Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Strafrechtliche Abteilung, Beschwerde in Strafsachen 6B.608/2019
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Bundesgericht

Tribunal fédéral

Tribunale federale

Tribunal federal

               

6B_608/2019

Urteil vom 23. September 2019

Strafrechtliche Abteilung

Besetzung

Bundesrichter Denys, Präsident,

Bundesrichter Oberholzer,

Bundesrichterin Jametti,

Gerichtsschreiber Traub.

Verfahrensbeteiligte

X.________,

vertreten durch Fürsprecher Marc Siegenthaler,

Beschwerdeführerin,

gegen

Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Luzern, Postfach 3439, 6002 Luzern,

Beschwerdegegnerin.

Gegenstand

Nichtgewähren des Vortritts mit einem Motorfahrzeug gegenüber einem Fussgänger
auf einem Trottoir; willkürliche Beweiswürdigung,

Beschwerde gegen das Urteil des Kantonsgerichts Luzern, 1. Abteilung, vom 20.
Februar 2019 (2M 18 32).

Sachverhalt:

A. 

X.________ fuhr am 1. Mai 2017 um 21 Uhr mit ihrem Personenwagen vom Zentrum
der Stadt Luzern herkommend auf der Baselstrasse in Richtung Reussbühl. Sie
beabsichtigte, über die vorgesehene Abbiegespur nach links in die fast
rechtwinklig von der Baselstrasse abzweigende Zufahrt des Parkhauses am Gütsch
zu fahren. Beim Abbiegen fuhr sie den Fussgänger A.________ an.

Die Staatsanwaltschaft Abteilung 1 Luzern erliess einen Strafbefehl, gegen den
X.________ Einsprache erhob. Das Bezirksgericht Luzern bestätigte den
Schuldspruch wegen Nichtgewährens des Vortritts gegenüber einem Fussgänger auf
dem Trottoir und belegte X.________ mit einer bedingten Geldstrafe von 20
Tagessätzen (Probezeit zwei Jahre) und einer Busse von Fr. 500.-- (Urteil vom
14. August 2018).

B. 

X.________ legte Berufung ein und beantragte einen Freispruch. Die
Staatsanwaltschaft erhob Anschlussberufung, mit der sie eine Erhöhung von
Geldstrafe und Busse verlangte. Das Kantonsgericht Luzern bestätigte den
Schuldspruch, beliess es bei einer bedingten Geldstrafe von 20 Tagessätzen und
setzte die Busse auf Fr. 300.-- fest (Urteil vom 20. Februar 2019).

C. 

X.________ führt Beschwerde in Strafsachen. Sie erneuert den Antrag auf
Freispruch. Eventuell sei die Sache zu neuer Entscheidung an die Vorinstanz
zurückzuweisen. Sie verlangt, es sei ein Augenschein vor Ort durchzuführen.

Erwägungen:

1. 

Die Beschwerdeführerin beantragt, der rechtserhebliche Sachverhalt betreffend
die Verhältnisse an der Unfallstelle sei durch einen bundesgerichtlichen
Augenschein zu überprüfen. Die Bindung des Bundesgerichts an die
Sachverhaltsfeststellungen der Vorinstanz (Art. 105 Abs. 1 BGG) lässt von
vornherein nur dann Raum für einen Augenschein, wenn die dem angefochtenen
Urteil zugrundeliegenden Tatsachen offensichtlich unrichtig, d.h. willkürlich
(BGE 140 III 115 E. 2 S. 117), oder in Verletzung von Bundesrecht festgestellt
worden sind (Art. 105 Abs. 2 BGG) oder wenn die Rechtsanwendung als solche
(Art. 106 Abs. 1 BGG) einen direkten Einblick in die örtlichen Begebenheiten
voraussetzt (vgl. etwa das teilweise amtlich zu publizierende Urteil 1C_435/
2018 vom 15. Mai 2019 E. 6.4.3). Letzteres fällt hier ausser Betracht; der zu
fällende Entscheid erfordert nicht, dass sich das Gericht vorab einen
persönlichen Eindruck verschafft hat. Die vorinstanzlichen
Sachverhaltsfeststellungen sind zudem willkürfrei (unten E. 3), weshalb der
Beweisantrag auch unter diesem Titel gegenstandslos ist. Im Übrigen wäre die
Sache bei willkürlicher oder sonstwie Bundesrecht verletzender Feststellung der
massgebenden Tatsachen ohnehin regelmässig an die Vorinstanz zurückzuweisen,
welche die allenfalls erforderlichen Beweise abzunehmen hätte. Vorbehalten
wären einzig Fälle, in denen das Bundesgericht den Sachverhalt ausnahmsweise
selbst ergänzen kann (vgl. BGE 143 V 177 E. 4.3 S. 188; 136 V 362 E. 4.1 S.
366; in BGE 144 IV 345 nicht publ. E. 1.3.2 des Urteils 6B_804/2017 vom 23. Mai
2018).

