Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Strafrechtliche Abteilung, Beschwerde in Strafsachen 6B.591/2019
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Bundesgericht

Tribunal fédéral

Tribunale federale

Tribunal federal

               

6B_591/2019

Urteil vom 29. Mai 2019

Strafrechtliche Abteilung

Besetzung

Bundesrichter Denys, Präsident,

Gerichtsschreiberin Arquint Hill.

Verfahrensbeteiligte

A.________,

vertreten durch Rechtsanwalt Armin Eugster,

Beschwerdeführer,

gegen

Staatsanwaltschaft des Kantons St. Gallen, Spisergasse 15, 9001 St. Gallen,

Beschwerdegegnerin.

Gegenstand

Einstellung (Amtsmissbrauch, Widerhandlung gegen das kantonale
Datenschutzgesetz); Nichteintreten,

Beschwerde gegen den Zirkulationsentscheid der Anklagekammer des Kantons St.
Gallen vom 1. April 2019 (AK.2018.410-AK).

Der Präsident zieht in Erwägung:

1. 

Der Beschwerdeführer unterrichtete seit 1991 Mathematik an einer staatlichen
Mittelschule im Kanton St. Gallen. Er erstattete am 31. Juli 2014 Strafanzeige
gegen den Rektor der Schule wegen einfacher Körperverletzung, Amtsmissbrauch,
Nötigung, Verletzung des Amtsgeheimnisses und Urkundenfälschung. Hintergrund
der Strafanzeige bildete ein mehrjähriger dienst- und personalrechtlicher
Konflikt des Beschwerdeführers mit dem beschuldigten Rektor bzw. der
Schulleitung. Mit Schreiben vom 27. April 2016 kündigte der Rektor das
Arbeitsverhältnis per 31. Juli 2016.

Die Anklagekammer erteilte die Ermächtigung zur Eröffnung eines Strafverfahrens
am 22. Oktober 2014 in Bezug auf den Verdacht der Verletzung des
Amtsgeheimnisses, verweigerte sie aber in Bezug auf die übrigen Vorwürfe. Mit
Urteil vom 11. Mai 2015 erteilte das Bundesgericht auf Beschwerde hin die
Ermächtigung zusätzlich wegen Verdachts auf Amtsmissbrauch und wies die
Beschwerde im Übrigen ab (Urteil 1C_606/2014).

Im Strafverfahren betreffend Verletzung des Amtsgeheimnisses erliess das
Untersuchungsamt Uznach am 5. November 2018 einen Strafbefehl; im
Strafverfahren betreffend Amtsmissbrauch und Widerhandlungen gegen das
kantonale Datenschutzgesetz erliess es hingegen gleichentags eine
Einstellungsverfügung.

Eine vom Beschwerdeführer gegen die Einstellungsverfügung gerichtete Beschwerde
wies die Anklagekammer des Kantons St. Gallen mit Entscheid vom 1. April 2019
ab.

Der Beschwerdeführer wendet sich am 15. Mai 2019 mit Beschwerde in Strafsachen
an das Bundesgericht. Er beanstandet die Anwendung von Art. 319 Abs. 1 und Art.
324 Abs. 1 StPO sowie die Verletzung des Legalitätsprinzips und des Grundsatzes
"in dubio pro duriore". Es seien erhebliche Verdachtsmomente für ein
amtsmissbräuchliches Verhalten gegeben. Die Beschwerde sei gutzuheissen und die
Angelegenheit an das zuständige Untersuchungsamt zum Erlass eines Strafbefehls,
eventualiter zur Anklageerhebung, zurückzuweisen.

2. 

Die Privatklägerschaft ist zur Beschwerde in Strafsachen nur berechtigt, wenn
der angefochtene Entscheid sich auf die Beurteilung ihrer Zivilansprüche
auswirken kann (Art. 81 Abs. 1 lit. b Ziff. 5 BGG). Richtet sich die Beschwerde
gegen die Einstellung eines Verfahrens, hat die Privatklägerschaft nicht
notwendigerweise bereits vor den kantonalen Behörden eine Zivilforderung
erhoben. In jedem Fall muss sie im Verfahren vor Bundesgericht darlegen, aus
welchen Gründen sich der angefochtene Entscheid inwiefern auf welche
Zivilforderungen auswirken kann. Das Bundesgericht stellt an die Begründung des
Beschwerderechts strenge Anforderungen. Genügt die Beschwerde diesen nicht,
kann darauf nur eingetreten werden, wenn aufgrund der Natur der untersuchten
Straftat ohne Weiteres ersichtlich ist, um welche Zivilforderungen es geht (BGE
141 IV 1 E. 1.1 S. 4 f. mit Hinweisen).

