Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Strafrechtliche Abteilung, Beschwerde in Strafsachen 6B.92/2019
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Bundesgericht

Tribunal fédéral

Tribunale federale

Tribunal federal

               

6B_92/2019

Urteil vom 21. März 2019

Strafrechtliche Abteilung

Besetzung

Bundesrichter Denys, Präsident,

Bundesrichterin Jacquemoud-Rossari,

Bundesrichterin Jametti,

Gerichtsschreiberin Arquint Hill.

Verfahrensbeteiligte

A.________,

vertreten durch Rechtsanwalt Mathias Ammann,

Beschwerdeführer,

gegen

1. X.________,

vertreten durch Rechtsanwalt Peter Bettoni,

2. Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Luzern, Postfach 3439, 6002 Luzern,

Beschwerdegegner.

Gegenstand

Fahrlässige schwere Körperverletzung; Willkür; Nichteintreten,

Beschwerde gegen das Urteil des Kantonsgerichts Luzern, 2. Abteilung, vom 11.
Juli 2018 (4M 17 56).

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1. 

Dem Beschwerdegegner 1 wird vorgeworfen, den Beschwerdeführer während eines
Erstabsprungs mit dem Fallschirm ungenügend überwacht und mittels Funk
angeleitet zu haben. Bei pflichtgemässer Überwachung und Betreuung hätte ein
"missverständliches" Abwerfen des Hauptschirms mit Absturz und
Verletzungsfolgen verhindert werden können.

Die Staatsanwaltschaft erliess am 15. November 2016 einen Strafbefehl, wogegen
der Beschwerdegegner 1 Einsprache erhob.

Das Bezirksgericht Willisau sprach den Beschwerdegegner 1 am 12. April 2017 vom
Vorwurf der fahrlässigen schweren Körperverletzung frei (Dispositivziffer 1)
und verwies die Zivilforderungen des Beschwerdeführers auf den Zivilweg
(Dispositivziffer 2).

Auf Berufung der Staatsanwaltschaft und des Beschwerdeführers hin stellte das
Kantonsgericht Luzern am 11. Juli 2018 die Rechtskraft von Dispositivziffer 2
des bezirksgerichtlichen Urteils fest und sprach den Beschwerdegegner 1 vom
Vorwurf der fahrlässigen schweren Körperverletzung frei.

2. 

Mit Strafrechtsbeschwerde beantragt der Beschwerdeführer, das Urteil vom 11.
Juli 2018 betreffend Freispruch sei aufzuheben und der Beschwerdegegner sei der
fahrlässigen schweren Körperverletzung schuldig zu sprechen und angemessen zu
bestrafen. Eventualiter sei das Urteil aufzuheben und die Sache zur Ergänzung
des Beweisverfahrens und zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen.

3. 

Die Privatklägerschaft ist zur Beschwerde in Strafsachen nur berechtigt, wenn
der angefochtene Entscheid sich auf die Beurteilung ihrer Zivilansprüche
auswirken kann (Art. 81 Abs. 1 lit. b Ziff. 5 BGG). Bei den Zivilansprüchen im
Sinne von Art. 81 Abs. 1 lit. b Ziff. 5 BGG geht es in erster Linie um
Ansprüche auf Schadenersatz und Genugtuung gemäss Art. 41 ff. OR, die
üblicherweise vor den Zivilgerichten geltend gemacht werden müssen (BGE 141 IV
1 E. 1.1 S. 4). Das Strafverfahren darf nicht als Vehikel zur Durchsetzung
allfälliger zivilrechtlicher Ansprüche auf dem Zivilweg verwendet werden (BGE
137 IV 246 E. 1.3.1 S. 247 f.; Urteil 6B_1270/2017 vom 24. April 2018 E. 2.5.3
mit Hinweis). Die zu Art. 81 Abs. 1 lit. b Ziff. 5 BGG ergangene Rechtsprechung
verlangt daher, dass sich der angefochtene Entscheid auf die Beurteilung der im
Strafverfahren adhäsionsweise geltend gemachten bzw. noch geltend zu machenden
Zivilforderungen auswirken kann (vgl. Urteile 6B_996/2018 vom 31. Oktober 2018
E. 3.1; 6B_619/2017 vom 14. November 2017 E. 6; je mit Hinweisen). Dies ist
nicht der Fall, wenn das Strafverfahren im Zivilpunkt bereits erledigt ist,
weil die Zivilforderungen z.B. rechtskräftig auf den Zivilweg verwiesen wurden
(Urteile 6B_595/2018 vom 28. November 2018 E. 3 und 4; 6B_1270/2017 vom 24.
April 2018 E. 2.5.3; 6B_467/2014 vom 6. Oktober 2014 E. 4).

