Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Strafrechtliche Abteilung, Beschwerde in Strafsachen 6B.897/2019
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Bundesgericht

Tribunal fédéral

Tribunale federale

Tribunal federal

               

6B_897/2019

Urteil vom 9. Januar 2020

Strafrechtliche Abteilung

Besetzung

Bundesrichter Denys, Präsident,

Bundesrichter Muschietti,

Bundesrichterin Koch,

Gerichtsschreiber Matt.

Verfahrensbeteiligte

A.________,

vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Maurin Schmidt,

Beschwerdeführer,

gegen

Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich,

Beschwerdegegnerin.

Gegenstand

Widerhandlung gegen das Waffengesetz etc.; Unverwertbarkeit von Beweismitteln,

Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich, I.
Strafkammer, vom 2. Mai 2019 (SB180457-O/U/cwo).

Sachverhalt:

A. 

Mit Strafbefehl vom 5. Februar 2018 verurteilte die Staatsanwaltschaft
Zürich-Sihl A.________ wegen unerlaubten Waffenbesitzes und Betreibens einer
Indoor-Hanf-Anlage mit 30 Pflanzen zum Eigenkonsum (Vergehen gegen das
Waffengesetz und Übertretung des Betäubungsmittelgesetzes) zu 30 Tagessätzen
Geldstrafe bedingt sowie zu Fr. 800.-- Busse. Auf Einsprache des Beschuldigten
hin erhöhte das Bezirksgericht Zürich am 26. Juni 2018 den Tagessatz der
bedingten Geldstrafe von Fr. 100.-- auf Fr. 120.--, reduzierte hingegen die
Busse auf Fr. 500.--, wobei es von einer mehrfachen Übertretung des
Betäubungsmittelgesetzes ausging. Die dagegen erhobene Berufung von A.________
wies das Obergericht des Kantons Zürich am 2. Mai 2019 ab.

B. 

Mit Beschwerde in Strafsachen beim Bundesgericht beantragt A.________, er sei
freizusprechen, eventualiter sei die Sache an das Obergericht zurückzuweisen.
Dieses sowie die Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich verzichten auf eine
Stellungnahme.

Erwägungen:

1. 

Der Beschwerdeführer rügt, die Verurteilungen basierten auf einer unzulässigen
Hausdurchsuchung, welche zur Aufklärung einer Serie zerstochener Autopneus,
aber ohne hinreichenden Tatverdacht gegen ihn durchgeführt worden sei. Die
anlässlich der Durchsuchung sichergestellten Waffen und Betäubungsmittel
dürften daher nicht verwertet werden.

1.1.

1.1.1. Gemäss Art. 197 Abs. 1 StPO können Zwangsmassnahmen (Art. 196-298 StPO)
nur ergriffen werden, wenn sie gesetzlich vorgesehen sind, ein hinreichender
Tatverdacht vorliegt, die damit angestrebten Ziele nicht durch mildere
Massnahmen erreicht werden können und die Bedeutung der Straftat die
Zwangsmassnahme rechtfertigt. Hinweise auf eine strafbare Handlung müssen
erheblich und konkreter Natur sein, um einen hinreichenden Tatverdacht
begründen zu können (vgl. BGE 141 IV 87 E. 1.3.1; 137 IV 122 E. 3.2; je mit
Hinweisen).

1.1.2. Nach Art. 244 Abs. 2 lit. b StPO dürfen Häuser, Wohnungen und andere
nicht allgemein zugängliche Räume ohne Einwilligung der berechtigten Person
durchsucht werden, wenn zu vermuten ist, dass in diesen Räumen u.a. Tatspuren
oder zu beschlagnahmende Gegenstände oder Vermögenswerte vorhanden sind.

Bei der Durchsuchung zufällig entdeckte Gegenstände, die mit der abzuklärenden
Straftat nicht in Zusammenhang stehen, aber auf eine andere Straftat hinweisen,
werden gemäss Art. 243 Abs. 1 StPO sichergestellt. Zufallsfunde können ohne
Einschränkungen Anlass zur Eröffnung eines neuen Strafverfahrens geben und in
diesem als Beweismittel verwendet werden, soweit die ursprüngliche Massnahme
rechtmässig war. War die Massnahme, die zum Zufallsfund führte, rechtswidrig,
dürfen die Ergebnisse nur unter den Einschränkungen von Art. 141 Abs. 4 i.V.m.
Art. 141 Abs. 2 StPO verwertet werden (Urteil 6B_24/25/26/27/28/2019 vom 3.
Oktober 2019 E. 2.3 mit Hinweisen).

1.1.3. Beweise, die Strafbehörden in strafbarer Weise oder unter Verletzung von
Gültigkeitsvorschriften erhoben haben, dürfen nicht verwertet werden, es sei
denn, ihre Verwertung sei zur Aufklärung schwerer Straftaten unerlässlich (Art.
141 Abs. 2 StPO). Beweise, bei deren Erhebung Ordnungsvorschriften verletzt
worden sind, sind verwertbar (Abs. 3). Ermöglichte ein Beweis, der nach Absatz
2 nicht verwertet werden darf, die Erhebung eines weiteren Beweises, so ist
dieser nicht verwertbar, wenn er ohne die vorhergehende Beweiserhebung nicht
möglich gewesen wäre (Abs. 4).

