Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 8C.773/2019
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Bundesgericht

Tribunal fédéral

Tribunale federale

Tribunal federal

               

8C_773/2019

Urteil vom 3. Februar 2020

I. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung

Bundesrichter Maillard, Präsident,

Bundesrichterin Heine, Bundesrichter Wirthlin,

Gerichtsschreiberin Polla.

Verfahrensbeteiligte

A.________,

vertreten durch Rechtsanwalt Dominique Chopard,

Beschwerdeführerin,

gegen

Allianz Suisse Versicherungs-Gesellschaft AG,

Beschwerdegegnerin.

Gegenstand

Unfallversicherung (Invalidenrente; Revison),

Beschwerde gegen den Entscheid des Sozialversicherungsgerichts des Kantons
Zürich

vom 27. September 2019 (UV.2018.00187).

Sachverhalt:

A. 

Die 1954 geborene A.________ war als Schwesternhilfe im Spital B.________
angestellt und in dieser Eigenschaft bei der Elvia Schweizerische
Versicherungs-Gesellschaft Zürich (heute: Allianz Suisse
Versicherungs-Gesellschaft AG; nachfolgend: Allianz) gegen die Folgen von
Unfällen versichert. Am 17. März 1994 klemmte sie sich beim Verschieben von
Operationstischen die rechte Hand ein und erlitt gemäss erstbehandelndem Arzt
eine Quetschung am IP-Gelenk des Daumens (ohne ossäre Läsion). Die Allianz
erbrachte die gesetzlichen Leistungen und sprach A.________ mit Verfügung vom
1. Februar 2000 bei einem (vorläufigen) Invaliditätsgrad von 58 % eine
Invalidenrente sowie eine Integritätsentschädigung bei einer
Integritätseinbusse von 35 % zu.

Die IV-Stelle des Kantons Zürich gewährte der Versicherten mit Verfügung vom 5.
Mai 1998 eine halbe Invalidenrente, was das damalige Eidgenössische
Versicherungsgericht (heute Bundesgericht) mit Urteil I 47/00 vom 21. Februar
2001 letztinstanzlich schützte. Die IV-Stelle bestätigte den Rentenanspruch
revisionsweise im Jahr 2003. Bei unveränderten tatsächlichen Verhältnissen
erhöhte sie die halbe Rente aufgrund der 4. IVG-Revision per 1. Januar 2004 auf
eine Dreiviertelsrente.

Nach Erlass des im invalidenversicherungsrechtlichen Verfahren ergangenen
letztinstanzlichen Urteils I 47/00 setzte die Allianz den Invaliditätsgrad ab
1. Januar 2000 neu auf 62 % fest (Verfügung vom 16. November 2001). Anlässlich
einer im Jahr 2014 durchgeführten Rentenrevision liess die Allianz die
Versicherte sodann im Zeitraum von März bis Oktober 2014 überwachen und im
Anschluss daran interdisziplinär begutachten (Expertise der PMEDA,
Polydisziplinäre Medizinische Abklärungen, Zürich [nachfolgend: PMEDA], vom 8.
Juni 2015 und. 2. Februar 2017). Mit Zwischenverfügung vom 12. November 2015
stellte die Allianz ihre Versicherungsleistungen mit sofortiger Wirkung ein und
entzog einer allfälligen Einsprache die aufschiebende Wirkung. Mit Verfügung
vom 14. Juli 2017 und Einspracheentscheid vom 26. Juni 2018 bekräftigte sie die
Leistungseinstellung per 30. November 2015.

Die IV-Stelle zog die Unfallakten bei und hob die Invalidenrente nach
Durchführung des Vorbescheidverfahrens rückwirkend per 31. Juli 2014 auf
(Verfügung vom 24. Mai 2018). Sie forderte überdies mit Verfügung vom 11. Juli
2018 die vom 1. August 2014 bis 30. November 2017 ausgerichteten
Rentenbetreffnisse in der Höhe von Fr. 53'050.- zurück.

B. 

Das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich wies die gegen den
Einsprachentscheid der Allianz erhobene Beschwerde mit Entscheid vom 27.
September 2019 ab.

C. 

A.________ führt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten und
beantragt, unter Aufhebung des vorinstanzlichen Entscheids sei ihr die
bisherige Invalidenrente weiterhin zu gewähren.

Das Bundesgericht führt keinen Schriftenwechsel durch.

D. 

Die invalidenversicherungsrechtliche Streitigkeit ist Gegenstand des
Parallelverfahrens 8C_770/2019, das ebenfalls mit heutigem Urteil erledigt
wurde.

Erwägungen:

1.

