Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 8C.545/2019
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Bundesgericht

Tribunal fédéral

Tribunale federale

Tribunal federal

               

8C_545/2019

Urteil vom 14. November 2019

I. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung

Bundesrichter Maillard, Präsident,

Bundesrichterin Viscione, Bundesrichter Abrecht,

Gerichtsschreiberin Elmiger-Necipoglu.

Verfahrensbeteiligte

SWICA Versicherungen AG, Rechtsdienst UVG, Römerstrasse 38, 8401 Winterthur,

Beschwerdeführerin,

gegen

A.________,

vertreten durch Rechtsanwalt Sämi Meier,

Beschwerdegegner.

Gegenstand

Unfallversicherung,

Beschwerde gegen den Entscheid des Kantonsgerichts Luzern vom

6. Juni 2019 (5V 18 146).

Sachverhalt:

A.

A.a. A.________ war als Betriebsleiter Landwirtschaft bei der Landgasthof
F.________ GmbH angestellt und dadurch über seine Arbeitgeberin bei der SWICA
Versicherungen AG (SWICA) obligatorisch gegen die Folgen von Unfällen
versichert. Am 21. Februar 2016 besuchte er als Zuschauer ein Fussballspiel der
Super League in der Swissporarena in Luzern, als kurz nach Anpfiff des Spiels
B.________ aus dem gegnerischen Gästesektor zwei Rauch- und Feuerwerkskörper in
Richtung Spielfeld warf. Bei der Detonation des zweiten Feuerwerkskörpers
("Kreiselblitz mit Silberperlenschweif") verliessen mehrere Personen das
Stadion, darunter A.________, der sich in einer Distanz von 20.3 Metern zum
detonierenden Knallkörper befand. Er gab später an, dass unmittelbar nach dem
Knall ein lautes Pfeifen, ein Druck im Kopf und ein Benommenheitsgefühl
aufgetreten seien. Nachdem A.________ einige Minuten später seine Familie
wiedergefunden hatte, bemerkte er, dass er auf der linken Seite weniger hörte
und ein unangenehmer Druck im linken Ohr persistierte. Seine Jacke wies
aufgrund des Funkenwurfs des Feuerwerkskörpers Brandlöcher auf. Am 29. Februar
2016 liess er den Vorfall der SWICA melden.

A.b. Mit Entscheid des Bundesstrafgerichts vom 9. August 2017 (SK.2017.17)
wurde B.________ u.a. der schweren Körperverletzung zum Nachteil von A.________
(Art. 122 Abs. 2 StGB) schuldig gesprochen. Dieser Entscheid wurde vom
Bundesgericht bezüglich der Verurteilung wegen schwerer Körperverletzung
bestätigt (6B_1248/2017 / 6B_1278/2017 vom 21. Februar 2019 E. 5.4).

A.c. Im Rahmen des strafrechtlichen Verfahrens holte die Bundesanwaltschaft ein
akustisches Gutachten bei Dr. sc. techn. ETH C.________, Suva, Bereich Physik,
ein, das am 28. Oktober 2016 erstattet wurde. Aus medizinischer Sicht wurde
A.________ von Prof. Dr. med. D.________, Facharzt FMH für
Oto-Rhino-Laryngologie, begutachtet (Gutachten vom 30. Juni 2017). Dieser
diagnostizierte nebst einer beginnenden beidseitigen Altersschwerhörigkeit eine
hochgradige Innenohrschwerhörigkeit und einen Tinnitus zweiten Grades links. In
psychiatrischer Hinsicht stellte med. pract. E.________, Facharzt für
Psychiatrie und Psychotherapie, den Befund einer posttraumatischen
Belastungsstörung (PTBS, Bericht vom 10. September 2017). Die SWICA klärte ihre
Leistungspflicht ab und zog insbesondere die Akten aus dem strafrechtlichen
Verfahren bei. Mit Verfügung vom 16. November 2017 teilte sie dem Versicherten
mit, dass sie für das Ereignis vom 21. Februar 2016 nicht leistungspflichtig
sei. Zur Begründung führte sie aus, dass gestützt auf das Gutachten des Dr. sc.
techn. ETH C.________ vom 28. Oktober 2016 der verwendete Sprengkörper bei
einer Distanz von 20.3 Metern einen Schallexpositionspegel von 112,2 dB mit
einer Unsicherheit ± 4 dB aufgewiesen habe. Zwar liege ein äusserer Faktor vor,
doch sei dieser nicht als ungewöhnlich zu betrachten, weshalb der Unfallbegriff
nicht erfüllt sei. Daran hielt die SWICA mit Einspracheentscheid vom 9. März
2018 fest, wobei sie ihre Leistungspflicht auch unter dem Titel einer
unfallähnlichen Körperschädigung verneinte.

