Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 8C.570/2019
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Bundesgericht

Tribunal fédéral

Tribunale federale

Tribunal federal

               

8C_570/2019

Urteil vom 8. November 2019

I. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung

Bundesrichter Maillard, Präsident,

Bundesrichterin Heine, Bundesrichter Abrecht,

Gerichtsschreiberin Durizzo.

Verfahrensbeteiligte

A.________,

vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Volker Pribnow,

Beschwerdeführer,

gegen

AXA Versicherungen AG,

General Guisan-Strasse 40, 8400 Winterthur,

Beschwerdegegnerin.

Gegenstand

Unfallversicherung (Unfallbegriff),

Beschwerde gegen den Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons Aargau

vom 2. Juli 2019 (VBE.2018.792).

Sachverhalt:

A. 

A.________, geboren 1977, war seit dem 1. August 2013 als Rechtsanwalt bei der
B.________ AG, beschäftigt und dadurch bei der AXA Versicherungen AG
(nachfolgend: AXA) für die Folgen von Berufs- und Nichtberufsunfällen sowie
Berufskrankheiten versichert. Nach einem Beachvolleyball-Spiel in den Ferien in
Italien am 13. Juli 2016 traten Beschwerden am linken Knie auf (Unfallmeldung
vom 21. September 2016). A.________ suchte zunächst am 6. August 2016 seinen
Hausarzt Dr. med. C.________, Allgemeine Innere Medizin FMH, auf, der ein
Röntgenbild anfertigte und Schmerzmedikamente verabreichte (Bericht vom 28.
Juli 2018). Am 9. September 2016 konsultierte er PD Dr. med. D.________,
Orthopädische Chirurgie und Traumatologie des Bewegungsapparates FMH. Er schlug
vorerst ebenfalls eine konservative Behandlung mit Physiotherapie vor. Am 2.
Oktober 2017 liess A.________ ein Kostengutsprachegesuch stellen für die
Implantation einer Kniegelenksprothese. PD Dr. med. D.________ nahm die
Operation am 22. Februar 2018 in der Klinik E.________ vor. Die AXA holte
Stellungnahmen ihrer beratenden Ärzte Dres. med. F.________, Allgemein- und
Unfallchirurgie FMH, vom 7. Dezember 2017, G.________, Orthopädische Chirurgie
FMH, vom 12. Januar 2018 sowie H.________, Orthopädische Chirurgie und
Traumatologie des Bewegungsapparates FMH, vom 26. August 2018 ein. Gestützt
darauf lehnte sie eine über den 15. November 2016 hinausgehende
Leistungspflicht mit Verfügung vom 14. Februar 2018 und Einspracheentscheid vom
4. September 2018 ab. Ob es sich beim Ereignis vom 13. Juli 2016 überhaupt um
einen Unfall im Rechtssinne gehandelt habe, liess sie offen.

B. 

Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Versicherungsgericht des Kantons
Aargau mit Entscheid vom 2. Juli 2019 ab mit der Begründung, dass ein
Unfallgeschehen anlässlich des Beachvolleyball-Spiels vom 13. Juli 2016 nicht
erstellt sei.

C. 

A.________ lässt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten führen
mit dem Antrag, unter Aufhebung des angefochtenen Entscheides seien ihm auch
über den 15. November 2016 hinaus die gesetzlichen Leistungen, namentlich
Heilungskosten und Taggelder, zuzusprechen. Eventualiter sei die Sache zur
Einholung eines Gerichtsgutachtens an die Vorinstanz zurückzuweisen.

Die AXA schliesst auf Abweisung der Beschwerde. Das Bundesamt für Gesundheit
verzichtet auf eine Vernehmlassung.

Erwägungen:

1.

