Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 8C.9/2019
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Bundesgericht

Tribunal fédéral

Tribunale federale

Tribunal federal

               

8C_9/2019

Urteil vom 22. August 2019

I. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung

Bundesrichter Maillard, Präsident,

Bundesrichterin Heine, Bundesrichter Parrino, Wirthlin, Bundesrichterin
Viscione,

Gerichtsschreiber Grunder.

Verfahrensbeteiligte

A.________,

handelnd durch B.________ und C.________,

und diese vertreten durch Procap Schweiz,

Beschwerdeführer,

gegen

IV-Stelle des Kantons St. Gallen,

Brauerstrasse 54, 9016 St. Gallen,

Beschwerdegegnerin.

Gegenstand

Invalidenversicherung (Assistenzbeitrag),

Beschwerde gegen den Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons St. Gallen
vom 29. Oktober 2018 (IV 2016/307).

Sachverhalt:

A.

A.a. A.________ kam am 7. Oktober 2013 in der 32. Schwangerschaftswoche - somit
zu früh - zur Welt. Ihm wurden Herz- und Gefässmissbildungen attestiert, unter
anderem eine mittelschwere pulmonalarterielle Hypertonie und eine
Lungenfunktionsstörung mit primärem Atemnotsyndrom, bei Wachstumsretardierung.
Im Anschluss an einen rund zweimonatigen Aufenthalt im Spital D.________ wurde
der Bub am 2. Dezember 2013 in das Spital E.________ überführt, wo auch
cerebrale Bewegungsstörungen diagnostiziert wurden. Nach einem
Kostengutsprachegesuch des Spitals D.________ vom 9. Oktober 2013 und Anmeldung
zum Leistungsbezug sprach die IV-Stelle St. Gallen A.________ nach
entsprechenden Abklärungen die zur Behandlung der Geburtsgebrechen Ziff. 247,
313, 395, 494 und 495 (Verordnung über Geburtsgebrechen [GgV; SR 831.232.21])
notwendigen medizinischen Massnahmen zu (Mitteilungen vom 31. März 2014). Mit
Mitteilungen vom 6. August 2015 anerkannte die IV-Stelle ihre Leistungspflicht
im Wesentlichen gestützt auf den Bericht des Spitals E.________ vom 8. Juni
2015, wo der Versicherte immer noch stationär behandelt wurde, für weitere
Geburtsgebrechen (Ziff. 251, 280, 303, 387, 390, 462, 463). Nach dem erwähnten
Bericht befand sich der Patient mit ausgeprägtem Entwicklungsrückstand auf der
Intensivstation, war tracheotomiert und wurde rund um die Uhr künstlich
beatmet; eine Entlassung aus der stationären Behandlung kam wohl frühestens zum
Jahreswechsel 2015/2016 in Frage.

A.b. Am 31. August 2015 meldeten die Eltern A.________ bei der IV-Stelle zum
Bezug von Hilflosenentschädigung an. Laut ihren Angaben war das Kind bei
sämtlichen alltäglichen Lebensverrichtungen auf regelmässige und erhebliche
Dritthilfe angewiesen; er benötigte zudem eine dauernde
medizinisch-pflegerische Hilfe und eine ständige persönliche Überwachung. Am
30. November 2015 ersuchten sie die Verwaltung, einen Assistenzbeitrag zu
leisten. Gemäss Abklärungsbericht für eine Hilflosenentschädigung für
Minderjährige (inkl. Intensivpflegezuschlag) vom 25. April 2016 litt der
Versicherte, der am 20. Dezember 2015 aus der Spitalpflege entlassen worden war
und seither bei den Eltern wohnte, unter anderem an einem erheblichen
Entwicklungsrückstand, der mit praktisch ständig notwendiger künstlicher
Beatmung verbunden war, wobei wegen eines schweren Reflux immer wieder Luft und
Magensaft abzusaugen waren. Die Abklärungsperson berichtete aber auch über
erfreuliche Fortschritte seit der Entlassung aus dem Spitals E.________;
A.________ sei wacher und bewegungsfreudiger geworden, was die Betreuung jedoch
nicht vereinfache. Insgesamt bescheinigte die Abklärungsbeauftragte der
IV-Stelle eine Hilflosigkeit für sämtliche alltäglichen Lebensverrichtungen und
die Notwendigkeit dauernder Überwachung. Am 25. Mai 2016 notierte sie, dass
sich der gesamte Mehraufwand auf 14 Stunden und 54 Minuten belaufe, wovon zehn
Stunden für denjenigen Anteil abzuziehen seien, der von der Spitex erbracht
werde, was einen Intensivpflegezuschlag von vier Stunden ergebe. Da der
tägliche Mehraufwand (4 Stunden und 54 Minuten) unter sechs Stunden liege,
bestehe kein Anspruch auf Assistenzbeitrag.

