Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 8C.357/2019
Zurück zum Index I. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 2019
Retour à l'indice I. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 2019


TypeError: undefined is not a function (evaluating '_paq.toString().includes
("trackSiteSearch")') https://www.bger.ch/ext/eurospider/live/de/php/aza/http/
index.php?highlight_docid=aza%3A%2F%2Faza://24-10-2019-8C_357-2019&lang=de&zoom
=&type=show_document:1892 in global code 
 

Bundesgericht

Tribunal fédéral

Tribunale federale

Tribunal federal

               

8C_357/2019

Urteil vom 24. Oktober 2019

I. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung

Bundesrichter Maillard, Präsident,

Bundesrichterin Heine, Bundesrichter Wirthlin, Bundesrichterin Viscione,
Bundesrichter Abrecht,

Gerichtsschreiberin Polla.

Verfahrensbeteiligte

Öffentliche Arbeitslosenkasse des Kantons Aargau, Bahnhofstrasse 78, 5000
Aarau,

Beschwerdeführerin,

gegen

A.________,

vertreten durch Rechtsanwalt Martin Hablützel, und dieser substituiert durch
Rechtsanwalt Leo Sigg,

Beschwerdegegner.

Gegenstand

Arbeitslosenversicherung (Arbeitslosenentschädigung),

Beschwerde gegen den Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons Aargau vom
24. April 2019 (VBE.2018.748).

Sachverhalt:

A. 

Der 1969 geborene A.________ meldete sich aufgrund eines im Februar 2015
erlittenen Thalamusinfarktes am 12. Januar 2016 bei der Invalidenversicherung
zum Leistungsbezug an. Am 14. März 2017 ersuchte er die
Arbeitslosenversicherung um Leistungen ab 1. April 2017, nachdem sein
Arbeitsverhältnis als Werkstattleiter mit der B.________ GmbH per 31. März 2017
wegen seiner gesundheitlichen Beschwerden beendet worden war. Die Öffentliche
Arbeitslosenkasse des Kantons Aargau erbrachte im Rahmen ihrer
Vorleistungspflicht Arbeitslosentaggelder. Gestützt auf die Mitteilung des
Beschlusses - adressiert an die Ausgleichskasse der Sozialversicherungsanstalt
(SVA) Aargau mit Kopie an die Arbeitslosenkasse - der IV-Stelle des Kantons
Aargau vom 30. April 2018, wonach die IV-Stelle beabsichtigte, dem Versicherten
ab 1. Januar 2017 eine Viertelsrente und ab 1. April 2017 eine halbe Rente der
Invalidenversicherung zuzusprechen, zog die Arbeitslosenkasse mit Verfügung vom
11. Juni 2018 ihre Taggeldleistungen der Monate April 2017 bis Mai 2018 in
Wiedererwägung und gewährte A.________ nurmehr Taggeldleistungen im Umfang von
50 % des versicherten Verdienstes. Daran hielt sie mit Einspracheentscheid vom
20. August 2018 fest. Am 7. September 2018 erliess die IV-Stelle die
rentenzusprechende Verfügung gemäss Vorbescheid vom 27. Februar 2018, worin dem
Versicherten ab 1. Januar 2017 die Ausrichtung einer Viertelsrente und ab 1.
April 2017 einer halben Rente in Aussicht gestellt worden war.

B. 

Die gegen den Einspracheentscheid vom 20. August 2018 erhobene Beschwerde hiess
das Versicherungsgericht des Kantons Aargau mit Entscheid vom 24. April 2019
gut und hob den Einspracheentscheid auf.

C. 

Die Arbeitslosenkasse führt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen
Angelegenheiten und beantragt die Aufhebung des kantonalen Gerichtsentscheids.

A.________ lässt auf Abweisung der Beschwerde schliessen. Das Staatssekretariat
für Wirtschaft (SECO) beantragt deren Gutheissung.

Mit Eingabe vom 11. Juni 2019 ersucht die Arbeitslosenkasse um aufschiebende
Wirkung der Beschwerde. Hierzu nimmt der Versicherte am 24. September 2019
Stellung und beantragt, es sei dem Gesuch nicht zu entsprechen.