B. 

Die von A.________ dagegen erhobene Beschwerde hiess das Kantonsgericht Luzern
mit Entscheid vom 6. Juni 2019 insofern gut, als es das Ereignis vom 21.
Februar 2016 als Unfall im Sinn von Art. 4 ATSG qualifizierte, den
Einspracheentscheid vom 9. März 2018 aufhob und die Sache an die SWICA
zurückwies, damit diese nach weiteren Abklärungen gemäss den Erwägungen neu
verfüge.

C. 

Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten beantragt die SWICA,
in Aufhebung des vorinstanzlichen Entscheids sei der Einspracheentscheid vom 9.
März 2018 zu bestätigen.

A.________ lässt auf Abweisung der Beschwerde schliessen, soweit darauf
einzutreten sei. Das Bundesamt für Gesundheit verzichtet auf eine
Stellungnahme.

Erwägungen:

1. 

1.1. Das Bundesgericht prüft die Eintretensvoraussetzungen von Amtes wegen und
mit freier Kognition (Art. 29 Abs. 1 BGG; BGE 145 II 153 E. 1.1 S. 154 mit
Hinweis).

1.2. Beim angefochtenen Rückweisungsentscheid handelt es sich, da das Verfahren
noch nicht abgeschlossen wird und die Rückweisung auch nicht einzig der
Umsetzung des oberinstanzlich Angeordneten dient, um einen selbstständig
eröffneten Vor- oder Zwischenentscheid im Sinne von Art. 93 BGG. Die
Zulässigkeit der Beschwerde setzt somit alternativ voraus, dass der Entscheid
einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil bewirken kann (Abs. 1 lit. a) oder
dass die Gutheissung der Beschwerde sofort einen Endentscheid herbeiführen und
damit einen bedeutenden Aufwand an Zeit oder Kosten für ein weitläufiges
Beweisverfahren ersparen würde (Abs. 1 lit. b). Mit der Qualifizierung des
Ereignisses vom 21. Februar 2016 als Unfall enthält der angefochtene Entscheid
materiell verbindliche Feststellungen, welche die SWICA bei Vorliegen der
übrigen Erfordernisse verpflichten, dem Beschwerdegegner Leistungen
zuzusprechen. Da der darauf beruhende Endentscheid praktisch nicht angefochten
und das Ergebnis nicht mehr korrigiert werden könnte, liegt ein nicht wieder
gutzumachender Nachteil nach Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG vor (nicht publ. E.
1.2.2 des Urteils BGE 140 V 220, in: SVR 2009 UV Nr. 23 S. 73, Urteil 8C_321/
2019 vom 24. September 2019 E. 1). Auf die Beschwerde ist daher einzutreten.

2.

