Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 8C.578/2019
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Bundesgericht

Tribunal fédéral

Tribunale federale

Tribunal federal

8C_578/2019

Urteil vom 5. März 2020

I. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung

Bundesrichterin Heine, präsidierendes Mitglied,

Bundesrichter Wirthlin, Abrecht,

Gerichtsschreiberin Polla.

Verfahrensbeteiligte

IV-Stelle des Kantons Zürich,

Röntgenstrasse 17, 8005 Zürich,

Beschwerdeführerin,

gegen

A.________,

vertreten durch Rechtsanwalt Thomas Laube,

Beschwerdegegnerin.

Gegenstand

Invalidenversicherung (Invalidenrente),

Beschwerde gegen den Entscheid des Sozialversicherungsgerichts des Kantons
Zürich vom 30. Juli 2019 (IV.2018.00098).

Sachverhalt:

A. 

A.________, geboren 1968, arbeitete nach ihrer Einreise in die Schweiz im Jahr
1989 in verschiedenen Teilzeittätigkeiten, zuletzt als Mitarbeiterin der
Stiftung B.________ und für die C.________. Am 4. April 2009 meldete sie sich
bei der IV-Stelle Zürich wegen rheumatoider Arthritis, Darm- und
Atembeschwerden zum Leistungsbezug an. Nachdem die IV-Stelle die medizinischen
und erwerblichen Verhältnisse geprüft hatte, stellte sie der Versicherten
gestützt auf das Gutachten der MEDAS Zentralschweiz, Luzern, vom 22. Februar
2012, wonach die Versicherte aus psychischen Gründen zu 40 % arbeitsunfähig
war, und der Haushaltsabklärung vom 20. Juni 2013 eine Viertelsrente ab 1.
Februar 2013 in Aussicht (Schreiben vom 14. August 2013). Gleichentags forderte
die Verwaltung A.________ auf, sich im Rahmen der Schadenminderungspflicht
einer regelmässigen, psychiatrisch-psychotherapeutischen Behandlung zu
unterziehen. Am 6. Dezember 2013 wiederholte die IV-Stelle ihre Aufforderung an
A.________, eine psychiatrisch-psychotherapeutische Behandlung aufzunehmen und
führte weiter aus, sie werde erst nach Abschluss der Massnahme über einen
Rentenanspruch entscheiden. Die Versicherte machte mit Schreiben vom 10.
Dezember 2013 eine Verschlechterung des Gesundheitszustands geltend und nahm u.
a. Stellung zur bisher erfolgten psychiatrisch-psychotherapeutischen
Behandlung. Nach Einholung des Berichts des behandelnden Psychiaters Dr. med.
univ. D.________, Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie, Dietikon, vom 1.
Juli 2015 sowie des polydisziplinären Gutachtens des Medizinischen Zentrums
E.________ vom 12. April 2017, wonach eine ca. 50%-ige Arbeitsunfähigkeit
vorliege, verneinte die Verwaltung mit Verfügung vom 27. Dezember 2017 einen
Rentenanspruch mangels invalidenversicherungsrechtlich relevanter
Gesundheitsschädigung.

B. 

Die Beschwerde der A.________ hiess das Sozialversicherungsgericht des Kantons
Zürich mit Entscheid vom 30. Juli 2019 in Aufhebung der Verfügung vom 27.
Dezember 2017 gut. Es stellte fest, dass die Versicherte ab 1. Februar 2013
Anspruch auf eine Viertelsrente und ab   1. Mai 2014 Anspruch auf eine halbe
Rente habe.

C. 

Die IV-Stelle führt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten und
beantragt, der vorinstanzliche Entscheid sei insoweit aufzuheben, als
A.________ ab 1. Mai 2014 mehr als eine Viertelsrente zugesprochen werde.
Weiter sei der Beschwerde aufschiebende Wirkung zu erteilen.

Während die Versicherte Abweisung der Beschwerde beantragt, verzichtet das
Bundesamt für Sozialversicherungen auf eine Vernehmlassung.

Erwägungen:

1. 

Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann u.a. die
Verletzung von Bundesrecht gerügt werden (Art. 95 lit. a BGG), die Feststellung
des Sachverhalts durch die Vorinstanz nur, wenn sie offensichtlich unrichtig
ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht und die
Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann
(Art. 97 Abs. 1 BGG). Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt
zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann
deren Sachverhaltsfeststellung von Amtes wegen berichtigen oder ergänzen, wenn
sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von
Art. 95 BGG beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG).

