Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 2C.55/2020
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Bundesgericht

Tribunal fédéral

Tribunale federale

Tribunal federal

               

2C_55/2020

Urteil vom 7. April 2020

II. öffentlich-rechtliche Abteilung

Besetzung

Bundesrichter Seiler, Präsident,

Bundesrichterin Aubry Girardin,

Bundesrichter Beusch,

Gerichtsschreiber Businger.

Verfahrensbeteiligte

A.________,

Beschwerdeführer,

vertreten durch Rechtsanwalt Peter Bolzli,

gegen

Migrationsamt des Kantons Zürich,

Sicherheitsdirektion des Kantons Züri ch.

Gegenstand

Widerruf der Aufenthaltsbewilligung EU/EFTA,

Beschwerde gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Zürich, 2.
Abteilung,

vom 13. November 2019 (VB.2019.00563).

Erwägungen:

1.

1.1. A.________ (geb. 1975) ist türkischer Staatsangehöriger. Er heiratete am
29. März 2016 eine im Kanton Zürich niedergelassene deutsche Staatsangehörige
(geb. 1964), reiste am 27. August 2016 in die Schweiz ein und erhielt eine
Aufenthaltsbewilligung EU/EFTA zum Verbleib bei seiner Ehefrau.

1.2. Am 20. August 2018 erhielt das Migrationsamt des Kantons Zürich den
anonymen Hinweis, dass A.________ und seine hiesige Ehefrau eine Scheinehe
führten und er seit 2017 parallel mit einer anderen Frau in der Türkei
verheiratet sei, unter Beilage der entsprechenden Hochzeitsfotos. In der Folge
nahm das Migrationsamt des Kantons Zürich Abklärungen vor und widerrief am 13.
Dezember 2018 die Aufenthaltsbewilligung EU/EFTA von A.________ und wies ihn
aus der Schweiz weg. Die dagegen erhobenen Rechtsmittel wiesen die
Sicherheitsdirektion des Kantons Zürich am 10. Juli 2019 und das
Verwaltungsgericht des Kantons Zürich am 13. November 2019 ab.

1.3. Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten vom 17. Januar
2020 beantragt A.________ dem Bundesgericht, vom Widerruf der
Aufenthaltsbewilligung EU/EFTA und der Wegweisung sei abzusehen. Zudem sei der
Beschwerde die aufschiebende Wirkung zu erteilen. Das Bundesgericht hat die
vorinstanzlichen Akten beigezogen. Mit Verfügung des Abteilungspräsidenten vom
20. Januar 2020 wurde der Beschwerde antragsgemäss aufschiebende Wirkung
zuerkannt.

2.

Der Beschwerdeführer leitet in vertretbarer Weise einen Aufenthaltsanspruch aus
dem Abkommen vom 21. Juni 1999 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft
einerseits und der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten
andererseits über die Freizügigkeit (FZA; SR 0.142.112.681) ab. Die Beschwerde
in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten ist zulässig (Art. 82 lit. a, Art. 83
lit. c Ziff. 2, Art. 86 Abs. 1 lit. d, Abs. 2 und Art. 90 BGG).

3.

Der Beschwerdeführer kann sich als Ehegatte einer in der Schweiz
aufenthaltsberechtigten deutschen Staatsangehörigen grundsätzlich auf die
Bestimmungen des FZA berufen. Der Aufenthaltsanspruch steht allerdings unter
dem Vorbehalt des Rechtsmissbrauchs und fällt dahin, wenn der Wille zur
Ehegemeinschaft fehlt. Die vom originär anwesenheitsberechtigten EU-Bürger
abgeleitete Bewilligung des Drittstaatsangehörigen kann in diesem Fall mangels
Fortdauerns der Bewilligungsvoraussetzungen gestützt auf Art. 23 Abs. 1 der
Verordnung vom 22. Mai 2002 über die Einführung des freien Personenverkehrs
(VEP; SR 142.203) i.V.m. Art. 62 Abs. 1 lit. d AIG (SR 142.20) widerrufen oder
nicht (mehr) verlängert werden (BGE 139 II 393 E. 2.1 S. 395).