2.1. Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann wegen
Rechtsverletzungen gemäss Art. 95 und 96 BGG erhoben werden. Das Bundesgericht
wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Es ist folglich
weder an die in der Beschwerde geltend gemachten Argumente noch an die
Erwägungen der Vorinstanz gebunden; es kann eine Beschwerde aus einem anderen
als dem angerufenen Grund gutheissen und es kann sie mit einer von der
Argumentation der Vorinstanz abweichenden Begründung abweisen. Immerhin prüft
das Bundesgericht, unter Berücksichtigung der allgemeinen Pflicht zur
Begründung der Beschwerde (Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG), grundsätzlich nur die
geltend gemachten Rügen, sofern die rechtlichen Mängel nicht geradezu
offensichtlich sind (BGE 145 V 57 E. 4.2 S. 61 mit Hinweis).

2.2. Im Beschwerdeverfahren um die Zusprechung oder Verweigerung von
Geldleistungen der Militär- oder Unfallversicherung ist das Bundesgericht nicht
an die vorinstanzliche Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts gebunden
(Art. 97 Abs. 2 und Art. 105 Abs. 3 BGG).

3. 

Auf den 1. Januar 2017 sind die mit Bundesgesetz vom 25. September 2015
revidierten Bestimmungen des UVG in Kraft getreten, darunter auch Art. 6 Abs. 2
UVG (AS 2016 4375; BBl 2008 5395, 2014 7911) sowie der gleichermassen
revidierte Art. 9 UVV (AS 2016 4393). Versicherungsleistungen für Unfälle, die
sich vor dem Inkrafttreten dieser revidierten Bestimmungen ereignet haben, und
für Berufskrankheiten, die vor diesem Zeitpunkt ausgebrochen sind, werden nach
bisherigem Recht gewährt (vgl. Übergangsbestimmung in Art. 118 Abs. 1 UVG; BGE
143 V 285 E. 2.1). So verhält es sich auch im vorliegenden Fall, weshalb
nachfolgend auf das bisherige Recht und die dazu ergangene Rechtsprechung Bezug
genommen wird.

4. 

Streitig und zu prüfen ist, ob das kantonale Gericht Bundesrecht verletzt hat,
indem es die Leistungspflicht der SWICA für das Ereignis vom 21. Februar 2016
bejahte.

5. 

Die Vorinstanz erwog, dass bezüglich der Innenohrschwerhörigkeit links und des
Tinnitus zweiten Grades eine Leistungspflicht der SWICA gestützt auf Art. 9
Abs. 2 lit. h UVV (Trommelfellverletzungen) von vornherein ausser Betracht
falle. Ein Tinnitus stelle keine Trommelfellverletzung dar. Da das Trommelfell
unbestrittenermassen nicht verletzt sei, liege auch keine Listendiagnose vor.
Soweit der Beschwerdegegner dagegen einwenden lässt, dass sowohl der Hörverlust
als auch der Tinnitus unter die zuvor genannte Verordnungsbestimmung zu
subsumieren seien, weil es der ratio legis des Gesetzgebers entspreche, erweist
sich die Rüge angesichts der zutreffenden vorinstanzlichen Ausführungen als
offensichtlich unbegründet.

6. 

6.1. Im Weiteren ist zu prüfen, ob das kantonale Gericht Bundesrecht verletzt
hat, indem es das Ereignis vom 21. Februar 2016 entgegen dem
Einspracheentscheid vom 9. März 2018 als Unfall im Rechtssinn qualifizierte.

6.2. Unfall ist nach Art. 4 ATSG die plötzliche, nicht beabsichtigte
schädigende Einwirkung eines ungewöhnlichen äusseren Faktors auf den
menschlichen Körper, die eine Beeinträchtigung der körperlichen, geistigen oder
psychischen Gesundheit oder den Tod zur Folge hat.

7.

7.1. Die Beschwerdeführerin macht zunächst geltend, die Vorinstanz scheine
aufgrund ihrer Ausführungen davon auszugehen, dass der Feuerwerkskörper den
äusseren Faktor darstelle und nicht die Schallquelle, zumal die Hörschädigung
durch die Einwirkung der Schallbelastung und nicht durch die Schallquelle
bewirkt werde.