2.

2.1. Die Beschwerdeführerin macht eine Verletzung der Unschuldsvermutung (Art.
10 Abs. 3 StPO) sowie von Strassenverkehrsrecht geltend. Zu Unrecht habe die
Vorinstanz eine "Trottoirsituation" bejaht. Es fehle an den Merkmalen einer
Trottoirüberfahrt, d.h. an einer beidseitigen Niveaudifferenz und auch an einer
ausreichenden, optisch wahrnehmbaren Kennzeichnung. Selbst wenn objektiv eine
Trottoirüberfahrt gegeben wäre, hätte die Vorinstanz zu Unrecht geschlossen,
dass eine solche erkennbar gewesen sei. So oder anders sei sie gegenüber dem
Fussgänger vortrittsberechtigt gewesen.

2.2. Wege, die sich für den Verkehr mit Motorfahrzeugen oder Fahrrädern nicht
eignen oder offensichtlich nicht dafür bestimmt sind, wie Fuss- und Wanderwege,
dürfen mit solchen Fahrzeugen nicht befahren werden (Art. 43 Abs. 1 SVG). Das
Trottoir ist den Fussgängern, der Radweg den Radfahrern vorbehalten. Der
Bundesrat kann Ausnahmen vorsehen (Abs. 2). Muss mit einem Fahrzeug das
Trottoir benützt werden, so ist der Führer gegenüber den Fussgängern und
Benützern von fahrzeugähnlichen Geräten zu besonderer Vorsicht verpflichtet; er
hat ihnen den Vortritt zu lassen (Art. 41 Abs. 2 VRV; NINA RINDLISBACHER, in:
Basler Kommentar zum SVG, 2014, N 47 f. zu Art. 43 SVG). Entsprechend
vortrittsbelastet sind Fahrzeuge, die aus der einmündenden Strasse über ein
Trottoir in die Hauptfahrbahn fahren, und solche, die von der Hauptfahrbahn
über das Trottoir abbiegen. Was unter Trottoir zu verstehen ist, wird in der
Strassenverkehrsgesetzgebung nicht in allgemeingültiger Form umschrieben (vgl.
Art. 43 SVG, Art. 41 VRV). Bei der Bestimmung dieses Begriffs sind auch die
jeweiligen örtlichen Verhältnisse zu berücksichtigen (BGE 103 IV 265 E. 2).

Vorliegend ist fraglich, ob sich der Unfall auf einem (entlang der
Hauptfahrbahn) durchgehenden Trottoir resp. auf einer Trottoirüberfahrt, d.h.
auf einem durchgezogenen Gehweg ereignet hat, der es dem Fussverkehr erlaubt,
eine einmündende Strasse vortrittsberechtigt zu queren (vgl. Norm 640 240 des
Schweizerischen Verbands der Strassen- und Verkehrsfachleute VSS "Querungen für
den Fussgänger und leichten Zweiradverkehr; Grundlagen", 2003). Die Frage ist
nicht nur für die Vortrittsregelung, sondern auch mit Blick darauf bedeutsam,
welchen Umständen die Aufmerksamkeit der abbiegenden Fahrzeugführerin in erster
Linie zu gelten hatte.

