Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Strafrechtliche Abteilung, Beschwerde in Strafsachen 6B.833/2019
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Bundesgericht

Tribunal fédéral

Tribunale federale

Tribunal federal

               

6B_833/2019

Urteil vom 10. September 2019

Strafrechtliche Abteilung

Besetzung

Bundesrichter Denys, Präsident,

Bundesrichterin Jacquemoud-Rossari,

Bundesrichter Oberholzer,

Gerichtsschreiber Briw.

Verfahrensbeteiligte

A.________,

vertreten durch Rechtsanwältin Michelle Trafelet,

Beschwerdeführer,

gegen

1. Generalstaatsanwaltschaft des Kantons Bern, Nordring 8, 3013 Bern,

2. X.________,

Beschwerdegegner.

Gegenstand

Nichtanhandnahme (versuchte vorsätzliche schwere Körperverletzung,
Sachbeschädigung),

Beschwerde gegen den Beschluss des Obergerichts

des Kantons Bern, Beschwerdekammer in Strafsachen,

vom 1. Juli 2019 (BK 19 223).

Erwägungen:

1.

1.1. A.________ meldete sich am 21. Oktober 2018 via Notruf bei der Regionalen
Einsatzzentrale in Thun. In seiner polizeilichen Befragung vom 22. Oktober 2018
erklärte er, auf seiner Parzelle habe X.________ mehrere Tannen gefällt und
absichtlich ein Stück Stammholz [Klotz von ca. 7 bis 9 kg; unten E. 2.3] einen
steilen Hang hinunterrollen lassen, welches eine Schalungsplatte und eine
Seilwinde beschädigt habe. X.________ habe das Ziel verfolgt, ihn oder seinen
Hund zu verletzen.

X.________ bestätigte in der polizeilichen Befragung vom 27. November 2018 die
Forstaktivitäten. Der Wald mit den Tannen liege auf seiner Parzelle. Diese sei
gerade frisch vermarcht worden. Er anerkannte, dass ihm ein Stück Holz den Berg
hinuntergerollt war. Das sei aber ohne Absicht gewesen.

Die Staatsanwaltschaft des Kantons Bern nahm das Verfahren am 25. April 2019
nicht an Hand (Art. 310 Abs. 1 lit. a StPO).

1.2. Das Obergericht des Kantons Bern wies am 1. Juli 2019 die Beschwerde von
A.________ ab.

1.3. A.________ beantragt mit Beschwerde in Strafsachen, den vorinstanzlichen
Beschluss und die staatsanwaltschaftliche Nichtanhandnahmeverfügung aufzuheben
sowie die Staatsanwaltschaft anzuweisen, gegen X.________ eine
Strafuntersuchung zu eröffnen.

2.

2.1. Zur Beschwerde ist berechtigt, wer vor der Vorinstanz am Verfahren
teilgenommen oder keine Möglichkeit zur Teilnahme erhalten hat (Art. 81 Abs. 1
lit. a BGG) und (kumulativ) ein rechtlich geschütztes Interesse an der
Aufhebung oder Änderung des angefochtenen Entscheids hat, insbesondere gemäss
Art. 81 Abs. 1 lit. b Ziff. 5 die Privatklägerschaft, d.h. die geschädigte
Person, die ausdrücklich erklärt, sich am Strafverfahren als Straf- oder
Zivilklägerin zu beteiligen (Art. 118 Abs. 1 und Art. 119 StPO). Geschädigt
ist, wer durch die Straftat in seinen Rechten unmittelbar verletzt ist (Art.
115 Abs. 1 StPO). Die Privatklägerschaft ist zur Beschwerde in Strafsachen nur
berechtigt, wenn der Entscheid sich auf die Beurteilung ihrer Zivilansprüche
auswirken kann (Art. 81 Abs. 1 lit. b Ziff. 5 BGG). In erster Linie geht es um
üblicherweise vor den Zivilgerichten einklagbare Ansprüche auf Schadenersatz
und Genugtuung gemäss Art. 41 ff. OR.

Richtet sich die Beschwerde gegen die Nichtanhandnahme eines Verfahrens, muss
die geschädigte Person, soweit sie vor den kantonalen Behörden noch keine
Zivilforderung angehoben hat, im Verfahren vor Bundesgericht darlegen, aus
welchen Gründen sich der angefochtene Entscheid inwiefern auf welche
Zivilforderungen auswirken kann. Das Bundesgericht stellt an die Begründung der
Legitimation strenge Anforderungen. Genügt die Beschwerde diesen nicht, tritt
es auf sie nur ein, wenn aufgrund der Natur der in Frage stehenden Straftat
ohne weiteres ersichtlich ist, welcher Art die Zivilforderung ist (BGE 141 IV 1
E. 1.1 S. 4 f.; 137 IV 246 E. 1.3.1 S. 246).