4. 

Der Beschwerdeführer hat sich im Strafverfahren gegen den Beschwerdegegner 1
als Straf- und Zivilkläger beteiligt und vor dem Bezirksgericht beantragt, den
Beschwerdegegner 1 der fahrlässigen Körperverletzung schuldig zu sprechen und
angemessen zu bestrafen. Er wies zudem darauf hin, dass er sich beim Unfall
schwere Hirn- und Rückenverletzungen zugezogen habe. Da der Heilungsprozess und
auch die Sozialversicherungsverfahren noch nicht abgeschlossen seien, sei eine
Bezifferung des Schadens noch nicht möglich. Er beantragte daher, die
Zivilansprüche seien im Grundsatz anzuerkennen, in Bezug auf Umfang und Höhe
aber auf den Zivilweg zu verweisen.

Das Bezirksgericht sprach den Beschwerdegegner 1 vom Vorwurf der fahrlässigen
schweren Körperverletzung frei und verwies die Zivilforderungen des
Beschwerdeführers auf den Zivilweg (Urteil des Bezirksgerichts, S. 23 f. und S.
25).

Da das Urteil des Bezirksgerichts in diesem Punkt (Verweisung der
Zivilforderungen auf den Zivilweg) von keiner Partei angefochten wurde, erwuchs
es insoweit am Urteilsdatum vom 12. April 2017 in Rechtskraft, was das
Kantonsgericht im Urteil vom 11. Juli 2018 feststellte. Auf den Antrag des
Beschwerdeführers vom 10. Juli 2018 auf Zusprechung einer vom Gericht zu
beziffernden Genugtuung trat es entsprechend nicht ein (angefochtenes Urteil,
S. 5 und S. 36). Eine Gutheissung der Beschwerde durch das Bundesgericht hätte
folglich keine Auswirkungen auf die vom Beschwerdeführer geltend gemachten
Zivilansprüche. In der Strafrechtsbeschwerde macht der Beschwerdeführer nicht
geltend, das Kantonsgericht habe die Rechtskraft des bezirksgerichtlichen
Urteils im Zivilpunkt zu Unrecht festgestellt bzw. sei auf seinen Antrag auf
Zusprechung einer Genugtuung zu Unrecht nicht eingetreten. Er behauptet zu
Recht auch nicht, ein Schuldspruch könne sich auf die Beurteilung seiner im
Strafverfahren adhäsionsweise geltend gemachten Zivilforderungen auswirken. Er
argumentiert lediglich, er werde seine auf den Zivilweg verwiesene
Zivilforderung nach Abschluss des Strafverfahrens geltend machen und der
Entscheid wirke sich deshalb auf diese Zivilforderung aus; denn es sei davon
auszugehen, dass die im Strafverfahren gemachten Sachverhaltsfeststellungen und
der Freispruch bzw. die Verurteilung des Beschwerdegegners 1 im Zivilverfahren
berücksichtigt würden (Beschwerde S. 2 ff., insbesondere 4 f.). Dies genügt
nach ständiger Rechtsprechung für die Begründung der Beschwerdelegitimation im
Sinne von Art. 81 Abs. 1 lit. b Ziff. 5 BGG jedoch nicht. Ob und inwieweit sich
ein rechtskräftiges Strafurteil auf die Zivilforderungen auswirken kann,
beurteilt sich nach Art. 53 OR und ist - was der Beschwerdeführer verkennt -
für die Rechtsmittellegitimation nach Art. 81 BGG nicht relevant (vgl. Urteil
6B_1200/2018 vom 12. Februar 2019 E. 1). Das Strafverfahren darf nicht nur als
Vehikel zur Durchsetzung allfälliger zivilrechtlicher Ansprüche auf dem
Zivilweg verwendet werden (BGE 137 IV 246 E. 1.3.1 S. 248; Urteile 6B_1270/2017
vom 24. April 2018 E. 2.5.3 und 6B_555/2017 vom 29. September 2017 E. 3.4). Der
Beschwerdeführer ist in der Sache nicht zur Beschwerde in Strafsachen
legitimiert.

