Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 8C.442/2019
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Bundesgericht

Tribunal fédéral

Tribunale federale

Tribunal federal

               

8C_442/2019

Urteil vom 20. Juli 2019

I. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung

Bundesrichter Maillard, Präsident,

Bundesrichterin Heine, Bundesrichter Wirthlin,

Gerichtsschreiber Nabold.

Verfahrensbeteiligte

A.________,

vertreten durch Rechtsanwältin Claudia Rohrer,

Beschwerdeführerin,

gegen

IV-Stelle des Kantons Aargau, Bahnhofplatz 3C, 5000 Aarau,

Beschwerdegegnerin.

Gegenstand

Invalidenversicherung,

Beschwerde gegen den Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons Aargau vom
13. Mai 2019 (VBE.2018.663).

Sachverhalt:

A. 

Die 1964 geborene A.________ ist Mutter zweier Töchter (geboren in den Jahren
1990 und 1994). Im Juli 2007 meldete sie sich unter Hinweis auf Depressionen
und die Folgen eines am 15. Januar 2005 erlittenen Unfalls bei der IV-Stelle
des Kantons Aargau zum Leistungsbezug an; diese sprach ihr mit Verfügung vom
19. Oktober 2010 bei einem Invaliditätsgrad von 56 % eine vom 1. Juli bis 30.
November 2016 befristete halbe Rente zu und verneinte einen weitergehenden
Anspruch. Nach einer Neuanmeldung im Jahre 2011 gewährte die IV-Stelle der
Versicherten berufliche Massnahmen in Form einer Arbeitsvermittlung, schloss
diese jedoch mit Verfügung vom 8. Juni 2012 ab.

Am 22. Mai 2013 meldete sich A.________ erneut bei der IV-Stelle zum
Leistungsbezug an. Diese trat auf das Gesuch ein und tätigte medizinische
Abklärungen, insbesondere holte sie bei der MEDAS Zentralschweiz eine
polydisziplinäre Expertise ein (Gutachten vom 23. Dezember 2016). Mit
Vorbescheid vom 13. November 2017 stellte die IV-Stelle der Versicherten die
Zusprache eine Viertelsrente ab 1. November 2013 in Aussicht; nachdem diese
Einwände erhoben hatte, erliess die IV-Stelle am 13. März 2018 einen neuen
Vorbescheid, worin sie die Abweisung des Leistungsbegehrens - nunmehr in
Anwendung der gemischten Berechnungsmethode - ankündigte. Mit Verfügung vom 4.
Juli 2018 wies die IV-Stelle das Leistungsbegehren der Versicherten bei einem
Invaliditätsgrad von 7 % (für den Zeitraum bis 31. Dezember 2017) respektive 27
% (seit 1. Januar 2018) ab.

B. 

Die von A.________ hiegegen erhobene Beschwerde wies das Versicherungsgericht
des Kantons Aargau mit Entscheid vom 13. Mai 2019 ab.

C. 

Mit Beschwerde beantragt A.________, ihr sei unter Aufhebung des kantonalen
Gerichtsentscheides eine ganze Rente der Invalidenversicherung zuzusprechen.
Gleichzeitig stellt A.________ ein Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege.

Die vorinstanzlichen Akten wurden eingeholt. Ein Schriftenwechsel wurde nicht
durchgeführt.

Erwägungen:

1. 

1.1. Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann wegen
Rechtsverletzungen gemäss Art. 95 und 96 BGG erhoben werden. Das Bundesgericht
wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Es ist folglich
weder an die in der Beschwerde geltend gemachten Argumente noch an die
Erwägungen der Vorinstanz gebunden; es kann eine Beschwerde aus einem anderen
als dem angerufenen Grund gutheissen und es kann sie mit einer von der
Argumentation der Vorinstanz abweichenden Begründung abweisen. Immerhin prüft
das Bundesgericht, unter Berücksichtigung der allgemeinen Pflicht zur
Begründung der Beschwerde (Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG), grundsätzlich nur die
geltend gemachten Rügen, sofern die rechtlichen Mängel nicht geradezu
offensichtlich sind (BGE 141 V 234 E. 1 S. 236 mit Hinweisen).