4.

Umstritten ist, ob die von der Vorinstanz herangezogenen Indizien ausreichen,
um vom Bestand einer Scheinehe auszugehen.

4.1. Der Beschwerdeführer bringt vor, die Vorinstanz habe die anonym
eingereichten Hochzeitsfotos aus dem Recht gewiesen. Indessen habe sie nicht
beachtet, dass es ohne die Fotos nicht gelungen wäre, ihn zu einem Geständnis
zu bewegen. Demnach seien nicht nur die Hochzeitsfotos unverwertbar, sondern
auch seine Aussagen zur Zweitbeziehung. Ohne diese Aussagen gelinge aber der
Nachweis einer Scheinehe nicht. Sein (ohne Heirat) fehlender
Anwesenheitsanspruch in der Schweiz und der Altersunterschied genügten für sich
alleine nicht. Was die Wohnsituation betreffe, so sei unbestritten, dass die
Eheleute zum Zeitpunkt der polizeilichen Kontrolle nicht im selben Haushalt
gelebt hätten, wozu sie auch nicht verpflichtet seien.

4.2.

4.2.1. Ausgangspunkt des vorliegenden Widerrufsverfahrens war der anonyme
Hinweis an das Migrationsamt vom 20. August 2018. Zu Recht wird nicht infrage
gestellt, dass das Migrationsamt berechtigt war, gestützt darauf Abklärungen
vorzunehmen (Urteil 2C_682/2016 vom 14. September 2017 E. 2.4). Was die
Verwertbarkeit der beigelegten Hochzeitsfotos betrifft, so ist fraglich,
inwieweit es sich dabei überhaupt um rechtswidrig erlangte Beweismittel
handelt. Zumindest der pauschale Vorwurf des Beschwerdeführers im
vorinstanzlichen Verfahren, die Fotos seien durch strafbare Handlungen gegen
den Geheim- und Privatbereich (Art. 179 ff. StGB) zustande gekommen, trifft
angesichts der Natur der Fotos kaum zu. Es ist schwer vorstellbar, dass die
Fotos ohne Einwilligung des Beschwerdeführers aufgenommen worden sind. Die
Frage der Verwertbarkeit der Fotos kann aber ebenso offengelassen werden wie
eine allfällige Fernwirkung (zum Beweisverwertungsverbot im
Verwaltungsverfahren vgl. BGE 139 II 95 E. 3.1 S. 100 f.). Denn wie die
Vorinstanz zutreffend festgehalten hat, hat der Beschwerdeführer seine
aussereheliche Beziehung in der polizeilichen Befragung eingestanden, noch
bevor ihm die Fotos vorgelegt worden sind. Dass er ohne den anonymen Hinweis
nicht zu einer ausserehelichen Liebesbeziehung befragt worden wäre, spielt
keine Rolle, nachdem das Migrationsamt wie erwähnt befugt war, in dieser
Hinsicht Abklärungen vorzunehmen.

4.2.2. Entgegen den Ausführungen in der Beschwerde kann auch keine Rede davon
sein, dass der Beschwerdeführer zu Beginn lediglich eine "Affäre" eingestanden
habe. Er ist ausdrücklich nach einer "Liebesbeziehung mit einer anderen Frau"
gefragt worden und hat eine solche bejaht. Dass er nach dem Vorhalt der Fotos
auch noch das Hochzeitsfest eingestanden hat, spielt keine entscheidende Rolle.
Denn mit dem Eingeständnis der ausserehelichen Beziehung lagen zusammen mit den
übrigen Indizien - Wohnverhältnisse; widersprüchliche Aussagen; fehlender
Aufenthaltsanspruch des Beschwerdeführers ohne Heirat; Altersunterschied -
genügend Hinweise vor, um ohne Rechtsverletzung auf eine Scheinehe schliessen
zu können. Soweit sich der Beschwerdeführer auf die Wohnverhältnisse bezieht,
kann keine Rede davon sein, es sei unbestritten gewesen, dass die Eheleute
nicht im selben Haushalt gelebt hätten. Vielmehr hat der Beschwerdeführer
zuerst ausgeführt, es wohne im selben Haushalt wie seine Ehefrau, und sich erst
nach dem Hinweis auf die polizeiliche Wohnungskontrolle dahingehend korrigiert,
dass er ausgezogen sei. Was die weiteren von der Vorinstanz angeführten
Ungereimtheiten betrifft (vgl. E. 4.2 f. des angefochtenen Urteils), so lässt
die Beschwerde jegliche Auseinandersetzung damit vermissen.