1.1. Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann wegen
Rechtsverletzungen gemäss Art. 95 und 96 BGG erhoben werden. Das Bundesgericht
wendet das Recht von Amtes wegen an   (Art. 106 Abs. 1 BGG). Es ist folglich
weder an die in der Beschwerde geltend gemachten Argumente noch an die
Erwägungen der Vorinstanz gebunden; es kann eine Beschwerde aus einem anderen
als dem angerufenen Grund gutheissen und es kann sie mit einer von der
Argumentation der Vorinstanz abweichenden Begründung abweisen. Immerhin prüft
das Bundesgericht, unter Berücksichtigung der allgemeinen Pflicht zur
Begründung der Beschwerde (Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG), grundsätzlich nur die
geltend gemachten Rügen, sofern die rechtlichen Mängel nicht geradezu
offensichtlich sind (BGE 141 V 234 E. 1 S. 236 mit Hinweisen).

1.2. Im Beschwerdeverfahren um die Zusprechung oder Verweigerung von
Geldleistungen der Militär- oder Unfallversicherung ist das Bundesgericht nicht
an die vorinstanzliche Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts gebunden
(Art. 97 Abs. 2 und Art. 105 Abs. 3 BGG).

2.

2.1. Streitig ist, ob die Vorinstanz zu Recht die Aufhebung der Invalidenrente
per 30. November 2015 in Bejahung eines Revisionsgrundes nach Art. 17 ATSG
bestätigte.

2.2. Die Vorinstanz legte die Bestimmungen und Grundsätze über das anwendbare
Recht (BGE 141 V 657 E. 3.5.1 S. 661; Abs. 1 der Übergangsbestimmungen zur
Änderung des UVG vom 25. September 2015, AS 2016 4375, 4387) sowie die
Modalitäten der Revision der Invalidenrente (Art. 17 Abs. 1 ATSG; BGE 141 V 9
E. 2.3 S. 10; 134 V 131 E. 3 S. 132; je mit Hinweisen) zutreffend dar. Darauf
wird verwiesen.

3.

3.1. Die Beschwerdeführerin bestreitet weiter die Zulässigkeit einer
materiellen Revision, weil die damalige Rentenzusprache auf der Grundlage eines
Vergleichs erfolgt sei. Zutreffend ist, dass es bereits vor Inkrafttreten des
ATSG nach der Rechtsprechung zulässig war, sozialversicherungsrechtliche
Streitigkeiten zwischen Versicherungsträger und Versicherten vergleichsweise zu
regeln (vgl. BGE 133 V 593 E. 4.3 S. 595; 104 V 162). Da dieser Vergleich
öffentlich-rechtlicher Natur ist, ist er vom Versicherungsträger in Form einer
anfechtbaren Verfügung zu eröffnen (vgl. Art. 50 ATSG, in Kraft seit 1. Januar
2003; BGE 135 V 124 E. 4.3.1 S. 131). Insoweit kann den vorinstanzlichen
Darlegungen mit der Beschwerdeführerin nicht gefolgt werden, wenn im
angefochtenen Entscheid ausgeführt wurde, die ursprüngliche Rentenzusprache sei
mittels anfechtbarer Verfügung und nicht mittels Vergleich erfolgt. Indes kann
die Beschwerdeführerin hieraus nichts zu ihren Gunsten ableiten. Insbesondere
geht ihr Einwand fehl, die vergleichsweise Erledigung des Falles schliesse die
nunmehr erfolgte Rentenaufhebung grundsätzlich aus. Die gestützt auf einen
Vergleich mit der versicherten Person erlassene Verfügung über die Zusprechung
einer Rentenleistung unterliegt vielmehr ebenfalls den Grundsätzen über die
materielle Revision (Art. 17 ATSG) oder denjenigen über die Wiedererwägung
(Art. 53 Abs. 2 ATSG; vgl. BGE 138 V 147 E. 2 S. 148 ff.; 140 V 77 S. 81 E.
3.2.2 f.; SVR 2018 UV Nr. 37   S. 131, 8C_248/2017 E. 4.4). Das revisionsweise
(oder wiedererwägungsweise) Zurückkommen auf die erfolgte Leistungszusprechung
verstösst demnach nicht gegen Treu und Glauben, wie die Beschwerdeführerin
annimmt. Ebenso wenig liegt eine unrichtige Feststellung des rechtserheblichen
Sachverhalts oder eine anderweitige Bundesrechtsverletzung vor. Auch wenn sich
die Vorinstanz nicht näher mit den in diesem Zusammenhang vorgebrachten Rügen
der Beschwerdeführerin auseinandersetzte, ist darin keine Gehörsverletzung zu
sehen. Die Urteilsbegründung darf sich auf die entscheidwesentlichen
Gesichtspunkte beschränken, solange sich die Betroffene über die Tragweite des
Entscheids Rechenschaft geben und diesen sachgerecht anfechten kann (vgl. BGE
142 III 433 E. 4.3.2 S. 436). Es fehlen Anhaltspunkte dafür und es wird auch
nicht geltend gemacht, dass die Beschwerdeführerin den Entscheid vom 27.
September 2019 nicht sachgerecht hätte anfechten können.