Erwägungen:

1. 

Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann wegen
Rechtsverletzungen gemäss Art. 95 und 96 BGG erhoben werden. Das Bundesgericht
wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG), doch prüft es, unter
Berücksichtigung der allgemeinen Rüge- und Begründungspflicht (Art. 42 Abs. 1
und 2 BGG), nur die geltend gemachten Vorbringen, falls allfällige weitere
rechtliche Mängel nicht geradezu offensichtlich sind (BGE 138 I 274 E. 1.6 S.
280 mit Hinweis). Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt
zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann
deren Sachverhaltsfeststellung nur berichtigen oder ergänzen, wenn sie
offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art.
95 BGG beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG).

2.

2.1. Streitig und zu prüfen ist, ob die Vorinstanz Bundesrecht verletzt hat,
indem sie die Vorleistungspflicht der Arbeitslosenversicherung durch die
Mitteilung des Beschlusses der IV-Stelle vom 30. April 2018 als noch nicht
beendet ansah.

2.2. Art. 8 Abs. 1 AVIG zählt die für die Arbeitslosenentschädigung
massgeblichen Anspruchsvoraussetzungen auf. Hierzu gehört nach Art. 8 Abs. 1
lit. f AVIG in Verbindung mit Art. 15 Abs. 1 AVIG die Vermittlungsfähigkeit,
d.h. die versicherte Person muss bereit, in der Lage und berechtigt sein, eine
zumutbare Arbeit anzunehmen und an Eingliederungsmassnahmen teilzunehmen. Der
Begriff der Vermittlungsfähigkeit als Anspruchsvoraussetzung schliesst
graduelle Abstufungen aus. Entweder ist die versicherte Person
vermittlungsfähig, insbesondere bereit, eine zumutbare Arbeit (im Umfang von
mindestens 20 % eines Normalarbeitspensums; vgl. Art. 5 AVIV und BGE 120 V 385
E. 4c/aa S. 390) anzunehmen, oder nicht (BGE 136 V 95 E. 5.1 S. 97).

2.3. Nach Art. 15 Abs. 2 Satz 1 AVIG gilt der körperlich oder geistig
Behinderte als vermittlungsfähig, wenn ihm bei ausgeglichener Arbeitsmarktlage,
unter Berücksichtigung seiner Behinderung, auf dem Arbeitsmarkt eine zumutbare
Arbeit vermittelt werden könnte (BGE 136 V 195 E. 3.1 S. 197 f.). Die Kompetenz
zur Regelung der Koordination mit der Invalidenversicherung ist in Art. 15 Abs.
2 Satz 2 AVIG dem Bundesrat übertragen worden. Dieser hat in Art. 15 Abs. 3
AVIV festgelegt, dass ein Behinderter, der unter der Annahme einer
ausgeglichenen Arbeitsmarktlage nicht offensichtlich vermittlungsunfähig ist,
und der sich bei der Invalidenversicherung (oder einer anderen Versicherung
nach Art. 15 Abs. 2 AVIV) angemeldet hat, bis zum Entscheid der anderen
Versicherung als vermittlungsfähig gilt. In diesem Sinn sieht Art. 70 Abs. 2
lit. b ATSG vor, dass die Arbeitslosenversicherung für Leistungen, deren
Übernahme durch die Arbeitslosenversicherung, die Krankenversicherung, die
Unfallversicherung oder die Invalidenversicherung umstritten ist,
vorleistungspflichtig ist (BGE 142 V 380 E. 3.1 S. 381 f.).

