Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Sozialrechtliche Abteilung, Revision 8F.10/2019
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Bundesgericht

Tribunal fédéral

Tribunale federale

Tribunal federal

               

8F_10/2019

Urteil vom 29. August 2019

I. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung

Bundesrichter Maillard, Präsident,

Bundesrichterinnen Heine, Viscione,

Gerichtsschreiberin Elmiger-Necipoglu.

Verfahrensbeteiligte

A.________,

vertreten durch Rechtsanwalt Marco Unternährer,

Gesuchsteller,

gegen

AXA Versicherungen AG, General Guisan-Strasse 40, 8400 Winterthur,

vertreten durch Rechtsanwalt Martin Bürkle,

Gesuchsgegnerin.

Gegenstand

Unfallversicherung,

Revisionsgesuch gegen das Urteil des Schweizerischen Bundesgerichts vom 30.
Oktober 2018 (8C_512/2018).

Sachverhalt:

A. 

A.________, geboren 1979, erlitt am 9. Dezember 2004 einen Verkehrsunfall, bei
dem er sich unter anderem ein Schädelhirntrauma mit diversen Schädel- und
Gesichtsschädelfrakturen zuzog. Mit Verfügung vom 25. Mai 2010 stellte die AXA
Versicherungen AG (nachfolgend AXA) die vorübergehenden Versicherungsleistungen
per 31. Dezember 2009 ein und sprach dem Versicherten für die Unfallfolgen an
Knie, Ellbogen und Auge links eine Integritätsentschädigung von 30 % zu. Im
Übrigen verneinte sie einen Rentenanspruch. Das Kantonsgericht Luzern hiess mit
Entscheid vom 13. September 2013 eine dagegen gerichtete Beschwerde insoweit
gut, als sie die AXA dazu verpflichtete, eine medizinische Begutachtung
einzuholen und über die Leistungspflicht neu zu verfügen. Gestützt auf das
polydisziplinäre Gutachten des Begutachtungszentrum BL (BEGAZ) vom 4. Juli 2014
verfügte die AXA am 4. Mai 2016 die Leistungseinstellung per 31. Dezember 2007,
sprach dem Versicherten eine Integritätsentschädigung von 35 % zu und verneinte
den Anspruch auf eine Invalidenrente. Mit Einspracheentscheid vom 22. Juni 2017
hielt sie daran fest. Das Kantonsgericht Luzern bestätigte den
Einspracheentscheid mit Entscheid vom 28. Juni 2018. Das Bundesgericht wies die
dagegen erhobene Beschwerde mit Urteil 8C_512/2018 vom 30. Oktober 2018 ab.

B. 

Mit Eingabe vom 26. April 2019 lässt A.________ gestützt auf einen Bericht des
Dr. med. B.________, Facharzt für Neurologie, vom 25. April 2019, sowie einen
Bericht des Prof. Dr. med. C.________, Facharzt FMH für Hals- Nasen-und
Ohrenkrankheiten, vom 1. Februar 2019, um Revision des Urteils des
Bundesgerichts vom 30. Oktober 2018 ersuchen, und die Rückweisung der Sache an
die AXA zur ergänzenden medizinischen Abklärung beantragen. Zudem ersucht er um
Rückerstattung sämtlicher Untersuchungs- und Berichtskosten des Dr. med.
B.________ und des Prof. Dr. med. C.________.

Die AXA schliesst auf Abweisung des Revisionsgesuchs, soweit hierauf
eingetreten werden könne. Das Bundesamt für Gesundheit verzichtet auf eine
Vernehmlassung.

Erwägungen:

1.

1.1. Urteile des Bundesgerichts erwachsen am Tag ihrer Ausfällung in
Rechtskraft (Art. 61 BGG). Eine nochmalige Überprüfung der einem Urteil des
Bundesgerichts zu Grunde liegenden Streitsache ist grundsätzlich
ausgeschlossen. Das Gericht kann auf seine Urteile nur zurückkommen, wenn einer
der in den Art. 121 ff. BGG abschliessend aufgeführten Revisionsgründe vorliegt
(SVR 2014 UV Nr. 22 S. 70, 8F_14/2013 E. 1.1; Urteil 8F_1/2019 vom 17. Juli
2019 E. 1.1).

