Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 8C.556/2019
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Bundesgericht

Tribunal fédéral

Tribunale federale

Tribunal federal

               

8C_556/2019

Urteil vom 18. Dezember 2019

I. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung

Bundesrichter Maillard, Präsident,

Bundesrichter Wirthlin, Bundesrichterin Viscione,

Gerichtsschreiberin Kopp Käch.

Verfahrensbeteiligte

Pensionskasse SBB, Zieglerstrasse 29, 3007 Bern, vertreten durch Rechtsanwalt
Matthias Frey,

Beschwerdeführerin,

gegen

IV-Stelle Bern, Scheibenstrasse 70, 3014 Bern,

Beschwerdegegnerin,

A.________.

Gegenstand

Invalidenversicherung (Invalidenrente),

Beschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Bern vom 28.
Juni 2019 (200 18 829 IV).

Sachverhalt:

A.

A.a. Der 1965 geborene A.________ bezog im Zusammenhang mit einem Augenleiden
bereits als Minderjähriger und über Jahre Leistungen der Invalidenversicherung
in Form von Hilfsmitteln und medizinischen Massnahmen. Am 27. Februar 2014
meldete er sich unter Hinweis auf das bestehende Augenleiden sowie eine
depressive Episode erneut bei der Invalidenversicherung zum Leistungsbezug an.
Nach Abklärungen medizinischer und erwerblicher Art sprach die IV-Stelle Bern
A.________ mit Verfügungen vom 13. Dezember 2016 und 3. Januar 2017 nach
durchgeführtem Vorbescheidverfahren ab 1. September 2014 eine halbe
Invalidenrente zu. Eine dagegen erhobene Beschwerde hiess das
Verwaltungsgericht des Kantons Bern mit Entscheid vom 8. Mai 2017 gut, hob die
angefochtenen Verfügungen auf und wies die Sache zur Vornahme weiterer
Abklärungen an die IV-Stelle zurück.

A.b. Die IV-Stelle holte ein bidisziplinäres Gutachten (psychiatrisch/
ophthalmologisch) der ABI Aerztliches Begutachtungsinstitut GmbH, Basel, vom
13. November 2017, einen Abklärungsbericht für Selbstständigerwerbende vom 1.
Juni 2018 und - im Rahmen des Vorbescheidverfahrens - eine Stellungnahme des
Regionalen Ärztlichen Dienstes (RAD) vom 27. August 2018 sowie des Bereichs
Abklärungen vom 7. September 2018 ein. Gestützt darauf sprach sie A.________
mit Verfügung vom 10. Oktober 2018 ab 1. September 2014 eine halbe
Invalidenrente und ab 1. Februar 2017 eine Viertelsrente zu.

B. 

Die Pensionskasse SBB liess hiegegen Beschwerde erheben und beantragen, die
IV-Stelle sei in Aufhebung der Verfügung vom 10. Oktober 2018 anzuweisen zu
verfügen, dass der Versicherte ab 1. Juli 2015 keinen Anspruch auf eine
Invalidenrente mehr habe. Das Verwaltungsgericht des Kantons Bern wies die
Beschwerde mit Entscheid vom 28. Juni 2019 ab.

C. 

Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten lässt die
Pensionskasse SBB beantragen, in Aufhebung des angefochtenen Entscheids sei
festzustellen, dass A.________ ab 1. Februar 2017 keinen Anspruch auf eine
Invalidenrente mehr habe, eventualiter sei die Vorinstanz anzuweisen, diese
Feststellung zu treffen, subeventualiter sei die IV-Stelle anzuweisen,
entsprechend zu verfügen.

Während die IV-Stelle beantragt, auf die Beschwerde sei nicht einzutreten,
schliesst A.________ auf deren Abweisung. Das Bundesamt für
Sozialversicherungen verzichtet auf eine Vernehmlassung.

Erwägungen:

1.