Als Zivilansprüche im Sinne von Art. 81 Abs. 1 lit. b Ziff. 5 BGG gelten
solche, die ihren Grund im Zivilrecht haben und deshalb ordentlicherweise vor
den Zivilgerichten durchgesetzt werden müssen. In erster Linie handelt es sich
um Ansprüche auf Schadenersatz und Genugtuung nach Art. 41 ff. OR. Nicht in
diese Kategorie gehören Ansprüche, die sich aus öffentlichem Recht ergeben.
Öffentlich-rechtliche Ansprüche, auch solche aus öffentlichem
Staatshaftungsrecht, können nicht adhäsionsweise im Strafprozess geltend
gemacht werden und zählen nicht zu den Zivilansprüchen im Sinne von Art. 81
Abs. 1 lit. b Ziff. 5 BGG.

3. 

Der Beschwerdeführer spricht sich zur Legitimation und zur Frage der
Zivilforderungen in der Beschwerde nicht ansatzweise aus. Die Beschwerde genügt
folglich den Begründungsanforderungen nicht (Art. 42 Abs. 2 BGG). Entscheidend
ist aber ohnehin, dass der Beschwerdeführer gegen den beschuldigten Rektor der
staatlichen Mittelschule keine Zivilforderungen geltend machen kann. Nach Art.
1 Abs. 1 des Verantwortlichkeitsgesetzes des Kantons St. Gallen vom 7. Dezember
1959 (VG; sGS 161.1) haften der Staat, die Gemeinden, die übrigen
öffentlich-rechtlichen Körperschaften und die öffentlich-rechtlichen Anstalten
des kantonalen Rechtes für den Schaden, den ihre Behörden und Angestellten in
Ausübung dienstlicher Verrichtungen Dritten widerrechtlich zufügen. Nach Art. 1
Abs. 3 VG/SG kann der Geschädigte Behördemitglieder und Angestellte nicht
unmittelbar belangen. Allfällige Schadenersatz- und Genugtuungsansprüche des
Beschwerdeführers aufgrund des angeblich strafbaren Verhaltens des
beschuldigten Rektors beurteilen sich demnach ausschliesslich nach dem
kantonalen Haftungsrecht und sind damit öffentlich-rechtlicher Natur. Der vom
Beschwerdeführer erhobene strafrechtliche Vorwurf des Amtsmissbrauchs kann sich
daher allenfalls auf seine Staatshaftungsansprüche, nicht aber auf
Zivilansprüche im Sinne von Art. 81 Abs. 1 lit. b Ziff. 5 BGG auswirken. Der
Beschwerdeführer ist in der Sache nicht zur Beschwerde befugt.

4. 

Formelle Rügen, zu deren Vorbringen der Beschwerdeführer unbesehen der
fehlenden Legitimation in der Sache befugt wäre (sog. "Star-Praxis"; vgl. BGE
141 IV 1 E. 1.1 mit Hinweisen), erhebt er nicht.

5. 

Auf die Beschwerde ist im Verfahren nach Art. 108 BGG nicht einzutreten.
Ausgangsgemäss trägt der Beschwerdeführer die Gerichtskosten (Art. 66 Abs. 1
BGG).

Mit dem Entscheid in der Sache wird das Gesuch um aufschiebende Wirkung
gegenstandslos.

 Demnach erkennt der Präsident:

1. 

Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten.

2. 

Die Gerichtskosten von Fr. 800.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

3. 

Dieses Urteil wird den Parteien und der Anklagekammer des Kantons St. Gallen
schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 29. Mai 2019

Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung

des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Denys

Die Gerichtsschreiberin: Arquint Hill