A.c. Nach durchgeführtem Vorbescheidverfahren sprach die IV-Stelle dem
Versicherten mit einer ersten Verfügung vom 28. Juli 2016 eine Entschädigung
wegen Hilflosigkeit schweren Grades und einen Intensivpflegezuschlag für einen
Betreuungsaufwand von mindestens vier Stunden pro Tag zu. Mit der gleichentags
erlassenen Verfügung lehnte sie das Begehren um Assistenzbeitrag ab.

B. Gegen die gleichentags erlassenen Verfügungen der IV-Stelle liess A.________
Beschwerde führen. Das Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen sprach dem
Versicherten einen Intensivpflegezuschlag bei einem Betreuungsaufwand von
mindestens sechs Stunden pro Tag zu. Betreffend den geltend gemachten Anspruch
auf einen Assistenzbeitrag wies es die Beschwerde ab.

C. 

Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten lässt A.________
beantragen, es sei ihm unter Aufhebung des vorinstanzlichen Entscheids ein
Assistenzbeitrag zuzusprechen und die Sache sei an die IV-Selle zur Festsetzung
des Betrags zurückzuweisen.

Die IV-Stelle hat sich nicht vernehmen lassen. Das Versicherungsgericht des
Kantons St. Gallen verzichtet auf eine Stellungnahme. Das Bundesamt für
Sozialversicherung (BSV) schliesst auf Gutheissung der Beschwerde.

Erwägungen:

1. 

Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann wegen
Rechtsverletzungen gemäss Art. 95 und 96 BGG erhoben werden. Das Bundesgericht
wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Es ist folglich
weder an die in der Beschwerde geltend gemachten Argumente noch an die
Erwägungen der Vorinstanz gebunden; es kann eine Beschwerde aus einem anderen
als dem angerufenen Grund gutheissen und es kann sie mit einer von der
Argumentation der Vorinstanz abweichenden Begründung abweisen.

2. 

Streitig ist, ob das kantonale Gericht Bundesrecht verletzt hat, indem es einen
Anspruch des minderjährigen Beschwerdeführers auf einen Assistenzbeitrag
verneinte.

2.1.

2.1.1. Nach Art. 42quater Abs. 1 IVG (in Kraft seit 1. Januar 2012) haben
Versicherte Anspruch auf einen Assistenzbeitrag:

a. denen eine Hilflosenentschädigung der IV nach Artikel 42 Absätze 1-4
ausgerichtet wird;

b. die zu Hause leben; und

c. die volljährig sind.

Der Bundesrat legt die Voraussetzungen fest, unter denen Personen mit
eingeschränkter Handlungsfähigkeit keinen Anspruch auf einen Assistenzbeitrag
haben (Abs. 2). Er legt die Voraussetzungen fest, unter denen Minderjährige
Anspruch auf einen Assistenzbeitrag haben (Abs. 3).

2.1.2. In diesem Sinne hat der Verordnungsgeber in Art. 39a IVV festgelegt,
dass minderjährige Versicherte Anspruch auf einen Assistenzbeitrag haben, wenn
sie die Voraussetzungen nach Artikel 42quater Absatz 1 Buchstaben a und b IVG
erfüllen und:

a. regelmässig die obligatorische Schule in einer Regelklasse besuchen, eine
Berufsausbildung auf dem regulären Arbeitsmarkt oder eine andere Ausbildung auf
Sekundarstufe II absolvieren;

b. während mindestens 10 Stunden pro Woche eine Erwerbstätigkeit auf dem
regulären Arbeitsmarkt ausüben; oder

c. denen ein Intensivpflegezuschlag für einen Pflege- und Überwachungsbedarf
nach Artikel 42ter Absatz 3 IVG von mindestens 6 Stunden pro Tag ausgerichtet
wird.

2.1.3. Die in Art. 39a lit. a-c IVV umschriebenen Voraussetzungen müssen nicht
kumulativ erfüllt sein. Es genügt, wenn die versicherte Person eine davon -
also bspw. diejenige gemäss lit. c - erfüllt. Das entspricht auch der
Verwaltungspraxis (vgl. Rz. 2010 KSAB in der ab 1. Januar 2015 gültigen
Fassung, Stand 1. Januar 2018 sowie 1. Januar 2019; vgl. ferner Michel
Valterio, Loi fédérale sur l'assurance-invalidité [LAI], Commentaire, 2018, N.
15 zu Art. 42quater).

