Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 8C.684/2019
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Bundesgericht

Tribunal fédéral

Tribunale federale

Tribunal federal

               

8C_684/2019

Urteil vom 13. März 2020

I. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung

Bundesrichter Maillard, Präsident,

Bundesrichterin Heine, Bundesrichter Wirthlin,

Gerichtsschreiberin Durizzo.

Verfahrensbeteiligte

Schweizerische Unfallversicherungsanstalt (Suva), Fluhmattstrasse 1, 6004
Luzern,

Beschwerdeführerin,

gegen

A.________, vertreten durch Rechtsanwalt Jan Herrmann,

Beschwerdegegner.

Gegenstand

Unfallversicherung,

Beschwerde gegen den Entscheid des Kantonsgerichts Basel-Landschaft vom 23. Mai
2019 (725 18 389 / 128).

Sachverhalt:

A. 

A.________, geboren 1980, arbeitete seit 1. August 2015 als
Heizungsinstallateur bei der B.________ AG und war dadurch bei der
Schweizerischen Unfallversicherungsanstalt (Suva) für die Folgen von Berufs-
und Nichtberufsunfällen sowie Berufskrankheiten versichert. Am 4. Mai 2017 war
er in seinem Auto auf einer Quartierstrasse unterwegs, als eine andere
Fahrzeuglenkerin von links rückwärts aus einem seitlich schräg zur Strasse
liegenden Parkfeld fuhr und es zur Kollision der beiden Autos kam
(Unfallmeldung vom 5. Mai 2017 und Angaben vom 10. Mai 2017). A.________ begab
sich zur Behandlung in die hausärztliche Notfallpraxis im Spital C.________, wo
eine Kontusion am Arm und am Thorax links festgestellt wurde (Bericht vom 4.
Mai 2017). In der Folge klagte er über anhaltende Beschwerden an der linken
Schulter. Seine Hausärztin bescheinigte bis 23. Mai 2017 eine vollständige
Arbeitsunfähigkeit und danach eine Arbeitsfähigkeit von 25 %. Nach einer
zunächst konservativen Therapie operierte med. prakt. D.________, Facharzt FMH
für orthopädische Chirurgie und Traumatologie des Bewegungsapparates, Klinik
E.________, die Schulter am 28. Mai 2018 (Arthroskopie mit
Bizepssehnentenodese; Bericht vom 30. Mai 2018).

Gestützt auf die Einschätzung ihrer Abteilung Versicherungsmedizin, Dr. med.
F.________, Facharzt Orthopädische Chirurgie und Traumatologie des
Bewegungsapparates, vom 30. November 2017 schloss die Suva den Fall per 31.
Dezember 2017 ab. Die nach diesem Zeitpunkt noch anhaltenden Beschwerden seien
nicht unfall-, sondern krankheitsbedingt (Verfügung vom 19. Dezember 2017). Das
im Einspracheverfahren eingereichte Privatgutachten des Dr. med. G.________,
Orthopädische Chirurgie FMH, Klinik H.________, vom 8. Februar 2018 legte sie
ihrer Abteilung Versicherungsmedizin, Dr. med. I.________, Facharzt für
Orthopädie und Unfallchirurgie, vor. Er berücksichtigte in seiner Beurteilung
vom 4. Oktober 2018 auch die zuhanden des Haftpflichtversicherers (Allianz
Suisse Versicherungs-Gesellschaft) erstellten Aktenbeurteilungen des Dr. med.
J.________, Spezialarzt für Allgemein- und Unfallchirurgie FMH. Mit
Einspracheentscheid vom 31. Oktober 2018 hielt die Suva an ihrer Auffassung
fest.

B. 

Die dagegen erhobene Beschwerde hiess das Kantonsgericht Basel-Landschaft mit
Entscheid vom 23. Mai 2019 gut. Es hob den Einspracheentscheid vom 31. Oktober
2018 auf und sprach A.________ auch für die Zeit nach dem 31. Dezember 2017 die
gesetzlichen Leistungen zu.

C. 

Die Suva führt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten mit dem
Antrag, der angefochtene Entscheid sei aufzuheben und der Einspracheentscheid
vom 31. Oktober 2018 zu bestätigten. Eventualiter sei die Sache zur Einholung
eines Gutachtens an sie zurückzuweisen.

A.________ lässt auf Abweisung der Beschwerde schliessen. Das Bundesamt für
Gesundheit verzichtet auf eine Vernehmlassung.