1.2. Es ist unbestritten, dass zwischen dem 8. Juli 2016 und dem 18. Dezember
2016 in den Kreisen 3 und 9 der Stadt Zürich eine Serie von Sachbeschädigungen
infolge zerstochener Autopneus stattfand. Ebenso unbestritten ist, dass der
Beschwerdeführer am 12. Oktober 2016 von einer in den genannten Quartieren
durchgeführten Polizeipatrouille angehalten und kontrolliert wurde, wobei er
ein - bereits damals als Tatwerkzeug nicht in Frage kommendes - Jagd- und
Fischermesser sowie ein sog. Multitoolgerät auf sich trug. Beides wurde ihm
nach der Kontrolle zurückgegeben. Die Vorinstanz kommt unter Verweis auf das
Erstgericht zum Schluss, die am 1. Juni 2017 seitens der Staatsanwaltschaft
angeordnete und am 4. Juli durchgeführte Hausdurchsuchung sei "aufgrund der
gesamten Umstände, mithin der Kontrollörtlichkeit, dem Signalement, dem
Verhalten des Beschuldigten vor der Polizeikontrolle und dem Messerfund,"
gerechtfertigt gewesen.

1.3.

1.3.1. Wie die Vorinstanz zutreffend erwägt, lag es unter den vorgenannten
Umständen nahe, den Täter der Sachbeschädigungen im Umfeld der davon
betroffenen Quartiere zu vermuten und anzunehmen, dass er am ehesten dort auf
frischer Tat ertappt werden könnte. Es ist denn auch unbestritten, dass die
tatort- und tatzeitnahe Anhaltung des Beschwerdeführers rechtens war. Dies gilt
ebenso für die Feststellung der Vorinstanz, wonach für die Rechtmässigkeit der
strittigen Hausdurchsuchung alle bis zu deren Anordnung vorliegenden
Ermittlungsergebnisse berücksichtigt werden durften. Die Vorinstanz nennt indes
keine solchen Erkenntnisse. Sie bezieht sich in ihren Erwägungen
ausschliesslich auf Umstände bzw. Gründe, die zur Anhaltung und Kontrolle des
Beschwerdeführers im Oktober 2016 führten. So macht sie geltend, gemäss der
einzig verfügbaren Zeugenaussage habe es sich beim Verdächtigen um einen Mann
auf einem Fahrrad gehandelt, wobei dessen - von derjenigen des
Beschwerdeführers abweichenden - Haarfarbe keine entscheidende Bedeutung
zukomme. Beträchtlich und letztlich entscheidend zum Nachteil des
Beschwerdeführers falle ferner ins Gewicht, dass er sich im Vorfeld seiner
Anhaltung durch die Polizei am 12. Oktober 2016 verdächtig benommen habe, indem
er bei deren Erblicken sein Fahrrad gewendet und mit erhöhtem Tempo zu fliehen
versucht habe. Dies mag zwar seine damalige Anhaltung legitimieren. Hingegen
leuchtet nicht ein, weshalb das möglicherweise verdächtige Verhalten des
Beschwerdeführers anlässlich einer Polizeikontrolle die Durchsuchung von dessen
Wohnung rund neun Monate später rechtfertigen soll. Daran ändert das Auffinden
zweier Messer, wovon eines als Tatwerkzeug zudem von vornherein ausschied (vgl.
oben E. 1.2), offensichtlich ebenso nichts wie die Tatsache, dass der
Beschwerdeführer bei seiner Anhaltung angegeben haben soll, er sei ein
Waffensammler. Gestützt darauf mag allenfalls nahe liegen, dass er über weitere
als die damals festgestellten Waffen verfügt. Es bringt ihn aber nicht konkret
mit den beanzeigten Sachbeschädigungen in Verbindung, was die Vorinstanz nicht
aufzeigt. Gleiches gilt für den Umstand, dass der Beschwerdeführer, seine
Mutter oder ein Kollege in einem von den Sachbeschädigungen betroffenen
Quartiere wohnen. Entgegen der von der Vorinstanz scheinbar vertretenen
Auffassung kann keine Rede davon sein, dass sich damit ein Tatverdacht gegen
den Beschwerdeführer verdichtet hätte. Vielmehr handelt es sich dabei um
allgemeine Tatsachen, blosse Vermutungen und einen Generalverdacht. Solches
genügt zur Begründung einer Hausdurchsuchung, wobei es sich um einen
erheblichen Eingriff in die persönliche Freiheit des Betroffenen handelt,
klarerweise nicht.

1.3.2. Nach dem Gesagten wird die Vorinstanz zu prüfen haben, ob die anlässlich
der unrechtmässigen Hausdurchsuchung vorgefundenen Beweise ausnahmsweise nach
Art. 141 Abs. 2 StPO zum Nachteil des Beschwerdeführers verwertbar sind (oben
E. 1.1.3).

2. 

Die Beschwerde ist gutzuheissen. Ausgangsgemäss sind keine Kosten zu erheben
und hat der Beschwerdeführer zulasten des Kantons Zürich Anspruch auf eine
angemessene Parteientschädigung (Art. 66 Abs. 1 und 4, Art. 68 Abs. 1 und 2
BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 

Die Beschwerde wird gutgeheissen. Das Urteil des Obergerichts des Kantons
Zürich vom 2. Mai 2019 wird aufgehoben und die Sache wird zu neuer Entscheidung
an dieses zurückgewiesen.

2. 

Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

3. 

Der Kanton Zürich hat den Beschwerdeführer im bundesgerichtlichen Verfahren mit
Fr. 1'500.-- zu entschädigen.

4. 

Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Zürich, I.
Strafkammer, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 9. Januar 2020

Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung

des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Denys

Der Gerichtsschreiber: Matt