2.1.4. In den Erläuterungen des BSV zur Anpassung der IVV im Zuge der Revision
6a findet sich insbesondere zu Art. 39a lit. c wörtlich Folgendes ausgeführt
(abrufbar über www.bsv.admin.ch/dam/bsv//iv/ _ IVV_Erläuterungen_IVV.pdf
[Abfrage vom 18. Mai 2019]; vgl. ebenfalls Valterio, a.a.O., N. 21 zu Art.
42quater) :

" Minderjährige Versicherte haben bei hohem Pflege- und Überwachungsbedarf
zusätzlich zur Hilflosenentschädigung Anspruch auf einen
Intensivpflegezuschlag. Um die Eltern von Kindern mit einem
Intensivpflegezuschlag zu entlasten und damit besser zu ermöglichen, dass ihre
Kinder zuhause wohnen können, soll in diesen Fällen ebenfalls ein Anspruch auf
einen Assistenzbeitrag bestehen. In jedem Fall erfüllt sein müssen die
Voraussetzungen nach Artikel 42quater Abs.1 lit. a und b IVG. Die in Artikel
39a Buchstaben a und b IVV vorgesehenen Voraussetzungen gelten für sie jedoch
nicht. Sie haben somit unabhängig davon, ob sie eine Regelschule besuchen, eine
Ausbildung auf Sekundarstufe II absolvieren oder eine Erwerbstätigkeit auf dem
regulären Arbeitsmarkt ausüben, Anspruch auf den Assistenzbeitrag. Der beim
Intensivpflegezuschlag anerkannte Hilfebedarf muss allerdings mindestens 6
Stunden pro Tag betragen."

2.2. Die Leistungsart Assistenzbeitrag und die dargelegten gesetzlichen
Grundlagen sind - nach einem vom Gesetzgeber initiierten Pilotversuch (vgl.
lit. b der SchlB der Änderung vom 21. März 2003 [4. IV-Revision] sowie
Verordnung über den Pilotversuch «Assistenzbudget»; SR 831.203) - mit der
IVG-Revision 6a geschaffen worden. Sie steht im Dienste des mit der 5.
IV-Revision verankerten Zweckartikels (Art. 1a lit. c IVG) und soll in
Ergänzung zur Hilflosenentschädigung die eigenverantwortliche und
selbstbestimmte Lebensführung von Behinderten fördern (Valterio, a.a.O., N. 1
zu Art. 42quater; Meyer/Reichmuth, Bundesgesetz über die Invalidenversicherung,
3. Aufl. 2014, N. 1 zu Art. 42quater-octies). Menschen mit Behinderung sollen
möglichst weitgehend selber bestimmen können, wer ihnen wann, wo und wie die
notwendige Hilfe leistet für Handlungen des täglichen Lebens, die sie
behinderungsbedingt nicht selbstständig durchführen können. Dank der
Ausrichtung finanzieller Mittel direkt an die Betroffenen können diese
ihrerseits Personen auswählen und entlöhnen, um von ihnen unterstützt zu werden
(zum Ganzen: Urteil 9C_753/2016 vom 3. April 2017 E. 3.2; Botschaft zur
Änderung des Bundesgesetzes über die Invalidenversicherung vom 24. Februar
2010, BBl 2010 1817 ff., insb. 1835 f.). Die Betroffenen werden dadurch in die
Lage versetzt, ihre Betreuungssituation vermehrt selbstständig und in eigener
Verantwortung zu gestalten. Die stärkere Ausrichtung an ihren Bedürfnissen
verbessert ihre Lebensqualität, erhöht die Chancen, trotz Behinderung
eigenständig zu Hause wohnen zu können und schafft bessere Möglichkeiten, sich
in die Gesellschaft und ins Berufsleben zu integrieren. Zudem ermöglicht der
Assistenzbeitrag eine zeitliche Entlastung pflegender Angehöriger (Botschaft,
a.a.O., 1865).

3.

3.1. Anders als die Verwaltung erachtete das kantonale Gericht die gesetzlichen
(insbesondere in der Verordnung umschriebenen) Anspruchsvoraussetzungen zum
Bezug eines Assistenzbeitrags beim Beschwerdeführer als erfüllt, da es beim
Intensivpflegezuschlag von einem Betreuungsmehraufwand von mindestens sechs
Stunden ausging (Art. 42quater Abs. 3 IVG in Verbindung mit Art. 39a lit. c
IVV). Hingegen schützte es die ablehnende Verfügung der Beschwerdegegnerin im
Ergebnis. Denn es verwarf den betreffenden Anspruch, indem es Art. 39a lit. c
IVV (vgl. E. 2.1.2 hiervor) als gesetzeswidrig taxierte.

