Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 8C.605/2019
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Bundesgericht

Tribunal fédéral

Tribunale federale

Tribunal federal

               

8C_605/2019

Urteil vom 12. November 2019

I. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung

Bundesrichter Maillard, Präsident,

Bundesrichterinnen Heine, Viscione,

Gerichtsschreiberin Schüpfer.

Verfahrensbeteiligte

A.________, Österreich,

vertreten durch Rechtsanwältin Bettina Surber,

Beschwerdeführer,

gegen

IV-Stelle für Versicherte im Ausland IVSTA, Avenue Edmond-Vaucher 18, 1203
Genf,

Beschwerdegegnerin.

Gegenstand

Invalidenversicherung (Rente),

Beschwerde gegen den Entscheid des Bundesverwaltungsgerichts vom 17. Juli 2019
(C-1090/2018).

Sachverhalt:

A. 

Der 1974 geborene A.________, österreichischer Staatsangehöriger mit Wohnsitz
in Österreich, arbeitete seit dem Jahre 2000 als Grenzgänger in der Schweiz. Er
meldete sich am 11. Dezember 2012 bei der Sozialversicherungsanstalt des
Kantons St. Gallen, IV-Stelle, infolge psychischer Probleme zum Leistungsbezug
an. Diese klärte den Sachverhalt unter anderem durch Beizug verschiedener von
der Krankentaggeldversicherung des A.________ in Auftrag gegebenen Gutachten
ab. Zusätzlich holte sie eine psychiatrische Expertise des Dr. med. B.________
(mit einer neuropsychologischen Untersuchung durch Dr. phil. C.________) vom
12. Januar 2017 ein. Die IV-Stelle für Versicherte im Ausland (IVSTA),
verneinte mit Verfügung vom 18. Januar 2018 gestützt auf den von der kantonalen
IV-Stelle ermittelten Invaliditätsgrad von 0 % einen Rentenanspruch.

B. 

Die hiegegen erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht mit
Entscheid vom 17. Juli 2019 ab.

C. 

Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten lässt A.________
beantragen, in Aufhebung des angefochtenen Entscheides sei die Sache zu
weiteren Abklärungen seines Gesundheitszustandes und neuer Verfügung an die
IVSTA zurückzuweisen. Für das bundesgerichtliche Verfahren sei ihm die
unentgeltliche Rechtspflege zu gewähren.

Ein Schriftenwechsel wurde nicht durchgeführt.

Erwägungen:

1. 

1.1. Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann eine
Rechtsverletzung nach Art. 95 f. BGG gerügt werden. Das Bundesgericht wendet
das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Dennoch prüft es -
offensichtliche Fehler vorbehalten - nur die in seinem Verfahren gerügten
Rechtsmängel (Art. 42 Abs. 1 f. BGG; BGE 135 II 384 E. 2.2.1 S. 389). Es legt
seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat
(Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann ihre Sachverhaltsfeststellung von Amtes wegen
berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer
Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht und wenn die Behebung des
Mangels für den Verfahrensausgang entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1, Art.
105 Abs. 2 BGG). Rechtsfrage ist, ob die rechtserheblichen Tatsachen
vollständig festgestellt und ob der Untersuchungsgrundsatz bzw. die
Beweiswürdigungsregeln nach Art. 61 lit. c ATSG beachtet wurden. Gleiches gilt
für die Frage, ob den medizinischen Gutachten und Berichten im Lichte der
rechtsprechungsgemässen Anforderungen Beweiswert zukommt (BGE 134 V 231 E. 5.1
S. 232). Bei den aufgrund der ärztlichen Unterlagen getroffenen Feststellungen
zum Gesundheitszustand und zur Arbeitsfähigkeit und bei der konkreten
Beweiswürdigung geht es um Sachverhaltsfragen (nicht publ. E. 1 des Urteils BGE
141 V 585).