2. 

Streitig ist einzig, ob das kantonale Gericht ab 1. Mai 2014 zu Recht die
Viertelsrente auf eine halbe Rente erhöht hat. Unbestritten ist der
vorinstanzlich festgestellte Anspruch der Beschwerdegegnerin auf eine
Viertelsrente ab 1. Februar 2013 bei einem ermittelten Invaliditätsgrad von 43
%.

3. 

Anhand einer Indikatorenprüfung nach BGE 141 V 281 gelangte das kantonale
Gericht zum Schluss, der ärztlichen Einschätzung der psychisch bedingten
Arbeitsunfähigkeit von 40 % ab Februar 2012 in einer leidensadaptierten
Tätigkeit im MEDAS-Gutachten sowie der attestierten 50%-igen Arbeitsunfähigkeit
in der zuletzt ausgeübten Tätigkeit als Mitarbeiterin der Stiftung B.________
gemäss Expertise des Zentrums E.________könne aus rechtlicher Sicht gefolgt
werden. Danach bestehe bei der Beschwerdegegnerin In diagnostischer Hinsicht
eine somatoforme anhaltende Schmerzstörung (ICD-10 F45.5) sowie eine
kombinierte Persönlichkeitsstörung mit histrionischen und narzisstischen
Anteilen (ICD-10 F60.4) im Rahmen des Verdachts auf eine artifizielle Störung
(ICD-10 F68.1), respektive eine Agoraphobie mit Panikstörung. Allerdings gelte
die 50%-ige Arbeitsunfähigkeit nicht erst ab dem Begutachtungszeitpunkt im
Zentrum E.________ (September 2016), sondern seit Beginn der Behandlung bei Dr.
med. univ. D.________ ab 1. Februar 2014, zumal dessen Bericht von der
psychiatrischen Gutachterin des Zentrums E.________ als in sich schlüssig
bezeichnet worden sei.

4.

4.1. Die Beschwerdeführerin macht hiergegen geltend, die Gutachter des Zentrums
E.________ hätten erst ab dem Zeitpunkt ihrer Begutachtung im September 2016
eine 50%-ige Arbeitsunfähigkeit angenommen. Mangels eines Revisionsgrundes
bestehe keine Grundlage, von diesen als beweiskräftig angesehenen
gutachterlichen Darlegungen abzuweichen und von einer 50%-igen Arbeitsfähigkeit
bereits ab Therapiebeginn bei Dr. med. univ. D.________ auszugehen.

Zutreffend ist, dass die Experten explizit darauf hinwiesen, dass die
Arbeitsfähigkeitsschätzung seit der aktuellen Untersuchung im September 2016
gelte. Wie bereits bei der Begutachtung durch die MEDAS Zentralschweiz
festgestellt, bestehe ein ausgeprägtes selbstlimitierendes Verhalten, das von
sämtlichen Untersuchern bemerkt worden sei. Aufgrund dieser Selbstlimitierung
könnten die seither ärztlicherseits erhobenen Befunde nicht mit den aktuellen
verglichen werden. Deshalb sei auch der tatsächliche Verlauf der
Arbeitsunfähigkeit seit der letzten Begutachtung nicht bestimmbar. Vor diesem
Hintergrund sind die Ausführungen der Beschwerdeführerin zwar nachvollziehbar.
Die in diesem Kontext erfolgten Beweiswürdigungen und Tatsachenfeststellungen
der Vorinstanz sind aber nicht offensichtlich unrichtig (unhaltbar,
willkürlich; E. 1 hievor).