3.2. Zur Begründung erwog die Vorinstanz (wie schon in früheren Fällen: vgl.
Urteil 9C_313/2018 vom 24. Januar 2019 E. 2.1) nach Darlegung des hiervor
aufgezeigten Gesetzeszwecks im Wesentlichen, aus Abs. 2 und 3 von Art. 42quater
IVG ergebe sich implizit der gesetzliche Auftrag an den Verordnungsgeber,
einerseits festzulegen, wie stark die Handlungsfähigkeit eines erwachsenen
Hilflosenentschädigungsbezügers eingeschränkt sein müsse, bis es keinen Sinn
mehr ergebe, ihm Selbstbestimmung und Eigenverantwortung durch ein assistiertes
selbstständiges Wohnen zu fördern. Anderseits habe er zu regeln, wie weit sich
die Handlungsfähigkeit eines Minderjährigen bereits entwickelt haben müsse,
damit die Förderung seiner Selbstbestimmung und Eigenverantwortung durch die
Ermöglichung des assistierten selbstständigen Wohnens Sinn ergebe. Der Fokus
richte sich damit auf ein bestimmtes Mass an Selbstständigkeit. Von den in Art.
39a lit. a-c IVV umrissenen spezifischen Voraussetzungen würden zwei, nämlich
lit. a und b, einen Zusammenhang mit dem Auftrag des Gesetzgebers aufweisen,
doch fehle ein solcher bezüglich lit. c von Art. 39a IVV. Der Umstand, dass
eine versicherte Person einen Intensivpflegezuschlag von mindestens sechs
Stunden beziehe, spreche nicht für eine ausreichende Handlungsfähigkeit oder
Selbstständigkeit, die die Zusprache eines Assistenzbeitrags rechtfertigen
würde. Im Gegenteil belege er, dass der betreffende Minderjährige in einem
besonders weitgehenden Masse unselbständig sei.

4.

4.1. Bei dem auf der Grundlage von Art. 42quater IVG erlassenen Art. 39a IVV
handelt es sich um unselbständiges Verordnungsrecht, und zwar nicht
vollziehender, sondern gesetzesvertretender Art (vgl. BGE 141 V 473 E. E. 8.2
S. 477 betreffend AHVV sowie zum Begriff: etwa Pierre Tschannen, Staatsrecht
der Schweizerischen Eidgenossenschaft, 4. Aufl. 2016, S. 607 ff. § 46 Rz. 14
ff. und 22 ff.; Häfelin/Müller/Uhlmann, Allgemeines Verwaltungsrecht, 7. Aufl.
2016, S. 22 f. Rz. 93 ff., S. 25 Rz. 110). Im Rahmen der ihm in dieser Hinsicht
zustehenden (inzidenten oder konkreten) Normprüfungsbefugnis hat das
Bundesgericht insbesondere zu untersuchen, ob sich der Bundesrat an die Grenzen
der ihm im Gesetz eingeräumten Befugnisse gehalten hat (BGE 143 V 208 E. 4.3 S.
212; 138 II 281 E. 5.4 S. 289 f.; 137 III 217 E. 2.3 S. 220 f. mit weiteren
Hinweisen auf die Rechtsprechung). Soweit das Gesetz den Bundesrat nicht
ermächtigt, von der Verfassung abzuweichen, befindet das Gericht auch über die
Verfassungsmässigkeit der unselbstständigen Verordnung. Wird dem Bundesrat
durch die gesetzliche Delegation ein sehr weiter Gestaltungsspielraum für die
Regelung auf Verordnungsstufe eingeräumt, so ist dieser Spielraum nach Art. 190
BV für das Bundesgericht verbindlich; es darf in diesem Falle bei der
Überprüfung der Verordnung nicht sein eigenes Gestaltungsermessen an die Stelle
desjenigen des Bundesrates setzen, sondern es beschränkt sich auf die Prüfung,
ob die Verordnung den Rahmen der dem Bundesrat im Gesetz delegierten
Kompetenzen offensichtlich sprengt oder aus anderen Gründen gesetz- oder
verfassungswidrig ist. Es kann dabei namentlich prüfen, ob sich eine
Verordnungsbestimmung auf ernsthafte Gründe stützen lässt oder ob sie Art. 9 BV
widerspricht, weil sie sinn- und zwecklos ist, rechtliche Unterscheidungen
trifft, für die ein vernünftiger Grund in den tatsächlichen Verhältnissen nicht
ersichtlich ist, oder Unterscheidungen unterlässt, die richtigerweise hätten
getroffen werden müssen. Für die Zweckmässigkeit der angeordneten Massnahme
trägt der Bundesrat die Verantwortung; es ist nicht Aufgabe des Bundesgerichts,
sich zu deren wirtschaftlicher oder politischer Sachgerechtigkeit zu äussern
(BGE 143 V 208 E. 4.3 S. 212; 140 II 194 E. 5.8 S. 198; 136 II 337 E. 5.1 S.
348 f. mit weiteren Hinweisen auf die Rechtsprechung).

