeführers. Eheschutzverfahren sind
allgemein dringlich, namentlich wenn es um Kinderbelange geht. Dies gilt
besonders im vorliegenden Fall, in welchem aufgrund des Zeitablaufes und des
über eine grosse Distanzerfolgten Wegzuges der Mutter die unter ihrer Obhut
stehenden Töchter sich dem Vater zunehmend zu entfremden scheinen. Bei dieser
Ausgangslage ist eine rasche Behandlung der Berufung angezeigt. Aus den
beigezogenen Akten geht im Übrigen hervor, dass die Angelegenheit im Prinzip
bereits Anfang des Jahres 2019 spruchreif gewesen wäre, nachdem mit Verfügung
vom 23. Januar 2019 von einem zweiten Schriftenwechsel abgesehen und
bekanntgegeben wurde, dass keine Verhandlung durchgeführt werde. Allerdings
reichte dann die Beiständin am 5. April 2019 von sich aus einen Verlaufsbericht
ein, welchen das Kantonsgericht allen Beteiligten zur Stellungnahme
übermittelte und woraus sich gewissermassen ein weiterer Schriftenwechsel
ergab, welcher jedoch spätestens im August 2019 abgeschlossen war.

Vor diesem Hintergrund ist das Kantonsgericht aufzufordern, das
Berufungsverfahren so rasch als möglich einem Entscheid zuzuführen.

4. 

Es rechtfertigt sich, auf die Erhebung von Gerichtskosten zu verzichten (Art.
66 Abs. 1 und 4 BGG) und - zufolge des angesichts der offensichtlichen
Prozessarmut gutzuheissenden Gesuches um unentgeltliche Rechtspflege und der
Verbeiständung des Beschwerdeführers durch den vertretenden Rechtsanwalt (Art.
64 Abs. 1 und 2 BGG) - diesen aus der Bundesgerichtskasse zu entschädigen.

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 

In dahingehender Gutheissung der Rechtsverzögerungsbeschwerde wird das
Kantonsgericht von Graubünden angehalten, das Berufungsverfahren ZK1 19 3 so
rasch wie möglich einem Entscheid zuzuführen.

2. 

Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

3. 

Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird gutgeheissen und der
Beschwerdeführer wird durch Rechtsanwalt Angelo Schwizer verbeiständet.

4. 

Rechtsanwalt Angelo Schwizer wird aus der Bundesgerichtskasse mit Fr. 1'000.--
entschädigt.

5. 

Dieses Urteil wird den Parteien schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 7. April 2020

Im Namen der II. zivilrechtlichen Abteilung

des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Herrmann

Der Gerichtsschreiber: Möckli