Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 8C.256/2019
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Bundesgericht

Tribunal fédéral

Tribunale federale

Tribunal federal

               

8C_256/2019

Urteil vom 23. August 2019

I. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung

Bundesrichter Maillard, Präsident,

Bundesrichterin Heine, Bundesrichter Wirthlin,

Gerichtsschreiberin Riedi Hunold.

Verfahrensbeteiligte

A.________,

vertreten durch Rechtsanwältin Bettina Umhang,

Beschwerdeführer,

gegen

IV-Stelle des Kantons Zürich,

Röntgenstrasse 17, 8005 Zürich,

Beschwerdegegnerin.

Gegenstand

Invalidenversicherung (Invalidenrente; Neuanmeldung),

Beschwerde gegen den Entscheid des Sozialversicherungsgerichts des Kantons
Zürich vom 26. Februar 2019 (IV.2017.00526).

Sachverhalt:

A.

A.a. A.________, geboren 1960, war von 1. September 2001 bis 28. Februar 2017
bei der Gemeinde U.________ als Steuersekretär tätig. Im April 2015 hatte er
sich bei der IV-Stelle des Kantons Zürich zum Leistungsbezug angemeldet. Die
IV-Stelle nahm medizinische und erwerbliche Abklärungen vor und lehnte das
Leistungsgesuch mit Verfügung vom 12. Mai 2016 ab.

A.b. Im Oktober 2016 meldete sich A.________ unter Hinweis auf seine seit
Dezember 2014 bestehenden Leiden erneut zum Leistungsbezug an. Die IV-Stelle
trat mit Verfügung vom 3. April 2017 darauf nicht ein.

B. 

Das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich wies die dagegen erhobene
Beschwerde mit Entscheid vom 26. Februar 2019 ab, soweit es darauf eintrat.

C. 

A.________ lässt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten führen
mit dem Antrag, es seien der vorinstanzliche Entscheid und die Verfügung vom 3.
April 2017 aufzuheben und die Sache zur rechtsgenüglichen Abklärung an die
IV-Stelle zurückzuweisen.

Das Bundesgericht führt keinen Schriftenwechsel durch.

Erwägungen:

1.

1.1. Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann wegen
Rechtsverletzungen gemäss Art. 95 und 96 BGG erhoben werden. Das Bundesgericht
wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Es ist folglich
weder an die in der Beschwerde geltend gemachten Argumente noch an die
Erwägungen der Vorinstanz gebunden; es kann eine Beschwerde aus einem anderen
als dem angerufenen Grund gutheissen und es kann sie mit einer von der
Argumentation der Vorinstanz abweichenden Begründung abweisen. Immerhin prüft
das Bundesgericht, unter Berücksichtigung der allgemeinen Pflicht zur
Begründung der Beschwerde (Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG), grundsätzlich nur die
geltend gemachten Rügen, sofern die rechtlichen Mängel nicht geradezu
offensichtlich sind (BGE 141 V 234 E. 1 S. 236 mit Hinweisen).

1.2. Das Bundesgericht kann die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz nur
berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer
Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG).
Überdies muss die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens
entscheidend sein (Art. 97 Abs. 1 BGG). Neue Tatsachen und Beweismittel dürfen
nur so weit vorgebracht werden, als erst der Entscheid der Vorinstanz dazu
Anlass gibt (Art. 99 Abs. 1 BGG).

Die beschwerdeführende Partei, welche die Sachverhaltsfeststellungen der
Vorinstanz anfechten will, muss substanziiert darlegen, inwiefern die
Voraussetzungen einer Ausnahme gemäss Art. 105 Abs. 2 BGG gegeben sind und das
Verfahren bei rechtskonformer Ermittlung des Sachverhalts anders ausgegangen
wäre; andernfalls kann ein Sachverhalt, der vom im angefochtenen Entscheid
festgestellten abweicht, nicht berücksichtigt werden (BGE 140 III 16 E. 1.3.1
S. 18 mit Hinweisen).

1.3. Ob eine anspruchserhebliche Änderung nach Art. 87 Abs. 3 IVV glaubhaft
gemacht ist, stellt eine vom Bundesgericht nur unter dem Blickwinkel von Art.
105 Abs. 2 BGG überprüfbare Tatfrage dar. Um eine Frage rechtlicher Natur
handelt es sich hingegen, wenn zu beurteilen ist, wie hohe Anforderungen an das
Glaubhaftmachen im Sinne von Art. 87 Abs. 3 IVV zu stellen sind (vgl. etwa die
Urteile 9C_7/2019 vom 5. April 2019 E. 2.3 und 8C_183/2016 vom 9. Mai 2016 E.
2.3).

2. 

Streitig ist, ob die Vorinstanz zu Recht das Nichteintreten auf die
Neuanmeldung bestätigt hat.

3. 

