Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 8C.136/2019
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Bundesgericht

Tribunal fédéral

Tribunale federale

Tribunal federal

               

8C_136/2019

Urteil vom 2. Juli 2019

I. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung

Bundesrichterin Heine, präsidierendes Mitglied,

Bundesrichter Wirthlin, Bundesrichterin Viscione,

Gerichtsschreiberin Schüpfer.

Verfahrensbeteiligte

A.________,

vertreten durch Rechtsanwalt Willi Füchslin,

Beschwerdeführer,

gegen

IV-Stelle Glarus, Burgstrasse 6, 8750 Glarus,

Beschwerdegegnerin.

Gegenstand

Invalidenversicherung (Rente),

Beschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Glarus vom
24. Januar 2019 (VG.2018.00118).

Sachverhalt:

A.

A.a. Der 1966 geborene A.________ arbeitete als Vorarbeiter in einer Gärtnerei,
B.________ GmbH, als er sich am 14. Januar 2013 wegen Rückenbeschwerden bei der
Invalidenversicherung zum Leistungsbezug anmeldete. Die Sozialversicherungen
Glarus, IV-Stelle, wiesen mit Verfügung vom 22. Februar 2016 das
Leistungsbegehren ab. Das Verwaltungsgericht des Kantons Glarus hiess eine
dagegen erhobene Beschwerde teilweise gut und wies die Sache zu weiteren
Abklärungen an die IV-Stelle zurück (Entscheid vom 24. November 2016).

A.b. Das in der Folge in Auftrag gegebene polydisziplinäre Gutachten der
estimed AG, Medas Zug, datiert vom 8. Juni 2017. Demnach besteht in der
angestammten Tätigkeit keine Arbeitsfähigkeit mehr. In einer dem chronischen,
therapieresistenten neuropathischen Schmerzsyndrom L5 beidseits bei einem
angeborenen engen Spinalkanal angepassten Tätigkeit sei eine solche von 60 %
zumutbar. Die IV-Stelle sprach dem Versicherten mit Verfügung vom 9. Oktober
2018 ab 1. August 2013 eine Viertelsrente zu.

B. 

Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Verwaltungsgericht mit Entscheid vom
24. Januar 2019 ab.

C. 

A.________ lässt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten führen
und beantragen, in Aufhebung des kantonalen Entscheides sei ihm eine höhere
Invalidenrente zuzusprechen. Eventuell sei die Sache zu ergänzenden Abklärungen
und neuem Entscheid an die IV-Stelle oder die Vorinstanz zurückzuweisen.

Die IV-Stelle und das Verwaltungsgericht schliessen auf Abweisung der
Beschwerde. Das Bundesamt für Sozialversicherungen verzichtet auf eine
Stellungnahme.

Erwägungen:

1. 

Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann unter anderem
die Verletzung von Bundesrecht gerügt werden (Art. 95 lit. a BGG). Die
Feststellung des Sachverhalts kann nur gerügt werden, wenn sie offensichtlich
unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Artikel 95 beruht
und wenn die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend
sein kann (Art. 97 Abs. 1 BGG). Das Bundesgericht legt seinem Urteil den
Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1
BGG). Es kann die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz von Amtes wegen
berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer
Rechtsverletzung im Sinne von Artikel 95 beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG).

2. 

Streitgegenstand bildet die Frage, ob das kantonale Gericht die von der
IV-Stelle verfügte Viertelsrente zu Recht bestätigte oder ob ihm eine höherer
Rentenanspruch zusteht. Unbestritten ist dabei die dem Beschwerdeführer noch
zumutbare Arbeitsfähigkeit von 60 % in einer seinem Leiden angepassten
Tätigkeit. Der Beschwerdeführer rügt den Einkommensvergleich.

Das kantonale Gericht hat die rechtlichen Grundlagen betreffend die
Arbeitsunfähigkeit (Art. 6 ATSG), die Erwerbsunfähigkeit (Art. 7 ATSG), die
Invalidität (Art. 8 Abs. 1 ATSG), die Invaliditätsbemessung nach der
allgemeinen Methode des Einkommensvergleichs (vgl. Art. 16 ATSG) und den
Rentenanspruch (Art. 28 Abs. 2 IVG) richtig dargelegt. Darauf wird verwiesen.