Eine Trottoirüberfahrt (nichtsignalisierte Aufpflästerung) muss aufgrund ihrer
äusseren Erscheinungsform für die Verkehrsteilnehmer unmittelbar und eindeutig
als Trottoir erkennbar sein (BGE 123 IV 218 E. 3b S. 222). Dies ist
insbesondere wegen der mit einer Trottoirüberfahrt verbundenen Modifikationen
des Vortritts geboten (BUNDESAMT FÜR STRASSEN [ASTRA], Erläuterungen zur
E-StBV, Beilage 2B zur Anhörung vom 5. Januar 2011). Bei unklaren Verhältnissen
gilt die normale Vortrittsregelung (BGE 123 IV 218 E. 3a S. 221; Urteil 4A_527/
2007 vom 25. Februar 2008 E. 5.2.3). Zur Erkennbarkeit der Trottoireigenschaft
trägt u.a. bei, wenn zwischen Trottoir und Trottoirüberfahrt eine bauliche und
gestalterische Kontinuität besteht, die Trottoirüberfahrt hingegen baulich und
optisch deutlich von der Fahrbahn abgegrenzt ist (ASTRA, Trottoirüberfahrten
und punktuelle Querungen ohne Vortritt für den Langsamverkehr,
Forschungsauftrag VSS 2008/203, 2013, S. 75). In der Regel soll der
Trottoirrand der Hauptfahrbahn mit durchgehenden Randsteinen versehen und auf
der anderen Seite der Überfahrt (in der Verlängerung der Trottoirhinterkante)
das Ende des Fahrbahnbereichs der einmündenden Strasse baulich markant (evtl.
mittels Niveaudifferenz) gekennzeichnet sein (PATRICK EBERLING,
Strassenraumgestaltung, bfu-Fachdokumentation 2.048, 2013, S. 98).

Die Vorgaben an eine Trottoirüberfahrt sind hier insofern nicht erfüllt, als
die Verlängerung der durch die Gebäudeflucht entlang der Baselstrasse
gebildeten Trottoirhinterkante im Bereich der Einmündung der Zufahrtsstrasse
baulich nicht gekennzeichnet, d.h. weder optisch noch durch einen
Niveauunterschied abgegrenzt ist. Der einmündende, das Trottoir querende
Verkehrsweg ist keine (Erschliessungs-) Strasse, sondern bloss eine
Parkhauszufahrt. Haupt- und Nebenfahrbahn bilden damit keine eigentliche
Verzweigung. Im technischen Sinn um eine Trottoirüberfahrt handelt es sich vor
allem dann, wenn die einmündende Strasse ebenfalls über Trottoirs verfügt, die
ohne Niveaudifferenz an die angrenzenden Trottoirs angebunden sind und dadurch
eine optische Lücke im Verlauf des Trottoirs zur Hauptfahrbahn schaffen (vgl.
ASTRA, Trottoirüberfahrten, S. 27). Dies trifft etwa bei Zufahrten zu
Grundstücken oder zu einem Parkhaus meist nicht zu, so auch hier. Hinzu kommt,
dass bauliche Massnahmen auf der von der Hauptfahrbahn abgewandten Seite des
Fussgängerbereichs vor allem für Fahrzeugführer signalwirksam sind, die auf der
einmündenden Strasse in Richtung der Trottoirüberfahrt fahren, und kaum für
solche, die, wie die Beschwerdeführerin, von der Hauptfahrbahn in die
Nebenfahrbahn abbiegen.

Somit kann die Beschwerdeführerin aus dem Umstand, dass die Fahrbahn der
Zufahrt erst an der Hauptfahrbahn durch eine abgesenkte Randsteinkante baulich
abgegrenzt ist, keine Vortrittsberechtigung für sich ableiten. Aus der
Perspektive der in die Nebenfahrbahn abbiegenden Fahrzeuglenkerin ist
massgeblich, wie sich die Situation im konkreten baulichen Kontext darstellt
(vgl. BGE 123 IV 218 E. 3b S. 222). Das parallel zur Baselstrasse verlaufende
Trottoir erscheint nicht nur vor und nach der Einmündung der Zufahrtsstrasse
zum Parkhaus als solches. Die Randsteinkante ist im Bereich der einmündenden
Zufahrtsstrasse abgesenkt, erscheint aber gut sichtbar als durchgehendes,
farblich klar abgehobenes Band. So ist aus Sicht des abbiegenden
Fahrzeuglenkers deutlich zu erkennen, dass es sich um einen den Fussgängern
vorbehaltenen Bereich handelt. Die "Trottoirsituation" ist gegeben.

3. 

