Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 8C.588/2019
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Bundesgericht

Tribunal fédéral

Tribunale federale

Tribunal federal

               

8C_588/2019

Urteil vom 26. November 2019

I. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung

Bundesrichter Maillard, Präsident,

Bundesrichterin Heine, Bundesrichter Abrecht,

Gerichtsschreiber Nabold.

Verfahrensbeteiligte

A.________,

vertreten durch Rechtsanwalt Beat Rohrer,

Beschwerdeführerin,

gegen

IV-Stelle Luzern,

Landenbergstrasse 35, 6005 Luzern,

Beschwerdegegnerin.

Gegenstand

Invalidenversicherung (Invalidenrente),

Beschwerde gegen den Entscheid des Kantonsgerichts Luzern vom 12. August 2019
(5V 18 389).

Sachverhalt:

A. 

Die 1976 geborene A.________ ist Mutter zweier Kinder (geboren 2006 und 2008).
Sie war zuletzt zu 60 % als Betriebsmitarbeiterin der B.________ AG
erwerbstätig gewesen, als sie sich am 8. März 2017 unter Hinweis auf einen 2012
erfolgten Mitralklappenersatz, auf einen 2014 erlittenen Kleinhirninfarkt und
der in der Folge aufgetretenen epileptischen Anfällen bei der IV-Stelle Luzern
zum Leistungsbezug anmeldete. Nach medizinischen Abklärungen und Durchführung
des Vorbescheidverfahrens sprach die IV-Stelle der Versicherten mit Verfügung
vom 9. November 2018 eine vom 1. September 2017 bis 30. Juni 2018 befristete
Dreiviertelsrente der Invalidenversicherung zu.

B. 

Die von A.________ hiegegen erhobene Beschwerde wies das Kantonsgericht Luzern
mit Entscheid vom 12. August 2019 ab.

C. 

Mit Eingabe vom 10. September 2019 an das kantonale Gericht legte der Hausarzt
der Versicherten, med. prakt. C.________, für seine Patientin "Wiederspruch"
gegen diesen Entscheid ein. Das Kantonsgericht übermittelte dieses Schreiben
zuständigkeitshalber dem Bundesgericht. Eine vom Bundesgericht am 13. September
2019 versandte Aufforderung zur Verbesserung der Beschwerde und zur
Nachreichung einer Vollmacht wurde von diesem Arzt nicht bei der Post abgeholt.

Mit Eingabe vom 23. September 2019 erhebt A.________, nunmehr vertreten durch
einen Rechtsanwalt, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten und
beantragt, die Sache sei zu weiteren Abklärungen an die Vorinstanz
zurückzuweisen, eventuell sei ihr unter Aufhebung des kantonalen
Gerichtsentscheides auch über den 30. Juni 2018 hinaus weiterhin eine
Invalidenrente zuzusprechen.

Während die IV-Stelle auf Abweisung der Beschwerde schliesst, verzichtet das
Bundesamt für Sozialversicherungen auf eine Vernehmlassung.

Erwägungen:

1. 

1.1. Der Hausarzt der Beschwerdeführerin reichte am 10. September 2019 beim
kantonalen Gericht ein Schreiben ein. Auch auf Aufforderung des Bundesgerichts
hin, dem dieses Schreiben zuständigkeitshalber überwiesen wurde, brachte der
Arzt keine schriftliche Vollmacht bei. Da die Beschwerdeführerin jedoch am 23.
September 2019 - und damit noch innerhalb der Beschwerdefrist nach Art. 100
Abs. 1 BGG - vertreten durch einen Rechtsanwalt eine gültige Beschwerde
einreichte, kann auf Weiterungen zum Schreiben vom 10. September 2019
verzichtet werden.

1.2. Die Voraussetzungen der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen
Angelegenheiten sind grundsätzlich gegeben (Art. 82 lit. a, Art. 83 e contrario
, Art. 86 Abs. 1 lit. d und Abs. 2, Art. 89 Abs. 1, Art. 90 und Art. 100 Abs. 1
BGG). 

1.3. Das Bundesgericht prüft das Bundesrecht von Amtes wegen (Art. 106 Abs. 1
BGG; BGE 143 V 19 E. 2.3 S. 23 f.) und mit uneingeschränkter (voller) Kognition
(Art. 95 lit. a BGG; BGE 141 V 234 E. 2 S. 236). Es ist folglich weder an die
in der Beschwerde geltend gemachten Argumente noch an die Erwägungen der
Vorinstanz gebunden; es kann eine Beschwerde aus einem anderen als dem
angerufenen Grund gutheissen und es kann sie mit einer von der Argumentation
der Vorinstanz abweichenden Begründung abweisen. Immerhin prüft das
Bundesgericht, unter Berücksichtigung der allgemeinen Pflicht zur Begründung
der Beschwerde (Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG), grundsätzlich nur die geltend
gemachten Rügen, sofern die rechtlichen Mängel nicht geradezu offensichtlich
sind (BGE 141 V 234 E. 1 S. 236 mit Hinweisen).