3. 

Die Vorinstanz erwog, da die ehemalige Arbeitgeberin des Beschwerdeführers, die
B.________ GmbH, am 4. März 2014 ihren Firmennamen änderte und danach Konkurs
anmeldete, hätte das Angestelltenverhältnis auch ohne gesundheitliche
Beeinträchtigung nicht weitergeführt werden können. Deshalb sei für die
Ermittlung des Valideneinkommens auf statistische Werte (Durchschnittslohn
[Zentralwert] für Männer für einfache Tätigkeiten körperlicher oder
handwerklicher Art [Kompetenzniveau 1 der vom Bundesamt für Statistik
herausgegebenen Schweizerischen Lohnstrukturerhebung [LSE] 2012, Tabelle TA1,
Privater Sektor Schweiz]) abzustellen. Dieses sei auf Fr. 65'633.35 zu
beziffern. Auch für die Bemessung des Invalideneinkommens stützte sie sich auf
dieselbe Tabelle. Die IV-Stelle habe davon zu Recht keinen Abzug vorgenommen.
Damit betrage das Invalideneinkommen 60 % des Valideneinkommens. Bei einem
Invaliditätsgrad von 40 % habe der Versicherte Anspruch auf eine Viertelsrente.

4. 

4.1. Der Beschwerdeführer bringt zunächst vor, die B.________ GmbH sei im Jahre
2013 verkauft worden, weshalb in der Folge ein Firmenwechsel stattgefunden
habe. Erst danach sei über die Gesellschaft der Konkurs eröffnet worden. Sein
Bruder - ehemaliger Inhaber der Gebrüder B.________ GmbH - habe aber wiederum
eine eigene Gesellschaft gegründet (C.________ GmbH). In dieser hätte der
Versicherte im Gesundheitsfall weiterhin als Vorarbeiter tätig sein und auch
dasselbe Einkommen erzielen können wie vor der gesundheitsbedingten Aufgabe
seiner Tätigkeit. Im Jahre 2012 hätte er konkret Fr. 75'663.- verdient, womit
unter Berücksichtigung einer Lohnentwicklung für 2013 von einem
Valideneinkommen von mindestens Fr. 76'193.- auszugehen sei. Selbst wenn dieses
mit Hilfe der LSE ermittelt würde, sei auf das Kompetenzniveau 2 oder 3
abzustellen.

4.1.1. Bei der Ermittlung des Valideneinkommens entscheidend ist, was die
versicherte Person im Zeitpunkt des frühestmöglichen Rentenbeginns aufgrund
ihrer beruflichen Fähigkeiten und ihrer persönlichen Umstände nach dem
Beweisgrad der überwiegenden Wahrscheinlichkeit ohne Gesundheitsschaden
tatsächlich verdient hätte. Die Einkommensermittlung hat so konkret wie möglich
zu erfolgen. Da nach empirischer Erfahrung in der Regel ohne gesundheitliche
Beeinträchtigung die bisherige Tätigkeit weitergeführt worden wäre, ist
Anknüpfungspunkt für die Bestimmung des Valideneinkommens grundsätzlich der
letzte vor Eintritt der Gesundheitsschädigung erzielte, nötigenfalls der
Teuerung und der realen Einkommensentwicklung angepasste Verdienst (BGE 134 V
322 E. 4.1 S. 325). Ausnahmen müssen mit überwiegender Wahrscheinlichkeit
erstellt sein (BGE 139 V 28 E. 3.3.2 S. 30 mit Hinweisen).

