Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 8C.831/2019
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Bundesgericht

Tribunal fédéral

Tribunale federale

Tribunal federal

               

8C_831/2019

Urteil vom 13. Februar 2020

I. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung

Bundesrichter Maillard, Präsident,

Bundesrichter Wirthlin, Bundesrichterin Viscione,

Gerichtsschreiber Hochuli.

Verfahrensbeteiligte

Amt für Wirtschaft und Arbeit des Kantons Zürich, Abteilung
Arbeitslosenversicherung, Stampfenbachstrasse 32, 8001 Zürich,

Beschwerdeführer,

gegen

A.________,

Beschwerdegegnerin.

Gegenstand

Arbeitslosenversicherung

(Einstellung in der Anspruchsberechtigung),

Beschwerde gegen den Entscheid des Sozialversicherungsgerichts des Kantons
Zürich

vom 14. November 2019 (AL.2018.00260).

Sachverhalt:

A. 

A.________, geboren 1966, meldete sich am 23. Januar 2017 beim Regionalen
Arbeitsvermittlungszentrum (RAV) zur Arbeitsvermittlung und zum Leistungsbezug
an. Wegen Nichtbefolgens von Weisungen stellte das Amt für Wirtschaft und
Arbeit des Kantons Zürich (nachfolgend: AWA oder Beschwerdeführer) die
Versicherte ab 21. Juni 2018 für die Dauer von sieben Tagen in der
Anspruchsberechtigung auf Arbeitslosenentschädigung ein (Verfügung vom 29. Juni
2018) und hielt mit Einspracheentscheid vom 10. August 2018 daran fest.

B. 

Die hiegegen erhobene Beschwerde der A.________ hiess das
Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich gut und hob den
Einspracheentscheid vom 10. August 2018 ersatzlos auf (Entscheid vom 14.
November 2019).

C. 

Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten beantragt das AWA, der
Einspracheentscheid vom 10. August 2018 sei unter Aufhebung des angefochtenen
Gerichtsentscheids zu bestätigen.

Während A.________ sinngemäss auf Beschwerdabweisung schliesst, verzichten die
Vorinstanz und das Staatssekretariat für Wirtschaft (SECO) auf eine
Vernehmlassung.

Erwägungen:

1. 

Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann wegen
Rechtsverletzungen gemäss Art. 95 und Art. 96 BGG erhoben werden. Das
Bundesgericht prüft die richtige Anwendung des Bundesrechts frei und von Amtes
wegen (Art. 95 lit. a und Art. 106 Abs. 1 BGG; BGE 141 II 14 E. 1.6 S. 24). Es
legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt
hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann deren Sachverhaltsfeststellung von Amtes
wegen oder auf entsprechende Rüge hin berichtigen oder ergänzen, wenn sie
offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art.
95 BGG beruht und wenn die Behebung des Mangels für den Verfahrensausgang
entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1, Art. 105 Abs. 2 BGG). Zu den
Rechtsverletzungen gemäss Art. 95 lit. a BGG gehören namentlich auch die
unvollständige (gerichtliche) Feststellung der rechtserheblichen Tatsachen (BGE
135 V 23 E. 2 S. 25 mit Hinweisen; vgl. auch BGE 141 II 14 E. 1.6 S. 24 mit
Hinweisen), die Verletzung des Untersuchungsgrundsatzes als einer wesentlichen
Verfahrensvorschrift sowie die Pflicht zu inhaltsbezogener, umfassender,
sorgfältiger und objektiver Beweiswürdigung (Art. 61 lit. c ATSG; BGE 132 V 393
E. 4.1 S. 400; ARV 2018 S. 171, 8C_102/2018 E. 1).

2.

2.1. Strittig ist die vom AWA am 29. Juni 2018 verfügte, mit
Einspracheentscheid vom 10. August 2018 bestätigte und mit angefochtenem
Gerichtsentscheid ersatzlos aufgehobene Einstellung in der
Anspruchsberechtigung für die Dauer von sieben Tagen ab 21. Juni 2018.

2.2. Diese Einstellung beruht auf dem Vorwurf, die Versicherte habe "dem RAV
den Lebenslauf vollständig/aktualisiert (mit Aufführung des Zwischenverdienstes
bei B.________) " nicht innert gewährter Frist "bis zum 20. Juni 2018"
eingereicht. Für die gegenteilige Behauptung sei sie beweispflichtig. In Bezug
auf den unbewiesen gebliebenen Sachverhalt habe sie die Folgen der
Beweislosigkeit zu tragen.

3.

