Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Strafrechtliche Abteilung, Beschwerde in Strafsachen 6B.5/2019
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Bundesgericht

Tribunal fédéral

Tribunale federale

Tribunal federal

               

6B_5/2019

Urteil vom 4. April 2019

Strafrechtliche Abteilung

Besetzung

Bundesrichter Denys, Präsident,

Bundesrichter Rüedi,

Bundesrichterin Jametti,

Gerichtsschreiber Matt.

Verfahrensbeteiligte

A.________, vertreten durch

Rechtsanwalt Dominik Rothacher,

Beschwerdeführer,

gegen

Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Aargau, Frey-Herosé-Strasse 20, Wielandhaus,
5001 Aarau,

Beschwerdegegnerin.

Gegenstand

Nichtanhandnahme (Betrug); Frist zur Stellung eines Strafantrags,

Beschwerde gegen den Entscheid des Obergerichts des Kantons Aargau,
Beschwerdekammer in Strafsachen, vom 8. November 2018 (SBK.2018.53 / SG / va).

Sachverhalt:

A. 

Am 2. Dezember 2016 erstattete A.________ Strafanzeige wegen Betruges gegen
Z.________ und X.________. Letzterer hatte 2009 als geschäftsführender Aktionär
der U.________ AG bei der V.________ AG, deren verantwortliches Organ
Z.________ war, eine Unternehmensbewertung der U.________ AG in Auftrag gegeben
und anschliessend mit Y.________ die Aktien von A.________ gekauft. Hierbei
soll A.________ gestützt auf eine zu tiefe Bewertung des Unternehmens über den
wahren Wert seiner Anteile getäuscht worden sein. Die Staatsanwaltschaft des
Kantons Aargau nahm das Verfahren gegen X.________ am 3. Januar 2017 und -
nachdem diese Verfügung vom Obergericht des Kantons Aargau aufgehoben worden
war - am 26. Januar 2018 nicht an die Hand. Am 8. November 2018 wies das
Obergericht die Beschwerde von A.________ ab.

B. 

Mit Beschwerde in Strafsachen beantragt A.________, das Verfahren gegen
X.________ sei an die Hand zu nehmen.

Erwägungen:

1.

1.1. Der Privatklägerschaft wird ein rechtlich geschütztes Interesse an der
Beschwerde zuerkannt, wenn sich der angefochtene Entscheid auf die Beurteilung
ihrer Zivilansprüche auswirken kann (Art. 81 Abs. 1 lit. b Ziff. 5 BGG). Dies
verlangt grundsätzlich, dass die Privatklägerschaft bereits adhäsionsweise
Zivilforderungen geltend gemacht hat. Bei Nichtanhandnahme oder Einstellung des
Strafverfahrens wird auf dieses Erfordernis verzichtet. Im Verfahren vor
Bundesgericht muss aber dargelegt werden, weshalb sich der angefochtene
Entscheid inwiefern auf welche Zivilforderungen auswirken kann, sofern dies,
etwa aufgrund der Natur der untersuchten Straftat, nicht ohne Weiteres aus den
Akten ersichtlich ist. Das Bundesgericht stellt an die Begründung strenge
Anforderungen (BGE 141 IV 1 E. 1.1; 137 IV 246 E. 1.3.1, 219 E. 2.4; je mit
Hinweisen).

1.2. Der Beschwerdeführer hat sich als Straf- und Zivilkläger konstituiert und
am vorinstanzlichen Verfahren teilgenommen. Dies genügt zur Begründung seiner
Legitimation indes ebenso wenig wie die Tatsache, dass sich der angefochtene
Entscheid grundsätzlich auf seine Zivilforderungen auswirken kann (vgl. Urteil
6B_1092/2018 vom 5. Februar 2019 E. 2.2). Der Beschwerdeführer benennt oder
beziffert keinerlei konkrete Forderung, die ihm aufgrund des behaupteten
Betrugs zustehen soll. Dies ist angesichts des angeblich zu tief angesetzten
Werts der U.________ AG sowie einer eigens hierzu angefertigten Analyse nicht
nachvollziehbar. Daraus sollte sich der entstandene Schaden zumindest annähernd
ermitteln lassen, andernfalls auch eine bewusste Täuschung über den wahren Wert
des Unternehmens nicht erkennbar wäre. Die Beschwerde genügt den gesetzlichen
Begründungsanforderungen (Art. 42 Abs. 2 BGG; oben E. 1.1) offensichtlich
nicht. Darauf ist nicht einzutreten. Im Übrigen wäre sie abzuweisen, wie
nachfolgend kurz zu zeigen ist.