1.2. Das Bundesgericht kann die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz nur
berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer
Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG).
Überdies muss die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens
entscheidend sein (Art. 97 Abs. 1 BGG). Neue Tatsachen und Beweismittel dürfen
nur so weit vorgebracht werden, als erst der Entscheid der Vorinstanz dazu
Anlass gibt (Art. 99 Abs. 1 BGG).

Die beschwerdeführende Partei, welche die Sachverhaltsfeststellungen der
Vorinstanz anfechten will, muss substanziiert darlegen, inwiefern die
Voraussetzungen einer Ausnahme gemäss Art. 105 Abs. 2 BGG gegeben sind und das
Verfahren bei rechtskonformer Ermittlung des Sachverhalts anders ausgegangen
wäre; andernfalls kann ein Sachverhalt, der vom im angefochtenen Entscheid
festgestellten abweicht, nicht berücksichtigt werden (BGE 140 III 16 E. 1.3.1
S. 18 mit Hinweisen).

2. 

Streitig und zu prüfen ist, ob die Vorinstanz Bundesrecht verletzt hat, als sie
die Abweisung des Neuanmeldegesuchs durch die Beschwerdegegnerin bestätigt hat.

3.

3.1. Der Anspruch auf Leistungen der Invalidenversicherung setzt unter anderem
voraus, dass die versicherte Person invalid oder von Invalidität unmittelbar
bedroht ist. Invalidität ist gemäss Art. 8 Abs. 1 ATSG die voraussichtlich
bleibende oder längere Zeit dauernde ganze oder teilweise Erwerbsunfähigkeit.

3.2. Die Neuanmeldung wird - wie auch das Gesuch um Leistungsrevision - nur
materiell geprüft, wenn die versicherte Person glaubhaft macht, dass sich die
tatsächlichen Verhältnisse seit der letzten, rechtskräftigen Entscheidung in
einem für den Rentenanspruch erheblichen Mass verändert haben (Art. 87 Abs. 3
in Verbindung mit Abs. 2 IVV; BGE 130 V 71 E. 2.2 S. 72 mit Hinweisen). Gelingt
ihr dies nicht, so wird auf das Gesuch nicht eingetreten. Ist die
anspruchserhebliche Änderung glaubhaft gemacht, ist die Verwaltung
verpflichtet, auf das neue Leistungsbegehren einzutreten und es in
tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht umfassend zu prüfen (SVR 2014 IV Nr. 33
S. 121, 8C_746/2013 E. 2); sie hat demnach in analoger Weise wie bei einem
Revisionsfall nach Art. 17 ATSG vorzugehen (vgl. dazu BGE 130 V 71). Stellt sie
fest, dass der Invaliditätsgrad oder die Hilflosigkeit seit Erlass der früheren
rechtskräftigen Verfügung keine Veränderung erfahren hat, so weist sie das neue
Gesuch ab. Andernfalls hat sie zunächst noch zu prüfen, ob die festgestellte
Veränderung genügt, um nunmehr eine anspruchsbegründende Invalidität oder
Hilflosigkeit zu bejahen, und hernach zu beschliessen.

4.

4.1. Das kantonale Gericht hat zunächst erwogen, es sei unbestritten, dass seit
der letztmaligen Ablehnung einer Rente eine Änderung der tatsächlichen
Verhältnisse eingetreten sei, welche grundsätzlich geeignet sei, den
Invaliditätsgrad und damit den Rentenanspruch zu beeinflussen. Es sei daher zu
prüfen, ob die festgestellte Veränderung genügt, um nunmehr eine
anspruchsbegründende Invalidität zu bejahen. Gestützt auf die Aktenlage sei
medizinisch-theoretisch von einer 60%-igen Arbeitsfähigkeit in einer
leidensangepassten Tätigkeit auszugehen. Diese vorinstanzlichen Erwägungen und
Feststellungen sind letztinstanzlich unbestritten geblieben. Weiter hat das
kantonale Gericht erwogen, die invalidenversicherungsrechtliche Relevanz (vgl.
BGE 143 V 509 und 418) der festgestellten Einschränkung in der Erwerbsfähigkeit
müsse nicht näher geprüft werden, da selbst bei deren Berücksichtigung kein
rentenbegründender Invaliditätsgrad resultiere. Ob diese von der
Beschwerdeführerin bestrittene Annahme zutrifft, ist nachstehend näher zu
prüfen.