4.2. Aufgrund des insofern klaren Gesetzeswortlauts setzt der Anspruch auf
einen Assistenzbeitrag in grundsätzlicher Weise voraus, dass der Versicherte
eine Hilflosenentschädigung bezieht, dass er zu Hause lebt und dass er
volljährig ist (Art. 42quater Abs. 1 IVG und E. 2.1.1 hiervor). Das Gesetz
selbst weitet den Anspruch auf minderjährige Versicherte aus (Art. 42quater
Abs. 3 IVG), denen von Rechts wegen keine (Art. 17 ZGB) bzw. keine
uneingeschränkte Handlungsfähigkeit zukommt (Art. 19 Abs. 2 ZGB; vgl. BGE 116
II 385 E. 4 S. 387). Für sie hat der Bundesrat die Anspruchsvoraussetzungen
festzulegen. Mit anderen Worten steht ihm nicht nur die Befugnis zu, für die
minderjährigen Versicherten gesetzesvertretendes Verordnungsrecht zu setzen,
sondern es trifft ihn - nach dem in allen Sprachversionen klaren
Gesetzeswortlaut - eine entsprechende Pflicht ("Er legt die Voraussetzungen
fest..."; "Le Conseil fédéral fixe les conditions..."; "Stabilisce le
condizioni..."; vgl. dazu im Einzelnen E. 4.4.2 hernach). Dabei lassen sich dem
Gesetz namentlich in Bezug auf diese Versichertenkategorie zumindest keine
expliziten inhaltlichen Vorgaben entnehmen: Weder schreibt es ein Mindestalter
vor noch enthält es eine Formulierung, die darauf schliessen liesse, dass der
Gesetzgeber auch bei Minderjährigen auf Urteilsfähigkeit oder einem Mindestmass
an Autonomie bestehen würde. Anderseits ergibt sich aus Art. 42quater Abs. 1
und 2 IVG ebenfalls zweifelsfrei, dass - bei volljährigen Versicherten - die
Handlungsfähigkeit in der Weise anspruchsrelevant ist, dass der Gesetzgeber den
Assistenzbeitrag im Falle ihrer Einschränkung von weiteren Voraussetzungen
abhängen lassen will.

4.3. An dieser Stelle rechtfertigt sich ein genauerer Blick auf die Entstehung
des Gesetzes:

4.3.1. Im Entwurf des Bundesrates war die Handlungsfähigkeit im Sinne von Art.
13 ZGB als eine der Anspruchsvoraussetzungen des Assistenzbeitrags (Abs. 1 lit.
c des Entwurfs von Art. 42quater Abs. 1 IVG) vorgesehen gewesen (BBl 2010
1947). Wo es daran fehlt - so bei Minderjährigen und den in ihrer
Urteilsfähigkeit eingeschränkten Personen -, sollte es gemäss Gesetzesbotschaft
von der Schwere der Einschränkung und der davon betroffenen Bereiche abhängen,
ob mithilfe des Assistenzbeitrags ein selbstbestimmtes und
eigenverantwortliches Leben geführt werden kann. Dafür wurde dem Bundesrat mit
einer Kann-Bestimmung die Kompetenz eingeräumt, "massgeschneiderte
praxistaugliche Kriterien zu erlassen, nach welchen ein Assistenzbeitrag auch
einzelnen Minderjährigen und Personen mit teilweise eingeschränkter
Handlungsfähigkeit ausgerichtet wird." In diesen Einzelfällen könne - so die
bundesrätliche Botschaft wörtlich - die mit dem Assistenzbeitrag verbundene
Eigenverantwortung der gesetzlichen Vertretung übertragen werden (Botschaft,
a.a.O., 1901 f.).

