Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Strafrechtliche Abteilung, Beschwerde in Strafsachen 6B.507/2019
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Bundesgericht

Tribunal fédéral

Tribunale federale

Tribunal federal

               

6B_507/2019

Urteil vom 14. August 2019

Strafrechtliche Abteilung

Besetzung

Bundesrichter Denys, Präsident,

Bundesrichterin Jacquemoud-Rossari,

Bundesrichterin Jametti,

Gerichtsschreiberin Schär.

Verfahrensbeteiligte

X.________,

Beschwerdeführer,

gegen

Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich, Florhofgasse 2, 8090 Zürich,

Beschwerdegegnerin.

Gegenstand

Verletzung der Verkehrsregeln; Willkür etc.,

Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich, I.
Strafkammer, vom 12. März 2019 (SU180027-O/U/cwo).

Erwägungen:

1. 

Dem Beschwerdeführer wird vorgeworfen, sich als Lenker des Personenwagens Ford
Mondeo mit den Kontrollschildern SG xxxxxx am 23. Januar 2017 um 17.22 Uhr in
Zürich des Nichtbeachtens einer polizeilichen Weisung schuldig gemacht zu
haben.

Das Obergericht des Kantons Zürich sprach den Beschwerdeführer am 12. März 2019
zweitinstanzlich der einfachen Verletzung der Verkehrsregeln schuldig und
bestrafte ihn mit einer Busse von Fr. 150.--.

Der Beschwerdeführer erhebt Beschwerde in Strafsachen mit den Anträgen, das
vorinstanzliche Urteil sei aufzuheben und er sei freizusprechen. Eventualiter
sei die Sache zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen.
Subeventualiter sei das Verfahren gestützt auf Art. 8 StPO und Art. 52 StGB
einzustellen. Mit separater Eingabe beantragt der Beschwerdeführer, ihm sei für
das bundesgerichtliche Verfahren die unentgeltliche Rechtspflege zu gewähren.

2. 

Der Beschwerdeführer macht geltend, der zuständige Stadtrichter und die
erstinstanzliche Richterin hätten sich zum Ziel gesetzt, ihn zu verurteilen und
sich zu diesem Zweck abgesprochen. Auch mit der Zeugin A._________ sei es zu
Absprachen gekommen. Der Beschwerdeführer beruft sich damit auf den
Ausstandsgrund der Befangenheit.

Wie die Vorinstanz zutreffend ausführt, hätte der Beschwerdeführer gemäss Art.
58 Abs. 1 StPO ein Ausstandsgesuch stellen müssen, sobald er vom Ausstandsgrund
Kenntnis hatte. Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers ist dies
grundsätzlich auch nach einer erfolgten Einvernahme noch möglich. Dass der
Beschwerdeführer rechtzeitig im Sinne der bundesgerichtlichen Rechtsprechung
ein entsprechendes Gesuch gestellt hätte (zur Rechtzeitigkeit des
Ausstandsgesuchs siehe Urteil 1B_120/2019 vom 7. Juni 2019 E. 2.2), legt der
Beschwerdeführer weder dar noch ist dies ersichtlich. Auf die Rüge ist daher
nicht einzutreten.

3.

3.1. In einer Beschwerde ans Bundesgericht ist unter Bezugnahme auf den
angefochtenen Entscheid darzulegen, aus welchen Gründen dieser gegen das Recht
verstossen soll (Art. 42 Abs. 2 BGG).

Die vorinstanzliche Sachverhaltsfeststellung kann nur gerügt werden, wenn sie
offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art.
95 BGG beruht und wenn die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens
entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1 BGG; vgl. auch Art. 105 Abs. 1 und 2
BGG). Offensichtlich unrichtig im Sinne von Art. 97 Abs. 1 BGG ist die
Sachverhaltsfeststellung, wenn sie willkürlich ist (BGE 143 IV 241 E. 2.3.1 S.
244; 143 I 310 E. 2.2 S. 313; je mit Hinweis; vgl. zum Begriff der Willkür BGE
143 IV 241 E. 2.3.1 S. 244; 141 III 564 E. 4.1 S. 566; je mit Hinweisen).

