Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 8C.551/2019
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Bundesgericht

Tribunal fédéral

Tribunale federale

Tribunal federal

               

8C_551/2019

Urteil vom 10. Januar 2020

I. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung

Bundesrichter Maillard, Präsident,

Bundesrichter Wirthlin, Abrecht,

Gerichtsschreiber Nabold.

Verfahrensbeteiligte

Aufsichtsbehörde über die Bundesanwaltschaft, Bundesgasse 3, 3003 Bern,

Beschwerdeführerin,

gegen

1.       Michael Lauber,

       vertreten durch Rechtsanwalt Lorenz Erni und

       Rechtsanwältin Francesca Caputo,

2.       Lorenz Erni,

3.       Francesca Caputo,

Beschwerdegegner,

Peter Hänni.

Gegenstand

Öffentliches Personalrecht,

Beschwerde gegen den Entscheid

des Bundesverwaltungsgerichts

vom 29. Juli 2019 (A-3612/2019).

Sachverhalt:

A. 

Die Aufsichtsbehörde über die Bundesanwaltschaft (AB-BA) eröffnete am 9. Mai
2019 ein Disziplinarverfahren gegen den amtierenden Bundesanwalt Michael Lauber
und beauftragte am 19. Juni 2019 Prof. Peter Hänni mit dessen Durchführung,
wobei sie ihn als Leiter der Untersuchung einsetzte. Daraufhin teilte der
Bundesanwalt am 1. Juli 2019 der AB-BA mit, er habe Lorenz Erni und Francesca
Caputo mit der Wahrung seiner Interessen in diesem Disziplinarverfahren
betraut. Der Leiter der Disziplinaruntersuchung erkannte in der Folge mit
Instruktionsverfügung vom 3. Juli 2019, Lorenz Erni und Francesca Caputo würden
wegen eines Intressenskonflikts nicht als "Vertreter und Beistände" des
Bundesanwalts zugelassen.

B. 

Auf die vom Bundesanwalt, von Lorenz Erni und von Francesca Caputo hiegegen
erhobene Beschwerde trat das Bundesverwaltungsgericht mit Entscheid vom 29.
Juli 2019 nicht ein, stellte aber gleichzeitig fest, dass die
Instruktionsverfügung vom 3. Juli 2019 im Sinne der Erwägungen nichtig sei.

C. 

Mit Beschwerde beantragt die AB-BA, es sei unter Aufhebung des Entscheides des
Bundesverwaltungsgerichts festzustellen, dass sie befugt sei, eine
Disziplinaruntersuchung zu delegieren, und dass der Bundesanwalt sowie dessen
Stellvertreter bzw. Stellvertreterinnen weitestgehend dem öffentlichen
Bundespersonalrecht unterstehen.

Das Bundesgericht ordnete am 11. September 2019 einen auf die Eintretensfrage
beschränkten Schriftenwechsel an. Während der Bundesanwalt, Lorenz Erni und
Francesca Caputo Nichteintreten beantragen, schliesst Prof. Hänni, es sei auf
die Beschwerde einzutreten.

In ihrer Stellungnahme vom 4. November 2019 hält die AB-BA an ihrer Beschwerde
fest.

Erwägungen:

1. 

Das Bundesgericht prüft seine Zuständigkeit und die (weiteren)
Eintretensvoraussetzungen von Amtes wegen und mit freier Kognition (BGE 139 V
42 E. 1 S. 44 mit Hinweisen). Dies ändert freilich nichts daran, dass der
Beschwerdeführer nach Art. 42 Abs. 1 BGG gehalten ist, die Erfüllung der
Eintretensvoraussetzungen darzutun, wenn diese nicht offensichtlich gegeben
sind (vgl. BGE 141 IV 289 E. 1.3 S. 292 mit weiteren Hinweisen).

2. 