3.1. Das kantonale Gericht hat die Bestimmung über die Pflicht der versicherten
Person zur weisungsgemässen Lieferung von Unterlagen für die Beurteilung der
Vermittlungsfähigkeit oder der Zumutbarkeit einer Arbeit (Art. 17 Abs. 3 lit. c
AVIG) zutreffend dargelegt. Gleiches gilt in Bezug auf die Ausführungen über
die Einstellung in der Anspruchsberechtigung bei Nichtbefolgen von Weisungen
des Arbeitsamtes ohne entschuldbaren Grund (Art. 30 Abs. 1 lit. d AVIG) sowie
die Dauer der Einstellung in der Anspruchsberechtigung nach Massgabe des
Verschuldens (Art. 30 Abs. 3 AVIG in Verbindung mit Art. 45 Abs. 3 AVIV).
Darauf wird verwiesen.

3.2. Ergänzend ist auf Folgendes hinzuweisen:

3.2.1. Sowohl das Verwaltungsverfahren wie auch der kantonale
Sozialversicherungsprozess sind vom Untersuchungsgrundsatz beherrscht (Art. 43
Abs. 1 und Art. 61 lit. c ATSG). Danach haben Verwaltung und
Sozialversicherungsgericht den rechtserheblichen Sachverhalt von Amtes wegen
festzustellen. Diese Untersuchungspflicht dauert so lange, bis über die für die
Beurteilung des streitigen Anspruchs erforderlichen Tatsachen hinreichende
Klarheit besteht. Der Untersuchungsgrundsatz weist enge Bezüge zum - auf
Verwaltungs- und Gerichtsstufe geltenden - Grundsatz der freien Beweiswürdigung
auf. Führen die im Rahmen des Untersuchungsgrundsatzes von Amtes wegen
vorzunehmenden Abklärungen den Versicherungsträger oder das Gericht bei
umfassender, sorgfältiger, objektiver und inhaltsbezogener Beweiswürdigung (BGE
132 V 393 E. 4.1 S. 400) zur Überzeugung, ein bestimmter Sachverhalt sei als
überwiegend wahrscheinlich (BGE 126 V 353 E. 5b S. 360; 125 V 193 E. 2 S. 195,
je mit Hinweisen) zu betrachten und es könnten weitere Beweismassnahmen an
diesem feststehenden Ergebnis nichts mehr ändern, so liegt im Verzicht auf die
Abnahme weiterer Beweise keine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör
(antizipierte Beweiswürdigung; BGE 134 I 140 E. 5.3 S. 148; 124 V 90 E. 4b S.
94). Bleiben jedoch erhebliche Zweifel an Vollständigkeit und/oder Richtigkeit
der bisher getroffenen Tatsachenfeststellung bestehen, ist weiter zu ermitteln,
soweit von zusätzlichen Abklärungsmassnahmen noch neue wesentliche Erkenntnisse
zu erwarten sind (SVR 2010 ALV Nr. 2 S. 3, 8C_269/2009 E. 2.2 mit Hinweis).

3.2.2. Der Untersuchungsgrundsatz schliesst die Beweislast im Sinne der
Beweisführungslast begriffsnotwendig aus, da es Sache des
Sozialversicherungsgerichts (Art. 61 lit. c ATSG) oder der verfügenden
Verwaltungsstelle (Art. 43 Abs. 1 ATSG) ist, für die Zusammentragung des
Beweismaterials besorgt zu sein. Im Sozialversicherungsprozess tragen mithin
die Parteien in der Regel eine Beweislast nur insofern, als im Fall der
Beweislosigkeit der Entscheid zu Ungunsten jener Partei ausfällt, die aus dem
unbewiesen gebliebenen Sachverhalt Rechte ableiten wollte. Dieser in Art. 8 ZGB
enthaltene Grundsatz gilt auch im öffentlichen Recht (vgl. BGE 138 II 465 E.
6.8.2 S. 486; Urteil 9C_634/2014 vom 31. August 2015 E. 6.3.4). Demgemäss hat
die Partei, die einen Anspruch geltend macht, die rechtsbegründenden Tatsachen
zu beweisen, während die Beweislast für die rechtsaufhebenden bzw.
rechtsvernichtenden oder rechtshindernden Tatsachen bei der Partei liegt, die
den Untergang des Anspruchs behauptet oder dessen Entstehung oder
Durchsetzbarkeit bestreitet (BGE 130 III 321 E. 3.1 S. 323). Diese Beweisregel
greift allerdings erst Platz, wenn es sich als unmöglich erweist, im Rahmen des
Untersuchungsgrundsatzes aufgrund einer Beweiswürdigung einen Sachverhalt zu
ermitteln, der zumindest die Wahrscheinlichkeit für sich hat, der Wirklichkeit
zu entsprechen (BGE 138 V 218 E. 6 S. 222 mit Hinweisen; Urteil 8C_794/2016 vom
28. April 2017 E. 4.3.1 mit Hinweis).

4.

