Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 2C.258/2020
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Bundesgericht

Tribunal fédéral

Tribunale federale

Tribunal federal

               

2C_258/2020

Urteil vom 14. April 2020

II. öffentlich-rechtliche Abteilung

Besetzung

Bundesrichter Seiler, Präsident,

Bundesrichter Zünd,

Bundesrichterin Aubry Girardin,

Gerichtsschreiber Businger.

Verfahrensbeteiligte

A.A.________ und B.A.________,

Beschwerdeführer,

gegen

Sicherheitsdirektion des Kantons Bern (SID).

Gegenstand

Nichtverlängerung der Aufenthaltsbewilligung EU/EFTA und Wegweisung,

Beschwerde gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Bern,
Verwaltungsrechtliche Abteilung, vom 17. Februar 2020 (100.2020.39U).

Erwägungen:

1.

1.1. Am 28. Januar 2020 (Postaufgabe am 3. Februar 2020) erhoben A.A.________
und B.A.________ Beschwerde beim Verwaltungsgericht des Kantons Bern gegen
einen Entscheid der Polizei- und Militärdirektion des Kantons Bern vom 19.
Dezember 2019 betreffend Nichtverlängerung der Aufenthaltsbewilligung EU/EFTA
und Wegweisung. Das Verwaltungsgericht trat auf die Beschwerde am 17. Februar
2020 wegen Verspätung nicht ein.

1.2. Mit Beschwerde vom 12. März 2020 beantragen A.A.________ und B.A.________
dem Bundesgericht sinngemäss, das Verwaltungsgericht habe ihre Beschwerde
materiell zu beurteilen. Das Bundesgericht hat keine Instruktionsmassnahmen
verfügt.

2.

2.1. Die Vorinstanz hat erwogen, der Entscheid der Polizei- und
Militärdirektion des Kantons Bern vom 19. Dezember 2019 sei am 20. Dezember
2019 in U.________ eingetroffen und habe den Beschwerdeführern nicht zugestellt
werden können, weshalb eine Abholungseinladung hinterlegt worden sei. Gemäss
Art. 44 Abs. 3 des Gesetzes über die Verwaltungsrechtspflege (des Kantons Bern)
vom 23. Mai 1989 (VRPG/BE; BSG 155.21) gelte die Zustellung spätestens am
siebenten Tag nach dem ersten erfolglosen Zustellungsversuch als erfolgt, im
vorliegenden Fall am 27. Dezember 2019. Die Beschwerdefrist von dreissig Tagen
habe am folgenden Tag zu laufen begonnen und am Montag, 27. Januar 2020,
geendet. Die der Post am 3. Februar 2020 übergebene Beschwerde erweise sich
deshalb als verspätet. Fristwiederherstellungsgründe nach Art. 43 Abs. 2 VRPG/
BE seien weder geltend gemacht worden noch ersichtlich.

2.2. Die Beschwerdeführer bringen vor, sie hätten die postalische Abholfrist
verlängern lassen, weil sie über die Feiertage nach Deutschland gefahren seien.
Sie seien davon ausgegangen, dass die Zustellung erst mit der tatsächlichen
Entgegennahme des Entscheids am 6. Januar 2020 erfolgt sei. Diese Auffassung
habe ihnen ein Advokaturbüro bestätigt. Nach der bundesgerichtlichen
Rechtsprechung könne selbst von einem Juristen, der nicht Anwalt sei, nicht
erwartet werden, dass er die Unterscheidung zwischen dem Ende der postalischen
Abholfrist und dem Ende der Legalfrist betreffend Zustellungsfiktion kenne.

3.

3.1. Zu Recht bestreiten die Beschwerdeführer nicht, dass die Verlängerung der
postalischen Abholfrist keinen Einfluss auf den Eintritt der Zustellungsfiktion
hat. Dies ergibt sich aus der gesetzlichen Regelung (Art. 44 Abs. 3 VRPG/BE),
die nicht an die postalische Abholfrist anknüpft, sondern allgemein bestimmt,
dass die Zustellung spätestens am siebenten Tag nach dem ersten erfolglosen
Zustellungsversuch als erfolgt gilt. Auch gemäss bundesgerichtlicher
Rechtsprechung tritt die Zustellungsfiktion unabhängig von einer abweichenden
postalischen Abholfrist ein (BGE 127 I 31 E. 2b S. 34 f.). Schliesslich hält
die Post in ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen "Postdienstleistungen" für
Privatkunden und Geschäftskunden bei der Abholungseinladung ausdrücklich fest,
dass sich die rechtlichen Wirkungen einer Zustellung "unabhängig vom
postalischen Angebot nach den gesetzlichen Vorschriften" beurteilen (Ziff.
2.5.7 lit. b).