Erwägungen:

1.

1.1. Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann wegen
Rechtsverletzungen gemäss Art. 95 und 96 BGG erhoben werden. Das Bundesgericht
wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Es ist folglich
weder an die in der Beschwerde geltend gemachten Argumente noch an die
Erwägungen der Vorinstanz gebunden; es kann eine Beschwerde aus einem anderen
als dem angerufenen Grund gutheissen und es kann sie mit einer von der
Argumentation der Vorinstanz abweichenden Begründung abweisen. Immerhin prüft
das Bundesgericht, unter Berücksichtigung der allgemeinen Pflicht zur
Begründung der Beschwerde (Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG), grundsätzlich nur die
geltend gemachten Rügen, sofern die rechtlichen Mängel nicht geradezu
offensichtlich sind (BGE 141 V 234 E. 1 S. 236 mit Hinweisen).

1.2. Im Beschwerdeverfahren um die Zusprechung oder Verweigerung von
Geldleistungen der Militär- oder Unfallversicherung ist das Bundesgericht nicht
an die vorinstanzliche Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts gebunden
(Art. 97 Abs. 2 und Art. 105 Abs. 3 BGG).

2. 

Streitig ist, ob die vorinstanzliche Zusprechung von Versicherungsleistungen
über den 31. Dezember 2017 hinaus vor Bundesrecht standhält.

3. 

Das kantonale Gericht hat die Rechtsprechung zu dem für die Leistungspflicht
des Unfallversicherers nach Art. 6 Abs. 1 UVG vorausgesetzten natürlichen und
adäquaten Kausalzusammenhang (BGE 142 V 435 E. 1 S. 438; 129 V 177 E. 3.1 und
3.2 S. 181) und insbesondere zur Haftung bei unfallbedingter Verschlimmerung
eines krankhaften Vorzustandes (SVR 2016 UV Nr. 18 S. 55, 8C_331/2015 E. 2.1.1;
SVR 2010 UV Nr. 31 S. 125, 8C_816/2009 E. 4.3; Urteile 8C_781/2017 vom 21.
September 2018 E. 5.1; 8C_326/2008 vom 24. Juni 2008 E. 3.2 und 4) zutreffend
dargelegt. Richtig wiedergegeben werden auch die Grundsätze über die
Beurteilung des Beweiswerts eines ärztlichen Berichts oder Gutachtens (BGE 134
V 231 E. 5.1 S. 232; 125 V 351 E. 3a S. 352). Hervorzuheben ist diesbezüglich,
dass praxisgemäss auch auf versicherungsinterne ärztliche Feststellungen
abgestellt werden kann. Bestehen jedoch auch nur geringe Zweifel an ihrer
Zuverlässigkeit und Schlüssigkeit, sind weitere Abklärungen vorzunehmen (BGE
139 V 225 E. 5.2 S. 229; 135 V 465 E. 4.4 S. 469 f.; 125 V 351 E. 3b/ee S. 353
f.; 122 V 157 E. 1d S. 162).

4. 

Das kantonale Gericht stellte fest, dass es am 4. Mai 2017 durch ein Verdrehen
beziehungsweise ein Anschlagen der linken Schulter zu einer vorübergehenden
Verschlimmerung eines krankhaften Vorzustandes gekommen sei. Worin dieser
Vorzustand im Einzelnen bestanden habe und wodurch die weiter anhaltenden
Schmerzen verursacht würden, liess die Vorinstanz offen. Dass der Status quo
sine am 31. Dezember 2017 erreicht gewesen sei, liess sich nach dem kantonalen
Gericht gestützt auf die vorhandenen medizinischen Unterlagen nicht beweisen,
zumal sich der Versicherte am 28. Mai 2018 noch einer Operation habe
unterziehen müssen. Es erkannte, dass die Suva so lange leistungspflichtig
bleibe, bis von der Fortsetzung der ärztlichen Behandlung keine namhafte
Besserung des Gesundheitszustandes mehr erwartet werden könne.

5. 