2.4. Aufgrund dieser Bestimmungen hat die Arbeitslosenversicherung arbeitslose,
bei einer anderen Versicherung angemeldete Personen zu entschädigen, falls ihre
Vermittlungsunfähigkeit nicht offensichtlich ist. Dieser Anspruch auf eine
ungekürzte Arbeitslosenentschädigung besteht namentlich, wenn die ganz
arbeitslose Person aus gesundheitlichen Gründen lediglich noch teilzeitlich
arbeiten könnte, solange sie im Umfang der ihr ärztlicherseits attestierten
Arbeitsfähigkeit eine Beschäftigung sucht und bereit ist, eine neue Anstellung
mit entsprechendem Pensum anzutreten (BGE 142 V 380 E. 3.2 S. 382; 136 V 95 E.
7.1 S. 101). Die Vermutungsregel der grundsätzlich gegebenen
Vermittlungsfähigkeit von Behinderten (Art. 70 Abs. 2 lit. b ATSG und Art. 15
Abs. 2 AVIG in Verbindung mit Art. 15 Abs. 3 AVIV) gilt lediglich für die Zeit,
in welcher der Anspruch auf Leistungen einer anderen Versicherung abgeklärt
wird und somit noch nicht feststeht. Damit sollen Lücken im Erwerbsersatz
vermieden werden. Die Vorleistungspflicht ist daher auf die Dauer des
Schwebezustandes begrenzt, weshalb sie endet, sobald das Ausmass der
Erwerbsunfähigkeit feststeht (vgl. BGE 142 V 380 E. 3.2 S. 382; 136 V 195 E.
7.4 S. 205; ARV 2011 S. 55, 8C_651/2009).

3.

3.1. Die Vorinstanz erwog, bei der Mitteilung des Beschlusses der IV-Stelle vom
30. April 2018 handle es sich um eine verwaltungsinterne Mitteilung an die
Ausgleichskasse der SVA Aargau, die das Verwaltungsverfahren noch nicht formell
abschliesse. Auch in diesem Verfahrensstadium könne der Versicherte noch von
der IV-Stelle zu berücksichtigende (medizinische) Akten einreichen. Der
Schwebezustand sei erst mit der Aussenwirkung entfaltenden Verfügung vom 7.
September 2018 beendet.

3.2.

3.2.1. Nach Auffassung der Beschwerdeführerin und des SECO sei mit der
Mitteilung des Beschlusses der IV-Stelle vom 30. April 2018 der Grad der
Erwerbsunfähigkeit bereits vor Verfügungserlass festgestanden. Die im Rahmen
des Vorbescheidverfahrens erhobenen Einwände seien geprüft und der
Invaliditätsgrad mittels Beschluss festgestellt worden. Wenn die 30-tägige
Frist zur Erhebung von Einwänden gegen den Vorbescheid abgelaufen und sich die
IV-Stelle durch Beschluss festgelegt habe, seien auch keine Nachkorrekturen
mehr zu erwarten. Dies ermögliche eine rechtsgleiche und praktikable
Verwaltungspraxis.

3.2.2. Eventualiter sei davon auszugehen, dass sich der Versicherte und die
Arbeitslosenkasse bereits mit dem Vorbescheid über das Mindestmass des
Invaliditätsgrades einig gewesen seien, weshalb der versicherte Verdienst
entsprechend habe angepasst werden dürfen. Die IV-Stelle habe im Zeitpunkt
ihres Beschlusses noch nicht über die Rentenleistung verfügen können, da
insbesondere die Höhe der Drittauszahlungen bzw. der Nachzahlungen an die
Arbeitslosenkasse noch nicht festgestanden sei. Die Arbeitslosenkasse wiederum
müsse vorab den Zeitraum ihres Rückforderungsanspruchs kennen, um einen
korrekten Verrechnungsantrag stellen zu können, insofern sei die Mitteilung des
Beschlusses für sie bindend. Würde die Arbeitslosenkasse im laufenden
Invalidenversicherungsverfahren trotz entsprechender Aufforderung durch die
Ausgleichskasse keinen (betraglich) korrekten Verrechnungsantrag stellen,
obwohl ihr die Berechnungsgrundlagen mit Mitteilung des Beschlusses vom 30.
April 2018 übermittelt worden seien, liefe sie Gefahr, dass sie ihren Anspruch
auf Nachzahlungen der Invalidenversicherung verliere und die
Invalidenversicherung mit befreiender Wirkung an den Versicherten leiste.

