Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Sozialrechtliche Abteilung, Revision 8F.1/2019
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Bundesgericht

Tribunal fédéral

Tribunale federale

Tribunal federal

               

8F_1/2019

Urteil vom 17. Juli 2019

I. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung

Bundesrichter Maillard, Präsident,

Bundesrichterin Heine, Bundesrichter Wirthlin,

Gerichtsschreiberin Kopp Käch.

Verfahrensbeteiligte

A.________,

vertreten durch Advokat Christian Kummerer,

Gesuchsteller,

gegen

Erziehungsdepartement des Kantons Basel-Stadt, Leimenstrasse 1, 4051 Basel,

Gesuchsgegner.

Gegenstand

Öffentliches Personalrecht,

Revisionsgesuch gegen das Urteil des Schweizerischen Bundesgerichts vom 3.
August 2010 (8C_373/2010 [617/2009]).

Sachverhalt:

A. 

Mit Urteil 8C_373/2010 vom 3. August 2010 wies das Bundesgericht eine
Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten des A.________ gegen einen
Entscheid des Appellationsgerichts des Kantons Basel-Stadt vom 15. Oktober 2009
im Bereich des öffentlichen Personalrechts ab und trat auf eine
Verfassungsbeschwerde nicht ein.

B. 

A.________ lässt - unter Hinweis auf das bundesgerichtliche Urteil 6B_383/2018
vom 15. November 2018 - ein Revisionsgesuch einreichen mit dem Rechtsbegehren,
es sei das Urteil des Bundesgerichts 8C_373/2010 vom 3. August 2010 in Revision
zu ziehen und der Entscheid des Appellationsgerichts des Kantons Basel-Stadt
vom 15. Oktober 2009 sei in Gutheissung der Beschwerde vom 30. April 2010
aufzuheben.

Das Appellationsgericht beantragt die Abweisung des Revisionsgesuchs, soweit
darauf eingetreten werden könne. Das Erziehungsdepartement des Kantons
Basel-Stadt verzichtet auf eine Vernehmlassung.

Zur Eingabe des Appellationsgerichts nimmt A.________ persönlich Stellung.
Zudem lässt sich sein Rechtsvertreter dazu vernehmen.

Erwägungen:

1.

1.1. Urteile des Bundesgerichts erwachsen am Tag ihrer Ausfällung in
Rechtskraft (Art. 61 BGG). Eine nochmalige Überprüfung der einem Urteil des
Bundesgerichts zu Grunde liegenden Streitsache ist grundsätzlich
ausgeschlossen. Das Gericht kann auf seine Urteile nur zurückkommen, wenn einer
der in den Art. 121 bis 123 BGG abschliessend aufgeführten Revisionsgründe
vorliegt (SVR 2014 UV Nr. 22 S. 70, Urteil 8F_14/2013 E. 1.1; Urteil 8F_9/2017
vom 15. Januar 2018 E. 1.1).

1.2. Da es sich bei der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten um
ein reformatorisches Rechtsmittel handelt (Art. 107 Abs. 2 BGG), führt dessen
Gutheissung oder Abweisung auf der Grundlage der im angefochtenen Entscheid
festgestellten Tatsachen dazu, dass der Entscheid des Bundesgerichts an die
Stelle des angefochtenen tritt. In solchen Fällen ist das Revisionsbegehren
beim Bundesgericht zu stellen, da das Urteil des Bundesgerichts den einzigen in
Rechtskraft erwachsenen Entscheid darstellt, der in diesem Zeitpunkt der
Revision zugänglich ist (BGE 134 III 669 E. 2.2 S. 670 f.; Urteil 4F_8/2010 vom
18. April 2011 E. 1.1 mit Hinweisen). Soweit jedoch auf die Beschwerde in
öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten nicht eingetreten wurde oder
ausschliesslich Aspekte aufgegriffen werden, die vor Bundesgericht nicht (mehr)
Streitgegenstand bildeten, ist das Revisionsgesuch bei der betreffenden
kantonalen Instanz zu stellen (Urteile 4F_11/2013 vom 16. Oktober 2013 E. 3.2.1
und 8C_602/2011 vom 30. September 2011 E. 1.3, je mit Hinweisen).

Da das Bundesgericht die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten
im Verfahren 8C_373/2010 abgewiesen hatte und der Gesuchsteller aus neuen
Tatsachen die Ungültigkeit des gesamten ans Bundesgericht weitergezogenen
Entscheids des Appellationsgerichts des Kantons Basel-Stadt vom 15. Oktober
2009 ableiten will, ist das Bundesgericht zur Entgegennahme des
Revisionsgesuchs zuständig.

1.3. Nach Art. 123 Abs. 2 lit. a BGG kann die Revision in
öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten verlangt werden, wenn die ersuchende
Partei nachträglich erhebliche Tatsachen erfährt oder entscheidende
Beweismittel auffindet, die sie im früheren Verfahren nicht beibringen konnte,
unter Ausschluss der Tatsachen und Beweismittel, die erst nach dem Entscheid
entstanden sind.