Die Suva macht geltend, die Vorinstanz sei unzulässigerweise allein aufgrund
der seit dem Unfall geklagten Beschwerden von einem auch weiterhin
anspruchsbegründenden Kausalzusammenhang ausgegangen ("post hoc ergo propter
hoc"). Mit der versicherungsinternen Stellungnahme des Dr. med. I.________ habe
eine zuverlässige Grundlage für die Annahme einer Verschlimmerung höchstens bis
zu dem von ihr verfügten Fallabschluss per 31. Dezember 2017 bestanden, zumal
der Kreisarzt seine Einschätzung auch mit den massgeblichen Lehrmeinungen
untermauert habe. Wenn die Vorinstanz gestützt darauf vom Erreichen des
Vorzustandes in Form einer schweren subakromialen Impingementkonstellation
sechs bis acht Wochen beziehungsweise höchstens vier Monate nach der erlittenen
Prellung oder Distorsion des Oberarms nicht überzeugt gewesen sei, hätte sie
weitere medizinische Abklärungen treffen müssen, statt zu einer eigenständigen
Beurteilung zu schreiten.

6. 

Auf die versicherungsinterne Beurteilung des Dr. med. I.________ vom 4. Oktober
2018 war praxisgemäss grundsätzlich abzustellen (oben E. 3). Die Vorinstanz
zweifelte jedoch insbesondere deshalb an seiner Einschätzung, weil er auch eine
Koinzidenz, das heisst ein zufälliges, mit dem Unfall zeitgleiches Auftreten
der bisher klinisch stummen, bildgebend aber nachgewiesenen unfallfremden
Impingementsymptomatik nicht ausschloss. Soweit er eine Teilursächlichkeit des
Unfalls dennoch als möglich erachtete, waren seine Feststellungen nach
Auffassung des kantonalen Gerichts jedenfalls hinsichtlich der zu
berücksichtigenden Dauer der vorübergehenden Verschlimmerung nicht schlüssig.
Dass diesbezüglich von einem Erfahrungswert von sechs bis acht Wochen,
höchstens aber vier Monaten auszugehen sei, stehe im Widerspruch zur
Einschätzung des Privatgutachters Dr. med. G.________, wonach der Status quo
sine am 31. Dezember 2017 noch nicht erreicht gewesen sei.

Gelangt der Rechtsanwender zur Feststellung, dass die grundsätzlich voll
beweistaugliche versicherungsinterne Beurteilung nicht zuverlässig sei, hat er
weitere Abklärungen vorzunehmen (oben E. 3). Indem die Vorinstanz gestützt auf
eigene Überlegungen den vorab ärztlich zu beurteilenden natürlichen
Kausalzusammenhang zwischen dem am 4. Mai 2017 erlittenen Unfall und den auch
nach dem 31. Dezember 2017 noch geklagten Beschwerden bejahte, verletzte sie
Bundesrecht. Die Sache ist eventualantragsgemäss an die Suva zurückzuweisen,
damit sie ein versicherungsexternes Gutachten einhole und über ihre
Leistungspflicht nach dem 31. Dezember 2017 erneut entscheide.

7. 

Vom Antrag auf Aufhebung des vorinstanzlichen Enscheides erfasst wird auch
dessen Dispositiv-Ziffer 3. Das kantonale Gericht auferlegte der Suva damit die
Kosten für das vom Beschwerdegegner in Auftrag gegebene Privatgutachten des Dr.
med. G.________ vom 8. Februar 2018 in der Höhe von Fr. 380.-. Soweit sich die
Beschwerde auch dagegen richtet, fehlt es an einer Begründung. Es ist daher
insoweit nicht darauf einzutreten.

8. 

Die Beschwerde ist offensichtlich begründet, soweit darauf einzutreten ist, und
wird mit summarischer Begründung im Verfahren nach Art. 109 BGG erledigt.

9. 

Das Verfahren ist kostenpflichtig (Art. 65 BGG). Die Gerichtskosten werden dem
unterliegenden Beschwerdegegner auferlegt (Art. 66 Abs. 1 Satz 1 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 

Die Beschwerde wird teilweise gutgeheissen, soweit darauf einzutreten ist. Die
Dispositiv-Ziffern 1, 2 und 4 des Entscheides des Kantonsgerichts
Basel-Landschaft vom 23. Mai 2019 und der Einspracheentscheid der
Schweizerischen Unfallversicherungsanstalt (Suva) vom 31. Oktober 2018 werden
aufgehoben. Die Sache wird zu neuer Verfügung an die Suva zurückgewiesen. Im
Übrigen wird die Beschwerde abgewiesen.

2. 

Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden dem Beschwerdegegner auferlegt.

3. 

Dieses Urteil wird den Parteien, dem Kantonsgericht Basel-Landschaft und dem
Bundesamt für Gesundheit schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 13. März 2020

Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung

des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Maillard

Die Gerichtsschreiberin: Durizzo