4.2. Die Beschwerdeführerin bringt vor, die ihr verbleibende
medizinisch-theoretische Arbeitsfähigkeit sei auch auf dem ausgeglichenen
Arbeitsmarkt nicht verwertbar. Beim ausgeglichenen Arbeitsmarkt handelt es sich
um eine theoretische Grösse, so dass eine Unverwertbarkeit der verbliebenen
Leistungsfähigkeit nicht leichthin angenommen werden kann. An der
Massgeblichkeit dieses ausgeglichenen Arbeitsmarkts vermag auch der Umstand
nichts zu ändern, dass es für die versicherte Person im Einzelfall schwierig
oder gar unmöglich ist, auf dem tatsächlichen Arbeitsmarkt eine entsprechende
Stelle zu finden (vgl. Urteil 8C_321/2018 vom 27. November 2018 E. 5.3 mit
weiteren Hinweisen). Gemäss den verbindlichen vorinstanzlichen Feststellungen
besteht die medizinisch-theoretische Arbeitsfähigkeit der Versicherten für
körperlich leichte Verweistätigkeiten mit nur leichter Beanspruchung der oberen
Extremität und der Feinmotorik sowie mit nur wenig Kontakt mit anderen Menschen
und unter Vermeidung von Arbeitswegen (mit dem öffentlichen Verkehr) zu
Stosszeiten. Wie die Vorinstanz zutreffend erwogen hat, bietet der theoretische
ausgeglichene Arbeitsmarkt auch für Personen mit einem solchen Tätigkeitsprofil
ausreichende realistische Beschäftigungsmöglichkeiten. Zu denken ist etwa an
die Bedienung und Überwachung von automatischen Maschinen und
Produktionseinheiten, die mit keinerlei körperlicher Anstrengung verbunden sind
(vgl. auch Urteil 8C_12/2013 vom 13. Februar 2013 E. 3.2). Somit hat die
Vorinstanz kein Bundesrecht verletzt, als sie die Verwertbarkeit der
verbliebenen medizinisch-theoretischen Arbeitsfähigkeit bejahte.