4.1.2. Weder in seiner Stellungnahme zum Vorbescheid vom 5. Juli 2018, noch in
der kantonalen Beschwerde hatte der Beschwerdeführer vorgebracht, er wäre als
Gesunder im Zeitpunkt des Rentenbeginns, das heisst im August 2013, als
Vorarbeiter bei der C.________ GmbH tätig gewesen. Bei diesem Vorbringen
handelt es sich daher um ein Novum, welches letztinstanzlich unbeachtlich ist
(Art. 99 Abs. 1 BGG). Er legt nicht dar, dass erst der vorinstanzliche
Entscheid Anlass für seine Sachverhaltsdarstellung geboten habe. Darüber hinaus
liegen auch keine Belege dafür vor, dass die C.________ GmbH im relevanten
Zeitpunkt bereits gegründet worden war. Bei dieser Sachlage kann demnach nicht
von einer Verletzung des Untersuchungsgrundsatzes oder der
Beweiswürdigungsregeln gesprochen werden, hatten doch weder die IV-Stelle noch
das kantonale Gericht eine Veranlassung, entsprechende Abklärungen vorzunehmen.

4.1.3. Damit hat sich das kantonale Gericht für die Ermittlung des
Valideneinkommens zu Recht auf die Tabellenlöhne der LSE gestützt. Umstritten
ist dabei, welches Kompetenzniveau zur Anwendung kommt. Die Verwaltung sowie
das kantonale Gericht haben auf das Kompetenzniveau 1 (einfache Tätigkeiten
körperlicher oder handwerklicher Art) abgestellt. Das dabei ermittelte
Valideneinkommen von Fr. 65'633.35 für das Jahr 2013 liegt um Fr. 9'605.- unter
jenem, welches der Beschwerdeführer gemäss IK-Auszug im Jahre 2011 und damit im
letzten ganzen Jahr, in welchem er gearbeitet hatte, verdiente (Fr. 75'238.-).
Im angefochtenen Entscheid wird nicht begründet, weshalb sich der Versicherte -
auch bei einem neuen Arbeitgeber - mit einem rund 12 % geringeren Lohn hätte
begnügen sollen. Ebensowenig ist dem Beschwerdeführer zu folgen, der für sich
Kompetenzniveau 3 (komplexe praktische Tätigkeiten, welche ein grosses Wissen
in einem Spezialgebiet voraussetzen) geltend macht. Das insbesondere darum,
weil er keine abgeschlossene Ausbildung und schon gar keinen
Weiterbildungsabschluss als Landschaftsgärtner vorweisen kann. Seine Kenntnisse
hat er bei der jahrelangen Arbeit erlangt. Dies ist jedoch nicht mit dem auf
diesem Niveau geforderten grossen Wissen im Spezialgebiet zu vergleichen.
Entsprechend hatte er auch als Gesunder nie im Bereich des geltend gemachten
Valideneinkommens von Fr. 90'318.- verdient. Der Beschwerdeführer arbeitete
seit seiner Einreise in die Schweiz im Gartenbau seit 2001 als Vorarbeiter bei
der B.________ GmbH. Es ist daher aufgrund seiner Erfahrung auf Kompetenzniveau
2 abzustellen und das Valideneinkommen auf Fr. 73'993.- (Fr. 5'874.- x 12 : 40
x 41.7 x 1.007 [Lohnentwicklung für 2013]) zu beziffern.

4.2. Umstritten ist weiter die Höhe des Invalideneinkommens. Dies gilt indessen
einzig hinsichtlich der Frage, ob ein leidensbedingter Abzug vom Tabellenlohn
zu gewähren ist, was die Vorinstanz - in Bestätigung der Verfügung vom 9.
Oktober 2018 - verneint hat.

4.2.1. Auch für die Festsetzung des Invalideneinkommens können nach der
Rechtsprechung unter anderem Tabellenlöhne gemäss LSE herangezogen werden (BGE
129 V 472 E. 4.2.1 S. 475 mit Hinweisen). Kann eine versicherte Person ihre
gesundheitsbedingt eingeschränkte Arbeitsfähigkeit auf dem allgemeinen
Arbeitsmarkt mutmasslich nur mit unterdurchschnittlichem erwerblichen Erfolg
verwerten, so ist von den Tabellenlöhnen gegebenenfalls ein Abzug vorzunehmen.
Ob und in welchem Ausmass Tabellenlöhne herabzusetzen sind, hängt von
sämtlichen persönlichen und beruflichen Umständen des konkreten Einzelfalles
ab, die nach pflichtgemässem Ermessen gesamthaft zu schätzen sind. Relevante
Merkmale sind leidensbedingte Einschränkung, Alter, Dienstjahre, Nationalität/
Aufenthaltskategorie und Beschäftigungsgrad (BGE 129 V 472 E. 4.2.3 S. 481; 126
V 75 E. 5b/aa-bb S. 79 f.).