4.2. Stichhaltig ist indessen die Rüge, wonach die Vorinstanz im vorliegenden
Kontext die rechtlichen Voraussetzungen einer Rentenerhöhung nach Art. 17 ATSG
nicht beachtet hat. Mit der IV-Stelle liess das kantonale Gericht ausser Acht,
dass bei einer rückwirkend zugesprochenen abgestuften oder befristeten Rente
analog der Rentenrevision (Art. 17 Abs. 1 ATSG; Art. 88a IVV) vorzugehen ist
(BGE 133 V 263 E. 6.1 S. 263; 131 V 164 E. 2.2 S. 165). Dies weil noch vor
Erlass der ersten Rentenverfügung eine anspruchsbeeinflussende Änderung
eingetreten ist, die gleichzeitig mitzuberücksichtigen ist. Wird rückwirkend
eine abgestufte oder befristete Rente zugesprochen, sind einerseits der
Zeitpunkt des Rentenbeginns und anderseits der in Anwendung der Dreimonatsfrist
von Art. 88a IVV festzusetzende Zeitpunkt der Anspruchsänderung die
massgebenden Vergleichszeitpunkte (Urteil 8C_458/2017 vom 6. August 2018 E. 2
mit Hinweisen). Die Verbesserung der Arbeitsfähigkeit aufgrund einer
Angewöhnung oder Anpassung an die Behinderung kann auch ohne wesentliche
Änderung des Gesundheitszustandes eine Rentenrevision rechtfertigen. Hingegen
ist die lediglich unterschiedliche Beurteilung eines im Wesentlichen gleich
gebliebenen Sachverhalts im revisionsrechtlichen Kontext unbeachtlich (BGE 141
V 9 E. 2.3 S. 10 f. mit Hinweisen).

4.3. Aus dem vorinstanzlichen Entscheid ist nicht ersichtlich, inwiefern die
rechtlichen Voraussetzungen für eine rückwirkende Rentenerhöhung erfüllt sind.
Der Verweis auf die Berichte des behandelnden Psychiaters vermögen nicht
auszureichen, zumal die Vorinstanz auch in diesem Zusammenhang keine
gesundheitliche Verschlechterung, sondern lediglich eine um 10 % erhöhte
Arbeitsunfähigkeit feststellte. Wie in der Beschwerde korrekt angeführt wird,
vermag eine zu einem Vorgutachten abweichend attestierte Arbeitsunfähigkeit
noch keine Veränderung des Gesundheitszustands zu begründen. Eine
Rentenrevision setzt eine wesentliche Änderung in den tatsächlichen
Verhältnissen voraus. Weder aus dem Gutachten des Zentrums E.________ noch aus
den Erwägungen der Vorinstanz lässt sich eine wesentliche gesundheitliche
Veränderung erkennen. Indem die Vorinstanz von einem Revisionsgrund ausgegangen
ist, ohne darzulegen, inwiefern eine Veränderung in den tatsächlichen
Verhältnissen vorliegt, hat sie Bundesrecht verletzt.

5. 

Die Beschwerde ist offensichtlich begründet, weshalb sie im vereinfachten
Verfahren nach Art. 109 Abs. 2 lit. b BGG erledigt wird. Mit Blick auf den
durch die Beschwerde bestimmten Streitgegenstand und der Bindung des
Bundesgerichts an die Parteibegehren (Art. 107   Abs. 1 BGG) bleibt es somit
ohne Weiterungen beim Anspruch der Beschwerdegegnerin auf eine Viertelsrente.

6. 

Das Gesuch um aufschiebende Wirkung der Beschwerde wird mit dem heutigen Urteil
gegenstandslos.

7. 

Dem Ausgang des Verfahrens entsprechend hat die Beschwerdegegnerin die
Gerichtskosten zu tragen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Eine Parteientschädigung ist
nicht geschuldet (Art. 68 Abs. 3 BGG).

Von einer Rückweisung an das kantonale Gericht zur Neuverlegung der Kosten im
vorangegangenen Verfahren kann abgesehen werden, da es für die versicherte
Person in Bezug auf den vorinstanzlichen Prozess - auch nach Korrektur der
Rentenhöhe durch das Bundesgericht - bei einem Obsiegen bleibt (Zusprache einer
unbefristeten Viertelsrente).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 

Die Beschwerde wird gutgeheissen. Der Entscheid des Sozialversicherungsgerichts
des Kantons Zürich vom 30. Juli 2019 wird insoweit abgeändert, als die
Beschwerdegegnerin ab 1. Mai 2014 weiterhin Anspruch auf eine Viertelsrente der
Invalidenversicherung hat.

2. 

Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden der Beschwerdegegnerin auferlegt.

3. 

Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons
Zürich und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 5. März 2020

Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung

des Schweizerischen Bundesgerichts

Das präsidierende Mitglied: Heine

Die Gerichtsschreiberin: Polla