Die Beschwerdeführerin rügt, die vorinstanzlichen Feststellungen zur
Beleuchtung des Unfallorts, zur Erkennbarkeit des Geschädigten und zum
Unfallhergang seien tatsachenwidrig. Auch wendet sie sich gegen die Annahme der
Vorinstanz, Stockungen in der Videosequenz einer Überwachungskamera, welche den
Unfallhergang zeigt, hätten keinen Einfluss auf die Beweislage mit Bezug auf
die Fragen, woher der Fussgänger kam, wo er unmittelbar vor der Kollision
stand, wie er vom Auto erfasst wurde, wie er gekleidet war und wie die
Lichtverhältnisse zum Unfallzeitpunkt waren. Aufgrund des nicht flüssig
abspielenden Videos, so die Beschwerdeführerin, könne der genaue Unfallhergang
nicht festgestellt werden. Es müsse davon ausgegangen werden, dass der
Fussgänger, wie schon bei der polizeilichen Einvernahme zu Protokoll gegeben,
plötzlich vor ihr Auto gesprungen sei. Das ergebe sich auch aus der
Standbildserie. Denn anders sei nicht erklärlich, wie der Fussgänger, der noch
rund eine halbe Sekunde vor der Kollision in der Mitte der Zufahrtsstrasse zu
sehen sei, sich zum Zeitpunkt der Kollision (von der Beschwerdeführerin aus
gesehen) plötzlich viel weiter rechts befinden konnte. Die Fotos der Kollision
zeigten, dass diese auf der rechten Hälfte der (Zufahrts-) Strasse
stattgefunden habe, die Fotos des beschädigten Wagens, dass der Geschädigte mit
der rechten Vorderseite des Autos getroffen worden sei. Anhand der Videosequenz
sei der Unfallhergang unter verschiedenen Aspekten nicht hinreichend
erstellbar.

Ein nach vorinstanzlicher Feststellung geringfügiges "Ruckeln" des Videos hat
keinen Einfluss auf seine Aussagekraft hinsichtlich der entscheidenden Frage,
wo sich der Fussgänger in den letzten Sekunden vor der Kollision befand und an
welcher Stelle sich der Unfall ereignet hat. Bereits die auszugsweise in den
Akten liegenden Bilder des Videos sind mit der These der Beschwerdeführerin,
der Fussgänger sei plötzlich vor ihr Auto gesprungen, nicht vereinbar. Um "21h
01min 57.061sek" ist zu sehen, wie er auf der Fahrbahn der Parkingzufahrt auf
die Baselstrasse zugeht. Um "21h 01min 58.946sek" ist er im Begriff, immer noch
in die gleiche Richtung gehend, den Fussgängerbereich parallel zur Baselstrasse
zu betreten. Um "21h 02min 01.809sek" steht er, nunmehr seitlich abgewandt,
nahe an der Randsteinlinie; das Fahrzeug der Beschwerdeführerin ist noch nicht
zu sehen. Der Fussgänger bewegte sich bis dahin geradeaus. Das Standbild "21h
02min 02.386sek" lässt ihn unmittelbar nach der Kollision auf der Kühlerhaube
des Fahrzeugs liegend erkennen; bei "21h 02min 03.876sek" liegt er vor dem
stillstehenden Auto. Bei der Kollision befindet sich der Fussgänger von der
Baselstrasse her gesehen zwar rechts der zuvor eingeschlagenen
Fortbewegungsachse. Diese Verschiebung erscheint indes - unter Berücksichtigung
der Fahrlinie des abbiegenden Fahrzeugs - als natürliche Folge der Kollision.
Wenn die Vorinstanz die Version der Beschwerdeführerin, der Fussgänger sei
unvermittelt von rechts vor ihr Auto gesprungen, mit Blick auf die Bilderfolge
(sowie die weiteren Beweise, namentlich Zeugenaussagen) für eindeutig widerlegt
hält, so liegt darin jedenfalls keine offensichtlich unrichtige Feststellung.
Ebenso konnte die Vorinstanz willkürfrei davon ausgehen, der Fussgänger habe
sich schon im Trottoirbereich vor der Einfahrt aufgehalten, als die
Beschwerdeführerin von der Baselstrasse her einbog (vgl. angefochtenes Urteil
S. 7 E. 3.3.).