4.1. Das kantonale Gericht hat mit Blick auf die ausschlaggebende Tatfrage
(vgl. dazu E. 2.2 hievor) auf die Feststellung des rechtserheblichen
Sachverhalts verzichtet. Ob die Versicherte der Aufforderung des RAV vom 14.
Juni 2018 innert angesetzter Frist bis zum 20. Juni 2018 nachgekommen sei,
könne offenbleiben. Dies deshalb, weil das RAV der Beschwerdegegnerin mit
Schreiben vom 26. Juni 2018 zwecks Einreichung des bereits am 14. Juni 2018
einverlangten - vollständigen und aktualisierten - Lebenslaufes im Sinne eines
Zurückkommens auf die früher angesetzte Frist eine Nachfrist bis zum 5. Juli
2018 angesetzt habe. Nach unbestrittener Behauptung der Versicherten habe diese
den einverlangten aktualisierten Lebenslauf mit E-Mail-Nachricht vom 3. Juli
2018 rechtzeitig innert Frist bis zum 5. Juli 2018 eingereicht. Daher entbehre
die am 29. Juni 2018 verfügte Einstellung in der Anspruchsberechtigung einer
Grundlage.

4.2. Soweit die Vorinstanz gestützt auf ihre Rechtsauffassung davon ausging,
die Klärung der Tatfrage nach der fristgerechten Einreichung des angepassten
Lebenslaufes bis zum 20. Juni 2018 sei nicht rechtserheblich und daher offen zu
lassen, kann ihr nicht gefolgt werden. Mit dem Beschwerde führenden AWA steht
fest, dass es sich beim Schreiben des RAV vom 14. Juni 2018 offensichtlich um
eine ausdrücklich als solche betitelte "Weisung" im Sinne von Art. 30 Abs. 1
lit. d AVIG handelte, womit das RAV die Beschwerdegegnerin unter Ansetzung
einer Frist bis zum 20. Juni 2018 aufforderte, drei näher umschriebene
Unterlagen einzureichen. Zwei der drei aufgelisteten Unterlagen sind
nachträglich auf diesem Schreiben handschriftlich als erledigt abgehakt worden;
an welchem Tag und durch wen der Eingang dieser Unterlagen kontrolliert wurde,
ist nicht ersichtlich. Das Schreiben schloss mit dem Hinweis, "dass das
Nichtbefolgen dieser Weisung eine Einstellung in der Anspruchsberechtigung
bewirken" könne. Nichts deutet darauf hin, dass und weshalb das RAV an der mit
Weisung vom 14. Juni 2018 bis zum 20. Juni 2018 angesetzten Frist durch
Zustellung der Weisung vom 26. Juni 2018 mit Fristansetzung bis zum 5. Juli
2018 nicht hätte festhalten wollen. Durch die zweite Fristansetzung wurde die
erste Fristansetzung weder aufgehoben noch abgeändert. Für den gegenteiligen
Standpunkt findet sich im angefochtenen Entscheid - wie der Beschwerdeführer zu
Recht rügt - keine Begründung.

4.3. Nach dem Gesagten verletzt nicht nur die vorinstanzliche Rechtsauffassung
zur Bedeutung der Weisung des RAV vom 26. Juni 2018 Bundesrecht. Vielmehr
stellt als Folge davon auch das Offenlassen der entscheidenden Tatfrage (E.
2.2) und der Verzicht auf die Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts
eine Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 lit. a BGG dar (E. 1 i.f.).

4.4. Der angefochtene Entscheid ist deshalb aufzuheben und die Sache zur
ergänzenden Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts an die Vorinstanz
zurückzuweisen. Sie wird hernach über die Beschwerde vom 7. September 2018 neu
entscheiden.

5. 

Die Rückweisung zur weiteren Abklärung und Neuentscheidung mit offenem Ausgang
gilt praxisgemäss als Obsiegen der Beschwerde führenden Partei (BGE 141 V 281
E. 11.1 S. 312; 137 V 210 E. 7 S. 271). Die Gerichtskosten sind daher der
Beschwerdegegnerin aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG; Urteil 8C_144/2019 vom 6.
August 2019 E. 5 mit Hinweisen).

 Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 

Die Beschwerde wird teilweise gutgeheissen und der Entscheid des
Sozialversicherungsgerichts des Kantons Zürich vom 14. November 2019
aufgehoben. Die Sache wird zu neuer Entscheidung an die Vorinstanz
zurückgewiesen. Im Übrigen wird die Beschwerde abgewiesen.

2. 

Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden der Beschwerdegegnerin auferlegt.

3. 

Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons
Zürich und dem Staatssekretariat für Wirtschaft (SECO) schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 13. Februar 2020

Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung

des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Maillard

Der Gerichtsschreiber: Hochuli