Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 8C.68/2019
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Bundesgericht

Tribunal fédéral

Tribunale federale

Tribunal federal

               

8C_68/2019

Urteil vom 22. Juli 2019

I. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung

Bundesrichter Maillard, Präsident,

Bundesrichterin Heine, Bundesrichter Wirthlin,

Gerichtsschreiberin Schüpfer.

Verfahrensbeteiligte

A.________,

vertreten durch Rechtsanwalt Rainer Deecke,

Beschwerdeführerin,

gegen

HDI Global SE,

Dufourstrasse 46, 8008 Zürich,

vertreten durch Rechtsanwalt Martin Bürkle,

Beschwerdegegnerin.

Gegenstand

Unfallversicherung (Kausalzusammenhang),

Beschwerde gegen den Entscheid

des Obergerichts des Kantons Uri

vom 7. Dezember 2018 (OG V 18 2).

Sachverhalt:

A. 

Die 1951 geborene A.________ war als Berufs- und Fachschullehrerin bei der
Direktion B.________ angestellt und damit bei der HDI Global SE (HDI) gegen die
Folgen von Unfällen versichert. Gemäss Bagatellunfallmeldung vom 11. November
2015 war sie am 14. September 2015 beim Treppensteigen mit Schulmaterial in den
Händen ausgerutscht und vornüber gestürzt. Laut Zeugnis der erstbehandelnden
Ärztin, Dr. med. C.________, Fachärztin FMH für allgemeine Medizin, welche sie
am 6. Oktober 2015 aufsuchte, verletzte sich die Versicherte bei der
Abstützreaktion des rechten Armes am Oberarm. Die Unfallversicherung kam für
die Heilbehandlung auf. In einer MRI-Untersuchung vom 19. Juli 2016 am Spital
D.________ fanden sich eine Arthrose im Schultereckgelenk
(Akromioklavikulargelenk: ACG) mit Reizzustand, eine Impingementkonstellation,
eine mindestens subtotale Ablösung der Supraspinatussehne vom Tuberculum majus
und einer Retraktion bis 15 mm sowie Tendinopathien der Infraspinatussehne, der
Subscapularissehne und der langen Bizepssehne. Der Vertrauensarzt der HDI, Dr.
med. E.________, Facharzt für innere Medizin FMH, hielt in seiner Stellungnahme
vom 27. Oktober 2016 zusammenfassend fest, der Unfall habe nur eine
vorübergehende Verschlimmerung einer degenerativ geschädigten Schulter bewirkt,
welche spätestens Ende des Jahres 2015 abgeklungen sei. Gestützt darauf stellte
die HDI mit Verfügung vom 13. Dezember 2016 ihre Versicherungsleistungen per
31. Dezember 2015 ein. Daran hielt sei auch auf Einsprache hin fest
(Einspracheentscheid vom 23. November 2017).

B. 

Das Obergericht des Kantons Uri wies die hiegegen geführte Beschwerde, mit
welcher neben weiteren Leistungen der Unfallversicherung die Abgeltung zweier
im Beschwerdeverfahren eingereichten ärztlicher Stellungnahmen des Dr. med.
F.________, Facharzt FMH für Chirurgie, vom 18. Januar 2018 und vom 16.
September 2018 beantragt wurde, vollumfänglich ab.

C. 

A.________ lässt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten führen
und beantragen, in Aufhebung des kantonalen Entscheides seien ihr die
gesetzlichen Leistungen nach UVG auszurichten. Eventualiter sei die Sache zur
Einholung eines medizinischen Gutachtens an die Beschwerdegegnerin
zurückzuweisen. Zudem seien die Kosten der Berichte des Dr. med. F.________ vom
18. Januar und vom 16. September 2018 der Beschwerdegegnerin zu überbinden.

Das Bundesgericht holte die vorinstanzlichen Akten ein. Ein Schriftenwechsel
wurde nicht durchgeführt.

Erwägungen:

1. 

Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann wegen
Rechtsverletzungen gemäss Art. 95 und 96 BGG erhoben werden. Das Bundesgericht
wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG), doch prüft es, unter
Berücksichtigung der allgemeinen Rüge- und Begründungspflicht im
Beschwerdeverfahren (Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG), nur die geltend gemachten
Vorbringen, falls allfällige weitere rechtliche Mängel nicht geradezu
offensichtlich sind (BGE 141 V 234 E. 1 S. 236; 138 I 274 E. 1.6 S. 280).

Im Beschwerdeverfahren um die Zusprechung oder Verweigerung von Geldleistungen
der Militär- oder Unfallversicherung ist das Bundesgericht nicht an die
vorinstanzliche Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts gebunden (Art.
97 Abs. 2 und Art. 105 Abs. 3 BGG).

2. 

Streitig und zu prüfen ist, ob die Vorinstanz Bundesrecht verletzte, indem sie
die von der Beschwerdegegnerin verfügte Leistungseinstellung per 31. Dezember
2015 schützte. Im Zentrum steht dabei die Frage, ob auch die danach bestehenden
Schulterbeschwerden kausal auf das Unfallereignis vom 14. September 2015
zurückzuführen sind.

3.

3.1. Das kantonale Gericht legte die massgebenden Bestimmungen und Grundsätze
zum Erfordernis eines natürlichen Kausalzusammenhangs zwischen dem schädigenden
Ereignis und einem Gesundheitsschaden (BGE 142 V 435 E. 1 S. 438; 129 V 177 E.
3.1 S. 181; 129 V 402 E. 4.3.1 S. 406) sowie zum Dahinfallen der
Leistungspflicht bei Erreichen des Status quo sine vel ante, namentlich bei
krankhaften Vorzuständen (Urteil U 61/91 vom 18. Dezember 1991 E. 4b, in: RKUV
1992 Nr. U 142 S. 75) zutreffend dar. Gleiches gilt für den im
Sozialversicherungsrecht üblichen Beweisgrad der überwiegenden
Wahrscheinlichkeit (BGE 125 V 353 E. 5b S. 360) und die beweisrechtlichen
Anforderungen an ärztliche Berichte (BGE 134 V 231 E. 5.1 S. 232; 125 V 351 E.
3a S. 352). Darauf wird verwiesen.

3.2. Zu betonen ist, dass der Beweis des natürlichen Kausalzusammenhangs bzw.
dessen Wegfallens in erster Linie mit den Angaben medizinischer Fachpersonen zu
führen ist. Während bei der Frage, ob ein Kausalzusammenhang überhaupt jemals
gegeben ist, die versicherte Person beweisbelastet ist, trägt die
Unfallversicherung die Beweislast für einen behaupteten Wegfall der Kausalität
aufgrund des Erreichens des Zustands, wie er vor dem Unfall bestand oder sich
ohne diesen ergeben hätte (Status quo sine vel ante; Urteile 8C_523/2018 vom 5.
November 2018 E. 3.2; 8C_198/2017 vom 6. September 2017 E. 3.2; 8C_331/2015 vom
21. August 2015 E. 2.1.1, in: SVR 2016 UV Nr. 18 S. 55; je mit Hinweisen).
Dabei hat der Unfallversicherer nicht den Beweis für unfallfremde Ursachen zu
erbringen; entscheidend ist allein, ob die unfallbedingten Ursachen eines
Gesundheitsschadens ihre kausale Bedeutung verloren haben, also dahingefallen
sind (Urteil U 180/93 vom 18. Juli 1994 E. 3b in: RKUV 1994 Nr. U 206 S. 329).
Ebenso wenig geht es darum, vom Unfallversicherer den negativen Beweis zu
verlangen, dass kein Gesundheitsschaden mehr vorliege oder dass die versicherte
Person nun bei voller Gesundheit sei (Urteile 8C_523/2018 vom 5. November 2018
E. 3.2; U 290/06 vom 11. Juni 2007 E. 3.3, in: SVR 2008 UV Nr. 11 S. 34).