1.2. Gemäss Art. 123 Abs. 2 lit. a BGG kann die Revision in
öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten verlangt werden, wenn die ersuchende
Partei nachträglich erhebliche Tatsachen erfährt oder entscheidende
Beweismittel auffindet, die sie im früheren Verfahren nicht beibringen konnte,
unter Ausschluss der Tatsachen und Beweismittel, die erst nach dem Entscheid
entstanden sind.

1.3. Die Revision erfolgt demzufolge nicht wegen neuer, sondern wegen
nachträglich neu entdeckter Tatsachen und Beweismittel (BGE 143 III 272 E. 2.1
S. 275). Sie setzt rechtsprechungsgemäss erstens voraus, dass der Gesuchsteller
eine Tatsache geltend macht. Diese muss zweitens erheblich, das heisst geeignet
sein, die tatbeständliche Grundlage des angefochtenen Urteils zu verändern und
bei zutreffender rechtlicher Würdigung zu einer andern Entscheidung zu führen.
Drittens muss sich die Tatsache bereits vor dem zu revidierenden Urteil
beziehungsweise bis zum Zeitpunkt, da im Hauptverfahren noch tatsächliche
Vorbringen prozessual zulässig waren, verwirklicht haben (unechtes Novum).
Tatsachen, die erst nach dem Entscheid entstanden sind, also echte Noven,
werden nach Art. 123 Abs. 2 lit. a BGG - wie auch nach Art. 328 Abs. 1 lit. a
ZPO - ausdrücklich ausgeschlossen. Viertens muss die Tatsache nachträglich,
also nach diesem Zeitpunkt entdeckt worden sein. Fünftens ist erforderlich,
dass der Gesuchsteller die Tatsache im Hauptverfahren trotz hinreichender
Sorgfalt nicht vorbringen konnte. Ein neues Beweismittel sodann hat erstens dem
Beweis einer früheren Tatsache, also eines unechten Novums zu dienen. Es muss
zweitens erheblich, das heisst geeignet sein, eine Änderung des Urteils
zugunsten des Gesuchstellers zu bewirken. Drittens muss es bereits vor dem zu
revidierenden Urteil (beziehungsweise bis zum Zeitpunkt, da es im
Hauptverfahren prozessual zulässigerweise noch hätte eingebracht werden können)
bestanden haben. Viertens darf es erst nachträglich entdeckt worden sein.
Fünftens wird verlangt, dass es der Revisionsgesuchsteller unverschuldet nicht
im früheren Verfahren einreichen konnte (BGE 143 III 272 E. 2.2 S. 275 f.;
Urteil 8F_3/2019 vom 26. Februar 2019 E. 1.3).

1.4. Nach konstanter Rechtsprechung hat sich ein neues Beweismittel sodann auf
die Sachverhaltsermittlung zu beziehen. Eine bloss abweichende Würdigung des
nämlichen Sachverhalts reicht als Revisionsgrund nicht aus. Für eine Revision
des Urteils im Hauptverfahren ist erforderlich, dass das Bundesgericht eine
unrichtige Sachverhaltswürdigung vorgenommen hat, weil für das Urteil
wesentliche Tatsachen nicht bekannt waren oder unbewiesen blieben, und bei
richtigem Urteilsfundament anders zu entscheiden gewesen wäre. Dies ist
revisionsweise zu berichtigen (SVR 2016 IV Nr. 7 S. 21, 8F_15/2015 E. 2; SVR
2014 UV Nr. 22 S. 70, 8F_14/2013 E. 1.2; Urteil 8F_9/2017 vom 15. Januar 2018
E. 1.3).

2. 