4.3.2. Alsdann nahm insbesondere die ständerätliche Kommission für soziale
Sicherheit und Gesundheit (SGK) das Erfordernis der Handlungsfähigkeit in den
Blick, dies im Bestreben, eine Diskriminierung der Versicherten mit
eingeschränkter Handlungsfähigkeit zu vermeiden (vgl. bereits Urteil 9C_753/
2016 vom 3. April 2017 E. 3.2). Es sollten nicht zwei Kategorien von
Behinderten geschaffen werden (Protokoll der Kommissionssitzung vom 20. Mai
2010 S. 40 f. und 43). Im Zuge dieser Diskussion unterbreitete die Verwaltung
der Kommission einen überarbeiteten Entwurf zu Art. 42quater Abs. 1 lit. c und
Abs. 2 IVG (Antrag Nr. 31), der in lit. c Handlungsfähigkeit durch
Volljährigkeit ersetzte und in Abs. 2 den Bundesrat dazu verhielt, die
Voraussetzungen zu umschreiben, unter denen Personen mit eingeschränkter
Handlungsfähigkeit keinen Anspruch auf Assistenzbeitrag hätten. In der Folge
zeigte sich, dass die minderjährigen Versicherten in diesem Entwurf verloren
gingen, obwohl nie die Absicht bestand, sie vom Assistenzbeitrag auszunehmen,
was der Kommissionssprecher (Kuprecht) in der ständerätlichen Plenardebatte
klarstellte (AB 2010 S 659). Er unterstrich, dass die Leistungsentrichtung
gemäss bundesrätlichem Entwurf insbesondere "Menschen mit einer fehlenden
Urteilsfähigkeit, die aber unter Beizug eines Beistandes noch handlungsfähig
sind, diskriminieren" könne. Die Absicht der Kommission (und diejenige des
Bundesrates) gelange in einem Antrag von Ständerat David zum Ausdruck (AB 2010
S 659), wonach gemäss Abs. 3 der Bundesrat die Voraussetzungen festlege, unter
denen Minderjährige "ausnahmsweise" einen Anspruch auf Assistenzbeitrag hätten
(AB 2010 S 658). Der Genannte bekräftigte dies als Folgeredner, unterlegt mit
dem Beispiel eines behinderten jungen Mannes, der eine Schule oder Lehre
absolviere, wo er behinderungsbedingt (bspw. zwecks Toilettenbesuchs)
Hilfestellung brauche, die vor Ort nicht von den Eltern geleistet werden könne.
Der Vorsteher des federführenden Departements (Bundesrat Burkhalter) verwies
sodann seinerseits auf die finanziellen Rahmenbedingungen. Diese seien
ausschlaggebend gewesen für die zurückhaltendere Formulierung bezüglich der
Verordnungskompetenz (Kann-Bestimmung), derweil die Version der ständerätlichen
Kommission zwar inhaltlich den Vorstellungen gemäss Entwurf entspreche, aber in
der Umsetzung schneller wirksam sei, indem sie den Bundesrat zum
Verordnungserlass verhalte: "On est donc tout de suite dans une situation où
l'on va devoir ouvrir cette disposition, mais gentiment. (...) Je sais que
cette contribution d'assistance suscite un grand espoir, et cet espoir est
justifié" (AB 2010 S 659 sowie 649). Schliesslich setzte sich im Ständerat der
von der Kommission gestützte Antrag David durch (AB 2010 S 659).

4.3.3. In der Nationalratsdebatte bekräftigte der Bundesrat seine Haltung,
indem er sich der Mehrheitsmeinung der (nationalrätlichen) Kommission (für
soziale Sicherheit und Gesundheit) anschloss, die im Wesentlichen derjenigen
des Ständerates entsprach (AB 2010 N 2107). Diese Auffassung setzte sich in der
Abstimmung gegen eine Minderheit der Kommission (Prelicz-Huber u.a.) durch, die
den Assistenzbeitrag ohne Beschränkung allen Behinderten zukommen lassen
wollte, unabhängig davon ob Handlungsfähigkeit bestehe und eine
Erwerbstätigkeit bzw. eine Integration in den Arbeitsmarkt in Frage kämen; eine
soziale Integration und vor allem mehr Selbstbestimmung seien immer möglich (AB
2010 N 2102 f. und 2108; vgl. insbesondere auch Votum Weber-Gobet, AB 2010 N
2105). Einer solchen Ausdehnung, die den Anspruch ausschliesslich vom Bestand
einer Hilflosenentschädigung und dem Leben zu Hause abhängen lassen wollte,
wurden seitens der Kommissionsmehrheit (zufolge Erweiterung des Bezügerkreises
von 20'000 auf 38'000 und einer annähernden Verdoppelung der zu erwartenden
Kosten) namentlich finanzielle Gründe entgegen gehalten, was mit dem Zweck der
Gesamtvorlage nicht zu vereinbaren sei (Cassis, AB 2010 N 2108; vgl. auch Votum
Bortoluzzi, AB 2010 N 2105 f.). Dabei war vom Sprecher der Kommissionsmehrheit
unerwähnt geblieben, dass der zur Abstimmung gelangende Art. 42quater IVG im
Unterschied zur Version des Ständerates in Abs. 3 das Wort "ausnahmsweise"
nicht mehr enthielt. Diese Auffassung hatte sich in der vorberatenden
nationalrätlichen Kommission durchgesetzt (Antrag Nr. 68), indem Minderjährige
unter bestimmten Voraussetzungen Anspruch auf Assistenzbeitrag haben sollten
und nicht bloss "ausnahmsweise"; dabei war auch zu vernehmen gewesen, dass der
Bundesrat noch nicht mit eigenen Vorstellungen hinsichtlich Ausgestaltung der
künftigen Verordnung aufwarten konnte (Protokoll der Kommissionssitzung vom 5.
November 2010, S. 57 ff., S. 61). Diese Streichung wurde in der ständerätlichen
Kommission diskussionslos gutgeheissen (Protokoll der Kommissionssitzung vom
31. Januar 2011, S. 10) und in der Differenzbereinigung schliesslich am 11.
März 2011 auch vom Ratsplenum angenommen (AB 2011 S 35).