7.2. Der äussere Faktor ist zentrales Element eines jeden Unfallereignisses; er
ist Gegenstück zur - den Krankheitsbegriff konstituierenden - inneren Ursache
(BGE 134 V 72 E. 4.1 S. 76 f., E. 4.3.2.1 S. 80 f.; 118 V 283 E. 2a).
Erforderlich ist die Einwirkung objektiv feststellbarer, vom menschlichen
Körper unabhängiger Kräfte (BGE 139 V 327 E. 3.3.1 S. 329; Pra 2013 Nr. 101 S.
778). Die äussere Einwirkung kann verschiedene Ursachen haben. Bei den
sogenannten Knalltraumata findet eine akustische Einwirkung auf das (Innen-)
Ohr statt (vgl. Urteil des Eidgenössischen Versicherungsgerichts U 245/05 vom
1. Dezember 2005 betreffend Paukenschlag; Urteil 8C_477/2007 vom 10. September
2008 betreffend Alarmglocke; Urteil 8C_403/2018 vom 7. September 2018
betreffend Handkonfettibombe; Urteile 8C_280/2010 vom 21. Mai 2010 und 8C_317/
2010 vom 3. August 2010 betreffend Marderschutzgeräte).

7.3. Die Vorinstanz stellte bezüglich des Merkmals des äusseren Faktors
lediglich fest, dass dieser nicht bestritten sei, weshalb Weiterungen dazu
unterbleiben könnten. Was als äusserer Faktor zu verstehen sei, führte das
kantonale Gericht nicht explizit aus, was nachzuholen ist.

7.4. Zwar wurde die Lärmemission durch das Abfeuern des Feuerwerkskörpers
verursacht. Die Gehörschädigung des Versicherten kann aber nur durch den Lärm
bzw. den Schallpegel verursacht worden sein und nicht durch den
Feuerwerkskörper an sich. Es werden keine anderen Gesundheitsschädigungen wie
Verbrennungen etc. geltend gemacht. Demnach ist bei der Detonation des
Kreisblitzes nicht der Feuerwerkskörper als äusserer Faktor zu qualifizieren,
sondern mit der Beschwerdeführerin der von ihm erzeugte Lärm- bzw. Schallpegel.

8.

8.1. Zum umstrittenen Kriterium der Ungewöhnlichkeit des äusseren Faktors erwog
die Vorinstanz, dass in Bezug auf die Detonation des Kreiselblitzes vom 21.
Februar 2016 eine ungewöhnliche übermässige Lärmeinwirkung auf den
Beschwerdegegner anzunehmen sei, die sich vom Normalmass einer Umwelteinwirkung
in der beschriebenen Situation auf den menschlichen Körper abhebe. Die
Vorinstanz stellte gestützt auf das akustische Gutachten des Dr. sc. techn. ETH
C.________ fest, dass bei einer Distanz von 20.3 Metern zwischen der
Schallquelle und dem Versicherten von einem Schallexpositionspegel L AE von
mindestens 112,2 dB und unter Einbezug der Messunsicherheit von 4 dB zu Gunsten
des Versicherten von 116,2 dB auszugehen sei, welchem der Versicherte bei der
Detonation des Kreiselblitzes ausgesetzt gewesen sei. Dass dieser
Schallexpositionspegel den Präventionsgsgrenzwert von 120 dB nicht übersteige,
den die Suva für impulsartige Schallereignisse am Arbeitsplatz festgesetzt
habe, vermöge dem Schallereignis vom 21. Februar 2016 die Ungewöhnlichkeit
nicht abzusprechen. Der detonierte Kreiselblitz gehöre zu den Feuerwerkskörpern
der gefährlichsten Kategorie F4 und sei nicht im offenen Verkauf erhältlich,
was bereits die Ungewöhnlichkeit des zu beurteilenden Ereignisses zeige. Die
Vorinstanz befand zudem, dass ein Schallexpositionspegel L AE von 116,2 dB
zweifellos als sehr laut einzustufen sei. Dies ergebe sich auch aus den
Aussagen der weiteren Zuschauer, wonach der Knall extrem laut gewesen sei. Es
habe wie eine Bombe geklungen. Dem Urteil des Bundesstrafgerichts vom 9. August
2017 lasse sich ferner entnehmen, dass einige Zuschauer gemäss den
Videoaufnahmen durch den lauten Knall erschrocken seien und sich von ihren
Sitzen erhoben hätten. Einige hätten sogar den Sektor D1 verlassen. Selbst
B.________, der den Kreiselblitz gezündet habe, und für welchen somit die
Detonation nicht einmal überraschend gewesen sei, habe in einer Einvernahme
angegeben, über die Lautstärke erschrocken zu sein. Dass das Ereignis vom 21.
Februar 2016 als ungewöhnlich zu qualifizieren sei, lasse sich auch durch das
Gutachten des Prof. Dr. med. D.________ vom 29. Juni 2017 (recte 30. Juni 2017)
stützen.