2. 

Der Beschwerdeführer rügt, die Vorinstanz gehe willkürlich davon aus, dass er
bereits bei Vorliegen des Entwurfs einer Kurzanalyse zur Unternehmensbewertung
einen hinreichenden Tatverdacht gegen seinen Bruder gehabt habe, und das
Strafantragsrecht nach Art. 146 Abs. 3 StGB folglich erloschen sei.

2.1.

2.1.1. Der Betrug zum Nachteil eines Angehörigen, worunter namentlich
Geschwister fallen, wird nur auf Antrag verfolgt (Art. 146 Abs. 3 i.V.m. Art.
110 Abs. 1 StGB). Das Antragsrecht erlischt nach Ablauf von drei Monaten. Die
Frist beginnt an dem Tag, an welchem der anspruchsberechtigten Person der Täter
bekannt wird (Art. 31 StGB), was auch die Kenntnis der Straftat d.h. deren
Tatbestandselemente voraussetzt. Erforderlich ist eine sichere, zuverlässige
Kenntnis, die ein Vorgehen gegen den Täter als aussichtsreich erscheinen lässt
und die antragsberechtigte Person gleichzeitig davor schützt, wegen falscher
Anschuldigung oder übler Nachrede belangt zu werden (BGE 142 IV 129 E. 4.3; 126
IV 131 E. 2a; je mit Hinweisen). Die berechtigte Person ist nicht verpflichtet,
nach dem Täter zu forschen, und das blosse Kennenmüssen des Täters oder ein
blosser Verdacht löst die Antragsfrist nicht aus (BGE 101 IV 113 E. 1b mit
Hinweisen). Entsprechendes gilt für die Kenntnis der Tat. Solange aufgrund der
Sachlage unklar ist, ob überhaupt ein Delikt begangen wurde, beginnt die Frist
nicht zu laufen (Urteil 6B_1148/2013 vom 5. Dezember 2014 E. 2.2 mit
Hinweisen).

2.1.2. Das Bundesgericht prüft im Rahmen einer Beschwerde gegen die
Nichtanhandnahme nach Art. 310 Abs. 1 StPO nicht wie beispielsweise bei einem
Schuldspruch, ob die vorinstanzlichen Sachverhaltsfeststellungen willkürlich
sind (Art. 97 Abs. 1 BGG), sondern nur, ob die Vorinstanz willkürlich von einer
"klaren Beweislage" ausging oder gewisse Tatsachen willkürlich für "klar
erstellt" annahm. Dies ist der Fall, wenn offensichtlich nicht gesagt werden
kann, es liege ein klarer Sachverhalt vor, beziehungsweise wenn ein solcher
Schluss schlechterdings unhaltbar ist (BGE 143 IV 241 E. 2.3.2; Urteile 6B_1228
/2018 vom 4. März 2019 E. 2.1.2; 6B_264/2017 vom 26. Oktober 2017 E. 3.3.1
betreffend die Nichtanhandnahme; je mit Hinweisen). Die Willkürrüge muss in der
Beschwerde explizit vorgebracht und substanziiert begründet werden (Art. 106
Abs. 2 BGG). Auf rein appellatorische Kritik am angefochtenen Entscheid tritt
das Bundesgericht nicht ein (BGE 143 IV 241 E. 2.3.1; 141 IV 317 E. 5.4; je mit
Hinweisen).

Was die antragsberechtigte Person wusste, betrifft sogenannte innere Tatsachen,
und prüft das Bundesgericht als Tatfrage nur auf Willkür (BGE 137 IV 1 E. 4.2.3
mit Hinweis). Ob ihre Kenntnis ausreichend ist, um einen Strafantrag stellen zu
können, ist eine Rechtsfrage (Urteil 6B_1148/2013 vom 5. Dezember 2014 E. 2.2
mit Hinweisen).

2.2.

2.2.1. Die Vorinstanz begründet überzeugend, weshalb sie die Strafanzeige des
Beschwerdeführers vom 1. Dezember 2016 als verspätet erachtet. Sie erwägt unter
Bezugnahme auf die Staatsanwaltschaft nachvollziehbar, dass sein Einwand,
wonach er erst nach Vorliegen einer Kurzanalyse der W.________ AG sichere
Kenntnis vom Betrug erlangt habe, nicht überzeuge. Er habe sich vielmehr
spätestens am 26. Juli 2016 in seinem Vorwurf bestätigt sehen müssen. An jenem
Tag habe sein Rechtsvertreter ausdrücklich mitgeteilt, dass er die
Angelegenheit nochmals mit dem Beschwerdeführer angeschaut habe und sich keine
wesentlichen Neuerungen ergeben hätten. Der Anwalt habe von der Endfassung der
Strafanzeige gesprochen. Der Beschwerdeführer habe somit am 26. Juli 2016 mehr
als einen blossen Verdacht gehabt und nach der detaillierten Abklärung nicht
mehr mit einer Anzeige wegen falscher Anschuldigung rechnen müssen. Die
Strafanzeige vom 1. Dezember 2016 sei nach Ablaufen der Antragsfrist am 26.
Oktober 2016 erfolgt.