Als Beweiswürdigungsregel besagt der Grundsatz "in dubio pro reo", dass sich
das Strafgericht nicht von der Existenz eines für die beschuldigte Person
ungünstigen Sachverhalts überzeugt erklären darf, wenn bei objektiver
Betrachtung erhebliche und nicht zu unterdrückende Zweifel bestehen, ob sich
der Sachverhalt so verwirklicht hat (BGE 127 I 38 E. 2a S. 41 mit Hinweisen).
Verurteilt das Strafgericht den Beschuldigten, obwohl bei objektiver
Betrachtung des gesamten Beweisergebnisses unüberwindliche, schlechterdings
nicht zu unterdrückende Zweifel an dessen Schuld bestehen, liegt auch immer
Willkür vor. Dem Grundsatz "in dubio pro reo" kommt in seiner Funktion als
Beweiswürdigungsregel im Verfahren vor Bundesgericht keine über das
Willkürverbot von Art. 9 BV hinausgehende Bedeutung zu (BGE 143 IV 500 E. 1.1
S. 503; 127 I 38 E. 2a S. 40 f.; je mit Hinweisen).

Die Rüge der Verletzung von Grundrechten (einschliesslich Willkür bei der
Sachverhaltsfeststellung) muss in der Beschwerde anhand des angefochtenen
Entscheids präzise vorgebracht und substanziiert begründet werden, anderenfalls
darauf nicht eingetreten wird (Art. 106 Abs. 2 BGG; BGE 143 IV 500 E. 1.1 S.
503; 142 II 206 E. 2.5 S. 210; 142 I 135 E. 1.5 S. 144; je mit Hinweisen).

Bilden wie hier ausschliesslich Übertretungen Gegenstand des erstinstanzlichen
Hauptverfahrens, prüft das Berufungsgericht den von der ersten Instanz
festgestellten Sachverhalt nur auf Willkür (vgl. Art. 398 Abs. 4 StPO). In
diesem Fall prüft das Bundesgericht frei, ob die Vorinstanz auf eine gegen das
erstinstanzliche Urteil vorgebrachte Rüge der willkürlichen Beweiswürdigung hin
zu Unrecht Willkür verneint und diese Verfassungsverletzung nicht behoben hat.
Die Rüge, die Vorinstanz habe Willkür zu Unrecht verneint, muss sich deshalb
auch mit den Erwägungen der ersten Instanz auseinandersetzen (Urteil 6B_1173/
2018 vom 12. Juli 2019 E. 1.2 mit Hinweis).

3.2. Die vorliegend zu überprüfende Verurteilung erging gestützt auf den
Verzeigungsvorhalt vom 24. Januar 2017, den Polizeirapport vom 24. Februar
2017, die Aussagen der Zeugin A._________, welche den Vorfall als
Stadtpolizistin rapportiert hatte, sowie die Einvernahmen durch das
Stadtrichteramt Zürich vom 24. November 2017.

Die erste Instanz erwog, A._________ habe beim Stadtrichteramt Zürich unter
Strafandrohung als Zeugin ausgesagt. Sie habe den Beschwerdeführer vor dem
Vorfall nicht gekannt und es gebe keinen Grund für eine Falschbelastung. Ihre
Aussagen seien widerspruchsfrei und detailliert. Dahingegen habe der
Beschwerdeführer den Sachverhalt pauschal und kategorisch bestritten. Er habe
keinerlei detaillierte Ausführungen gemacht. Teilweise sei er den Fragen
ausgewichen. Insgesamt seien die Aussagen der Zeugin A._________ weit
überzeugender als diejenigen des Beschwerdeführers, weshalb der angezeigte
Sachverhalt als erstellt erachtet werde.

Die Vorinstanz verneint eine offensichtlich unrichtige oder rechtsverletzende
Sachverhaltsfeststellung des Bezirksgerichts und schliesst sich der Erstinstanz
an.

3.3. Der Beschwerdeführer rügt die Sachverhaltsfeststellung als
bundesrechtswidrig und macht sinngemäss geltend, bereits die Vorinstanz hätte
den erstinstanzlichen Entscheid wegen einer Verletzung des Willkürverbots
aufheben müssen. Er bestreitet, die ihm vorgeworfene Wiederhandlung begangen zu
haben. Zwar habe sein Sohn jeweils um 18.00 Uhr Arzttermine in Zürich
wahrnehmen müssen, zu welchen er ihn begleitet habe. Dennoch sei es unmöglich,
dass er zur genannten Zeit (d.h. um 17.22 Uhr) die fragliche Stelle passiert
habe, da er jeweils eine andere, kürzere Strecke gefahren sei. Damit setzt der
Beschwerdeführer der ausführlichen und nachvollziehbaren Beweiswürdigung
lediglich unsubstanziierte Behauptungen und pauschale Bestreitungen entgegen,
ohne diese mittels Verweisen auf einschlägige Aktenstellen zu untermauern. Dies
genügt den erwähnten (erhöhten) Begründungsanforderungen vor Bundesgericht
nicht. Insoweit ist auf die Beschwerde nicht einzutreten.