1.1. Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten (Art. 82 ff. BGG)
kann wegen Rechtsverletzungen gemäss Art. 95 f. BGG erhoben werden. Die
Feststellung des Sachverhalts kann nur gerügt werden, wenn sie offensichtlich
unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 beruht und
wenn die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein
kann (Art. 97 Abs. 1 BGG). Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt
zu Grunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann
die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz von Amtes wegen berichtigen oder
ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung
im Sinne von Art. 95 BGG beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG).

1.2. Neue Tatsachen und Beweismittel dürfen nur so weit vorgebracht werden, als
erst der Entscheid der Vorinstanz dazu Anlass gibt (Art. 99 Abs. 1 BGG). Neue
Tatsachen und Beweismittel in diesem Sinne sind Tatsachen, die weder im
vorangegangen Verfahren vorgebracht noch von der Vorinstanz festgestellt worden
sind. Eine Tatsache, die sich aus den vorinstanzlichen Akten ergibt, ist nicht
neu (JOHANNA DORMANN, in: Basler Kommentar, Bundesgerichtsgesetz, 3. Aufl.
2018, N. 20 zu Art. 99 BGG). Das gilt auch dann, wenn die Vorinstanz diese
Tatsache in ihrem Entscheid nicht ausdrücklich festgestellt hat, wäre doch
sonst von vornherein die Rüge unzulässig, die Vorinstanz habe den Sachverhalt
unter Missachtung vorhandener Akten festgestellt (BGE 136 V 362 E. 3.3.1 S. 364
f.).

1.3. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1
BGG), doch prüft es, unter Berücksichtigung der allgemeinen Pflicht zur
Begründung der Beschwerde (Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG), grundsätzlich nur die
geltend gemachten Rügen, sofern allfällige weitere rechtliche Mängel nicht
geradezu offensichtlich sind (BGE 141 V 234 E. 1 S. 236 mit Hinweisen).

2.

2.1. Streitig und zu prüfen ist, ob das kantonale Gericht Bundesrecht
verletzte, indem es dem Versicherten in Bestätigung der Verfügung der IV-Stelle
vom 10. Oktober 2018 ab 1. Februar 2017 eine Viertelsrente zusprach. Im Zentrum
steht dabei der Einkommensvergleich (Art. 16 ATSG; Art. 28a Abs. 1 IVG),
insbesondere die Höhe des Invaliden- und des Valideneinkommens.

2.2. Nicht mehr streitig ist die ab 1. September 2014 bis 31. Januar 2017
zugesprochene halbe Invalidenrente. Unbestritten sind sodann das Eintreten
eines Revisionsgrundes per 1. Februar 2017, der Status des Versicherten sowie
die medizinisch attestierte Arbeits- und Leistungsfähigkeit.

2.3. Die für die Beurteilung der Streitsache massgeblichen Rechtsgrundlagen
sind im angefochtenen Entscheid zutreffend dargelegt worden. Darauf wird
verwiesen.

3.