Ob ein (behinderungsbedingt oder anderweitig begründeter) Abzug vom
Tabellenlohn vorzunehmen ist, stellt eine vom Bundesgericht frei überprüfbare
Rechtsfrage dar (BGE 137 V 71 E. 5.1 S. 72 f. mit Hinweis).

4.2.2. Der Beschwerdeführer bringt diesbezüglich vor, gemäss einem mit
Beschwerde vom 5. November 2018 eingereichten, aber weder in den Akten der
IV-Stelle noch in den vorinstanzlichen Akten befindlichen Bericht eines Dr.
med. D.________ vom 17. März 2016 sei ihm lediglich noch Heimarbeit zumutbar,
da die Möglichkeit bestehen müsse, barfuss tätig zu sein und häufig die
Fussposition zu wechseln. Dieser Umstand sei mit einem Abzug zu
berücksichtigen. Da die Gutachter der estimed AG in der Expertise 8. Juni 2017,
auf welche unwidersprochen abzustellen ist, keine entsprechenden Anforderungen
an einen zumutbaren Arbeitsplatz stellen, ist auf dieses Vorbringen nicht
weiter einzugehen. Das Tätigkeitsprofil gemäss Gutachten besteht in einer
wechselbelastenden Arbeit mit der Möglichkeit, Pausen einzulegen. Um dies zu
gewährleisten, wurde die Arbeitsfähigkeit um 40 % reduziert. Gesundheitliche
Einschränkungen, welche bereits bei der Beurteilung des medizinische
Zumutbarkeitsprofils berücksichtigt wurden, können nicht zusätzlich beim
Entscheid, ob ein Abzug gerechtfertigt sei, berücksichtigt werden. Bezüglich
der leidensbedingten Einschränkungen besteht daher kein Raum für einen
zusätzlichen Abzug. Dasselbe gilt hinsichtlich des Vorbringens, einfache
repetitive Tätigkeiten, wie sie ihm noch zumutbar seien, würden heute
weitgehend automatisiert oder computergesteuert ausgeführt. Dafür fehlten ihm
als ausschliesslich im Gartenbau tätig gewesener Versicherter aber die
Kenntnisse und Fähigkeiten. Die Vorinstanz hat bereits ausgeführt, dass auf dem
ausgeglichenen Arbeitsmarkt ein genügend breites Spektrum an zumutbaren
Verweisungstätigkeiten gegeben sei, bei denen keine besonderen Qualifikationen
oder Berufserfahrungen vorausgesetzt würden. Der Versicherte vermag nicht
aufzuzeigen, inwiefern diese vorinstanzliche Begründung bundesrechtswidrig sein
soll. Damit ist nicht zu beanstanden, dass das kantonale Gericht das
Invalideneinkommen ohne Abzug vom Tabellenlohn ermittelte und dieses mit Fr.
39'380.- beziffert.

4.3. Zusammenfassend stehen sich ein Valideneinkommen von Fr. 73'993.- und ein
Invalideneinkommen von Fr. 39'389.- gegenüber was zu einem Invaliditätsgrad von
46.78% führt. Damit hat es bei der verfügten Viertelsrente sein Bewenden. Die
Beschwerde ist abzuweisen.

5. 

Das Verfahren ist kostenpflichtig (Art. 65 BGG). Die Gerichtskosten werden dem
unterliegenden Beschwerdeführer auferlegt (Art. 66 Abs. 1 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 

Die Beschwerde wird abgewiesen.

2. 

Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

3. 

Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Glarus, I.
Kammer, und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 2. Juli 2019

Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung

des Schweizerischen Bundesgerichts

Das präsidierende Mitglied: Heine

Die Gerichtsschreiberin: Schüpfer