3.2. Allerdings hat das Bundesgericht in Bezug auf Art. 44 Abs. 2 BGG, der
inhaltlich der Regelung von Art. 44 Abs. 3 VRPG/BE entspricht, entschieden,
dass weder von einem Laien noch einem nicht als Anwalt tätigen Juristen
verlangt werden könne, die Unterscheidung zwischen dem Ende der postalischen
Abholfrist und dem Ende der Legalfrist betreffend Zustellungsfiktion zu kennen,
auch wenn der Betroffene selber die Verlängerung der Abholfrist veranlasst
habe. Unter Vertrauensgesichtspunkten dürfe ihm daher aus dem
Auseinanderklaffen des Datums der Zustellungsfiktion und des letzten Tages der
postalischen Abholfrist kein Nachteil erwachsen (Urteil 5A_211/2012 vom 25.
Juni 2012 E. 1.3).

3.3. Ob an dieser Rechtsprechung vorbehaltlos festgehalten werden kann, muss im
vorliegenden Fall nicht entschieden werden. Denn selbst wenn davon ausgegangen
würde, dass die auf Gesuch hin gewährte Verlängerung der Abholfrist durch die
Post (als Hilfsperson der verfügenden Behörde) eine unrichtige behördliche
Auskunft betreffend den Lauf der Rechtsmittelfrist darstellt, mangelt es im
vorliegenden Fall daran, dass die Beschwerdeführer auf diese Auskunft vertraut
haben (vgl. BGE 137 II 182 E. 3.6.2 S. 193 zu den Voraussetzungen des
Vertrauensschutzes). Gemäss ihren Ausführungen haben sie sich bei einem
Advokaturbüro über den Fristenlauf erkundigt und sind dort in ihrer falschen
Annahme bestätigt worden, dass die Rechtsmittelfrist mit der tatsächlichen
Entgegennahme des Entscheids zu laufen beginne. In der Folge haben sie sich
"auf die Aussage des Juristen verlassen". Die (behauptete, aber nicht belegte)
Falschauskunft des Advokaturbüros ist den Beschwerdeführern gleich wie das
Fehlverhalten des eigenen Rechtsvertreters zuzurechnen (Urteil 2C_345/2018 vom
11. Oktober 2018 E. 3.4 mit Hinweisen). Dabei spielt die im Urteil 5A_211/2012
vom 25. Juni 2012 vorgenommene Unterscheidung zwischen Anwälten und Juristen
keine Rolle, weil dem beigezogenen Advokaturbüro, das Rechtsberatungen und
-vertretungen in der Deutschschweiz anbietet, die gesetzlichen Bestimmungen zur
Zustellungsfiktion und die hierzu ergangene Rechtsprechung bekannt sein
mussten. Die Beschwerdeführer können sich folglich nicht auf den
Vertrauensschutz berufen.

4.

Bei dieser Sachlage kann offengelassen werden, inwieweit die von den
Beschwerdeführern erhobenen Rügen im Licht von Art. 99 Abs. 1 BGG überhaupt
zulässig gewesen sind, nachdem sie sich gemäss den für das Bundesgericht
verbindlichen vorinstanzlichen Feststellungen (Art. 105 Abs. 1 BGG) im
verwaltungsgerichtlichen Verfahren nicht auf den Vertrauensschutz berufen
haben, obwohl sie ausdrücklich aufgefordert worden sind, zur Fristeinhaltung
Stellung zu nehmen.

5.

Die Beschwerde erweist sich als offensichtlich unbegründet und ist im
vereinfachten Verfahren abzuweisen (Art. 109 Abs. 2 lit. a BGG). Die
Gerichtskosten sind den Beschwerdeführern aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG).

 Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.

Die Beschwerde wird abgewiesen.

2.

Die Gerichtskosten von Fr. 500.-- werden den Beschwerdeführern unter
solidarischer Haftbarkeit auferlegt.

3.

Dieses Urteil wird den Verfahrensbeteiligten, dem Verwaltungsgericht des
Kantons Bern, Verwaltungsrechtliche Abteilung, und dem Staatssekretariat für
Migration schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 14. April 2020

Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung

des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Seiler

Der Gerichtsschreiber: Businger