Angefochten ist ein Entscheid des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. Art. 86 Abs.
1 lit. a BGG), in dem eine Verfügung des Leiters der Disziplinaruntersuchung
gegen den Bundesanwalt wegen offensicht-licher Unzuständigkeit für nichtig
erklärt wurde. Der Bundesanwalt steht in einem Arbeitsverhältnis zur
Eidgenossenschaft und wird von dieser besoldet (vgl. Art. 22 Abs. 1 des
Bundesgesetzes vom 19. März 2010 über die Organisation der Strafbehörden des
Bundes [StBOG; SR 173.71] und die gestützt auf diese Norm erlassene Verordnung
der Bundesversammlung vom 1. Oktober 2010 über das Arbeitsverhältnis und die
Besoldung des Bundesanwalts oder der Bundesanwältin sowie der Stellvertretenden
Bundesanwälte oder Bundesanwältinnen [SR 173.712.23]). Damit liegt ein
Zwischenentscheid in einer personalrechtlichen Angelegenheit vor (vgl. auch
Urteil 8C_220/2010 vom 18. Oktober 2010 E. 1.1); für die Behandlung dieser
Beschwerde ist gemäss Art. 34 lit. h des Reglements vom 20. November 2006 für
das Bundesgericht (BGerR; SR 173.110.131) die Erste sozialrechtliche Abteilung
zuständig.

3.

3.1. Da die vorliegende Streitsache offensichtlich keine Stimmrechtssache im
Sinne von Art. 82 lit. c BGG beschlägt und sich die Beschwerdeführerin mangels
Rechtspersönlichkeit zu Recht (vgl. BGE 141 I 253 E. 3.2 S. 255 f. mit weiteren
Hinweisen) nicht auf das allgemeine Beschwerderecht gemäss Art. 89 Abs. 1 BGG
beruft, kann auf die Beschwerde nur dann eingetreten werden, wenn eine der
Tatbestandsalternativen von Art. 89 Abs. 2 BGG erfüllt ist. Anzumerken ist in
diesem Zusammenhang im Übrigen, dass nach konstanter Rechtsprechung das
allgemeine Interesse an der richtigen Rechtsanwendung keine Beschwerdebefugnis
im Sinne von Art. 89 Abs. 1 BGG verschafft; insbesondere ist die im
Rechtsmittelverfahren unterlegene Vorinstanz nicht berechtigt, gegen den sie
desavouierenden Entscheid an das Bundesgericht zu gelangen (BGE 140 V 321 E.
2.1.1 S. 323 mit Hinweisen; 141 II 161 E. 2.1 in fine S. 164).

3.2. Die Beschwerdeführerin macht - ohne nähere Begründung - geltend, aufgrund
von Art. 89 Abs. 2 lit. a BGG zur Beschwerdeführung legitimiert zu sein. Gemäss
dieser Norm sind zur Beschwerde berechtigt die Bundeskanzlei, die Departemente
des Bundes oder, soweit das Bundesrecht es vorsieht, die ihnen unterstellten
Dienststellen, wenn der angefochtene Akt die Bundesgesetzgebung in ihrem
Aufgabenbereich verletzen kann. Bei der Beschwerdeführerin handelt es sich aber
weder um die Bundeskanzlei noch um ein Departement des Bundes oder um eine
diesen unterstellte Dienststelle.

3.3. Weiter ist gemäss Art. 89 Abs. 2 lit. b BGG das zuständige Organ der
Bundesversammlung auf dem Gebiet des Arbeitsverhältnisses des Bundespersonals
zur Beschwerde berechtigt. Dabei handelt es sich jedoch um einen sachlich eng
begrenzten Sonderfall: Da für das Personal der Parlamentsdienste nach Art. 3
Abs. 1 lit. b BPG (SR 172.220.1) nicht der Bundesrat, sondern die
Bundesversammlung Arbeitgeberin ist, diese sich aber nicht auf Art. 89 Abs. 2
lit. a BGG berufen kann, wurde für die personalrechtlichen Verfahren der
Parlamentsdienste eine Sondernorm geschaffen (vgl. MICHAEL PFLÜGER, Die
Legitimation des Gemeinwesens zur Beschwerde in öffentlich-rechtlichen
Angelegenheiten, Diss. Bern 2013, Rz. 834). Die AB-BA kann indessen - als
selbstständige Aufsichtskommission und bezüglich ihres Sekretariats
eigenständige Arbeitgeberin (Art. 3 Abs. 1 lit. f. i.V.m. Art. 2 Abs. 1 lit. h
BPG) - nicht als personalrechtliches Organ der Bundesversammlung qualifiziert
werden.