4.

4.1.

4.1.1. Sobald das Ausmass der Erwerbsunfähigkeit durch Vorbescheid oder
Verfügung der andern Sozialversicherung feststeht, endet die
Vorleistungspflicht der Arbeitslosenversicherung und der versicherte Verdienst
(Art. 23 Abs. 1 AVIG in Verbindung mit Art. 40b AVIV) wird rückwirkend auf den
Zeitpunkt der Einschränkung der Erwerbsunfähigkeit angepasst (BGE 136 V 95 E.
7.1 S. 101; 132 V 357; SVR 2014 ALV Nr. 12 S. 37, 8C_53/2014).

4.1.2. Werden keine Einwände gegen den Vorbescheid erhoben (vgl. Art. 57a IVG
in Verbindung mit Art. 73 ^ter IVV) oder bleibt die Verfügung unbestritten,
endet der Schwebezustand, da damit der Erwerbsunfähigkeitsgrad feststeht. Daher
kann zum selben Zeitpunkt die (rückwirkende) Anpassung des versicherten
Verdienstes an die verbleibende Erwerbsfähigkeit erfolgen. In Bezug auf das
Ende des Schwebezustandes besteht weiter dann kein Anlass, eine Verfügung über
den Rentenanspruch abzuwarten, wenn bereits vor oder mit dem Vorbescheid eine
vollständige Erwerbsunfähigkeit mit offensichtlicher Vermittlungsunfähigkeit
feststeht (ARV 2014 S. 210, 8C_53/2014 E. 4.2). 

4.1.3. Ferner ist es möglich, dass das Ende des Schwebezustandes und der
Zeitpunkt der Anpassung des versicherten Verdienstes auseinanderfallen. Dies
betrifft vor allem Fälle, wo nach erfolgter Anfechtung der Verfügung über den
Rentenanspruch das exakte Ausmass der Erwerbsunfähigkeit noch nicht geklärt ist
und die Schwebe bis zum rechtskräftigen Entscheid im Verfahren der
Invalidenversicherung anhält (vgl. den in ARV 2015 S. 157, 8C_401/2014 E. 2-4
beurteilten Sachverhalt). Hier kann eine Anpassung des versicherten Verdiensts
aber nur dann erfolgen, wenn die Arbeitslosenkasse und die versicherte Person
sich bereits über ein Mindestmass des Invaliditätsgrades einig sind. In diesem
Umfang des von der Sozialversicherung ermittelten Invaliditätsgrades kann der
versicherte Verdienst bereits korrigiert werden, um so einen Ausgleich zur
weiter andauernden Vorleistungspflicht zu schaffen (BGE 142 V 380 E. 5.2.2 S.
386 f.). Zusammenfassend bildet somit grundsätzlich erst die (noch nicht
rechtskräftige) Verfügung der Invalidenversicherung oder einer anderen
Sozialversicherung hinreichende Grundlage für die Anpassung des versicherten
Verdienstes an den damit erkannten Grad der Erwerbsunfähigkeit oder zumindest
an den nicht umstrittenen Prozentsatz des errechneten Invaliditätsgrades (BGE
142 V 380 E. 5.5 S. 388).

4.2. Aus der soeben dargelegten Rechtsprechung geht hervor, dass im Zeitpunkt
des Vorbescheids eine Mindesthöhe des Invaliditätsgrades gerade dann noch nicht
feststeht, wenn gegen den Vorbescheid - wie hier - Einwände erhoben wurden. Es
ist ferner nicht erstellt, dass sich die Arbeitslosenkasse und der Versicherte
über ein Mindestmass des Invaliditätsgrades einig wären.