Die Vorinstanz hat die massgebenden Bestimmungen und Grundsätze über die
Voraussetzungen für das Eintreten auf eine Neuanmeldung (Art. 87 Abs. 2 und 3
IVV; BGE 133 V 108; 130 V 64 E. 5.2 S. 67; 130 V 71 E. 2.2 S. 72) sowie auf
eine Wiedererwägung (Art. 53 Abs. 2 ATSG; BGE 133 V 50 E. 4.1 S. 52) zutreffend
dargelegt. Darauf wird verwiesen.

4. 

Weiter hat die Vorinstanz in E. 3 die Berichte des Dr. med. B.________,
Facharzt für Allgemeine Innere Medizin, vom 28. Januar 2015, vom 2. April 2015
und vom 15. Juli 2015, der Frau Dr. med. C.________, Spital D.________, vom 7.
September 2015, des Dr. med. E.________, Facharzt für orthopädische Chirurgie
und Traumatologie, Spital D.________, vom 10. Juni 2015, vom 5. April 2016, vom
26. April 2016 und vom 14. Juli 2016 zutreffend wiedergegeben. Dasselbe gilt
für den Bericht des Dr. med. F.________, Facharzt für Radiologie, Spital
D.________, vom 6. Januar 2016, des Dr. med. G.________, Facharzt für
Radiologie, Spital D.________, vom 19. April 2016, des Dr. med. H.________,
Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie, Klinik I.________, vom 20.
Dezember 2016 sowie das Gutachten der psychiatrischen Klinik J.________, vom
18. Dezember 2015. Darauf wird ebenfalls verwiesen.

5. 

Die Vorinstanz ist auf die Beschwerde des Versicherten, soweit er eine
Wiedererwägung der Verfügung vom 12. Mai 2016 verlangte, nicht eingetreten.
Bezüglich des beantragten Eintretens auf seine Neuanmeldung verwies sie darauf,
dass gestützt auf die Rechtsprechung (Urteil 9C_683/2013 vom 2. April 2014 E.
3.3.2) nur medizinische Berichte berücksichtigt werden könnten, die der
IV-Stelle bei ihrem Nichteintreten vorgelegen seien, weshalb der erst im
kantonalen Verfahren aufgelegte Bericht des behandelnden Psychiaters nicht
berücksichtigt werden könne. In der Folge stellte sie fest, dass für die
Glaubhaftmachung einer Sachverhaltsänderung höhere Anforderungen gelten würden,
da die Neuanmeldung nur gerade fünf Monate nach der erstmaligen
Rentenverweigerung erfolgt sei. Gestützt auf die ärztlichen Berichte hielt sie
fest, es sei sowohl in orthopädischer als auch in psychiatrischer Hinsicht
keine massgebliche Verschlechterung des Gesundheitszustandes glaubhaft gemacht.
Abschliessend verwies sie darauf, die Ärzte würden die psychischen Beschwerden
vornehmlich auf die sehr belastende psychosoziale Konstellation zurückführen,
was gegen deren invalidenversicherungsrechtliche Relevanz spreche.

6. 

Was der Versicherte dagegen vorbringt, vermag zu keinem anderen Ergebnis zu
führen.

6.1. Wurde eine Rente wegen eines zu geringen Invaliditätsgrades verweigert, so
wird eine neue Anmeldung nur geprüft, wenn damit glaubhaft gemacht wird, dass
sich der Grad der Invalidität in einer für den Anspruch erheblichen Weise
geändert hat (Art. 87 Abs. 3 in Verbindung mit Abs. 2 IVV). Die zeitliche
Vergleichsbasis für die Frage, ob eine rentenrelevante Veränderung des
Sachverhalts glaubhaft ist, bildet der Zeitpunkt der letzten umfassenden
materiellen Prüfung. Der Vergleichszeitraum erstreckt sich grundsätzlich bis
zur Prüfung und Beurteilung des Gesuchs, d.h. bis zum Erlass der Verfügung
betreffend die Neuanmeldung. Für die beschwerdeweise Überprüfung einer
Nichteintretensverfügung ist somit der Sachverhalt, wie er sich der Verwaltung
bot, resp. die Aktenlage bei Erlass dieser Verfügung massgeblich (BGE 130 V 64
E. 5.2.5 S. 68; Urteil 8C_183/2016 vom 9. Mai 2016 E. 2.1).

6.2. Verfahrensthema ist, ob der Versicherte gestützt auf die mit der
Neuanmeldung aufgelegten ärztlichen Berichte eine massgebliche Verschlechterung
des Gesundheitszustandes glaubhaft machen kann. Hingegen ist nicht zu prüfen,
ob der Sachverhalt im Zeitpunkt der Verfügung vom 12. Mai 2016 richtig erstellt
worden war. Diese Verfügung ist in Rechtskraft erwachsen und somit einer
gerichtlichen Überprüfung entzogen.