1.1. Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann wegen
Rechtsverletzungen gemäss Art. 95 und 96 BGG erhoben werden. Das Bundesgericht
wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Es ist folglich
weder an die in der Beschwerde geltend gemachten Argumente noch an die
Erwägungen der Vorinstanz gebunden; es kann eine Beschwerde aus einem anderen
als dem angerufenen Grund gutheissen und es kann sie mit einer von der
Argumentation der Vorinstanz abweichenden Begründung abweisen. Immerhin prüft
das Bundesgericht, unter Berücksichtigung der allgemeinen Pflicht zur
Begründung der Beschwerde (Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG), grundsätzlich nur die
geltend gemachten Rügen, sofern die rechtlichen Mängel nicht geradezu
offensichtlich sind (BGE 141 V 234 E. 1 S. 236 mit Hinweisen).

1.2. Im Beschwerdeverfahren um die Zusprechung oder Verweigerung von
Geldleistungen der Militär- oder Unfallversicherung ist das Bundesgericht nicht
an die vorinstanzliche Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts gebunden
(Art. 97 Abs. 2 und Art. 105 Abs. 3 BGG).

2. 

Streitig sind die vorinstanzlichen Sachverhaltsfeststellungen zum Ereignis vom
13. Juli 2016. Zur Frage steht, ob sich ein Unfall im Rechtssinne zugetragen
beziehungsweise ob ein ungewöhnlicher äusserer Faktor die Knieverletzung des
Beschwerdeführers verursacht hat.

3.

3.1. Das kantonale Gericht hat die Bestimmungen und Grundsätze zum
Unfallbegriff zutreffend dargelegt (Art. 4 ATSG; BGE 142 V 219 E. 4.3.1 S. 221;
134 V 72 E. 2.2 S. 74). Gleiches gilt hinsichtlich der Rechtsprechung zu den
Folgen der Beweislosigkeit für den Versicherten, der aus einem unbewiesen
gebliebenen Sachverhalt Rechte ableiten wollte (BGE 117 V 261 E. 3b S. 264; 116
V 136 E. 4b S. 140 f.; 114 V 298 E. 5b S. 305 f.; SVR 2016 UV Nr. 44 S. 145,
8C_358/2016 E. 3.4; Urteil 8C_549/2018 vom 22. Januar 2019 E. 3). Es wird
darauf verwiesen.

3.2. Zu ergänzen ist, dass das Tatbestandsmerkmal der Ungewöhnlichkeit dann
erfüllt ist, wenn der äussere Faktor nicht mehr im Rahmen dessen liegt, was für
den jeweiligen Lebensbereich alltäglich und üblich ist (BGE 134 V 72 E. 4.1 S.
76). Bei Schädigungen, die sich auf das Körperinnere beschränken, unterliegt
der Nachweis eines Unfalls insofern strengen Anforderungen, als die
unmittelbare Ursache der Schädigung unter besonders sinnfälligen Umständen
gesetzt werden muss, denn ein Unfallereignis manifestiert sich in der Regel in
einer äusserlich wahrnehmbaren Schädigung, während bei deren Fehlen eine
erhöhte Wahrscheinlichkeit rein krankheitsbedingter Ursachen besteht (BGE 99 V
136 E. 1 S. 138). Der äussere Faktor ist zentrales Element eines jeden
Unfallereignisses; er ist Gegenstück zur - den Krankheitsbegriff
konstituierenden - inneren Ursache (BGE 134 V 72 E. 4.1 S. 76 f., E. 4.3.2.1 S.
80 f.; 118 V 283 E. 2a; Urteil 8C_268/2019 vom 2. Juli 2019 E. 3). Bei
Sportverletzungen ist das Merkmal der Ungewöhnlichkeit ohne besonderes
Vorkommnis zu verneinen (BGE 130 V 117 E. 2.2 S. 118; in BGE 130 V 380 nicht
publ. E. 3.2 des Urteils U 199/03 vom 10. Mai 2004; SVR 2014 UV Nr. 21 S. 67,
8C_835/2013 E. 5.1; Urteil 8C_865/2013 vom 13. März 2014 E. 4.1.1).