3.1. Das kantonale Gericht bestätigte grundsätzlich den durch die IV-Stelle zur
Ermittlung des Invaliditätsgrades für den Revisionszeitpunkt vom 1. Februar
2017 vorgenommenen Einkommensvergleich. Bei der Festsetzung des
Valideneinkommens, mithin des ohne Gesundheitsschaden erzielbaren Einkommens,
ging es davon aus, dass der Versicherte das Arbeitsverhältnis mit der SBB AG am
26. Mai 2015 aus gesundheitsfremden Gründen per 30. November 2015 gekündigt
hatte. Es könne daher - so die Vorinstanz - nicht ein Einkommen als
sogenannter...-Experte in der Höhe von Fr. 165'000.- herangezogen werden, da
nicht überwiegend wahrscheinlich sei, dass der Versicherte weiterhin in diesem
spezifischen Bereich tätig wäre. Vielmehr sei das Valideneinkommen, wie dies
die IV-Stelle in nicht zu beanstandender Weise getan habe, anhand der
Lohnstrukturerhebung des Bundesamtes für Statistik (LSE) zu ermitteln, was für
das Jahr 2017 Fr. 148'286.- ergebe. Da der Versicherte per 1. Februar 2017 bei
der B.________ eine Stelle als wissenschaftlicher Fachreferent mit einem Pensum
von 70 % angetreten hatte, wurde das Invalideneinkommen ab diesem Zeitpunkt
nicht mehr anhand des für das Valideneinkommen beigezogenen Tabellenlohnes
ermittelt. Das kantonale Gericht bestätigte das diesbezügliche Abstellen der
IV-Stelle auf das tatsächlich für ein Pensum von 70 % erzielte Einkommen von
Fr. 80'581.- (Fr. 6'198.50 x 13), was in Gegenüberstellung mit dem
Valideneinkommen einen Invaliditätsgrad von gerundet 46 % und eine daraus
resultierende Viertelsrente ergab.

3.2. Die Beschwerdeführerin rügt eine offensichtlich unrichtige
Sachverhaltsfeststellung gemäss Art. 97 Abs. 1 BGG. Sie macht geltend, es sei
dem kantonalen Gericht bezüglich Festsetzung des Invalideneinkommens ein
offensichtlicher Irrtum unterlaufen, indem es auf das Netto- statt auf das
Bruttoeinkommen der provisorischen Lohnberechnung der B.________ abgestellt
habe.

3.3.

3.3.1. Die Feststellung der Vergleichseinkommen nach Art. 16 ATSG (Validen- und
Invalideneinkommen) stellt sich als Tatfrage dar, soweit sie auf konkreter
Beweiswürdigung beruht, und nur dann als Rechtsfrage, wenn sich der Entscheid
nach der allgemeinen Lebenserfahrung richtet (BGE 132 V 393 E. 3.3 S. 399).
Aktenwidrige tatsächliche Feststellungen sind offensichtlich unrichtig im Sinne
von Art. 105 Abs. 2 BGG (vgl. statt vieler BGE 136 II 304 E. 4.3 am Ende S.
317); in einem solchen Fall erfolgt eine Berichtigung oder Ergänzung des
Sachverhalts auch von Amtes wegen. Das Bundesgericht legt seinem Entscheid
daher den als zutreffend erkannten rechtserheblichen Sachverhalt zugrunde.

3.3.2. Die streitige Feststellung des Invalideneinkommens erfolgte anhand der
provisorischen Lohnberechnung der B.________ vom 24. Mai 2018 und stellt sich
mithin als Tatfrage dar. Zu Recht widersetzt sich weder die Beschwerdegegnerin
noch der Versicherte der Annahme, dass dem anhand der Tabellenlöhne ermittelten
Bruttovalideneinkommen fälschlicherweise das Nettoinvalideneinkommen
gegenübergestellt wurde. Hingegen wendet die Beschwerdegegnerin ein, die
Beschwerdeführerin habe die unzutreffende Festsetzung des Invalideneinkommens
im bisherigen Verfahren nie hinterfragt, obwohl das Invalideneinkommen und
folglich der effektiv erzielte Verdienst bereits vor Vorinstanz
Verfahrensgegenstand gewesen sei. Da das kantonale Gericht das von der
IV-Stelle errechnete Invalideneinkommen lediglich bestätigt und nicht
abgeändert habe, so die Beschwerdegegnerin weiter, gebe nicht erst der
vorinstanzliche Entscheid zu den Vorbringen der Beschwerdeführerin Anlass,
weshalb der Einwand vor Bundesgericht mit Blick auf Art. 99 Abs. 1 BGG
unzulässig sei. Diesem Einwand ist entgegenzuhalten, dass eine Tatsache, die
sich aus den vorinstanzlichen Akten ergibt, nicht im Sinne von Art. 99 Abs. 1
BGG neu ist (BGE 136 V 362 E. 3.3.1 S. 364; vgl. E. 1.2 hiervor). Bei den
Vorbringen der Beschwerdeführerin, die sich auf ein bereits in den
vorinstanzlichen Akten enthaltenes Dokument stützen, ist mithin nicht von neuen
Tatsachen auszugehen; vielmehr zielen sie bloss auf eine zulässige Änderung in
der Begründung ab.