1.2. Eine Sachverhaltsfeststellung ist nicht schon dann offensichtlich
unrichtig, wenn sich Zweifel anmelden, sondern erst, wenn sie eindeutig und
augenfällig unzutreffend ist. Eine offensichtlich unrichtige
Sachverhaltsfeststellung weist damit die Tragweite von Willkür auf. Es liegt
noch keine offensichtliche Unrichtigkeit vor, nur weil eine andere Lösung
ebenfalls in Betracht fällt, selbst wenn diese als die plausiblere erscheint.
Eine Sachverhaltsfeststellung ist etwa dann offensichtlich unrichtig, wenn das
kantonale Gericht den Sinn und die Tragweite eines Beweismittels offensichtlich
falsch eingeschätzt, ohne sachlichen Grund ein wichtiges und für den Ausgang
des Verfahrens entscheidendes Beweismittel nicht beachtet oder aus den
abgenommenen Beweisen unhaltbare Schlüsse gezogen hat. Solche Mängel sind in
der Beschwerde aufgrund des strengen Rügeprinzips (vgl. Art. 106 Abs. 2 BGG)
klar und detailliert aufzuzeigen (BGE 144 V 50 E. 4.2 S. 53 mit Hinweisen;
Urteil 9C_752/2018 vom 12. April 2019 E. 1.2).

2. 

Streitig und zu prüfen ist, ob die Vorinstanz Bundesrecht verletzte, indem sie
in Bestätigung der Verfügung der IVSTA vom 18. Januar 2018 einen Rentenanspruch
des Beschwerdeführers verneinte.

Das Bundesverwaltungsgericht hat die rechtlichen Grundlagen über die
Erwerbsunfähigkeit (Art. 7 Abs. 1 ATSG), die Invalidität (Art. 8 Abs. 1 ATSG;
Art. 4 Abs. 1 IVG), die Voraussetzungen des Rentenanspruchs (Art. 28 IVG) sowie
den Beweiswert ärztlicher Berichte und Gutachten (E. 1 hiervor; vgl. auch BGE
137 V 210 E. 2.2.2 S. 232, 135 V 465 E. 4.4 S. 470, 125 V 351 E. 3a und b S.
532 f.) zutreffend dargelegt. Richtig ist auch, dass grundsätzlich sämtliche
psychischen Erkrankungen einem strukturierten Beweisverfahren nach BGE 141 V
281 zu unterziehen sind (BGE 143 V 418). Darauf wird verwiesen.

3. 

3.1. Das Bundesverwaltungsgericht führt aus, Dr. med. B.________ habe unter
Bezugnahme auf die im Klassifikationssystem ICD10 enthaltene Umschreibung
detailliert dargelegt, weshalb die im Rahmen der Untersuchung festgestellte
depressive Symptomatik nicht den Schweregrad erreiche, um die Kriterien einer
depressiven Störung zu erfüllen, sondern eine Dysthymie vorliege. Weiter habe
der Gutachter festgehalten, dass zum Zeitpunkt der Untersuchung am 12. Dezember
2016 aufgrund der erhobenen Befunde sowie der subjektiven Angaben des
Versicherten zwar Anhaltspunkte für eine depressiven Episode gegeben seien. Die
psychiatrische sowie die neuropsychologische Abklärung, wie auch die Aktenlage
enthalte aber viele Hinweise auf eine starke Aggravation, weshalb die
subjektiven Angaben zu relativieren seien. Nach sorgfältiger Würdigung der
medizinischen Aktenlage, erachtete die Vorinstanz das Gutachten als
beweiskräftig.

3.2.

3.2.1. Was der Beschwerdeführer dagegen vorbringt (Expertise vom 12. Januar
2017), verfängt nicht. Denn gemäss BGE 141 V 281 E. 2.2.1 liegt regelmässig
keine versicherte Gesundheitsschädigung vor, wenn die Leistungseinschränkung
auf Aggravation oder einer ähnlichen Erscheinung beruht. Besteht im Einzelfall
Klarheit darüber, dass solche Ausschlussgründe die Annahme einer
Gesundheitsbeeinträchtigung verbieten, so besteht von vornherein keine
Grundlage für eine Invalidenrente (Art. 7 Abs. 2 erster Satz ATSG). Soweit die
betreffenden Anzeichen neben einer ausgewiesenen verselbstständigten
Gesundheitsschädigung (BGE 127 V 294 E. 5a S. 299) auftreten, sind deren
Auswirkungen derweil im Umfang der Aggravation zu bereinigen (BGE 141 V 281 E.
2.2 S. 287 f.).