4.3. Damit liegt keine der skizzierten Ausnahmen vor, um bereits mit dem
Vorbescheid den Schwebezustand enden zu lassen. Erst die Verfügung der
IV-Stelle vom 7. September 2018 bildet hinreichende Grundlage zur Anpassung des
versicherten Verdienstes nach Art. 40b AVIV. Denn - entgegen der Ansicht der
Beschwerdeführerin und des SECO - schliesst nicht der verwaltungsinterne
Beschluss über einen Anspruch auf Invalidenrente das Vorbescheidverfahren nach
Art. 57a Abs. 1 IVG ab, sondern die Verfügung über den Leistungsanspruch (Art.
57a Abs. 1 IVG sowie Art. 73 ^bis und 73 ^ter IVV). Dass hier über den
Leistungsanspruch ohne Verfügung im Sinne von Art. 74 ^ter IVV hätte
entschieden werden können, behauptet die Beschwerdeführerin überdies zu Recht
nicht. Die IV-Stelle eröffnete dem Versicherten (vgl. Art. 76 IVV) ihren
Beschluss (Art. 74 IVV) vielmehr korrekt mittels anfechtbarer Verfügung (vgl.
Kreisschreiben des Bundesamtes für Sozialversicherungen [BSV] über das
Verfahren in der Invalidenversicherung [KSVI, gültig ab 1. Januar 2010, Stand
1. Januar 2018] Rz. 3008). 

4.4. Wie das kantonale Gericht bereits ausführte, entfaltet der rein
verwaltungsinterne Beschluss über das Leistungsbegehren keine verbindliche
Aussenwirkung gegenüber dem Versicherten im Sinne eines hoheitlichen,
rechtsgestaltenden Verwaltungsaktes. Mit der nicht an den Versicherten
adressierten Mitteilung über den Beschluss wird im Rahmen des
Verwaltungsablaufs vielmehr die Ausgleichskasse aufgefordert, die Rente
entsprechend den Vorgaben der Invalidenversicherung zu berechnen (Art. 60 Abs.
1 lit. b IVG). Die daran anschliessende, an die versicherte Person gerichtete
Verfügung umfasst zwei Teile, nämlich einerseits die grundsätzliche
Leistungspflicht, worüber die IV-Stelle zu befinden hat, anderseits die
Berechnung des Rentenbetrags, der von der Ausgleichskasse festgesetzt wird.
Schliesst erst diese Verfügung der IV-Stelle das Verwaltungsverfahren ab (Art.
57 Abs. 1 lit. g IVG; vgl. auch Art. 76 Abs. 1 IVV sowie KSVI Rz. 3033 u. 3045
ff.), hat die IV-Stelle auch den (medizinischen) Sachverhalt bis zum Erlass der
Verfügung festzustellen (vgl. URS MÜLLER, Das Verwaltungsverfahren in der
Invalidenversicherung, 2010, S. 426 Rz. 2171 und S. 429 Rz. 2186). Da eine
Änderung der tatsächlichen Verhältnisse bis dahin eintreten kann, legt der
Beschluss der IV-Stelle den Invaliditätsgrad nicht fest. Der Ausgang des
Verfahrens ist aufgrund der möglicherweise durchzuführenden weiteren
Beweismassnahmen ungewiss. Dies muss umso mehr gelten, wenn, wie vorliegend,
zwischen der Beschlussfassung der IV-Stelle vom 30. April 2018 und ihrer
Verfügung vom 7. September 2018 ein Zeitraum von rund vier Monaten liegt. Die
Verwaltung ist somit nicht verpflichtet, gemäss dem Vorbescheid zu verfügen,
weshalb in der Verfügung auch ein tieferer Invaliditätsgrad als der im
Vorbescheid angezeigte festgestellt werden darf (BGE 142 V 380 E. 5.3 S. 387).