6.3. Soweit der Versicherte geltend macht, sein Gesundheitszustand habe sich
insofern geändert, als er seit 24. Oktober 2016 andauernd arbeitsunfähig sei,
kann ihm nicht gefolgt werden. Denn einerseits sind dem Bericht der Klinik
I.________ vom 20. Dezember 2016 keine Anhaltspunkte für eine anhaltende
Verschlechterung gegenüber den Feststellungen gemäss dem Gutachten der
psychiatrischen Klinik J.________ vom 18. Dezember 2015 zu entnehmen. So
attestierte Dr. med. H.________ keine über den Klinikaufenthalt hinaus
andauernde Arbeitsunfähigkeit und hielt eine Stabilisierung des psychischen
Zustandsbildes fest (deutliche Stimmungsaufhellung, verminderte Existenzängste,
verstärkte Zuversicht), auch wenn noch keine vollständige Remission vorlag.
Andererseits weist die Vorinstanz zu Recht darauf hin, dass Dr. med. H.________
als Ursache für die psychischen Beschwerde eine "sehr belastende psychosoziale
Konstellation" als Folge der Kündigung vom 31. August 2016 festhält, was jedoch
nach BGE 127 V 294 E. 5a S. 299 den Anforderungen an ein invalidisierendes
Leiden nicht genügt. Auf die in diesem Zusammenhang vom Beschwerdeführer unter
Hinweis auf seine Vorbringen im kantonalen Verfahren erhobenen Rügen ist nicht
weiter einzugehen. Denn dieser Verweis auf die vorinstanzliche Beschwerde
genügt den Anforderungen an eine Begründung nach Art. 42 Abs. 2 BGG nicht (BGE
135 II 384 E. 2.2.1 S. 389; 134 I 303 E. 1.3 S. 306).

6.4. Gestützt auf den Bericht des behandelnden Psychiaters vom 24. September
2018 macht der Versicherte eine Chronifizierung seines Leidens geltend. Wie die
Vorinstanz korrekt festhält, kann für die Frage des Eintretens auf die
Neuanmeldung nur auf jene ärztlichen Berichte abgestellt werden, die der
Verwaltung im Zeitpunkt ihres Entscheids auch vorlagen (vgl. E. 6.1). Somit ist
die Vorinstanz zu Recht auf den erst im Rahmen des kantonalen Verfahrens
aufgelegten Bericht vom 24. September 2018 nicht weiter eingegangen.

6.5. Entgegen der Ansicht des Versicherten erfolgt bei der Prüfung der
Glaubhaftmachung einer Verschlechterung im Rahmen einer Neuanmeldung keine
Beurteilung des Gesundheitszustandes "im Gesamtverlauf", sondern es wird der
Zustand bei der letztmaligen Beurteilung jenem anlässlich der Neuanmeldung
gegenübergestellt (vgl. E. 6.1). Die (formell-rechtliche) Frage des Eintretens
auf das neue Leistungsgesuch ist von der materiellen Beurteilung des
Leistungsanspruchs zu trennen. Denn es obliegt der versicherten Person, die
Voraussetzung des veränderten Gesundheitszustandes glaubhaft zu machen. Der
Untersuchungsgrundsatz greift erst, wenn die Verwaltung auf ein Gesuch
eintritt, folglich ein Verfahren eröffnet und verpflichtet ist, den
massgeblichen Sachverhalt abzuklären (BGE 130 V 64 E. 5.2.5 S. 68; vgl. zum
zweigeteilten Vorgehen bei einer Neuanmeldung auch Urteil 9C_27/2019 vom 27.
Juni 2019 E. 2 mit Hinweisen). Eine Verletzung des Untersuchungsgrundsatzes
liegt somit nicht vor.

6.6. Soweit der Versicherte schliesslich geltend macht, die fehlende Abklärung
der Folgen seiner Opiatabhängigkeit stelle eine Verletzung des
Untersuchungsgrundsatzes dar, ist auch dieser Einwand unbehelflich. Denn
einerseits ergibt sich aus dem Bericht der Klinik I.________ vom 20. Dezember
2016, dass die Medikationsdosis reduziert werden konnte. Andererseits gilt der
Untersuchungsgrundsatz nicht bereits im Rahmen der Eintretensfrage (vgl. E.
6.5).

6.7. Zusammenfassend ist festzuhalten, dass die Vorinstanz zu Recht das
Nichteintreten auf die Neuanmeldung durch die IV-Stelle bestätigt hat.

7. 

Das Verfahren ist kostenpflichtig. Der unterliegende Beschwerdeführer hat die
Gerichtskosten zu tragen (Art. 66 Abs. 1 BGG).

 Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 

Die Beschwerde wird abgewiesen.

2. 

Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

3. 

Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons
Zürich und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 23. August 2019

Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung

des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Maillard

Die Gerichtsschreiberin: Riedi Hunold