1.4. Das Bundesgericht kann die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz nur
berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer
Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG).
Überdies muss die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens
entscheidend sein (Art. 97 Abs. 1 BGG).

Die beschwerdeführende Partei, welche die Sachverhaltsfeststellungen der
Vorinstanz anfechten will, muss substanziiert darlegen, inwiefern die
Voraussetzungen einer Ausnahme gemäss Art. 105 Abs. 2 BGG gegeben sind und das
Verfahren bei rechtskonformer Ermittlung des Sachverhalts anders ausgegangen
wäre; andernfalls kann ein Sachverhalt, der vom im angefochtenen Entscheid
festgestellten abweicht, nicht berücksichtigt werden (BGE 140 III 16 E. 1.3.1
S. 18 mit Hinweisen).

2. 

Streitig und zu prüfen ist, ob die Vorinstanz Bundesrecht verletzt hat, als sie
die Befristung des Rentenanspruchs auf den 30. Juni 2018 bestätigte.

3. 

3.1. Der Anspruch auf Leistungen der Invalidenversicherung setzt unter anderem
voraus, dass die versicherte Person invalid oder von Invalidität unmittelbar
bedroht ist. Invalidität ist gemäss Art. 8 Abs. 1 ATSG die voraussichtlich
bleibende oder längere Zeit dauernde ganze oder teilweise Erwerbsunfähigkeit.

3.2. Die Rente wird von Amtes wegen oder auf Gesuch hin für die Zukunft
entsprechend erhöht, herabgesetzt oder aufgehoben (Art. 17 Abs. 1 ATSG; Art.
88a IVV), wenn sich der Invaliditätsgrad eines Rentenbezügers erheblich ändert.
Anlass zur Rentenrevision gibt jede wesentliche Änderung in den tatsächlichen
Verhältnissen seit Zusprechung der Rente, die geeignet ist, den
Invaliditätsgrad und damit den Anspruch zu beeinflussen. Insbesondere ist die
Rente bei einer wesentlichen Änderung des Gesundheitszustandes oder der
erwerblichen Auswirkungen des an sich gleich gebliebenen Gesundheitszustandes
revidierbar (BGE 134 V 131 E. 3 S. 132). Nach der Rechtsprechung sind diese
Revisionsbestimmungen bei der rückwirkenden Zusprechung einer abgestuften oder
befristeten Rente analog anwendbar (BGE 133 V 263 E. 6.1 mit Hinweisen), weil
noch vor Erlass der ersten Rentenverfügung eine anspruchsbeeinflussende
Änderung eingetreten ist mit der Folge, dass dann gleichzeitig die Änderung
mitberücksichtigt wird. Wird rückwirkend eine abgestufte oder befristete Rente
zugesprochen, sind einerseits der Zeitpunkt des Rentenbeginns und anderseits
der in Anwendung der Dreimonatsfrist von Art. 88a IVV festzusetzende Zeitpunkt
der Anspruchsänderung die massgebenden Vergleichszeitpunkte (Urteil 8C_458/2017
vom 6. August 2018 E. 2 mit Hinweisen). Die Verbesserung der Arbeitsfähigkeit
aufgrund einer Angewöhnung oder Anpassung an die Behinderung kann auch ohne
wesentliche Änderung des Gesundheitszustandes eine Rentenrevision
rechtfertigen. Hingegen ist die lediglich unterschiedliche Beurteilung eines im
Wesentlichen gleich gebliebenen Sachverhalts im revisionsrechtlichen Kontext
unbeachtlich (BGE 141 V 9 E. 2.3 S. 10 f. mit Hinweisen).

4. 

4.1. Das kantonale Gericht hat in umfassender Würdigung der medizinischen
Akten, insbesondere aber unter Berücksichtigung der Stellungnahme des Arztes
Dr. med. D.________, Regionaler Ärztlicher Dienst (RAD), vom 8. Mai 2018, für
das Bundesgericht grundsätzlich verbindlich festgestellt, dass sich der
Gesundheitszustand der Versicherten ab April 2018 verbessert hat und sie
nunmehr in der Lage ist, eine leidensangepasste Tätigkeit mit einer
Einschränkung von ca. 20 % auszuüben. Was die Beschwerdeführerin gegen diese
Feststellung vorbringt, vermag sie - wie nachstehende Erwägungen zeigen - nicht
als bundesrechtswidrig erscheinen zu lassen.