8.2. Die Beschwerdeführerin wendet dagegen ein, für die Beurteilung der
Ungewöhnlichkeit des Schallpegelwerts sei das von der Bundesanwaltschaft
veranlasste akustische Gutachten des Dr. sc. techn. ETH C.________ vom 28.
Oktober 2016 mit den physikalischen Berechnungen zur Schallbelastung
massgebend. Demnach habe bei der Detonation des Kreiselblitzes ein
Schallexpositionspegel von L AE 112,2 dB mit einer Unsicherheit von ± 4dB
bestanden. Die von der Vorinstanz herangezogenen Umstände zur Begründung der
Ungewöhnlichkeit des äusseren Faktors würden keinen objektiven Massstab bilden,
seien subjektiv geprägt und nicht rechtsprechungskonform. Entgegen der
Vorinstanz könnte das medizinische Gutachten von Prof. Dr. med. D.________ vom
30. Juni 2017 lediglich als Indiz im Beweis für das Vorliegen eines
Unfallereignisses an sich dienen, nicht jedoch als Beweis für die
Ungewöhnlichkeit des Ereignisses.

8.3. Der Beschwerdegegner vertritt demgegenüber die Meinung, dass auf das
akustische Gutachten nicht abgestellt werden könne, zumal es von Prof. Dr. med.
D.________ als widersprüchlich bezeichnet worden sei. Dieser bemängle
insbesondere, dass es die individuelle Empfindlichkeit des menschlichen Ohrs
ausser Acht lasse. Prof. Dr. med. D.________ habe auf die empirischen
Erkenntnisse aus der Militärmedizin verwiesen und in nachvollziehbarer Weise
erklärt, dass ein Gewehrschuss bei verschiedenen Personen zu Beeinträchtigungen
unterschiedlicher Schwere führen würde. Angesichts dieser Einwendungen habe das
Bundesstrafgericht denn auch nicht auf das Gutachten des Dr. sc. techn. ETH
C.________, sondern vielmehr auf das schlüssige und nachvollziehbare Gutachten
des Prof. Dr. med. D.________ abgestellt.

9. 

9.1. Der äussere Faktor ist ungewöhnlich, wenn er - nach einem objektiven
Massstab - nicht mehr im Rahmen dessen liegt, was für den jeweiligen
Lebensbereich alltäglich und üblich ist (BGE 142 V 219 E. 4.3.1 S. 221; 134 V
72 E. 4.1 S. 76). Nach der Rechtsprechung bezieht sich das Begriffsmerkmal der
Ungewöhnlichkeit nicht auf die Wirkung des äusseren Faktors, sondern nur auf
diesen selbst. Ohne Belang für die Prüfung der Ungewöhnlichkeit ist somit, dass
der äussere Faktor allenfalls schwerwiegende, unerwartete Folgen nach sich zog
(Urteil 8C_842/2018 vom 6. Mai 2019 E. 3.3.1 und 8C_231/2014 vom 27. August
2014 E. 2.3 mit Hinweisen).