2.2. Der Beschwerdeführer erklärt, er habe sich als Privatkläger konstituiert
und Zivilansprüche geltend gemacht; er sei zur Einreichung der Beschwerde
legitimiert (Beschwerde S. 2, Ziff. 3). Das ist keine Begründung im Sinne der
zitierten Rechtsprechung.

2.3. In einer Nichtanhandnahmeverfügung werden keine Zivilklagen behandelt
(Art. 320 Abs. 3 StPO). Bezifferung und Begründung haben spätestens im
Parteivortrag zu erfolgen (Art. 123 Abs. 2 StPO).

Im Anzeigerapport vom 22. Dezember 2018 der Berner Kantonspolizei,
Regionalpolizei, wird der Schaden einer Schalungsplatte auf Fr. 100.--, der
Schaden bei einem Vergaser der Seilwinde als unbestimmt, der Schaden an
mehreren gefällten und zersägten Tannen als unbestimmt und der Gesamtschaden
auf ca. Fr. 100.-- beziffert; der Schaden an der Seilwinde müsse noch im
Frühling 2019 begutachtet und betreffend die Bäume könne der Schaden bis anhin
nicht geklärt werden, "da unklar sei, wo genau die Grenze liege". Festzustellen
ist jedenfalls, dass der Beschwerdeführer Strafantrag und Privatklage stellte
(kantonale Akten der Staatsanwaltschaft).

Soweit der Beschwerdeführer eine eventualvorsätzlich versuchte (schwere)
Körperverletzung geltend macht (es entspreche allgemeiner Lebenserfahrung, dass
ein "Stück Holz [...] von ca. 25 cm Länge und einem Gewicht von ca. 7 bis 9
Kilogramm" [Beschwerde, Ziff. 7] schwere Verletzungen verursachen könne), ist
auf die Beschwerde nicht einzutreten; es werden weder Schaden (Arztkosten etc.)
noch Genugtuung und mithin keine Zivilansprüche geltend gemacht.

2.4. Grundsätzlich einzutreten ist hinsichtlich der behaupteten
Sachbeschädigung.

2.4.1. Der Beschwerdeführer bringt vor, ein Holzklotz sei auf seine Parzelle
heruntergeschossen und auf die Schalungsplatte geschlagen, über die er in seine
Hütte gelange und auf welcher kurz zuvor sein Hund gelegen habe. Anschliessend
sei der Klotz ca. sechs Meter den Berg unten in eine Seilwinde geschmettert
(Beschwerde Ziff. 1). Es sei davon auszugehen, dass der Beschwerdegegner die
Sachbeschädigung zumindest eventualvorsätzlich begangen habe, indem er diese
zumindest in Kauf genommen und sich damit abgefunden habe, selbst wenn der
Schaden nicht erwünscht gewesen sei (a.a.O., Ziff. 9). Selbst wenn man (mit der
Vorinstanz) auf die Aussage des Beschwerdegegners abstellte und davon ausginge,
dass sich die Tannen auf dessen Grund und Boden befunden hätten, handelte es
sich nicht "um einen sachverhaltsmässigen und rechtlich klaren Fall", der eine
Nichtanhandnahme rechtfertigen würde. Nach der vorinstanzlichen Annahme stünde
eine Fahrlässigkeit im Vordergrunde und müssten für eine Strafverfolgung wegen
eventualvorsätzlicher Tatbegehung aussergewöhnliche Umstände vorliegen, die
hier nicht gegeben seien (mit Hinweis auf den Beschluss S. 6); entgegen dieser
vorinstanzlichen Argumentation sei jedoch nicht ersichtlich, weshalb die
Fahrlässigkeit im Vordergrund stehen sollte (a.a.O., S. 5, Ziff. 6).