Anzufügen ist des Weiteren, dass sich der mangelnde Nachweis eines die Merkmale
des Unfalles erfüllenden Ereignisses nur selten durch medizinische
Feststellungen ersetzen lässt. Es kommt ihnen im Rahmen der Beweiswürdigung für
oder gegen das Vorliegen eines unfallmässigen Geschehens in der Regel nur die
Bedeutung von Indizien zu. Auch deckt sich der Begriff des Traumas nicht mit
dem Unfallbegriff im Sinne von Art. 4 ATSG (BGE 134 V 72 E. 4.3.2.2 S. 81; in
BGE 130 V 380 nicht publ. E. 1 des Urteils U 199/03 vom 10. Mai 2004; RKUV 2003
Nr. U 485 S. 253, U 307/01 E. 5; RKUV 1996 Nr. U 253 S. 199 E. 4b; Urteil
8C_225/2019 vom 20. August 2019 E. 3.4).

4. 

Nach den vorinstanzlichen Feststellungen waren die Angaben des
Beschwerdeführers zum Hergang des Ereignisses vom 13. Juli 2016
widersprüchlich. In der Unfallmeldung vom 21. September 2016 sei er als ein
"Schlag/Sturz" beschrieben worden. Der erstbehandelde Arzt Dr. med. C.________
habe als Grund für die Konsultation am 6. August 2016 Schmerzen nach einem
intensiven Beachvolleyball-Spiel notiert (Bericht vom 28. Juli 2018). Gemäss
Operationsbericht des PD Dr. med. D.________ vom 22. Februar 2018 sei der
Versicherte mit einem Gegner zusammengestossen. Auch in der Beschwerde werde
ein Zusammenprall geltend gemacht und dazu noch detaillierter ausgeführt, dass
es beim Netz zu einem Gegnerkontakt Knie gegen Knie gekommen sei.

Das kantonale Gericht vermochte gestützt darauf keinen überwiegend
wahrscheinlichen Geschehensablauf zu ermitteln, der sich als Unfall (oder als
unfallähnliche Körperschädigung) qualifizieren liess. Zufolge Beweislosigkeit
schloss die Vorinstanz einen Anspruch aus Unfallversicherung aus.

5. 

Der Beschwerdeführer macht geltend, das Bestreiten eines leistungsbegründenden
Ereignisses durch den Unfallversicherer erst im vorinstanzlichen
Beschwerdeverfahren und eine entsprechende Prüfung durch das kantonale Gericht
seien unzulässig gewesen. Des Weiteren habe die Vorinstanz ein Unfallereignis
zu Unrecht als unbewiesen erachtet. Der Kausalzusammenhang seiner Beschwerden
mit dem fraglichen Ereignis sei auch über den 15. November 2016 hinaus gegeben
beziehungsweise mit einem Gerichtsgutachten weiter abzuklären.

6.

6.1. Auch wenn der Unfallversicherer bereits Heilbehandlung und Taggeld
ausgerichtet hat, darf er seine Leistungspflicht für die Zukunft ablehnen mit
der Begründung, dass bei richtiger Betrachtungsweise ein versichertes Ereignis
gar nicht vorliege (BGE 130 V 380; Urteil 8C_766/2010 vom 15. Juni 2011 E.
4.1). Zulässig ist praxisgemäss auch eine Bestätigung des Fallabschlusses mit
entsprechender Begründung durch das Gericht (Urteil 8C_1019/2009 vom 26. Mai
2010 E. 4).

Es ist aus diesem Grund nicht zu beanstanden, dass erst die Vorinstanz die
Voraussetzung eines leistungsbegründenden Ereignisses prüfte. Daran kann auch
nichts ändern, dass der Unfallversicherer bereits eingehende medizinische
Abklärungen zur natürlichen Kausalität der geklagten Beschwerden getätigt
hatte.

