Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 8C.170/2019
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Bundesgericht

Tribunal fédéral

Tribunale federale

Tribunal federal

               

8C_170/2019

Urteil vom 16. Mai 2019

I. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung

Bundesrichter Maillard, Präsident,

Bundesrichter Frésard, Wirthlin,

Gerichtsschreiber Grunder.

Verfahrensbeteiligte

A.________,

vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Marcel Buttliger,

Beschwerdeführer,

gegen

Vaudoise

Allgemeine Versicherungs-Gesellschaft AG,

Beschwerdegegnerin.

Gegenstand

Unfallversicherung (Kausalzusammenhang),

Beschwerde gegen den Entscheid

des Versicherungsgerichts des Kantons Aargau

vom 30. Januar 2019 (VBE.2018.480).

Sachverhalt:

A. 

Der 1989 geborene A.________ ist seit dem 25. Februar 2015 bei der Firma
B.________ angestellt und dadurch bei der Vaudoise Allgemeine
Versicherungs-Gesellschaft AG (im Folgenden: Vaudoise) gegen die Folgen von
Unfällen obligatorisch versichert. Am 28. März 2017 teilte der Versicherte der
Vaudoise mit, er sei im Juli 2016 von einer Zecke gebissen worden und leide
seither an einer Hirnhautentzündung. Die Vaudoise klärte den Sachverhalt in
beruflicher und medizinischer Hinsicht ab. Gemäss Austrittsbericht des Spitals
C.________ vom 26. Juli 2016, wo der Versicherte vom 19. bis 26. Juli 2016
stationär behandelt wurde, zeigten sich in den neurologischen und
neuropsychologischen Untersuchungen schwere Funktionseinschränkungen mit
Antriebsminderung, reduzierter Merkspanne und kognitiver sowie
psychomotorischer Verlangsamung, die gut mit einer FSME
(Frühsommer-Meningo-Enzephalitis nach Zeckenbiss) vereinbar waren. Laut dem von
der Vaudoise eingeholten, auf neurologischen und neuropsychologischen
Untersuchungen beruhenden Gutachten des Begutachtungszentrums E.________ vom
14. Februar 2018 litt der Explorand an einer organischen Persönlichkeitsstörung
nach Meningoenzephalitis (ICD-10 F07.0), differentialdiagnostisch an einem
postenzephalitischem Syndrom mit unspezifischen und uneinheitlichen
Verhaltensänderungen (ICD-10 F07.1). Die aktuellen Beschwerden seien
möglicherweise, aber nicht überwiegend wahrscheinlich auf einen Zeckenbiss im
Sommer 2016 zurückzuführen. Mit Verfügung vom 22. März 2018 eröffnete die
Vaudoise dem Versicherten, die gesundheitlichen Beeinträchtigungen stünden
nicht mit dem Beweisgrad der überwiegenden Wahrscheinlichkeit in einem kausalen
Zusammenhang mit dem im Sommer 2016 erlittenen Zeckenbiss, weshalb sie keine
Leistungen erbringen könne. Die hiegegen erhobene Einsprache wies sie ab
(Einspracheentscheid vom 22. Mai 2018).

B. 

Die hiegegen eingereichte Beschwerde wies das Versicherungsgericht des Kantons
Aargau mit Entscheid vom 30. Januar 2019 ab.

C. 

A.________ lässt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten führen
und beantragen, unter Aufhebung des vorinstanzlichen Entscheids seien als
unfallkausale Folgen des Zeckenbissereignisses die nach dem UVG geschuldeten
ordentlichen Leistungen (Taggeld, Rente, Integritätsentschädigung etc.) unter
ordentlicher Verzinsung der Nachzahlung ab Datum des Schadenereignisses durch
die Vaudoise zu erbringen.

Das Bundesgericht führt keinen Schriftenwechsel durch.

Erwägungen:

1.