Bei Entscheiden gestützt auf versicherungsinterne ärztliche Beurteilungen, die
im Wesentlichen oder ausschliesslich aus dem Verfahren vor dem
Sozialversicherungsträger stammen, sind strenge Anforderungen an die
Beweiswürdigung zu stellen: Bestehen auch nur geringe Zweifel an der
Zuverlässigkeit und Schlüssigkeit der ärztlichen Feststellungen, ist eine
versicherungsexterne medizinische Begutachtung im Verfahren nach Art. 44 ATSG
oder ein Gerichtsgutachten anzuordnen (BGE 139 V 225 E. 5.2 S. 229; 135 V 465
E. 4 S. 467 ff.).

4.

4.1. Die Vorinstanz hat die medizinischen Berichte über die Untersuchungen der
Beschwerdeführerin sowie die Stellungnahmen aufgrund der Akten des Dr. med.
E.________ einerseits und des Dr. med. F.________ andererseits einlässlich
dargelegt. Sie hat die Beweise umfassend gewürdigt und festgestellt, die
vorliegenden Befunde am rechten Schultergelenk seien nicht mit überwiegender
Wahrscheinlichkeit auf den Unfall vom 14. September 2015 zurückzuführen. Daran
würden auch die von der Beschwerdeführerin im kantonalen Verfahren
eingereichten medizinischen Stellungnahmen nichts ändern. Bezüglich des
Unfallherganges stehe fest, dass die Versicherte beim Treppensteigen auf einem
Papier ausgerutscht und mit einer Abstützreaktion des rechten Armes vornüber
gestürzt sei. Damit sei mit überwiegender Wahrscheinlichkeit erstellt, dass
kein Verletzungsmechanismus vorgelegen habe, welcher eine traumatische
Rotatorenmanschettenruptur auslösen könne. Dies gelte auch entgegen den
Ausführungen des Dr. med. F.________ in seiner Stellungnahme vom 18. Januar
2018 und der von ihm darin zitierten Literatur (Leitlinien der Deutschen
Gesellschaft für Orthopädie und Orthopädische Chirurgie, Stand März 2017, S.
7).

4.2. An der Beurteilung des kantonalen Gerichts, dass die von der
Beschwerdeführerin angerufenen Berichte des Dr. med. F.________ keine auch nur
geringen Zweifel an der Einschätzung des Dr. med. E.________ erweckten,
vermögen auch die letztinstanzlich vorgebrachten Argumente nichts zu ändern.

4.2.1. Es genügt nicht, lediglich eine Stellungnahme eines eigenen Arztes
vorzulegen, um ungeachtet ihres Inhalts bereits "geringe Zweifel" im Sinne von
BGE 135 V 465 E. 4.6 S. 471 zu begründen. Soweit auch nicht geringe Zweifel an
der Richtigkeit der Schlussfolgerungen eines beratenden Arztes des
Versicherungsträgers bestehen, sind sie zu berücksichtigen (BGE 135 V 456 E.
4.7 S. 471). Zwei sich widersprechende Gutachten im Rechtssinne liegen hier
entgegen den Ausführungen in der Beschwerde nicht vor, weshalb kein Grund
ersichtlich war, ein Gerichtsgutachten einzuholen. Das kantonale Gericht hat
sich detailliert mit den verschiedenen medizinischen Ausführungen
auseinandergesetzt und begründet, weshalb es auf diejenigen des Dr. med.
E.________ abstellte. Entscheidend ist nach den vorinstanzlichen Erkenntnissen
dabei der Umstand, dass der Unfallmechanismus (Ausrutschen vornüber beim
Treppensteigen) nicht geeignet war, eine Verletzung der hier zur Diskussion
stehenden Art zu verursachen. Das gilt namentlich auch bezüglich der von der
Beschwerdeführerin geltend gemachten "Abstützreaktion", also einer direkten
Krafteinwirkung auf die Schulter. Selbst in der von Dr. med. F.________ in
seiner Stellungnahme vom 18. Januar 2018 angeführten Literatur, auf welche die
Beschwerdeführerin hinweist, wird die Möglichkeit einer
Rotatorenmanschettenruptur bei kraftvollem Abstützen nach einem Sturz nur in
Zusammenhang mit einer "starken Verletzung der Schulter" erwähnt (a.a.O. S. 4).
Von einer solchen konnte beim Ereignis vom 14. September 2015 jedoch nicht
gesprochen werden. So wurde erst rund drei Wochen nach dem Sturz erstmals eine
Ärztin aufgesucht (Erstkonsultation vom 6. Oktober 2015). Dr. med. C.________
fand damals eine Schulterprellung und ausdrücklich keine Hinweise für eine
Rotatorenmanschettenruptur. Die Vorinstanz hat sich auch mit diesem Vorbringen
bereits eingehend auseinandergesetzt und ist zum Schluss gekommen, dass nach
den überzeugenden Darlegungen des die Unfallversicherung beratenden Arztes die
Befunde, welche für eine Unfallkausalität sprechen würden, fehlten.
Schliesslich können auch die eigenen Hinweise der Beschwerdeführerin auf
medizinische Literatur und in die daraus entnommenen Zitate und Ausführungen an
den begründeten Feststellungen im angefochtenen Entscheid nichts ändern.