3.2.2. Wenn der Versicherte zur im Gutachten festgehaltenen bewusstseinsnahen
Aggravation ausführt, die neuropsychologische Testung sei durch den
psychiatrischen Facharzt zu wenig gewürdigt worden und es fehle an einer
eigentlichen Plausibilisierung, weshalb dem Gutachten der Beweiswert
abzusprechen sei, ist dies nicht stichhaltig. Dr. med. B.________ hat sich
entgegen der Darstellung in der Beschwerde nicht nur auf die Aussagen des
neuropsychologischen Nebengutachters gestützt, sondern er hat darüber hinaus
auf weitere Inkonsistenzen aufmerksam gemacht, die zu seiner Beurteilung
führten. So kam er gemäss Feststellung im angefochtenen Entscheid auch aufgrund
der vom Beschwerdeführer in Anspruch genommenen psychiatrischen Behandlung und
des Verzichts auf die Einnahme von antidepressiven Medikamenten zur Erkenntnis,
es liege eine Aggravation vor. Wie das Bundesverwaltungsgericht bereits
umfassend ausführte, ist es nicht rechtswidrig, wenn zur Beurteilung einer
Aggravation auf neuropsychologische (Validierungs-) Tests, die die Kriterien
nach Slick et al. (1999) erfüllen, abgestellt wird, soweit - wie vorliegend -
ein psychiatrischer Facharzt die Testergebnisse würdigt (Urteil 8C_95/2019 vom
3. Juni 2019 E. 6.1). Die Vorinstanz durfte demnach die gutachterliche
Einschätzung übernehmen, ohne Bundesrecht zu verletzen.

3.2.3. Weiter bringt der Beschwerdeführer vor, es lägen zahlreiche weitere
Gutachten und Arztberichte vor und in keinem werde ihm Aggravation vorgeworfen.
Diesen komme voller Beweiswert zu, weshalb eine sich widersprechende
medizinische Aktenlage vorliege, welche mit einer erneuten Begutachtung zu
klären sei.

Das Bundesverwaltungsgericht hat sich nicht nur mit dem Gutachten vom 12.
Januar 2017, sondern darüber hinaus eingehend mit der gesamten medizinischen
Aktenlage auseinandergesetzt, insbesondere auch mit dem von der
Krankentaggeldversicherung in Auftrag gegebenen Gutachten. Auch in diesem
hätten sich Hinweise auf eine Aggravation gefunden. So habe Dr. med. D.________
in ihrem Gutachten vom 9. Januar 2013 festgehalten, es liege eine neurotische
Fehlentwicklung mit Vermeidungsverhalten, Leistungshemmung und einem sekundären
Krankheitsgewinn vor. Zudem habe sie eine erheblich Diskrepanz zwischen der
Selbstwahrnehmung des Versicherten und der Fremdeinschätzung beobachtet. Die
Vorinstanz hat ihre Tatsachenfeststellungen in Würdigung der gesamten
medizinischen Akten getroffen. Es wird vom Beschwerdeführer nicht aufgezeigt
und ist auch nicht ersichtlich, inwiefern sie dabei Bundesrecht verletzt haben
sollte. Ohnehin beschränkt sich der Versicherte über weite Strecken auf eine
von der Vorinstanz abweichende Beweiswürdigung (vgl. Urteile 9C_714/2015 vom
29. April 2016 E. 4.3; 9C_65/2012 vom 28. Februar 2012 E. 4.3 mit Hinweisen)
resp. appellatorische Kritik (vgl. BGE 140 III 264 E. 2.3 S. 266), was zur
Begründung einer offensichtlichen Unrichtigkeit der vorinstanzlichen
Feststellung nicht genügt.

3.3. Bei dieser Sachlage stellt der in antizipierter Beweiswürdigung erfolgte
Verzicht auf weitere Abklärungen keine Verletzung des Untersuchungsgrundsatzes
dar. Dadurch wird auch nicht das Recht auf Beweis verletzt (Art. 29 Abs. 2 BV;
Art. 6 Ziff. 1 EMRK). Die Beschwerde ist abzuweisen.

4. 

Ausgangsgemäss wird der Beschwerdeführer grundsätzlich kostenpflichtig (Art. 66
Abs. 1 Satz 1 BGG). Seinem Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege kann nicht
entsprochen werden (Art. 64 Abs. 1 und 2 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 

Die Beschwerde wird abgewiesen.

2. 

Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen.

3. 

Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

4. 

Dieses Urteil wird den Parteien, dem Bundesverwaltungsgericht, Abteilung III,
und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 12. November 2019

Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung

des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Maillard

Die Gerichtsschreiberin: Schüpfer