4.2. Der Beschwerdeführerin ist zwar dahingehend beizupflichten, dass auf die
Berichte versicherungsinterner Ärzte rechtsprechungs-

gemäss nur (aber immerhin) dann abgestellt werden kann, wenn auch keine geringe
Zweifel an der Richtigkeit ihrer Schlussfolgerungen bestehen (BGE 135 V 465 E.
4.7 S. 471). Bei einer näheren Betrachtung der medizinischen Aktenlage ergibt
sich indessen, dass die Schlussfolgerungen des RAD-Arztes im Einklang mit jenen
der behandelnden Spezialärzte stehen. So hat Dr. med. E.________, Oberärztin
Kardiologie am Herzzentrum des Spitals F.________, bereits in ihrem Bericht vom
18. Juli 2014 festgehalten, die Versicherte sei kardial kompensiert und
beschwerdefrei. Bezüglich des Hirninfarktes hielten Dr. med. G.________ und
med. prakt. H.________, Zentrum für Neurologie und Neurorehabilitation des
Spitals F.________, am 13. Februar 2016 fest, dieser sei ohne Relevanz für die
aktuelle Diagnose. Aus epileptologischer Sicht hielt schliesslich Dr. med.
I.________, Assistenzärztin am Zentrum für Neurologie und Neurorehabilitation
des Spitals F.________, am 16. April 2018 fest, aufgrund der Abwesenheit
weiterer (manifester) epileptischer Anfälle seit mindestens September 2017
bestehe nunmehr eine 100 %-ige Arbeitsfähigkeit, sofern Gefahrenpotentiale und
Provokationsfaktoren bei der Arbeit vermieden werden könnten.

4.3. Zwar trifft es zu, dass geringe Zweifel an der Richtigkeit der
Schlussfolgerungen versicherungsinterner Ärzte grundsätzlich auch durch die
Stellungnahme behandelnder Ärzte oder Hausärzte geweckt werden könnten. Ob dies
auch dann zutrifft, wenn der behandelnde Arzt im Namen seiner Patientin
Eingaben an ein Gericht verfasst und damit ein eigentlicher Rollenwechsel weg
von der ärztlichen Tätigkeit stattfindet, erscheint zweifelhaft (vgl. Urteil
8C_78/2018 vom 6. Juni 2018 E. 4.2), braucht vorliegend jedoch nicht
abschliessend geprüft zu werden: Die von den Einschätzungen des RAD-Arztes und
der behandelnden Spezialärzten wesentlich abweichende Würdigung des Hausarztes
der Versicherten in seinem Bericht vom 25. Februar 2019, wonach jede der drei
Diagnosen (Kleinhirninfarkt, Mitralklappenersatz, Epilepsie) für sich alleine
schon Grund genug wäre, der Versicherten eine dauerhafte Erwerbsunfähigkeit zu
bescheinigen, ist nicht näher begründet. Für die vorliegend streitigen Belange
unerheblich ist sodann, ob die Epilepsie als posttraumatisch oder als kryptogen
angesehen wird. So oder anders erscheint es somit nicht als offensichtlich
unrichtig, wenn das kantonale Gericht die Berichte des med. prakt. C.________,
insbesondere jenen vom 25. Februar 2019, nicht als genügenden Anlass zu auch
nur geringen Zweifel an den Schlussfolgerungen des RAD-Arztes Dr. med.
D.________ erachtete und unter Verzicht auf weitere medizinische Abklärungen
von einem ab April 2018 wesentlich verbesserten Gesundheitszustand ausging.

4.4. Für die Zeit ab April 2018 ermittelte das kantonale Gericht einen
rentenauschliessenden Invaliditätsgrad von 18 % (bzw., bei einem maximal
zulässigen Abzug vom Tabellenlohn [vgl. BGE 129 V 472], einen Invaliditätsgrad
von 28 %). Die diesbezüglichen Erwägungen werden letztinstanzlich nicht
substanziiert bestritten, so dass die Beschwerde ohne Weiterungen abzuweisen
ist.

5. 

Dem Verfahrensausgang entsprechend sind die Gerichtskosten der unterliegenden
Beschwerdeführerin aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 Satz 1 BGG).

 Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 

Die Beschwerde wird abgewiesen.

2. 

Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.

3. 

Dieses Urteil wird den Parteien, dem Kantonsgericht Luzern, 3. Abteilung, und
dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 26. November 2019

Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung

des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Maillard

Der Gerichtsschreiber: Nabold