3.4. Der Beschwerdeführer macht geltend, die Sachverhaltsfeststellung sei auch
deshalb willkürlich, weil die Behörden nur belastende, nicht aber entlastende
Indizien berücksichtigt hätten, womit auch der Untersuchungsgrundsatz verletzt
sei. Es ist allerdings weder ersichtlich noch legt der Beschwerdeführer konkret
dar, welche Indizien ihn entlasten würden. Vielmehr führt er in allgemeiner
Weise aus, er habe Entlastungsbeweise und Gegenbeweise angeboten. Dies genügt
den Begründungsanforderungen nicht. Dem Beschwerdeführer wäre es
offengestanden, Beweisanträge zu stellen. Er hätte dies allerdings in einem
früheren Stadium des Strafverfahrens tun müssen. Diesbezüglich kann in
Anwendung von Art. 109 Abs. 3 BGG auf die zutreffenden Erwägungen der
Vorinstanz verwiesen werden. Die Ausführungen des Beschwerdeführers, wonach er
keine Beweisanträge gestellt habe, um die Akten nicht unnötig aufzublähen und
um die Richter damit nicht zu verwirren, sind offensichtlich nicht stichhaltig.

3.5. Weiter beanstandet der Beschwerdeführer in verschiedener Hinsicht die
Würdigung der Zeugenaussagen sowie teilweise das Vorgehen bei der
Zeugenbefragung.

Zunächst bestreitet der Beschwerdeführer die Glaubhaftigkeit der
Zeugenaussagen. Konkrete Gründe, weshalb die Aussagen der Zeugin nicht
glaubhaft sein sollten, nennt der Beschwerdeführer allerdings nicht. Vielmehr
macht er sinngemäss geltend, auf ihre Aussagen könne schon deshalb nicht
abgestellt werden, weil sie als Polizistin unter Erfolgsdruck stehe und somit
ein Interesse am Verfahrensausgang habe. Aus diesen allgemein gehaltenen
Ausführungen kann der Beschwerdeführer nichts für den konkreten Fall ableiten.
Der Zeugin kann die Zeugenqualität ohnehin nicht per se abgesprochen werden,
nur weil sie den Fall als Polizistin rapportiert hat. Vielmehr ist die Frage
der Glaubhaftigkeit ihrer Aussagen im Rahmen der Beweiswürdigung zu prüfen.
Nicht einschlägig ist sodann das vom Beschwerdeführer zitierte Urteil 6B_1342/
2017 vom 23. November 2018. Im genannten Fall ging es insbesondere darum, ob
die Zeugin gerichtlich erneut einzuvernehmen ist. Die gerichtliche Einvernahme
der Zeugin A._________ wurde vorliegend allerdings nicht beantragt.

Weiter macht der Beschwerdeführer geltend, es sei unmöglich, dass sich eine
60-jährige Polizistin während mehr als zehn Minuten eine komplexe Autonummer
merken könne. Vollkommen ausgeschlossen sei sodann, dass sie sich auch noch
mehrere Monate nach dem Vorfall daran erinnern könne. Die Zeugin hätte zudem zu
den weiteren Umständen des Vorfalls sowie zu den übrigen Insassen des Fahrzeugs
detaillierter befragt werden müssen. Auf die genannten Einwände sei die
Vorinstanz nicht eingegangen. Dem Beschwerdeführer kann auch hier nicht gefolgt
werden. Die Vorinstanz befasst sich eingehend mit sämtlichen Einwänden des
Beschwerdeführers. Sie hebt hervor, dass sich die Zeugin das Kennzeichen
notiert habe, weshalb sie dieses nicht lange im Gedächtnis habe behalten
müssen. Dass sich der Notizzettel nicht bei den Akten befindet, ist entgegen
den Behauptungen des Beschwerdeführers nicht entscheidend. Unzutreffend ist
zudem, dass die Zeugin keine genaueren Angaben zum Vorfall gemacht hat.
Anlässlich der Einvernahme vom 24. November 2017 beschrieb die Zeugin den
Vorfall vom 23. Januar 2017 ausführlich und detailliert. Bezüglich der
Fahrzeuginsassen gab sie an, das Auto sei relativ voll gewesen und es seien
noch Kinder im Fahrzeug gewesen. Dass die Zeugin nicht noch detailliertere
Angaben machte, erklärt die Vorinstanz plausibel mit dem Umstand, dass sie ihre
Aufmerksamkeit auf den Lenker des fraglichen Fahrzeugs und nicht auf die
Mitfahrer richtete. Es wäre dem Beschwerdeführer zudem freigestanden, der
Zeugin Ergänzungsfragen zu stellen. Indessen verliess er die Einvernahme vom
24. November 2017 vorzeitig, womit er auf sein Fragerecht verzichtete.