4.5. Daraus ergibt sich, dass es jedenfalls fehl geht, neben den skizzierten
Ausnahmen für die Beendigung des Schwebezustands durch den Vorbescheid, auch
die verwaltungsinterne Mitteilung an die Ausgleichskasse vom 30. April 2018
hierfür gelten zu lassen. Diese Mitteilung bildet keine hinreichende Grundlage,
um damit in Beendigung des Schwebezustands in den Leistungsanspruch auf
Arbeitslosenentschädigung rechtsgestaltend durch Korrektur des versicherten
Verdienstes einzugreifen. Zu betonen ist, dass die Arbeitslosenversicherung für
die Zeit, in welcher der Anspruch auf Leistungen einer anderen Versicherung
abgeklärt wird, vorleistungspflichtig ist, um Lücken im Erwerbsersatz zu
vermeiden. Die Rechtsprechung zur Beendigung dieser Vorleistungspflicht zielt
darauf ab, dass die Arbeitslosenkasse sobald als möglich, nämlich dann, wenn
der Erwerbsunfähigkeitsgrad feststeht, die notwendige Leistungsanpassung
vornehmen kann. Diese Anpassung, je nach Fallkonstellation, auch im Zeitpunkt
eines verwaltungsinternen Beschlusses zuzulassen, ginge zulasten der
Rechtssicherheit und der Praktikabilität im Verwaltungsverfahren. Von der
grundsätzlichen Beendigung des Schwebezustands durch Erlass der Verfügung der
IV-Stelle ist daher nicht abzuweichen, zumal hieraus der Arbeitslosenkasse, wie
sich aus der nachstehenden Erwägung ergibt, kein Rechtsnachteil erwächst.

5. 

Was die Verrechnungsproblematik betrifft, ist es der Invalidenversicherung
unbenommen, wie der Beschwerdegegner zutreffend einwendet, zuerst über den
laufenden Rentenanspruch zu verfügen und in einem zweiten Schritt über die
rückwirkenden Leistungsansprüche zu entscheiden. Dies entspricht den Weisungen
des Kreisschreibens des BSV über die Verrechnung von Nachzahlungen der IV mit
Leistungsrückforderungen von zugelassenen Krankenkassen vom 1. Januar 1999,
welches in der Vorbemerkung und in Rz. 2004 explizit auf die Möglichkeit der
Rentenaufteilung verweist. Diese Weisungen finden gemäss Rz. 10059 der
Wegleitung des BSV über die Renten in der Eidgenössischen Alters-,
Hinterlassenen- und Invalidenversicherung (RWL) vom 1. Januar 2003 (Stand 1.
Januar 2016) analoge Anwendung für Verrechnungsanträge von Durchführungsstellen
der Arbeitslosenversicherung. Damit ist es der Arbeitslosenkasse möglich, durch
den im ersten Schritt verfügungsweise festgesetzten Invaliditätsgrad ihrerseits
die Anpassung an den versicherten Verdienst mittels Verfügung vorzunehmen und
somit ihre Verrechnungsansprüche rechtzeitig im Rahmen der zweiten Verfügung
der IV-Stelle über die Rentennachzahlung geltend zu machen (Art. 94 Abs. 2
AVIG; zum Ganzen: FRANZ SCHLAURI, Die zweigübergreifende Verrechnung und
weitere Instrumente der Vollstreckungskoordination des
Sozialversicherungsrechts, in: Schaffhauser/Schlauri [Hrsg.],
Sozialversicherungstagung 2004, S. 163 ff.). Die Beschwerde ist unbegründet.

6. 

Das Gesuch um aufschiebende Wirkung der Beschwerde wird mit dem heutigen Urteil
gegenstandslos.

7. 

Entsprechend dem Prozessausgang werden die Gerichtskosten der
Beschwerdeführerin auferlegt (Art. 66 Abs. 1 BGG). Diese hat dem obsiegenden
Beschwerdegegner zudem eine Parteientschädigung auszurichten (Art. 68 Abs. 2
BGG).

 Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 

Die Beschwerde wird abgewiesen.

2. 

Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.

3. 

Die Beschwerdeführerin hat den Beschwerdegegner für das bundesgerichtliche
Verfahren mit Fr. 2800.- zu entschädigen.

4. 

Dieses Urteil wird den Parteien, dem Versicherungsgericht des Kantons Aargau
und dem Staatssekretariat für Wirtschaft (SECO) schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 24. Oktober 2019

Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung

des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Maillard

Die Gerichtsschreiberin: Polla