3.2. Was die revisionsrechtlich relevante gesundheitliche Veränderung betrifft,
ist es nicht zu beanstanden, wenn die Vorinstanz gestützt auf die Aktenlage
schloss, dass sich die funktionellen Einschränkungen der rechten Hand im
Vergleich zum Zeitpunkt der ursprünglichen Rentenzusprache deutlich verbessert
haben. Wie seitens der Beschwerdeführerin nicht bestritten wird, wurde zum
damaligen Zeitpunkt gemäss MEDAS-Gutachten vom 7. April 1997 die
Arbeitsfähigkeit als Schwesternhilfe hauptsächlich durch das vom
rheumatologischen Gutachter diagnostizierte ausgeprägte Zervikobrachialsyndrom
mit de facto funktioneller Einarmigkeit beeinflusst, weniger auch durch die
psychiatrischen Diagnosen in Form einer anhaltenden somatoformen Schmerzstörung
und einer psychoneurotischen Persönlichkeitsstörung. Mit der Vorinstanz ergibt
sich gestützt auf die Observationsergebnisse, dass sich zumindest ab dem
Zeitpunkt der Observation keine funktionellen Einschränkungen der rechten Hand
mehr finden lassen, wie sie im Gutachten der MEDAS beschrieben wurden. Die
Versicherte war in der Lage, ihre rechte Hand ohne funktionelle Einbussen im
Alltag einzusetzen, was sich mit der Befundlage anlässlich der Begutachtung
durch die PMEDA deckt. Dass es ihr schon seit dem Unfall, jedenfalls aber
bereits vor der Observation möglich gewesen sein soll, ihren rechten Arm in der
von den PMEDA-Gutachtern beschriebenen Weise einzusetzen, findet in den Akten
keine Grundlage. Die Vorinstanz durfte daher auch im vorliegenden Verfahren der
Unfallversicherung ohne Verletzung von Bundesrecht eine rentenwirksame
Veränderung des Gesundheitszustandes feststellen. Dies gilt ungeachtet des
Umstands, dass die Gutachter der PMEDA die Ansicht vertraten, es seien nie
unfallkausale Beschwerden mit Auswirkung auf die Arbeitsfähigkeit belegt
gewesen und sie insofern keine revisionsrechtlich beachtliche Veränderung des
Gesundheitszustands festhielten, sondern eine andere Beurteilung desselben
vornahmen. Zu betonen ist, dass die Invalidenrente nicht nur bei wesentlicher
Veränderung des Gesundheitszustandes, sondern auch dann revidierbar ist, wenn
sich die erwerblichen Auswirkungen des an sich gleich gebliebenen
Gesundheitsschadens erheblich verändert haben, da sich die Arbeitsfähigkeit
durch Angewöhnung oder Anpassung verbessern kann. Die objektivierbaren
klinischen Befunde anlässlich der PMEDA Begutachtung und die aus der
Observation gezogenen Erkenntnisse (zur Zulässigkeit der Verwertung der
Observationsergebnisse siehe E. 5.2 des Urteils 8C_770/2019) lassen mit der
Vorinstanz auf eine revisionsrechtlich erhebliche Verbesserung des
Leistungsvermögens schliessen. Denn spätestens seit der Observation im Juli
2014 besteht eine vollständige Arbeitsfähigkeit in der angestammten sowie in
einer leidensadaptierten Tätigkeit, nachdem im Zeitpunkt der
Leistungszusprechung die Arbeitsfähigkeit der Versicherten wesentlich durch die
faktische Einarmigkeit eingeschränkt wurde, weshalb ihr die Tätigkeit als
Schwesternhilfe nicht mehr zumutbar war. Die Beschwerdeführerin bringt nichts
vor, was unfallversicherungsrechtlich zu einem anderen Ergebnis führen könnte,
zumal sich ihre diesbezüglichen Rügen in der Wiederholung des bereits im
Verfahren betreffend die Invalidenversicherung Vorgebrachten erschöpfen. Bei
dieser Sach- und Rechtslage bestätigte die Vorinstanz demnach die
Rentenaufhebung auf den 30. November 2015 im Rahmen einer Revision nach Art. 17
ATSG zu Recht.

4. 

Das Verfahren ist kostenpflichtig. Die unterliegende Versicherte trägt die
Gerichtskosten (Art. 66 Abs. 1 BGG). Die Allianz hat keinen Anspruch auf eine
Parteientschädigung (Art. 68 Abs. 3 BGG).

 Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 

Die Beschwerde wird abgewiesen.

2. 

Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.

3. 

Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons
Zürich und dem Bundesamt für Gesundheit schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 3. Februar 2020

Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung

des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Maillard

Die Gerichtsschreiberin: Polla