1.4. Das Revisionsgesuch ist gemäss Art. 124 Abs. 1 lit. d BGG innert 90 Tagen
nach der Entdeckung des Revisionsgrundes, frühestens nach Eröffnung der
vollständigen Ausfertigung des Entscheids einzureichen.

2.

2.1. Der Gesuchsteller beruft sich auf den Revisionsgrund einer nachträglich
entdeckten erheblichen Tatsache gemäss Art. 123 Abs. 2 lit. a BGG. Er habe
durch das Urteil 6B_383/2018 vom 15. November 2018 von der bundesrechtswidrigen
Fallzuteilung am Appellationsgericht des Kantons Basel-Stadt erfahren, welche
auch bei seinem damaligen, mit Entscheid vom 15. Oktober 2009 abgeschlossenen
Beschwerdeverfahren entsprechend ausgeübt worden sei.

2.2. Das Appellationsgericht macht im Wesentlichen geltend, das Revisionsgesuch
sei verspätet eingereicht worden. Zum einen hätte der Gesuchsteller bereits im
damaligen Verfahren die Spruchkörperbildung des Gerichts in Frage stellen
können; zum anderen hätte der anwaltlich vertretene Gesuchsteller spätestens
nach der Veröffentlichung des Urteils 1C_187/2017, 1C_327/2017 vom 20. März
2018 Anlass gehabt, die entsprechende Rüge zu erheben.

2.3. Auf die Frage der fristgerechten Einreichung des Revisionsgesuchs braucht
indessen nicht näher eingegangen zu werden, da dieses ohnehin abzuweisen ist.

3.

3.1. Zur Konventions- und Verfassungsmässigkeit der Bildung des Spruchkörpers
am Appellationsgericht bzw. Strafgericht des Kantons Basel-Stadt sind mehrere
Urteile des Bundesgerichts ergangen:

3.1.1. So hat das Bundesgericht im Urteil 1B_491/2016 vom 24. März 2017
dargelegt, gemäss Beschluss der Präsidentenkonferenz vom 20. Oktober 2016 gelte
bis zum Erlass des neuen Organisationsreglements die seit Jahrzehnten ausgeübte
Praxis weiter, wonach die Erste Gerichtsschreiberin die Spruchkörper
zusammensetze. Mangels anderer Vorbringen sei davon auszugehen, dass sie dabei
praxisgemäss nach objektiven Kriterien unter Berücksichtigung der Geschäftslast
und der Verfügbarkeit der Richter vorgehe. Da ein gewisses Ermessen bei der
Zusammenstellung der Richterbank zulässig sei, so das Bundesgericht damals,
erweise sich diese übergangsrechtliche und damit nur für einen zeitlich eng
begrenzten Zeitraum bis zum anstehenden Erlass eines neuen
Organisationsreglements geltende Regelung als konventions- und
verfassungskonform (E. 1.3).

3.1.2. Im Rahmen eines abstrakten Normenkontrollverfahrens hat das
Bundesgericht im Urteil 1C_187/2017, 1C_327/2017 vom 20. März 2018 (publiziert
in ZBl 119/2018 S. 343 sowie EuGRZ 2019 S. 76) sodann entschieden, das
Organisationsreglement des Strafgerichts des Kantons Basel-Stadt vom 16.
Dezember 2016 erfülle die verfassungsrechtlichen Anforderungen an ein Gericht
nicht vollständig, weshalb § 12 aufzuheben sei und das Strafgericht
unverzüglich eine Übergangslösung zu finden habe. Zur Begründung führte es im
Wesentlichen aus, § 12 des Organisationsreglements enthalte hinsichtlich der
Zusammensetzung der Richterbank neben einem Hinweis auf die gesetzlichen
Vorgaben einzig das Kriterium der Verfügbarkeit der Richter und delegiere die
Aufgabe im übrigen vollständig an die Kanzlei A, welche dem Ersten
Gerichtsschreiber als Verwaltungschef unterstellt sei. Soweit bei der Zuteilung
überhaupt kein Spielraum bestehe, weil sie nach starren Kriterien erfolge,
stünden einer solchen Delegation an eine gerichtsinterne, nicht richterliche
Instanz keine Bedenken entgegen. Räume dagegen die gesetzliche Normierung - wie
in § 12 des Organisationsreglements - Ermessen ein, erscheine es unabdingbar,
dessen Ausübung einem Richter als unabhängigem, nicht weisungsgebundenem Organ
vorzubehalten. Sowohl einer Gerichtskanzlei als auch einem Gerichtsschreiber
fehle diese Unabhängigkeit und sie verfügten auch nicht über demokratische
Legitimation. Diesfalls biete eine Gerichtskanzlei nicht hinreichend Gewähr für
eine sachliche Handhabung des eingeräumten Ermessens (E. 7 und 8).