5.

5.1. Nach diesen Hinweisen auf den Gesetzgebungsprozess und die geführten
Debatten kann festgehalten werden, dass der im Rahmen eines Pilotprojekts
("Assistenzbudget") bereits erprobte Assistenzbeitrag (vgl. E. 2.2) in
grundsätzlicher Hinsicht über sämtliche Parteigrenzen hinweg auf praktisch
ungeteilte Zustimmung stiess. Das zeigte sich gerade im unumstrittenen Willen,
diese neue Leistungsart auch den nicht oder nur beschränkt handlungsfähigen
Versicherten zukommen zu lassen, wobei bei den minderjährigen schliesslich
selbst der Zusatz "ausnahmsweise" aufgegeben wurde. Zwar lässt sich aufgrund
der auch in der Ratsdebatte genannten Beispiele nicht übersehen, dass im Zuge
der Gesetzgebung bei den Leistungsempfängern allgemein vorab an jene
versicherten Personen gedacht worden sein mag, denen zumindest beschränkte
Handlungsfähigkeit zukommt. Dennoch steht mit dem - letztlich unangefochten
gebliebenen und auf Gesetzesstufe nicht mit weiteren Kautelen verknüpften -
Einbezug der minderjährigen Versicherten fest, dass die Handlungsfähigkeit als
taugliches Abgrenzungskriterium zwangsläufig ausser Betracht fallen musste.
Fehlt es im Übrigen im Gesetz bereits an der Vorgabe eines Mindestalters -
kommt ein Assistenzbeitrag mithin bereits ab Geburt in Frage (Art. 42 Abs. 4
IVG; vgl. auch Art. 42bis Abs. 3 IVG) -, erstaunt es nicht weiter, wenn darüber
hinaus auch von jeglichen Versuchen abgesehen wurde, ein zumindest in
Teilbereichen zu forderndes Mass an Autonomie oder Eigenverantwortung
formell-gesetzlich näher zu umschreiben. Insofern kann Art. 42quater IVG,
entgegen dem kantonalen Gericht, nicht zuletzt mit Blick auf die Schwierigkeit
einer adäquaten Grenzziehung, auch kein impliziter Gehalt unterstellt werden.
Dass im Übrigen anstelle des eigenverantwortlichen Handelns der Versicherten
ebenso dasjenige der gesetzlichen Vertretung treten kann, war bereits in der
bundesrätlichen Botschaft eingeräumt worden (Botschaft, a.a.O., 1901 f.; vgl.
auch Art. 42quinquies lit. a IVG). Schliesslich kann auch aus dem Scheitern des
von der (nationalrätlichen) Kommissionsminderheit (Prelicz-Huber u.a.)
gestellten Antrags nichts zugunsten der vorinstanzlichen Lesart abgeleitet
werden. Dieser Antrag zielte auf eine ersatzlose Streichung des Art. 42quater
Abs. 1 lit. c sowie der Abs. 2 und 3 IVG ab; das hätte eine Ausdehnung des
Assistenzbeitrags auf sämtliche zu Hause lebenden
Hilflosenentschädigungsbezüger erlaubt, ohne dass in diesem Zusammenhang
bundesrätliche Konkretisierungen noch möglich gewesen wären, was dann letztlich
insbesondere an finanziellen Erwägungen scheiterte.