3.4. Bei der Beschwerdeführerin handelt es sich offenkundig nicht um eine
Gemeinde oder um eine andere öffentlich-rechtliche Körperschaft mit
eigenständigen verfassungsrechtlichen Garantien, so dass eine
Beschwerdelegitimation gemäss Art. 89 Abs. 2 lit. c BGG ohne weiteres zu
verneinen ist.

3.5. Nach Art. 89 Abs. 2 lit. d BGG sind zur Beschwerde schliesslich berechtigt
Personen, Organisationen und Behörden, denen ein anderes Bundesgesetz dieses
Recht einräumt. Die Ermächtigung zur Beschwerdeführung muss in einem formelles
Gesetz (vgl. BGE 134 V 53 E. 2.2.2 S. 56) vorgesehen sein und ausdrücklich
erfolgen; lückenfüllenden Analogieschlüssen sind enge Grenzen gesetzt (vgl. BGE
131 II 753 E. 4.2 S. 755 ff. mit weiteren Hinweisen). Eine solche besondere
Gesetzesbestimmung ist hinsichtlich der Beschwerdeführerin nicht ersichtlich;
bei Erlass des StBOG wurde zwar das Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das
Bundesverwaltungsgericht (VGG; SR: 173.32 - vgl. Art. 33 lit. c ter und c
quinquies VGG), nicht aber das BGG angepasst. Ob grundsätzlich der Umstand,
dass die Beschwerdeführerin gestützt auf Art. 27 Abs. 2 StBOG
Arbeitgeberentscheide trifft, für eine Legitimation nach Art. 89 Abs. 2 lit. d
BGG ausreicht, erscheint fraglich, braucht jedoch nicht abschliessend geprüft
zu werden: Art. 27 Abs. 2 StBOG bezieht sich offenkundig nur auf das Personal
des eigenen Sekretariats im Sinne von Art. 2 Abs. 1 lit. h BPG und nicht auf
die von der Vereinigten Bundesversammlung gewählten Mitglieder der
Bundesanwaltschaft.

3.6. Ist die Beschwerdeführerin nicht nach Art. 89 BGG zur Beschwerdeführung
legitimiert, so ist auf ihre Beschwerde nicht einzutreten. Damit braucht nicht
näher geprüft zu werden, ob - nachdem die AB-BA gemäss ihren eigenen Vorbringen
die Disziplinaruntersuchung gegen den Bundesanwalt nunmehr "formell neu
aufgestellt" fortführt - überhaupt noch ein hinreichendes aktuelles und
praktisches Interesse an der Beschwerdeführung besteht. Es ist in diesem
Zusammenhang immerhin darauf hinzuweisen, dass die Behördenbeschwerde nach Art.
89 Abs. 2 BGG für theoretische Rechtsabklärungen nicht zur Verfügung steht; sie
darf daher nicht der Behandlung einer vom konkreten Fall losgelösten abstrakten
Frage des objektiven Rechts dienen (vgl. BGE 135 II 338 E. 1.2.1 S. 342).

3.7. Mit Blick auf das Ergebnis ebenfalls offenbleiben kann im Weiteren die
Frage, ob die gesetzlichen Voraussetzungen, unter denen ein Zwischenentscheid
bei gegebener Legitimation anfechtbar wäre, vorliegend erfüllt sind (vgl. Art.
92 f. BGG).

4. 

Dem Verfahrensausgang entsprechend sind keine Kosten zu erheben (Art. 66 Abs. 4
BGG). Die Schweizerische Eidgenossenschaft hat den Beschwerdegegnern indes eine
Parteientschädigung zu entrichten (Art. 68 Abs. 1 BGG; vgl. auch Urteil 8C_470/
2014 vom 11. Dezember 2014 E. 5).

 Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 

Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten.

2. 

Die Schweizerische Eidgenossenschaft hat die Beschwerdegegner für das
bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 2800.- zu entschädigen.

3. 

Dieses Urteil wird den Parteien, Peter Hänni und dem Bundesverwaltungsgericht
schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 10. Januar 2020

Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung

des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Maillard

Der Gerichtsschreiber: Nabold