Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Strafrechtliche Abteilung, Beschwerde in Strafsachen 6B.96/2019
Zurück zum Index Strafrechtliche Abteilung, Beschwerde in Strafsachen 2019
Retour à l'indice Strafrechtliche Abteilung, Beschwerde in Strafsachen 2019


Hauptinhalt
 

Navigation

Neue Suche

ähnliche Leitentscheide suchen
ähnliche Urteile ab 2000 suchen

Bundesgericht

Tribunal fédéral

Tribunale federale

Tribunal federal

               

6B_96/2019

Urteil vom 7. Juni 2019

Strafrechtliche Abteilung

Besetzung

Bundesrichter Denys, Präsident,

Bundesrichter Oberholzer,

Bundesrichterin Jametti,

Gerichtsschreiberin Pasquini.

Verfahrensbeteiligte

1. A.________

2. B.________,

3. C.________,

alle drei vertreten durch Rechtsanwalt Rolf W. Rempfler,

Beschwerdeführer,

gegen

Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Aargau,

Beschwerdegegnerin.

Gegenstand

Einstellungsverfügung (üble Nachrede),

Beschwerde gegen den Entscheid des Obergerichts des Kantons Aargau,
Beschwerdekammer in Strafsachen, vom 4. Dezember 2018 (SBK.2018.165 / va).

Sachverhalt:

A.

Am 27. Juli 2017 erstatteten A.________, B.________ und C.________ Strafanzeige
gegen X.________ wegen übler Nachrede. X.________ habe zwei von Y.________
verfasste Facebook-Beiträge vom 17. und 23. Juli 2017 mit "gefällt mir"
markiert bzw. "geteilt".

Die Staatsanwaltschaft Muri-Bremgarten erliess am 17. Januar 2018 einen
Strafbefehl gegen X.________ wegen übler Nachrede und verurteilte sie zu einer
bedingt vollziehbaren Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu Fr. 130.-- und zu einer
Busse von Fr. 600.--. Die Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Aargau erhob
Einsprache und stellte den Antrag, das Verfahren sei vorläufig zu sistieren, da
die Bundesanwaltschaft in derselben Frage eine Strafuntersuchung gegen eine
andere beschuldigte Person, Y.________, führe.

B.

Die Staatsanwaltschaft Muri-Bremgarten stellte das Verfahren gegen X.________
mit Verfügung vom 11. Juni 2018 ein.

Das Obergericht des Kantons Aargau wies die Beschwerde von A.________,
B.________ und C.________ gegen die Einstellungsverfügung mit Entscheid vom 4.
Dezember 2018 ab.

C.

A.________, B.________ und C.________ beantragen mit Beschwerde in Strafsachen,
der Entscheid des Obergerichts sei aufzuheben und das Verfahren an die
Staatsanwaltschaft Muri-Bremgarten zur Anklageerhebung zurückzuweisen.
Eventualiter sei der Entscheid aufzuheben und das Verfahren an die Vorinstanz
zwecks Aufhebung der Einstellungsverfügung der Staatsanwaltschaft
Muri-Bremgarten zurückzuweisen.

Erwägungen:

1.

1.1. Die Privatklägerschaft ist zur Beschwerde in Strafsachen nur berechtigt,
wenn der angefochtene Entscheid sich auf die Beurteilung ihrer Zivilansprüche
auswirken kann (Art. 81 Abs. 1 lit. b Ziff. 5 BGG). Bei den Zivilansprüchen im
Sinne dieser Bestimmung geht es in erster Linie um Ansprüche auf Schadenersatz
und Genugtuung gemäss Art. 41 ff. OR, die üblicherweise vor den Zivilgerichten
geltend gemacht werden müssen. Die Privatklägerschaft muss im Verfahren vor
Bundesgericht darlegen, aus welchen Gründen sich der angefochtene Entscheid
inwiefern auf welche Zivilforderung auswirken kann. Das Bundesgericht stellt an
die Begründung der Legitimation strenge Anforderungen. Genügt die Beschwerde
diesen nicht, kann darauf nur eingetreten werden, wenn aufgrund der Natur der
untersuchten Straftat ohne Weiteres ersichtlich ist, um welche Zivilforderung
es geht (BGE 141 IV 1 E. 1.1 S. 4 f. mit Hinweisen).

1.2. Die Beschwerdeführer machen geltend, sie seien als Privatkläger zur
Beschwerde legitimiert. Sie hätten ein schützenswertes Interesse daran, dass
die Verletzung ihrer Ehre festgestellt und angemessen bestraft werde. Indes
lässt sich damit keine Legitimation im Sinne von Art. 81 Abs. 1 lit. b Ziff. 5
BGG begründen. Vielmehr ist erforderlich, dass sich der angefochtene Entscheid
auch auf die Beurteilung der im Strafverfahren adhäsionsweise geltend gemachten
bzw. noch geltend zu machenden Zivilforderung (en) auswirken kann. Dies legen
die Beschwerdeführer nicht dar. Sie führen in ihrer Beschwerde nicht aus, sie
hätten einen finanziellen Schaden erlitten. Sie weisen lediglich darauf hin,
sie hätten in der Strafanzeige eine Genugtuung im Umfang von Fr. 1'000.--
geltend gemacht. Sie verkennen aber, dass Genugtuungsforderungen aus
Persönlichkeitsverletzung nur bestehen, sofern die Schwere der Verletzung es
rechtfertigt (vgl. Art. 49 Abs. 1 OR). Der Eingriff muss aussergewöhnlich
schwer sein und in seinen Auswirkungen das Mass einer Aufregung oder einer
alltäglichen Sorge klar übersteigen (siehe z.B. Urteile 6B_798/2018 vom 14.
November 2018 E. 4; 6B_555/2017 vom 29. September 2017 E. 3.2; je mit
Hinweisen). Dies zeigen die Beschwerdeführer nicht auf und ist angesichts des
zur Anzeige gebrachten Sachverhalts auch nicht ersichtlich. In der Sache sind
sie somit nicht zur Beschwerde in Strafsachen legitimiert.