3.1.3. Im Urteil 6B_383/2018 vom 15. November 2018 schliesslich hat das
Bundesgericht erwogen, die am Appellationsgericht des Kantons Basel-Stadt für
die Spruchkörperbildung zuständige Erste Gerichtsschreiberin verfüge in
Anbetracht der acht Gerichtspräsidien und vierzehn nebenamtlichen Richterinnen
und Richter über ein erhebliches Ermessen. Dies sei mit den verfassungs- und
konventionsrechtlichen Vorgaben gemäss dem unter E. 3.1.2 wiedergegebenen
Urteil 1C_187/2017, 1C_327/2017 vom 20. März 2018 unvereinbar. Daran ändere
nichts, dass die Gerichtsschreiberin im Voraus bestimmte Kriterien wie die
zeitliche Verfügbarkeit der Richterinnen und Richter, deren Belastung und
fachliche Spezialisierung zu beachten habe. Zu keinem anderen Ergebnis führe
auch das unter E. 3.1.1 wiedergegebene Urteil 1B_491/2016 vom 24. März 2017, in
welchem das Bundesgericht die übergangsrechtliche Spruchkörperbesetzung am
Appellationsgericht durch die Erste Gerichtsschreiberin als verfassungs- und
konventionskonform erklärt habe. Die damals vertretene Auffassung lasse sich im
Lichte der geänderten Rechtsprechung, namentlich des Urteils 1C_187/2017,
1C_327/2017 vom 20. März 2018, nicht aufrechterhalten. Das Bundesgericht hob
den angefochtenen Entscheid auf und wies die Sache zu neuer Beurteilung ans
Appellationsgericht zurück (E. 1.2.2 + 2).

3.2. Wie in E. 3.1 hiervor aufgezeigt, hat sich die Rechtsprechung des
Bundesgerichts zur Frage der Konventions- und Verfassungskonformität der
Spruchkörperbildung am Appellationsgericht des Kantons Basel-Stadt geändert.
Die Änderung der Rechtsprechung bildet indes wie auch Verletzungen von
Bundesrecht keinen Revisionsgrund im Sinne von Art. 123 Abs. 2 lit. a BGG.
Unter diesem Titel sind nur Tatsachen und Beweise bedeutsam, die im früheren
Verfahren vorhanden waren, also nicht neu sind (unechte Noven; ELISABETH
ESCHER, Basler Kommentar, Bundesgerichtsgesetz [BGG], 3. Aufl. 2018, N 5 und 7
zu Art. 123; PIERRE FERRARI, Commentaire de la LTF, 2. Aufl. 2014, N. 15 zu
Art. 123 BGG mit Hinweis auf BGE 120 V 131). Die Geltendmachung echter Noven,
das heisst von Tatsachen, die sich erst nach Abschluss des zu revidierenden
Urteils zugetragen haben, ist ausgeschlossen (SEILER/VON WERDT/GÜNGERICH/
OBERHOLZER, Bundesgerichtsgesetz [BGG], 2. Aufl., Bern 2015, N 7 zu Art. 123).
Ohnehin ist der einschlägige Revisionsgrund immer nur dann gegeben, wenn das
angefochtene Urteil auf einem falschen oder unvollständigen Sachverhalt beruht,
welcher durch die Berücksichtigung nunmehr vorgebrachter Tatsachen oder Beweise
korrigiert werden kann, was zu einem andern rechtlichen Ergebnis führt (ESCHER,
a.a.O., N 6 zu Art. 123). Eine Rechtsprechungsänderung entspricht hingegen
einer rechtlichen Neubewertung. Eine geänderte oder präzisierte Rechtsprechung
bildet denn auch regelmässig keinen Grund, revisionsweise auf eine formell
rechtskräftige Verwaltungsverfügung zurückzukommen, weil es sich dabei nicht um
neue oder geänderte Tatsachen handelt (Urteil 9F_7/2008 vom 9. September 2008
E. 2.2 mit Hinweis auf BGE 120 V 128 E. 3b S. 131 und 115 V 308 E. 4a/bb S.
313; vgl. auch Urteil 8C_481/2013 vom 7. November 2013 E. 5, nicht publ. in:
BGE 139 V 585, aber in SVR 2014 UV Nr. 7 S. 21, und Urteil 8C_495/2018 vom 24.
Januar 2019 E. 5.5).

3.3. Das Revisionsgesuch ist nach dem Gesagten unbegründet.

4. 

Das Verfahren ist kostenpflichtig (Art. 65 Abs. 1 BGG). Die Gerichtskosten
werden dem unterliegenden Gesuchsteller auferlegt (Art. 66 Abs. 1 BGG).

 Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 

Das Revisionsgesuch wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.

2. 

Die Gerichtskosten von Fr. 3000.- werden dem Gesuchsteller auferlegt.

3. 

Dieses Urteil wird den Parteien und dem Appellationsgericht des Kantons
Basel-Stadt als Verwaltungsgericht schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 17. Juli 2019

Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung

des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Maillard

Die Gerichtsschreiberin: Kopp Käch