5. 

Unbesehen der fehlenden Legitimation in der Sache könnte er vor Bundesgericht
rügen, im kantonalen Verfahren in seinen Parteirechten verletzt worden zu sein.
Allerdings kann auf diesem Weg keine indirekte Überprüfung des Entscheids in
der Sache erlangt werden. Ein in der Sache nicht legitimierter Beschwerdeführer
kann deshalb weder die Beweiswürdigung kritisieren noch kann er geltend machen,
die Begründung sei materiell unzutreffend, unvollständig oder zu wenig
differenziert ausgefallen oder habe sich nicht mit sämtlichen von der Partei
vorgetragenen Argumenten auseinandergesetzt. Ebenso wenig ist der Vorwurf zu
hören, Beweisanträge seien wegen willkürlicher antizipierter Beweiswürdigung
abgelehnt worden. Er kann aber rügen, auf ein Rechtsmittel sei zu Unrecht nicht
eingetreten worden, er sei nicht angehört worden, habe keine Gelegenheit zur
Stellung von Beweisanträgen erhalten oder keine Einsicht in die Akten nehmen
können (sog. "Star-Praxis"; BGE 141 IV 1 E. 1.1 mit Hinweisen).

Der Beschwerdeführer führt aus, er habe mit Berufungserklärung vom 2. August
2017 die Befragung des amtlichen Gutachters zum Privatgutachten und -
eventualiter - die Einholung eines Obergutachtens beantragt. Das Kantonsgericht
habe dies jedoch abgelehnt, wodurch es seinen Anspruch auf rechtliches Gehör
verletzt habe. Durch die Verweigerung seiner Beweisanträge sei insbesondere die
Frage nach der Notlage und der damit zusammenhängenden
Sorgfaltspflichtsverletzung aufgrund unterlassener Unterstützung und
Beobachtung seitens des Beschwerdegegners 1 ungenügend abgeklärt geblieben
(Beschwerde, S. 8 ff.).

Indessen erhebt der Beschwerdeführer damit keine formelle Rüge, deren
Beurteilung von der Sache selbst getrennt werden könnte. Sein Vorbringen zielt
vielmehr auf die materielle Überprüfung des angefochtenen Urteils ab, was
unzulässig ist.

6. 

Auf die Beschwerde ist im Verfahren nach Art. 109 BGG nicht einzutreten. Auf
die Erhebung von Gerichtskosten kann im vorliegenden Fall ausnahmsweise
verzichtet werden (Art. 66 Abs. 1 Satz 2 BGG). Dem Beschwerdegegner 1 ist keine
Entschädigung zuzusprechen, da ihm im bundesgerichtlichen Verfahren keine
Umtriebe entstanden sind.

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 

Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten.

2. 

Es werden keine Kosten erhoben.

3. 

Dieses Urteil wird den Parteien und dem Kantonsgericht Luzern, 2. Abteilung,
schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 21. März 2019

Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung

des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Denys

Die Gerichtsschreiberin: Arquint Hill