2.

Die Privatklägerschaft kann mit Beschwerde in Strafsachen ungeachtet der
Legitimation in der Sache im Sinne von Art. 81 Abs. 1 lit. b Ziff. 5 BGG eine
Verletzung ihrer Parteirechte rügen, die ihr nach dem Verfahrensrecht, der
Bundesverfassung oder der EMRK zustehen und deren Missachtung auf eine formelle
Rechtsverweigerung hinausläuft. Zulässig sind Rügen, die formeller Natur sind
und von der Prüfung der Sache getrennt werden können. Das nach Art. 81 Abs. 1
lit. b BGG erforderliche rechtlich geschützte Interesse ergibt sich diesfalls
aus der Berechtigung, am Verfahren teilzunehmen (BGE 141 IV 1 E. 1.1 S. 5; 138
IV 78 E. 1.3 S. 79 f.; 136 IV 29 E. 1.9 S. 40).

2.1. Die Beschwerdeführer machen geltend, da der Europäische Gerichtshof für
Menschenrechte (EGMR) Ehrverletzungsverfahren in autonomer Auslegung als
zivilrechtliche Streitigkeiten qualifiziere, müsse die Beschwerdelegitimation
für die effektive Wahrnehmung der aus Art. 8 EMRK folgenden Rechte
gewährleistet sein (Beschwerde S. 3 Ziff. 4).

Den Beschwerdeführern kann nicht gefolgt werden. Das bundesgerichtliche
Beschwerdeverfahren und damit auch die Frage der Legitimation zur Beschwerde in
Strafsachen richtet sich nach den Vorschriften des BGG und der diesbezüglichen
Rechtsprechung. Entgegen der Argumentation der Beschwerdeführer vermittelt Art.
8 EMRK im bundesgerichtlichen Beschwerdeverfahren keine darüber hinausgehende
Legitimation zur Erhebung von Rügen materieller Natur. Bei der von den
Beschwerdeführern geltend gemachten Verletzung ihres Rechts auf Achtung des
Privat- und Familienlebens nach Art. 8 EMRK handelt es sich nicht um eine Rüge
formeller Natur (vgl. Beschwerde S. 3 Ziff. 4 mit Hinweis auf Lehre und
Rechtsprechung), die von der Prüfung der Sache getrennt untersucht werden kann.

Soweit ein verfassungsmässiger Anspruch auf Ausfällung der im Gesetz
vorgesehenen Strafen besteht, kann sich der Privatkläger, der Opfer eines
staatlichen Übergriffs geworden ist, nicht nur in verfahrensrechtlicher
Hinsicht, sondern auch in der Sache selbst gegen eine Verfahrenseinstellung zur
Wehr setzen. Die Rechtsprechung anerkennt gestützt auf Art. 10 Abs. 3 BV, Art.
3 und Art. 13 EMRK, Art. 7 UNO-Pakt II sowie Art. 13 des UN-Übereinkommens
gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung
oder Strafe einen Anspruch des Betroffenen auf wirksamen Rechtsschutz (BGE 141
IV 349 E. 3.4.2 S. 356 f.). Dies ist vorliegend nicht der Fall.

2.2. Die Beschwerdeführer rügen, die Vorinstanz verletze ihren Anspruch auf
rechtliches Gehör. Sie begründe mit keinem Wort, weshalb sie die Erwägungen des
Bundesstrafgerichts als schlüssig erachte und sich deshalb darauf stütze
(Beschwerde S. 8 Ziff. 7).

Die Vorinstanz erwägt, im Beschwerdeverfahren betreffend die Nichtanhandnahme
des Verfahrens gegen Y.________ habe das Bundesstrafgericht festgehalten, dass
die beiden Facebook-Beiträge vom 17. und 23. Juli 2017 nicht ehrenrührig seien
und damit kein strafrechtlich relevanter Charakter hätten. Entgegen der Ansicht
der Beschwerdeführer habe das Bundesstrafgericht die erhobenen Vorwürfe
detailliert geprüft. Den entsprechenden Ausführungen, dass die
Facebook-Beiträge keinen ehrverletzenden Inhalt aufweisen würden, sei nichts
hinzuzufügen. Mangels Ehrenrührigkeit des Inhalts der beiden Beiträge erfülle
auch das Markieren der Beiträge mit "gefällt mir" bzw. das "Teilen" derselben
offensichtlich keinen Ehrverletzungstatbestand (Entscheid S. 4 E. 3). Mit ihrem
Vorgehen verletzt die Vorinstanz weder die Begründungspflicht noch den Anspruch
auf rechtliches Gehör der Beschwerdeführer (Art. 82 Abs. 4 StPO; BGE 141 IV 244
E. 1.2.3 S. 246).

3.

Die Beschwerde ist abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist. Die
Gerichtskosten sind den Beschwerdeführern gemeinsam zu gleichen Teilen
aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG).

 Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.

Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.

2.

Die Gerichtskosten von Fr. 3'000.-- werden den Beschwerdeführern unter
solidarischer Haftung zu gleichen Teilen auferlegt.

3.

Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Aargau,
Beschwerdekammer in Strafsachen, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 7. Juni 2019

Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung

des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Denys

Die Gerichtsschreiberin: Pasquini