2.2.2. Die Beschwerde genügt den gesetzlichen Begründungsanforderungen (Art. 42
Abs. 2 BGG) in weiten Teilen nicht. Der Beschwerdeführer beschränkt sich im
Wesentlichen darauf, seinen vorinstanzlich dargelegten Standpunkt zu
wiederholen, was weder Willkür in der Sachverhaltsfeststellung, namentlich
hinsichtlich seines Kenntnisstands, noch eine Verletzung von Bundesrecht
belegt. Er bestreitet insbesondere nicht, dass bereits am 26. Juli 2016 ein
Entwurf zur Unternehmensanalyse der W.________ AG vorlag. Dieser
Analyseentwurf, worauf sich die Vorinstanz stützt, ist mithin gerade keine
Einschätzung eines Laien. Der in diesem Zusammenhang wiederholt vorgebrachte
Einwand, wonach angesichts der Komplexität des Sachverhalts blosse Zweifel
eines bewertungstechnischen Laien für einen hinreichenden, die Dreimonatsfrist
nach Art. 31 StGB auslösenden Tatverdacht nicht ausreichten, geht daher an der
Sache vorbei. Der Beschwerdeführer zeigt zudem nicht auf, weshalb die
erforderliche Kenntnis einer - wie auch immer rechtlich zu qualifizierenden -
Straftat nicht bereits bei Vorliegen des entsprechenden Entwurfs der W.________
AG resp. der bis zum 26. Juli 2016 getätigten Abklärungen, sondern erst
aufgrund der definitiven Kurzanalyse mit hinreichender Sicherheit bestanden
haben soll und worin sich die beiden Dokumente überhaupt genau - und wesentlich
- unterscheiden. Wie die Vorinstanz ausführt, und der Beschwerdeführer nicht
bestreitet, sprach sein Anwalt damals von der Endfassung der Strafanzeige. Dass
danach weitere Besprechungen stattfanden, und der Entwurf durch Angaben des
Beschwerdeführers ergänzt worden sein soll, wobei er hierzu keine Angaben
macht, ändert nichts. Insbesondere ist mit Blick auf das erforderliche,
fristauslösende Wissen des Beschwerdeführers nicht entscheidend, wie sein
Anwalt die Aussagen der W.________ AG rechtlich qualifizieren würde. Er
begründet auch nicht und es ist nicht ersichtlich, weshalb es ihm gestützt auf
den nach Auffassung seines Anwalts augenscheinlich für eine Anzeige
ausreichenden Entwurf (Endfassung der Strafanzeige) unmöglich oder unzumutbar
gewesen sein soll, den Beschuldigten mit den vorläufigen Erkenntnissen zu
konfrontieren, um die angeblich fehlenden Angaben zum subjektiven Tatbestand zu
erhalten. Eine sichere Kenntnis der wesentlichen Tatumstände in dem Sinne, dass
der Beschuldigte nichts mehr hätte entgegnen können und eine Verurteilung
sicher gewesen wäre, kann unter dem Gesichtspunkt von Art. 31 StGB hingegen
nicht verlangt werden (oben E. 2.1.2). Ebenso ist irrelevant, ob im Anschluss
an die Konfrontation eine "sachliche Diskussion" stattfand sowie etwa, ob der
Beschuldigte die Vorwürfe bestritt, oder sich überhaupt dazu äusserte.

2.3. Eine Verletzung von Art. 31 StGB ist nicht dargetan. Der angefochtene
Entscheid ist rechtens. Die Beschwerde ist abzuweisen, soweit darauf
einzutreten ist. Ausgangsgemäss hat der Beschwerdeführer die Kosten zu tragen
(Art. 66 Abs. 1 BGG).

 Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 

Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf eingetreten wird.

2. 

Der Beschwerdeführer trägt die Gerichtskosten von Fr. 3'000.--.

3. 

Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Aargau,
Beschwerdekammer in Strafsachen, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 4. April 2019

Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung

des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Denys

Der Gerichtsschreiber: Matt