Was sodann die Beleuchtung des Trottoirübergangs und damit die Erkennbarkeit
der Gesamtsituation und insbesondere des Fussgängers betrifft, hat die
Vorinstanz entgegen der Darstellung der Beschwerdeführerin wiederum keine
offensichtlich unrichtigen Annahmen getroffen: Der Schluss, die
Fotodokumentation der Polizei und die Videosequenz zeigten, dass die
Unfallstelle ausreichend beleuchtet gewesen sei, erscheint nicht aktenwidrig.
Insbesondere verhält es sich nicht so, dass die Standbilder aus der
Videoaufzeichnung nur deswegen hell erscheinen, weil die Lichter des Autos der
Beschwerdeführerin die nächtliche Szene erleuchten. Wenn die Scheinwerfer des
heranfahrenden Autos auf dem nassen Asphalt und an einer Hauswand im Video
sichtbar reflektieren, bedeutet das nicht, dass die Ausleuchtung des
Trottoirbereichs ansonsten mangelhaft war. Ob es hinter der Gebäudeflucht in
der Zufahrtsstrasse dunkel war, ist unerheblich. Die Beschwerdeführerin macht
in diesem Zusammenhang noch geltend, der Fussgänger sei für sie auch deswegen
nicht rechtzeitig erkennbar gewesen, weil die Sicht in die Seitenstrasse zum
Parkhaus durch die umliegenden Häuser stark eingeschränkt sei. Dazu ist
wiederum festzuhalten, dass sich der Fussgänger ausweislich der Bilder der
Überwachungskamera schon vor der Kollision auf der Fläche des die
Zufahrtsstrasse querenden Trottoirs zur Baselstrasse aufgehalten haben musste.
Die Sicht der Beschwerdeführerin auf diese Stelle konnte nur vor dem Abbiegen
durch auf der Baselstrasse entgegenkommende Autos verdeckt gewesen sein.

Die vorinstanzlichen Feststellungen zu den örtlichen Verhältnissen und zum
Unfallhergang sind insgesamt willkürfrei. Die Vorinstanz war auch nicht
veranlasst, in dubio von einem anderen Sachverhalt auszugehen.

4.

4.1. Die Beschwerdeführerin wendet sich gegen die vorinstanzliche
Schlussfolgerung, sie habe eine ernstliche Gefahr für die Sicherheit anderer
geschaffen, indem sie die Regel grob verletzt habe, wonach sich jedermann im
Verkehr so verhalten muss, dass er andere in der ordnungsgemässen Benützung der
Strasse weder behindert noch gefährdet (Art. 26 Abs. 1 SVG). Ihr Verhalten
falle nicht unter diesen Tatbestand. Sie beruft sich auf den aus Art. 26 Abs. 1
SVG abgeleiteten Vertrauensgrundsatz. Danach darf jeder Strassenbenützer, der
sich selbst verkehrsregelkonform verhält, darauf vertrauen, dass sich die
anderen Verkehrsteilnehmer ebenfalls ordnungsgemäss verhalten - ihn also nicht
behindern oder gefährden -, sofern nicht besondere Umstände dagegen sprechen
(BGE 143 IV 138 E. 2.1 S. 140). 

Die Argumentation der Beschwerdeführerin, der Geschädigte habe "die Strasse
ausserhalb eines Fussgängerstreifens und auch nicht auf dem Trottoir"
überquert, ist gegenstandslos. Die vorinstanzliche Feststellung, der Fussgänger
sei angefahren worden, als er sich auf einem Trottoir befand, ist
rechtsbeständig (oben E. 2 und 3). Insoweit gibt es kein Fehlverhalten des
Fussgängers, das für die Beschwerdeführerin allenfalls unvorhersehbar hätte
sein können. Es bleibt zu prüfen, wie es sich mit dem Vorbringen verhält, die
Beschwerdeführerin habe sich pflichtgemäss aufmerksam verhalten. Sie macht (mit
Hinweis auf BGE 122 IV 225) geltend, sie habe ihre Aufmerksamkeit in erster
Linie dem vortrittsberechtigten Gegenverkehr widmen und nicht mit dem
plötzlichen Auftauchen eines Fussgängers rechnen müssen. Die Vorinstanz erwägt,
die Beschwerdeführerin hätte auf der Einspurstrecke solange warten müssen, bis
sie sich der freien Fahrt über das Trottoir sicher sein konnte. Dann hätte sie
auch den ohne Weiteres erkennbaren Fussgänger auf dem Trottoir sehen müssen.
Die diesbezügliche Rüge einer unrichtigen Anwendung von Bundesrecht ist
wiederum gegenstandslos, da sie auf der von der Vorinstanz zu Recht verworfenen
Prämisse beruht, der Fussgänger sei wegen der Sichtverhältnisse, der schlechten
Beleuchtung und seiner dunklen Kleidung nur schwer sichtbar gewesen.