6.2. Inwiefern die Vorinstanz unrichtigerweise auf das Fehlen der Einwirkung
eines ungewöhnlichen äusseren Faktors geschlossen hätte, ist nicht erkennbar.
Es ist nicht dokumentiert und wird auch nicht geltend gemacht, dass sich der
Beschwerdeführer beim fraglichen Ereignis eine äussere Verletzung zugezogen
hätte. Die Qualifikation des Ereignisses als Unfall hätte deshalb die Annahme
besonders sinnfälliger Umstände vorausgesetzt, die über das im Rahmen eines
Beachvolleyball-Spiels Übliche hinausgingen. Dass das kantonale Gericht ein
solch besonderes Vorkommnis nicht auszumachen vermochte, ist nicht zu
beanstanden. Der Beschwerdeführer nennt - abgesehen von den Stellungnahmen
seines behandelnden Arztes (dazu sogleich E. 6.3) - keine Beweismittel, die
geeignet wären, etwas Entsprechendes zu belegen, und die zu Unrecht
unberücksichtigt geblieben sind. Finden sich diesbezüglich in den Akten und
aufgrund der Vorbringen der Beschwerdeführers keinerlei Hinweise, sind auch von
weiteren Abklärungen keine besseren Erkenntnisse zu erwarten (antizipierte
Beweiswürdigung: BGE 136 I 229 E. 5.3 S. 236; Urteil 8C_590/2015 E. 6, nicht
publ. in: BGE 141 V 585, aber in: SVR 2016 IV Nr. 33 S. 102). Eine Verletzung
des Untersuchungsgrundsatzes oder des Anspruchs auf rechtliches Gehör liegt
nicht vor.

6.3. Der Beschwerdeführer beruft sich auf die Angaben seines behandelnden
Arztes PD Dr. med. D.________. Sie lassen jedoch keine Rückschlüsse zu
hinsichtlich der Frage, ob beim Beachvolleyball-Spiel am 13. Juli 2016 ein
ungewöhnlicher äusserer Faktor im Sinne der dargelegten Rechtsprechung auf das
linke Knie eingewirkt habe. Dies gilt sowohl für den Operationsbericht vom 22.
Februar 2018 als auch die Stellungnahme vom 26. September 2018. Daran ändert
nichts, dass PD Dr. med. D.________ den bei der Operation angetroffenen
Knorpelschaden als traumatisch bedingt erachtete. Praxisgemäss kann dies die
fehlende juristische Qualifikation des Ereignisses als Unfall nicht ersetzen
(vgl. oben E. 3.2). Demgegenüber sprechen die Ausführungen des beratenden
Arztes der AXA, Dr. med. H.________, gegen ein unfallmässiges Geschehen.
Gestützt auf die einschlägige Literatur zur Begutachtung von Knorpelschäden
schloss Dr. med. H.________ eine Verursachung durch Krafteinwirkung bei einem
Beachvolleyball-Spiel aus. Zudem hätte sich selbst mittels Arthroskopie bereits
sechs bis zwölf Wochen nach dem fraglichen Ereignis nicht mehr unterscheiden
lassen, ob der betreffende Knorpelschaden unfall- oder degenerativ bedingt sei.
Entsprechende diagnostische Untersuchungen hatten bis dahin jedoch nicht
stattgefunden.

6.4. Ob die über den 15. November 2016 hinaus anhaltenden Beschwerden in einem
natürlichen Kausalzusammenhang zum Ereignis vom 13. Juli 2016 stehen, ist nicht
weiter abzuklären, wenn dieses nicht als Unfall im Rechtssinne qualifiziert
werden kann. Auf den Einwand des Beschwerdeführers, die versicherungsinternen
Stellungnahmen seien diesbezüglich nicht schlüssig und es sei deswegen ein
Gerichtsgutachten einzuholen, ist daher nicht näher einzugehen.

7. 

Das Verfahren ist kostenpflichtig (Art. 65 BGG). Die Gerichtskosten werden dem
unterliegenden Beschwerdeführer auferlegt (Art. 66 Abs. 1 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 

Die Beschwerde wird abgewiesen.

2. 

Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

3. 

Dieses Urteil wird den Parteien, dem Versicherungsgericht des Kantons Aargau
und dem Bundesamt für Gesundheit schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 8. November 2019

Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung

des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Maillard

Die Gerichtsschreiberin: Durizzo