4.2.2. Auch der blosse Hinweis, dem Vertrauensarzt der Beschwerdegegnerin
mangle es als Internist an Fachwissen bezüglich einer orthopädischen
Fragestellung, weshalb auf seine Stellungnahme nicht abgestellt werden könne,
vermag die vorinstanzlichen Feststellungen nicht zu entkräften. Das kantonale
Gericht hat überzeugend dargelegt, weshalb die ärztlichen Stellungnahmen des
Dr. med. E.________ nachvollziehbar überzeugender sind als jene, die die
Beschwerdeführerin eingereicht hat. Dabei hat die Vorinstanz im Rahmen ihrer
obliegenden freien Beweiswürdigung alle ihr vorgelegten medizinischen Akten
umfassend gewürdigt und daraus unter Berücksichtigung des Beweisgrades der
überwiegenden Wahrscheinlichkeit bundesrechtskonforme Schlussfolgerungen
getroffen. Für eine Abqualifikation bestimmter medizinischer Berichte besteht
kein Raum (vgl. E. 3.1 hievor).

4.2.3. Nach der überzeugenden vorinstanzlichen Feststellung, wonach die
Rotatorenmanschette auch nicht teilweise durch das Ereignis vom 14. September
2015 geschädigt wurde, muss die Unfallversicherung für deren ab Juni 2016
erfolgte Behandlung auch nicht aufkommen.

4.3. Die Kosten eines von einer versicherten Person veranlassten Gutachtens
sind vom Versicherungsträger dann zu übernehmen, wenn sich der medizinische
Sachverhalt erst aufgrund des neu beigebrachten Untersuchungsergebnisses
schlüssig feststellen lässt und dem Sozialversicherer insoweit eine Verletzung
der ihm im Rahmen des Untersuchungsgrundsatzes obliegenden Pflicht zur
rechtsgenüglichen Sachverhaltsabklärung vorzuwerfen ist (RKUV 2004 Nr. U 503 S.
186, U 282/00, sowie SVR 2016 UV Nr. 24 S. 75, 8C_354/2015 E. 6.2 und Urteil
8C_200/2018 vom 26. November 2018 E. 6.4 mit Hinweis).

Die Stellungnahmen des Dr. med. F.________ waren nicht notwendig zur
Feststellung des massgebenden Sachverhalts, weshalb die Voraussetzungen einer
Kostenübernahme durch die IV-Stelle nicht erfüllt sind. Der kantonale Entscheid
ist auch diesbezüglich nicht zu beanstanden.

5. 

Das Verfahren ist kostenpflichtig. Die unterliegende Versicherte hat die
Gerichtskosten zu tragen (Art. 66 Abs. 1 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 

Die Beschwerde wird abgewiesen.

2. 

Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.

3. 

Dieses Urteil wird den Parteien, dem Obergericht des Kantons Uri,
Verwaltungsrechtliche Abteilung, und dem Bundesamt für Gesundheit schriftlich
mitgeteilt.

Luzern, 22. Juli 2019

Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung

des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Maillard

Die Gerichtsschreiberin: Schüpfer