4.3. Das kantonale Gericht hat im Weitern erwogen, dass die Beschwerdeführerin
im massgebenden Zeitpunkt des hypothetischen Rentenbeginns selbst im
Gesundheitsfall lediglich zu 50 % arbeitstätig wäre. Zur
Sachverhaltsfeststellung im Sinne von Art. 105 Abs. 1 und 2 BGG gehört auch die
auf Indizien gestützte Beweiswürdigung (Urteil 2C_595/2017 vom 13. April 2018
E. 2.2). Dabei obliegt es der beschwerdeführenden Person, in der
Beschwerdeschrift klar und detailliert aufzuzeigen, inwiefern die
vorinstanzliche Beweiswürdigung bzw. die Sachverhaltsfeststellung
offensichtlich unhaltbar ist (BGE 144 V 50 E. 4.2 mit Hinweisen). Sie darf sich
allerdings grundsätzlich nicht auf neue Tatsachen und Beweismittel berufen,
welche sie vor Vorinstanz noch nicht vorgebracht hat (vgl. Art. 99 Abs. 1 BGG).
Soweit die Versicherte daher vor Bundesgericht erstmals geltend macht, der
Abklärungsbericht vom 14. Juli 2010 müsse bei einer korrekten Beweiswürdigung
unbeachtet bleiben, da sie an diesem Tag alkoholisiert gewesen sei, ist sie
damit daher im Vorneherein nicht zu hören. Weiter ist festzuhalten, dass ein
Mangel in der Sachverhaltsfeststellung gemäss Art. 105 Abs. 2 BGG nicht bereits
dann vorliegt, wenn eine andere Lösung ebenfalls vertretbar erscheint oder gar
vorzuziehen wäre, sondern erst dann, wenn der Entscheid offensichtlich
unhaltbar ist, zur tatsächlichen Situation in klarem Widerspruch steht oder auf
einem offenkundigen Fehler beruht (BGE 127 I 54 E. 2b S. 56; vgl. auch BGE 135
V 2 E. 1.3 S. 4 f.). Die Vorinstanz hat nachvollziehbar und ohne ihre
Begründungspflicht zu verletzen dargelegt, wie sie aus der Gesamtsituation der
Versicherten, insbesondere jedoch aufgrund ihrer eigenen Angaben aus dem Jahr
2010 - mithin zu einem Zeitpunkt in dem die jüngste Tochter der
Beschwerdeführerin bereits sechzehn Jahre alt und in einem Wohnheim
untergebracht war -, auf die hypothetische Arbeitstätigkeit im Gesundheitsfall
geschlossen hat, wogegen sie die Angaben aus dem Jahre 2017 als weniger
glaubwürdig ansah. Dass sich die vorliegenden Indizien auch anders würdigen
liessen und nicht vollständig ausgeschlossen werden kann, dass die Versicherte
im Gesundheitsfall mit einem höheren Prozentsatz als von der Vorinstanz
angenommen arbeitstätig wäre, genügt nicht, um die vorinstanzliche
Beweiswürdigung als rechtsfehlerhaft im Sinne von Art. 105 Abs. 2 BGG zu
betrachten.

4.4. Aus der von ihr festgestellten hypothetischen Arbeitstätigkeit der
Beschwerdeführerin von 50 % im Gesundheitsfall schloss die Vorinstanz auf eine
50%-ige Tätigkeit im Haushaltsbereich und damit auf die Anwendbarkeit der sog.
"gemischten Methode" im Sinne von Art. 28a Abs. 3 IVG. Ob dieser Schluss
zutreffend ist, erscheint zweifelhaft, liegt es doch aufgrund der
Gesamtsituation der Versicherten im Zeitpunkt der hypothetischen Rentenbeginns
nicht auf der Hand, dass diese noch einen relevanten Aufgabenbereich innehatte.
Die Frage kann jedoch offen bleiben, da eine Qualifikation der
Beschwerdeführerin als Teilzeiterwerbstätige ohne Aufgabenbereich nach der für
diese Personen anwendbaren Rechtsprechung (BGE 142 V 290 E. 7 S. 297 f.; vgl.
auch SVR 2019 IV Nr. 34, 9C_583/2018 E. 4.2) zu einem tieferen Invaliditätsgrad
führen würde; die Anwendung der gemischten Methode erfolgte daher im konkreten
Fall zu Gunsten der Versicherten. Damit stellt entgegen ihren Vorbringen die
Anwendung der gemischten Methode auch keine geschlechtsspezifische
Diskriminierung dar.

4.5. Die konkrete Bemessung des Invaliditätsgrades nach der gemischten Methode
bei Annahme einer grundsätzlichen Verwertbarkeit der medizinisch-theoretischen
Arbeitsfähigkeit hat die Versicherte nicht beanstandet. Ihre Beschwerde ist
daher ohne Weiterungen abzuweisen.

5. 

Da die Beschwerde offensichtlich unbegründet ist, wird sie im Verfahren nach
Art. 109 Abs. 2 lit. a BGG erledigt. Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege
im bundesgerichtlichen Verfahren ist wegen Aussichtslosigkeit abzuweisen (Art.
64 Abs. 1 BGG). Der Beschwerdeführerin sind demnach die Gerichtskosten
aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 

Die Beschwerde wird abgewiesen.

2. 

Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen.

3. 

Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.

4. 

Dieses Urteil wird den Parteien, dem Versicherungsgericht des Kantons Aargau
und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 20. Juli 2019

Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung

des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Maillard

Der Gerichtsschreiber: Nabold