9.2. Bezieht sich das Begriffsmerkmal der Ungewöhnlichkeit nicht auf die
Wirkung des äusseren Faktors, sondern nur auf diesen selbst (vgl. hiervor E.
9.1), beurteilt sich die Ungewöhnlichkeit der Lärm- bzw. Schallemmission in
erster Linie anhand der Schallexpositionspegelwerte (vgl. dazu U 245/05 vom 1.
Dezember 2005 E. 2.3 und 2.4; 8C_477/2007 vom 10. September 2008 E. 3.4; 8C_280
/2010 vom 21. Mai 2010 E. 3.2.1; 8C_317/2010 vom 3. August 2010 E. 3.2 und
8C_403/2018 vom 7. September 2018 E. 4.3).

9.3. Das Bundesstrafgericht hatte zu prüfen, ob das Abfeuern des Sprengkörpers
(Kreiselblitz) eine schwere Körperverletzung zum Nachteil des Beschwerdegegners
verursacht hat. Dafür holte es zuerst das akustische Gutachten des Dr. sc.
techn. ETH C.________ vom 28. Oktober 2016 ein, der darlegte, dass bei der
einmaligen Schallbelastung von L E 112 dB (A) normalerweise keine bleibende
Gehörschädigung zu erwarten sei. Nach den Suva-Regeln sei die Belastung durch
ein einzelnes solches Ereignis noch ohne Gehörschutz zulässig. Die Eventualität
einer dauernden Gehörsverletzung liege bei weit unter 1%, könne aber trotzdem
nicht ausgeschlossen werden. Sie sei nur dann möglich, wenn eine individuelle
temporäre oder dauernde Schwächung oder Schädigung des Innenohrs zur erhöhten
Anfälligkeit gegenüber solchen Belastungen geführt habe, was in einem
ORL-Gutachten zu beurteilen wäre. Daraufhin veranlasste das Bundesstrafgericht
die medizinischen Abklärungen bei Prof. Dr. med. D.________, der im Gutachten
vom 30. Juni 2017 zum Schluss kam, dass beim Beschwerdegegner von einer
dauernden Gehörschädigung auszugehen und diese durch das Knallereignis vom 21.
Februar 2016 verursacht worden sei. Dabei sei 18% des Tonhörverlusts auf die
höchstwahrscheinlich bereits zum Zeitpunkt des schädigenden Ereignisses
vorhandene Altersschwerhörigkeit zurückzuführen. Der zusätzliche Hörverlust von
67% sei dem schädigenden Ereignis zuzuschreiben. Zur Beantwortung der Frage, ob
eine schwere Körperverletzung im Sinne von Art. 122 StGB vorliegt, stellte das
Bundesstrafgericht auf das medizinische Gutachten des Prof. Dr. med. D.________
ab. Dazu führte es aus, dass dieses stärker als das akustische Gutachten zu
gewichten sei, weil es die individuelle Besonderheiten des Falles in die
Beurteilung miteinbeziehe. Beide Gutachten seien jedoch lege artis erstellt
worden und in sich schlüssig und nachvollziehbar.