2.4.2. Die Unschuld jeder Person wird vermutet (Art. 32 Abs. 1 BV; Art. 10 Abs.
1 StPO). Strafverfahren können nur in den vom Gesetz vorgesehenen Formen
durchgeführt und abgeschlossen werden (Art. 2 Abs. 2 StPO). Die
Staatsanwaltschaft verfügt nach Art. 310 Abs. 1 lit. a StPO die
Nichtanhandnahme, sobald feststeht, dass die fraglichen Straftatbestände
eindeutig nicht erfüllt sind. Sie eröffnet eine Untersuchung, wenn sich ein
hinreichender Tatverdacht ergibt (Art. 309 Abs. 1 lit. a StPO). Im Zweifelsfall
muss sie das Strafverfahren eröffnen. Sie muss mit anderen Worten sicher sein,
dass der Sachverhalt unter keinen Straftatbestand fällt. Insbesondere ist bei
Ereignissen mit schwerwiegenden Folgen in der Regel eine Untersuchung
durchzuführen (BGE 137 IV 285 E. 2.3 S. 287 f.). Strafverfolgungsbehörde und
Beschwerdeinstanz verfügen in diesem Rahmen über ein Ermessen, in welches das
Bundesgericht mit Zurückhaltung eingreift (Urteil 6B_730/2017 vom 7. März 2018
E. 2.7 sowie Urteil 6B_959/2018 vom 24. Mai 2019 E. 2.2.1). Eine
Nichtanhandnahme hat sich wie die Verfahrenseinstellung im Sinne von Art. 319
Abs. 1 StPO nach dem Grundsatz in dubio pro duriore zu richten (vgl. BGE 143 IV
241 E. 2.2.1 S. 243). Das ändert nichts daran, dass die zur Eröffnung einer
Strafuntersuchung erforderlichen tatsächlichen Hinweise auf eine strafbare
Handlung erheblich und konkreter Natur sein müssen und blosse Gerüchte oder
Vermutungen nicht genügen; der Anfangsverdacht soll eine plausible
Tatsachengrundlage haben, aus der sich die konkrete Möglichkeit ergibt, dass
eine Straftat begangen worden ist (Urteile 6B_1104/2018 vom 17. Mai 2019 E. 4.1
und 6B_897/2015 vom 7. März 2016 E. 2.1). Auch bei der geltend gemachten
Situation einer "Aussage gegen Aussage" (Beschwerde Ziff. 5) kann auf eine
weitere Untersuchung verzichtet werden, wenn eine Verurteilung unter Einbezug
der gesamten Umstände aus anderen Gründen von vornherein unwahrscheinlich
erscheint (BGE 143 IV 241 E. 2.2.2 S. 243).

2.4.3. Der einzig in Betracht fallende Tatbestand der Sachbeschädigung im Sinne
von Art. 144 Abs. 1 StGB setzt die vorsätzliche Begehung voraus, wobei
Eventualvorsatz genügt (Urteil 6B_959/2018 vom 24. Mai 2019 E. 2.2.2).

Die Vorinstanz folgt den Aussagen des Beschwerdegegners, der ohne Umschweife
zugegeben hatte, dass er das Holzstück nicht habe aufhalten können und es ihm
den Hang hinuntergerollt sei, und der erklärt hatte, dass er einen allfälligen
Schaden ersetzen wolle. Sie nimmt an, daraus, dass ihm die Möglichkeit bekannt
gewesen sei, dass dies geschehen könnte, lasse sich nicht schliessen, dass er
eine Sachbeschädigung tatsächlich in Kauf genommen habe. Das blosse Bewusstsein
der Möglichkeit der Tatbestandsverwirklichung begründe noch keinen Vorsatz. Ob
schliesslich ein fahrlässiges Verhalten angenommen werden könnte, könne mangels
Strafbarkeit offengelassen werden (Beschluss S. 4 f.).

2.4.4. Nach ständiger Rechtsprechung ist Eventualvorsatz im Sinne von Art. 12
Abs. 2 StGB anzunehmen, wenn der Täter den Eintritt des Erfolgs bzw. die
Tatbestandsverwirklichung für möglich hält, aber dennoch handelt, weil er den
Erfolg für den Fall seines Eintritts in Kauf nimmt und sich mit ihm abfindet,
mag er ihm auch unerwünscht sein (BGE 137 IV 1 E. 4.2.3 S. 4).

Was der Täter wusste, wollte und in Kauf nahm, betrifft innere Tatsachen und
ist damit Tatfrage, die das Bundesgericht nur unter dem Gesichtspunkt der
Willkür und auf entsprechende Rüge hin prüft (BGE 141 IV 369 E. 6.3 S. 375).
Rechtsfrage ist alsdann, ob gestützt auf die festgestellten Tatsachen Vorsatz
gegeben ist (BGE 137 IV 1 E. 4.2.3 S. 4 f.).

Eine willkürliche Beweiswürdigung und damit eine schlechterdings unhaltbare
Sachverhaltsfeststellung (BGE 143 IV 241 E. 2.3.1 S. 244) sind nicht
ersichtlich. Die Vorinstanz hatte keine Veranlassung, vom Wissen des
Beschwerdegegners ("so etwas könne im Gebirge passieren"; Beschluss S. 4, E.
5.3) auf seinen Willen zu schliessen, einen Schaden als Folge hinzunehmen (BGE
137 IV 1 E. 4.2.3 S. 4). Der Schluss, der Täter habe die
Tatbestandsverwirklichung in Kauf genommen, darf nicht allein aus der Tatsache
gezogen werden, dass sich dieser des Risikos der Tatbestandsverwirklichung
bewusst war und dennoch handelte. Denn dieses Wissen um das Risiko der
Tatbestandsverwirklichung wird auch bei der bewussten Fahrlässigkeit
vorausgesetzt (BGE 130 IV 58 E. 8.4 S. 62).

3. 

Die Beschwerde ist abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden kann. Dem
Beschwerdeführer sind die Gerichtskosten aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG).

 Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 

Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.

2. 

Die Gerichtskosten von Fr. 3'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

3. 

Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Bern,
Beschwerdekammer in Strafsachen, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 10. September 2019

Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung

des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Denys

Der Gerichtsschreiber: Briw