4.2. Für den Fall, dass entgegen ihrer Ansicht von einem Vortrittsrecht des
Geschädigten auszugehen sei, bringt die Beschwerdeführerin vor, der Fussgänger
habe nach eigener Aussage das Fahrzeug kommen sehen. Er hätte daher sein
Vortrittsrecht nicht ausüben dürfen, indem er einfach stehen blieb, sondern die
Einfahrt frei machen müssen. Er habe blind auf sein vermeintliches
Vortrittsrecht vertraut, obwohl er bei gehöriger Aufmerksamkeit hätte sehen
können, dass er daran gehindert werde. Die Vorinstanz hat festgehalten, der -
nach Zeugenaussagen durch einen Kollegen auf der gegenüberliegenden Seite der
Baselstrasse abgelenkte (vgl. angefochtenes Urteil E. 3.2.1) - Geschädigte habe
davon ausgehen dürfen, das abbiegende Auto werde anhalten, weshalb es ihm nicht
zum Nachteil gereiche, dass er einen Moment lang auf dem Trottoir stehen blieb
und sich nicht bewegte. Da sich der Geschädigte in einem Fussgängerbereich
befunden hat und ihn hier keine besondere Aufmerksamkeitspflicht traf,
relativieren die Vorbringen der Beschwerdeführerin den sie treffenden Vorwurf
der groben Verkehrsregelverletzung nicht.

4.3. Schliesslich verwahrt sich die Beschwerdeführerin gegen den Vorhalt eines
rücksichtslosen Verhaltens (angefochtenes Urteil E. 5.3).

Dazu ist festzuhalten, dass die Vorinstanzen mit dem Vorwurf eines
"rücksichtslosen" Verhaltens keine bewusste Fahrlässigkeit unterstellt haben.
Vorgeworfen wird (nur) das Nichtbedenken resp. Nichtbefolgen einer elementaren
Vorsichtspflicht. Subjektiv erfordert der Tatbestand von Art. 90 Abs. 2 SVG ein
rücksichtsloses oder sonstwie schwerwiegend verkehrswidriges Verhalten, d.h.
ein schweres Verschulden. Bei fahrlässigem Handeln (vgl. Art. 100 Ziff. 1 SVG)
ist mindestens grobe Fahrlässigkeit verlangt. Diese ist jedenfalls zu bejahen,
wenn der Täter sich der allgemeinen Gefährlichkeit seiner verkehrswidrigen
Fahrweise bewusst ist. Grobe Fahrlässigkeit kann aber auch vorliegen, wenn der
Täter die Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer pflichtwidrig nicht in Betracht
gezogen, also unbewusst fahrlässig gehandelt hat. In solchen Fällen ist grobe
Fahrlässigkeit zu bejahen, wenn das Nichtbedenken der Gefährdung anderer
Verkehrsteilnehmer auf Rücksichtslosigkeit beruht (BGE 118 IV 285 E. 4 S. 290).
In diesem Sinn rücksichtslos ist nicht nur das bedenkenlose Verhalten gegenüber
fremden Rechtsgütern, sondern auch ein blosses (momentanes) Nichtbedenken der
Gefährdung fremder Interessen (BGE 131 IV 133 E. 3.2 S. 136 mit Hinweisen; vgl.
auch GERHARD FIOLKA, in: Basler Kommentar zum SVG, N 95 zu Art. 90 SVG).
Entgegen den Ausführungen der Beschwerdeführerin genügt den konkreten Umständen
nach die Nichtbeachtung der im Strassenverkehr zentralen Verhaltensregeln von
Art. 26 Abs. 1 SVG und 41 Abs. 2 VRV (vgl. YVAN JEANNERET, Les dispositions
pénales de la Loi sur la circulation routière [LCR], 2007, N 41 f. zu Art. 90
SVG) und die damit offenkundig eingetretene grosse Gefährdung anderer
Verkehrsteilnehmer, um den Tatbestand von Art. 90 Abs. 2 SVG zu verwirklichen.

5. 

Die Beschwerde ist abzuweisen. Bei diesem Ausgang des Verfahrens werden die
bundesgerichtlichen Kosten der Beschwerdeführerin auferlegt (Art. 66 Abs. 1
BGG).

 Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 

Die Beschwerde wird abgewiesen.

2. 

Die Gerichtskosten von Fr. 3'000.-- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.

3. 

Dieses Urteil wird den Parteien und dem Kantonsgericht Luzern, 1. Abteilung,
schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 23. September 2019

Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung

des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Denys

Der Gerichtsschreiber: Traub