3.3.3. Nach Gesagtem ist die offensichtlich unrichtige Sachverhaltsfeststellung
der Vorinstanz zu korrigieren und es ist der Invaliditätsbemessung ab 1.
Februar 2017 ein Invalideneinkommen von Fr. 96'998.- zu Grunde zu legen.

3.4.

3.4.1. Bezüglich Valideneinkommen macht sodann der Versicherte geltend, es sei
nicht auf den Tabellenlohn von Fr. 148'286.- abzustellen, sondern gestützt auf
den letzten Lohnausweis der SBB für das Jahr 2015 von einem Valideneinkommen in
der Höhe von Fr. 169'112.- auszugehen. Es resultiere daher auch aus der
Gegenüberstellung mit dem Bruttoinvalideneinkommen von Fr. 96'998.- ein
Invaliditätsgrad von 43 %, der nach wie vor einen Anspruch auf eine
Viertelsrente begründe.

3.4.2. Das kantonale Gericht hat dargelegt, aus welchen Gründen das
Valideneinkommen gestützt auf die LSE, nicht gestützt auf den letzten
Lohnausweis der SBB, zu ermitteln ist. So sei einerseits davon auszugehen, dass
der Versicherte das Arbeitsverhältnis mit der SBB AG am 26. Mai 2015 aus
gesundheitsfremden Gründen per 30. November 2015 gekündigt habe; andererseits
sei nicht überwiegend wahrscheinlich, dass er weiterhin im spezifischen Bereich
als...-Experte tätig sein könnte. Mit dieser Begründung setzt sich der
Versicherte nicht ansatzweise auseinander, sondern beschränkt sich auf die
Darlegung seiner Sicht der Dinge. Dies vermag keine Bundesrechtswidrigkeit des
angefochtenen Entscheids zu begründen (E. 1.1 hiervor).

3.5. Zusammenfassend sind dem für die Invaliditätsbemessung ab 1. Februar 2017
vorzunehmenden Einkommensvergleich ein Valideneinkommen von Fr. 148'286.- und
ein Invalideneinkommen von Fr. 96'998.- zu Grunde zu legen. Aus der
Gegenüberstellung dieser Vergleichseinkommen resultiert ein Invaliditätsgrad
von gerundet 35 % (zur Rundung vgl. BGE 130 V 121), weshalb dem Versicherten ab
1. Februar 2017 kein Rentenanspruch mehr zusteht.

4. 

Das Verfahren ist kostenpflichtig (Art. 65 BGG). Die Gerichtskosten werden der
unterliegenden Beschwerdegegnerin auferlegt (Art. 66 Abs. 1 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 

Die Beschwerde wird gutgeheissen. Der Entscheid des Verwaltungsgerichts des
Kantons Bern vom 28. Juni 2019 und die Verfügung der IV-Stelle Bern vom 10.
Oktober 2018 werden insoweit abgeändert, als der Versicherte ab 1. Februar 2017
keinen Rentenanspruch mehr hat.

2. 

Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden der Beschwerdegegnerin auferlegt.

3. 

Die Sache wird zur Neuverlegung der Gerichtskosten an das Verwaltungsgericht
des Kantons Bern zurückgewiesen.

4. 

Dieses Urteil wird den Parteien, A.________, dem Verwaltungsgericht des Kantons
Bern und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 18. Dezember 2019

Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung

des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Maillard

Die Gerichtsschreiberin: Kopp Käch