4.3. Vor diesem Hintergrund ist die Vorinstanz zu Recht davon ausgegangen, dass
die aufenthaltsbegründende Ehe des Beschwerdeführers als Scheinehe zu
qualifizieren ist. Damit hat der Beschwerdeführer einen Widerrufsgrund für
seine Aufenthaltsbewilligung gesetzt.

5.

Der Beschwerdeführer rügt weiter, der Widerruf sei unverhältnismässig.

5.1. Der Widerruf der Aufenthaltsbewilligung muss verhältnismässig sein (Art. 5
Abs. 2 BV und Art. 96 AIG). Abzuwägen ist das öffentliche Interesse an der
Wegweisung gegen das private Interesse des Betroffenen am Verbleib in der
Schweiz. Massgebliche Kriterien sind dabei unter anderem die Dauer der
Anwesenheit und der Grad der Integration, die familiären Verhältnisse sowie die
Wiedereingliederungschancen im Herkunftsstaat (BGE 135 II 377 E. 4.3 S. 381
f.).

5.2. Das Verwaltungsgericht hat erwogen, der Beschwerdeführer sei 2016 im Alter
von 41 Jahren in die Schweiz gekommen. Zuvor habe er nach eigenen Angaben über
zehn Jahre lang in Frankreich gelebt. Den grössten Teil seines Lebens und die
prägenden Kindheit habe er aber in der Türkei verbracht. Er sei mit der
dortigen Kultur und Sprache bestens vertraut. In der Schweiz habe er sich in
wirtschaftlicher Hinsicht schnell und gut integriert, während dies in
sprachlicher Hinsicht nicht zutreffe. Angesichts seines rund
dreieinhalbjährigen Aufenthalts sei er nicht derart stark in der Schweiz
verwurzelt, dass ihm eine Rückkehr in die Türkei nicht mehr zugemutet werden
könne (vgl. E. 5.2 des angefochtenen Urteils).

5.3. Was der Beschwerdeführer dagegen vorbringt, verfängt nicht. Auch wenn er
während seines Aufenthalts in Frankreich in Basel als Grenzgänger gearbeitet
und sich in sprachlicher Hinsicht integriert haben sollte, ändert dies nichts
daran, dass er sich erst seit dreieinhalb Jahren in der Schweiz aufhält und mit
den Verhältnissen in seinem Herkunftsstaat - wo er den grössten Teil seines
Lebens verbracht hat - vertraut ist. Zudem müssen gemäss bundesgerichtlicher
Rechtsprechung eine lange Aufenthaltsdauer und eine gute Integration erheblich
relativiert werden, wenn sich der Ausländer rechtsmissbräuchlich verhält und
neben seiner Ehe in der Schweiz eine Parallelbeziehung im Ausland führt
(Urteile 2C_144/2019 vom 25. Februar 2019 E. 2.4; 2C_234/2017 vom 11. September
2017 E. 7.1). Der Widerruf der Aufenthaltsbewilligung EU/EFTA und die
Wegweisung erweisen sich vor diesem Hintergrund als verhältnismässig.

6.

Die Beschwerde ist als offensichtlich unbegründet im vereinfachten Verfahren
abzuweisen (Art. 109 Abs. 2 lit. a und Abs. 3 BGG). Die Gerichtskosten sind dem
Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG).

 Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.

Die Beschwerde wird abgewiesen.

2.

Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

3.

Dieses Urteil wird den Verfahrensbeteiligten, dem Verwaltungsgericht des
Kantons Zürich, 2. Abteilung, und dem Staatssekretariat für Migration
schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 7. April 2020

Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung

des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Seiler

Der Gerichtsschreiber: Businger