1.1. Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann wegen
Rechtsverletzungen gemäss Art. 95 und 96 BGG erhoben werden. Das Bundesgericht
wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG), doch prüft es, unter
Berücksichtigung der allgemeinen Rüge- und Begründungspflicht (Art. 42 Abs. 1
und 2 BGG), nur die geltend gemachten Vorbringen, falls allfällige weitere
rechtliche Mängel nicht geradezu offensichtlich sind (BGE 138 I 274 E. 1.6 S.
280; vgl. auch BGE 141 V 234 E. 1 S. 236; 140 V 136 E. 1.1 S. 137 f.).

1.2. Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die
Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann deren
Sachverhaltsfeststellung nur berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich
unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht
(Art. 105 Abs. 2 BGG). Im Beschwerdeverfahren um die Zusprechung oder
Verweigerung von Geldleistungen der Militär- oder Unfallversicherung hingegen
ist das Bundesgericht nicht an die vorinstanzliche Feststellung des
rechtserheblichen Sachverhalts gebunden (Art. 97 Abs. 2 und Art. 105 Abs. 3
BGG).

1.3. Der Beschwerdeführer bringt den Bericht seines Hausarztes, Dr. med.
D.________ vom 25. April 2019 (mitsamt der Krankengeschichte) ins
bundesgerichtliche Verfahren ein. Gemäss Art. 99 Abs. 1 BGG dürfen neue
Tatsachen und Beweismittel nur so weit vorgebracht werden, als erst der
Entscheid der Vorinstanz dazu Anlass gibt. Der Beschwerdeführer begründet
nicht, und es ist auch nicht ersichtlich, weshalb er nicht schon im kantonalen
Gerichtsprozess Unterlagen des Hausarztes hätte auflegen können. Beim Bericht
des Dr. med. D._______ (mitsamt der Krankengeschichte) handelt es sich daher um
ein unzulässiges neues Beweismittel, welches das Bundesgericht bei der
Entscheidfindung nicht berücksichtigt.

2.

2.1. Streitig und zu prüfen ist, ob das kantonale Gericht zu Recht den
Einspracheentscheid vom 22. Mai 2018 bestätigt hat, wonach die geltend
gemachten gesundheitlichen Einschränkungen nicht mit dem Beweisgrad der
überwiegenden Wahrscheinlichkeit in einem kausalen Zusammenhang mit dem im Juli
2016 erlittenen Zeckenbiss standen.

2.2.

2.2.1. Das kantonale Gericht hat die rechtlichen Grundlagen betreffend den für
die Leistungspflicht des obligatorischen Unfallversicherers (Art. 6 UVG)
vorausgesetzten natürlichen Kausalzusammenhang zwischen dem Unfall und dem
Gesundheitsschaden (BGE 134 V 109 E. 2.1 S. 111 f., 129 V 177 E. 3.1 f. S. 181)
zutreffend dargestellt. Richtig sind auch die vorinstanzlichen Erwägungen zum
Beweiswert von ärztlichen Berichten und Gutachten sowie zum massgebenden
Beweisgrad der überwiegenden Wahrscheinlichkeit. Darauf wird verwiesen.

2.2.2. Zu wiederholen ist, dass nach der Rechtsprechung ein Zeckenbiss
sämtliche Merkmale des Unfallbegriffs gemäss Art. 4 ATSG erfüllt (vgl. BGE 122
V 230). Dabei ist nicht entscheidend, ob sich die versicherte Person an einen
Zeckenstich erinnern kann. Massgeblich ist, ob aufgrund der fachärztlichen
Stellungnahmen darauf geschlossen werden kann, dass im Zeitpunkt der
vorhandenen Versicherungsdeckung überwiegend wahrscheinlich von einem
Zeckenstich auszugehen ist, der die Gesundheitsschädigung bewirkt hat (Urteil
8C_924/2011 vom 7. März 2012 E. 3 mit Hinweis). Diese Voraussetzung ist
vorliegend unbestritten.

3.