9.4. Entgegen der Ansicht des Beschwerdegegners ist das akustische Gutachten
nicht widersprüchlich, sondern wie bereits die Vorinstanz und das
Bundesstrafgericht erwogen, schlüssig und nachvollziehbar. Wie letzteres
richtig erkannte, sind die unterschiedlichen Antworten bezüglich der Frage, ob
die Gehörschädigung durch das Ereignis vom 21. Februar 2016 verursacht worden
ist, auf den Umstand zurückzuführen, dass die beiden Gutachten verschiedene
Ansätze verfolgen. Beim akustischen Gutachten liegt der Fokus auf den objektiv
messbaren Schallexpositionspegelwerten bzw. auf der Frage, ob sich der
fragliche Schallexpositionspegelwert bei einem gesunden Menschen ohne
allfälliger Vorerkrankung gehörschädigend auswirkt. Hingegen bezweckt das
medizinische Gutachten, die konkrete Gehörschädigung der versicherten Person zu
beurteilen, allenfalls unter Berücksichtigung einer Prädisposition, die zu
einer erhöhten Anfälligkeit gegenüber solchen Belastungen führen kann. Für die
nach einem objektiven Massstab (vgl. hiervor E. 9.1) zu beantwortende Frage, ob
der äussere Faktor ungewöhnlich ist, sind demzufolge die im akustischen
Gutachten genannten Schallexpositionspegelwerte massgebend. Demgegenüber wird
die medizinische Einschätzung in unfallversicherungsrechtlicher Hinsicht erst
dann relevant, wenn der Unfallbegriff bejaht wurde und der natürliche
Kausalzusammenhang zwischen der Gehörschädigung und dem Lärmtrauma zu prüfen
ist. Wie die Beschwerdeführerin zutreffend festhält, ist dabei zu
berücksichtigen, dass selbst wenn die geltend gemachte Gehörschädigung aus
medizinischer Sicht natürlich kausale Folge einer äusseren Einwirkung gewesen
sein mag, ein Rückschluss auf das Merkmal der Ungewöhnlichkeit daraus nicht
gezogen werden kann (Urteil 8C_317/2010 vom 3. August 2010 E. 3.2).

10. 

Demnach ist für die Beurteilung der Ungewöhnlichkeit des äusseren Faktors auf
die im Akustikgutachten vom 28. Oktober 2016 angeführten
Schallexpositionspegelwerte, die durch die Detonation des Kreiselblitzes
verursacht wurden, abzustellen.

10.1. Soweit sich der Beschwerdegegner auf den zitierten Spitzenpegel (Peak,
gemessen mit einer Anstiegszeit von 10-50 Mikrosekunden = Millionstelsekunden)
beruft, kann er daraus nichts zu seinen Gunsten ableiten. Wie der Gutachter in
seiner E-Mail vom 26. März 2018 festhält, ermöglicht der Spitzenpegel, der
typischerweise etwa 30 dB höher als der Schallexpositionspegel liegt, keine
Aussage über das Gehörschadenrisiko, weil für dieses die im Knall enthaltene
und im Innenohr wirksame Schallenergie ausschlaggebend ist. Somit ist zur
Beurteilung der Ungewöhnlichkeit des äusseren Faktors der
Schallexpositionspegel (früher als Schallenergiepegel oder Single Event Level
SEL) massgebend. Wie die Vorinstanz richtig feststellte, berechnete der
akustische Gutachter bei einer Distanz von 20.3 Metern zwischen der
Schallquelle und dem Versicherten einen Schallexpositionspegel L AE von
mindestens 112,2 dB und unter Einbezug der Messunsicherheit von 4 dB zu Gunsten
des Versicherten einen solchen von maximal 116,2 dB, welchem letzterer bei der
Detonation des Kreiselblitzes ausgesetzt war.

10.2. Das Bundesgericht kam in Fällen mit ähnlichen
Schallexpositionspegelwerten zum Schluss, dass ein Pegelwert von maximal 111 dB
nicht ungewöhnlich ist, da er deutlich unter dem Grenzwert für eine
Gehörgefährdung bei Schallexpositionen liege (Urteil 8C_280/2010 vom 21. Mai
2010 E. 3.2). Diese Ausführungen bestätigte es in einem späteren Urteil, indem
es erwog, dass bei Spitzenwerten (Höchstwerten) von 108 bzw. 113 dB gleiches zu
gelten habe (Urteil 8C_317/2010 vom 3. August 2010 E. 3.2). Dabei spielt es
entgegen den vorinstanzlichen Ausführungen für die Vergleichbarkeit der Fälle
keine Rolle, dass die Schallquellen unterschiedlicher Natur sind
(Marderschutzgerät bzw. Kreiselblitz), zumal das Begriffsmerkmal der
Ungewöhnlichkeit sich nur auf den äusseren Faktor (die Schallbelastung) selbst
bezieht (vgl. hiervor E. 9.1 und 9.2).