Im Verfahren 8C_512/2018 war die Leistungspflicht der AXA ab dem 1. Januar 2008
(Taggelder und Heilkosten) sowie die Höhe der zugesprochenen
Integritätsentschädigung streitig. Das Bundesgericht kam in seinem Urteil vom
30. Oktober 2018, dessen Revision der Gesuchsteller verlangt, zum Schluss, dass
keine konkreten Indizien vorliegen, die gegen die Zuverlässigkeit des
BEGAZ-Gutachten vom 4. Juli 2014 sprechen. Die Vorinstanz habe demzufolge kein
Bundesrecht verletzt, als sie für die Beurteilung der Leistungsansprüche,
insbesondere für die Arbeitsfähigkeit (E. 4) und die Schätzung des
Integritätsschadens (E. 5), auf das genannte Gutachten abstellte und in
antizipierter Beweiswürdigung auf weitere Abklärungen verzichtete.

3. 

Der Gesuchsteller beruft sich zur Begründung seines Revisionsgesuchs auf die
Berichte des Dr. med. B.________ vom 25. April 2019, der seine Beurteilung im
Wesentlichen gestützt auf eine neue MRI-Bildgebung vom 15. Februar 2019
verfasste, und des Prof. Dr. med. C.________ vom 1. Februar 2019. Gemäss der
Ansicht des Gesuchstellers seien die Berichte Revisionsgründe, weil sie
beweisend dafür seien, dass zum Zeitpunkt der ablehnenden Verfügung der AXA
Verletzungen vorlagen, die zum damaligen Zeitpunkt nicht bzw. völlig
unzureichend bildgebend erfasst worden seien. Er verkennt dabei, dass es sich
bei den beiden Berichten und der MRI-Bildgebung vom 15. Februar 2019 um
Beweismittel handelt, die erst nach dem zu revidierenden Urteil,
beziehungsweise nach dem Zeitpunkt entstanden sind, zu dem sie im
Hauptverfahren prozessual zulässigerweise noch hätten eingebracht werden können
(vgl. dazu BGE 143 III 272 E. 2.3.2 und hiervor E. 1.2). Demzufolge sind die
angerufenen Beweismittel unzulässig, da die dritte Voraussetzung für eine
Revision gemäss Art. 123 Abs. 2 lit. a BGG nicht erfüllt ist (vgl. hiervor E.
1.3). Dabei spielt es keine Rolle, dass die Beweismittel dazu bestimmt sind,
bereits vorbestehende Tatsachen zu beweisen (vgl. E. 1.3 hiervor; Urteile 5F_26
/2018 vom 18. Juli 2019 E. 2.3; 8F_3/2019 vom 26. Februar 2019 E. 3.1 4F_7/2018
vom 28. Juli 2018 E. 2.1.2 und E. 2.3.3.1, 4F_18/2017 vom 4. April 2018 E.
3.1.2 und E. 3.3.1). Ferner legt der Beschwerdeführer auch nicht dar, weshalb
die neue MRI-Bildgebung nicht bereits im Hauptverfahren hätte erstellt und
eingebracht werden können, zumal er deren Notwendigkeit bereits damals gerügt
hatte. Somit fehlt es auch an der fünften der kumulativ bedingten
Voraussetzungen. Eine Revision gestützt auf die eingereichten Beweismittel ist
somit ausgeschlossen.

4. 

Zusammenfassend liegt kein Revionsgrund im Sinne von Art. 123 Abs. 2 lit. a BGG
vor. Demzufolge sind auch die Untersuchungs- und Berichtskosten der
behandelnden Ärzte nicht von der Gesuchsgegnerin unter diesem Titel
zurückzuerstatten.

5. 

Das Verfahren ist kostenpflichtig (Art. 65 Abs. 1 BGG). Die Gerichtskosten
werden dem unterliegenden Gesuchsteller auferlegt (Art. 66 Abs. 1 BGG.

 Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 

Das Revisionsgesuch wird abgewiesen.

2. 

Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden dem Gesuchsteller auferlegt.

3. 

Dieses Urteil wird den Parteien, dem Kantonsgericht Luzern, 3. Abteilung, und
dem Bundesamt für Gesundheit schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 29. August 2019

Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung

des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Maillard

Die Gerichtsschreiberin: Elmiger-Necipoglu