3.1. Das kantonale Gericht hat nach Darstellung der medizinischen Unterlagen
erkannt, das bidisziplinäre Gutachten des Begutachtungszentrums E.________ vom
14. Februar 2018 erfülle in allen Teilen die Anforderungen an eine
beweiskräftige medizinische Stellungnahme. Was der Versicherte hiegegen
vorbringe, vermöge nicht zu überzeugen. Eine gesundheitliche Schädigung gelte
nach der gemäss Rechtsprechung beweisrechtlich unzulässigen Maxime "post hoc
ergo propter hoc" nicht schon dann durch einen Unfall verursacht, weil sie erst
danach aufgetreten sei. Insbesondere sei vorliegend nicht mit dem Beweisgrad
der überwiegenden Wahrscheinlichkeit dargetan, dass die - zweifellos
durchgemachte - FSME auf einen Zeckenbiss zurückzuführen sei, was die Gutachter
überzeugend aufgezeigt hätten. Zum Vorbringen des Versicherten, es sei
abzuklären, ob "mit neuester moderner Technologie" rückwirkend festgestellt
werden könne, dass die Arbeitsunfähigkeit wegen eines Zeckenbisses entstanden
sei, hielt die Vorinstanz fest, die fachkompetenten Sachverständigen des
Begutachtungszentrums E.________ hätten deutlich festgehalten, eine
Kontrolluntersuchung der im Spital C._______ durchgeführten Liquorpunktion sei
nicht nachzuholen, weil damit die Unfallkausalität nicht mehr nachgewiesen
werden könne. Daher sei in vorweggenommener Beweiswürdigung auf weitere
Abkärungen zu verzichten. Das kantonale Gericht gelangte zum Schluss, dass die
vom Versicherten durchgemachte FSME und die daraus entstandenen anhaltenden
gesundheitlichen Beeinträchtigungen lediglich möglicherweise in einem kausalen
Zusammenhang mit dem im Sommer 2016 erlittenen Zeckenbiss stünden, weshalb der
Versicherte keinen Anspruch auf Leistungen der obligatorischen
Unfallversicherung habe.

3.2. Was der Beschwerdeführer geltend macht, ist nicht stichhaltig. Er
übersieht zunächst, dass nicht in Abrede gestellt wird, er sei im Sommer 2016
von einer Zecke gebissen worden. Weiter ist nicht nachvollziehbar, weshalb das
kantonale Gericht nicht auf das Gutachten des Begutachtungszentrums E.________
vom 14. Februar 2018 hätte abstellen sollen. Entgegen der Auffassung des
Beschwerdeführers ist entscheidend, dass die Gutachter des
Begutachtungszentrums E.________ die im Spital C._______ diagnostizierte FSME
wegen der unmittelbar danach nicht weiter geprüften Blutwerte in keinen
überwiegend wahrscheinlichen kausalen Zusammenhang mit dem Zeckenstich mehr
bringen konnten. Das Vorbringen, die Vaudoise habe ihre Abklärungspflicht in
Bezug auf den strittigen Kausalzusammenhang verletzt, lässt sich auch deshalb
nicht nachvollziehen, weil der Beschwerdeführer sich erst am 28. März 2017,
mithin fast ein Jahr seit dem stationären Aufenthalt im Spital C.________ vom
19. bis 26. Juli 2016 bei der Unfallversicherung gemeldet hatte. Im Übrigen
bleibt anzumerken, dass das Spital C._______ die Unfallkausalität nicht
beurteilt, sondern in den Hauptdiagnosen darauf hingewiesen hatte, der Verlauf
des Krankheitsbildes sei "biphasisch", womit sich mithin entgegen den
Vorbringen des Beschwerdeführers kein eindeutiges Krankheitsbild erschliessen
liess. Die Beschwerde ist in allen Teilen mit Verweis auf den angefochtenen
Entscheid abzuweisen.

4. 

Dem Beschwerdeführer werden die Gerichtskosten als unterliegender Partei
auferlegt (Art. 66 Abs. 1 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 

Die Beschwerde wird abgewiesen.

2. 

Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

3. 

Dieses Urteil wird den Parteien, dem Versicherungsgericht des Kantons Aargau
und dem Bundesamt für Gesundheit schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 16. Mai 2019

Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung

des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Maillard

Der Gerichtsschreiber: Grunder