10.3. In diesem Zusammenhang ist ferner auch auf das Bundesgesetz über den
Schutz vor Gefährdungen durch nichtionisierende Strahlung und Schall vom 16.
Juni 2017 (NISSG, SR 814.71) sowie dessen Verordnung vom 27. Februar 2019
(V-NISSG; SR 814.711) hinzuweisen. Gemäss Art. 19 Abs. 1 lit. b V-NISSG dürfen
Veranstaltungen mit elektroakustisch verstärktem Schall zu keinem Zeitpunkt den
maximalen Schallpegel von 125 dB (A) überschreiten. Auch wenn diese Bestimmung
vorwiegend für Veranstaltungen mit elektroakustisch verstärktem Schall gilt,
kann der genannte Wert als Indiz für die Beurteilung der Ungewöhnlichkeit einer
Schalleinwirkung herangezogen werden. Gleiches gilt auch für die von der Suva
herausgegebenen akustischen Grenz- und Richtwerte für Schallimmissionen am
Arbeitsplatz, die für impulsartigen Schall einen Grenzwert von L E 120 dB (A)
festlegen.

10.4. Die Frage, ob in Fällen wie dem vorliegenden bei der Beurteilung der
Ungewöhnlichkeit nebst dem (eine allfällige Gehörschädigung verursachender)
Lärmpegel unter dem Aspekt des jeweiligen Lebensbereichs (vgl. hiervor E. 9.1)
auch die Örtlichkeit zu berücksichtigen ist, wo die Lärmemission erfolgt (vgl.
dazu die Urteile 8C_403/2018 vom 7. September 2018 E. 4.3 und U 245/05 vom 1.
Dezember 2005 E. 2.4), kann hier offen gelassen werden. Ein einmaliger, nur
sehr kurz andauernder Schallexpositionspegelwert von 112,2 bzw. von maximal
116,2 dB ist im Rahmen einer Fussballspielveranstaltung mit grosser
Menschenansammlung, wo der Einsatz von Lärm verursachenden Gegenständen wie
Petarden, Trillerpfeifen und Vuvuzelas üblich ist, jedenfalls nicht
ungewöhnlich. Dies gilt unabhängig davon, von welcher Schallquelle der
Lärmpegel stammt. Die weiteren von der Vorinstanz genannten Umstände (vgl.
hiervor E. 8.1) sind dabei irrelevant, weil sie keinen direkten Einfluss auf
den Lärmpegel haben.

11. 

Zusammenfassend ist die Ungewöhnlichkeit des äusseren Faktors zu verneinen,
womit auch kein Unfall im Rechtssinn vorliegt. Demzufolge ist die Beschwerde
gutzuheissen.

12. 

Das Verfahren ist kostenpflichtig (Art. 65 BGG). Die Gerichtskosten werden dem
unterliegenden Beschwerdegegner auferlegt (Art. 66 Abs. 1 Satz 1 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 

Die Beschwerde wird gutgeheissen. Der Entscheid des Kantonsgerichts Luzern, 3.
Abteilung, vom 6. Juni 2019 wird aufgehoben und der Einspracheentscheid der
SWICA Versicherungen AG vom 9. März 2018 bestätigt.

2. 

Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden dem Beschwerdegegner auferlegt.

3. 

Dieses Urteil wird den Parteien, dem Kantonsgericht Luzern, 3. Abteilung, und
dem Bundesamt für Gesundheit schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 14. November 2019

Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung

des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Maillard

Die Gerichtsschreiberin: Elmiger-Necipoglu