5.2. Aus diesen Ausführungen lässt sich - mit dem BSV - folgern, dass der
Bundesrat als Verordnungsgeber gestützt auf Art. 42quater Abs. 3 IVG für die
Regelung des Anspruchs auf Assistenzbeitrags minderjähriger Versicherter über
einen sehr grossen Gestaltungsspielraum verfügt. Dies ergibt sich insbesondere
aus grammatikalischen und gesetzessystematischen Überlegungen und wird - wie
gezeigt - auch durch die aus dem Gesetzgebungsprozess gewonnenen Erkenntnisse
keineswegs in Frage gestellt.

5.3. Nach dem Erwogenen lässt sich der Vorwurf des kantonalen Gerichts nicht
aufrecht halten, dass der Bundesrat als Verordnungsgeber mit der Ausgestaltung
von Art. 39a IVV bzw. - genauer - mit der alternativen Anspruchsvoraussetzung
gemäss dessen lit. c (vgl. E. 2.1.2 hiervor) den Rahmen der ihm delegierten
Befugnisse offensichtlich gesprengt hätte. Entgegen der vorinstanzlichen
Annahme ergeben sich aus Art. 42quater IVG für den Assistenzbeitragsanspruch
minderjähriger Versicherter weder explizite noch implizite Schranken, weder
hinsichtlich Urteilsfähigkeit noch in Bezug auf ein Mindestmass an Autonomie.
Von einer fehlenden formellgesetzlichen Grundlage der betreffenden
Verordnungsbestimmung kann demnach nicht die Rede sein.

5.4. Sodann hat sich die Vorinstanz nicht weiter darüber ausgelassen, dass und
weshalb der Verordnungsgeber in anderer Weise (vgl. E. 4.1) gegen die
Bundesverfassung verstossen haben könnte. Dies gilt namentlich in Bezug darauf,
dass er in Art. 39a lit. c IVV am Intensivpflegezuschlag bzw. einem
entsprechenden Pflege- und Überwachungsbedarf anknüpft und dabei einen
Mindestaufwand von nicht nur vier (vgl. Art. 39 Abs. 1 IVV), sondern von sechs
Stunden verlangt. Eine darin angelegte Verfassungswidrigkeit, sei es eine
Verletzung des Rechtsgleichheitsgebots (Art. 8 Abs. 1 BV) oder eine solche des
Willkürverbots (Art. 9 BV), ist jedenfalls nicht ohne Weiteres ersichtlich
(vgl. BGE 142 V 316 E. 6.1.1 S. 323 mit Hinweisen). So gesehen und weil sich
der Grundsatz der Rechtsanwendung von Amtes wegen nicht auf Grundrechte (Art. 7
- 34 BV) bezieht (Art. 106 Abs. 2 BGG), erübrigen sich Weiterungen in diesem
Zusammenhang.

6. 

Damit ergibt sich, dass das kantonale Gericht Art. 39a lit. c IVV zu Unrecht
als gesetzeswidrig taxiert hat. Da der Beschwerdeführer gemäss vorinstanzlichem
Entscheid Anspruch auf Intensivpflegezuschlag für einen Pflege- und
Überwachungsbedarf von mindestens sechs Stunden hat, steht ihm auch ein
Assistenzbeitrag zu. Das führt zur Gutheissung der Beschwerde.

7. 

Dem Ausgang des Verfahrens entsprechend hat die Beschwerdegegnerin die
Gerichtskosten zu tragen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Dieser Kostenpflicht kann sie
sich auch durch Verzicht auf eine Vernehmlassung nicht entziehen (BGE 123 V 156
und 159; Urteil 5A_932/2016 vom 24. Juli 2017 E. 2.2.4). Der Beschwerdeführer
hat Anspruch auf eine Parteientschädigung (Art. 68 Abs. 1 und 2 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 

Die Beschwerde wird gutgeheissen. Der Entscheid des Versicherungsgerichts des
Kantons St. Gallen vom 29. Oktober 2018 und die Verfügung der IV-Stelle des
Kantons St. Gallen vom 28. Juli 2016 werden aufgehoben und dem Beschwerdeführer
wird ein Assistenzbeitrag zugesprochen. Die Sache wird zur entsprechenden
Verfügung an die IV-Stelle des Kantons St. Gallen zurückgewiesen.

2. 

Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden der Beschwerdegegnerin auferlegt.

3. 

Die Beschwerdegegnerin hat den Beschwerdeführer für das bundesgerichtliche
Verfahren mit Fr. 2800.- zu entschädigen.

4. 

Die Sache wird zur Neuverlegung der Kosten und der Parteientschädigung des
vorangegangenen Verfahrens an das Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen
zurückgewiesen.

5. 

Dieses Urteil wird den Parteien, dem Versicherungsgericht des Kantons St.
Gallen und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 22. August 2019

Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung

des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Maillard

Der Gerichtsschreiber: Grunder