Der Beschwerdeführer bemängelt sodann, dass keine Fotowahlkonfrontatio n
durchgeführt wurde. Nachdem die Vorinstanz festhält, die Zeugin habe im Rahmen
der Nachbearbeitung des Falles im Fahrberechtigungsregister die notierte
Fahrzeugnummer nachgeschlagen und den Beschwerdeführer auf dem im System
gespeicherten Foto wiedererkannt, ist tatsächlich nicht ersichtlich, welcher
Beweiswert einer erst im Anschluss daran durchgeführten Wahlkonfrontation
zukäme. Im Grunde führt der Beschwerdeführer selber aus, dass eine
Konfrontation sinnlos ist, nachdem der Zeuge das Foto der beschuldigten Person
in einer Datenbank angeschaut hat. Die Tatsache, dass die Zeugin den
Beschwerdeführer in der Datenbank wiedererkannt hat bzw. diesen auch anlässlich
der Gegenüberstellung identifizieren konnte, stellt ohnehin nur ein Indiz im
Rahmen der Beweiswürdigung dar, welche als Ganzes zu würdigen ist. Dem
Beschwerdeführer gelingt es damit nicht, aufzuzeigen, inwiefern Bundesrecht
verletzt sein soll.

3.6. Hinsichtlich seiner eigenen Befragung rügt der Beschwerdeführer, ihm seien
unzulässige Suggestivfragen gestellt worden. Auch diese Kritik ist unbegründet.
Bei der Frage, ob sich der Beschwerdeführer an den Tag des Vorfalls erinnern
könne, handelt es sich offensichtlich nicht um eine Suggestivfrage. Vielmehr
wurde der Beschwerdeführer mit dem gegen ihn erhobenen Vorwurf konfrontiert.
Die Befragung wurde gemäss gängiger sowie zulässiger Praxis durchgeführt.

3.7. Ebenfalls unbegründet ist die Behauptung des Beschwerdeführers, er habe
die Vollständigkeit des Einvernahmeprotokolls nicht bestätigt, ergibt sich doch
aus den Akten eindeutig etwas anderes.

3.8. Zusammengefasst genügt die Beschwerde den gesetzlichen
Begründungsanforderungen (Art. 42 Abs. 2 BGG, Art. 106 Abs. 2 BGG) über weite
Strecken nicht. Im Übrigen ist weder dargetan noch ersichtlich, inwiefern das
angefochtene Urteil in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht fehlerhaft bzw.
bundesrechtswidrig sein soll.

4. 

Der Beschwerdeführer beantragt, das Verfahren sei gestützt auf Art. 8 StPO und
Art. 52 StGB einzustellen. Er begründet den Antrag allerdings mit keinem Wort,
weshalb darauf nicht einzugehen es. Es ist aber ohnehin nicht ersichtlich,
inwiefern Gründe für eine Strafbefreiung vorliegen sollten.

5. 

Die Beschwerde ist offensichtlich unbegründet und im Verfahren nach Art. 109
BGG abzuweisen, soweit darauf überhaupt eingetreten werden kann. Das Gesuch um
unentgeltliche Rechtspflege ist wegen Aussichtslosigkeit abzuweisen (Art. 64
Abs. 1 BGG). Die Gerichtskosten sind dem Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 66
Abs. 1 BGG). Seinen angespannten finanziellen Verhältnissen ist mit reduzierten
Gerichtskosten Rechnung zu tragen (Art. 65 Abs. 2 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 

Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.

2. 

Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen.

3. 

Dem Beschwerdeführer werden die Gerichtskosten von Fr. 1'200.-- auferlegt.

4. 

Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Zürich, I.
Strafkammer, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 14. August 2019

Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung

des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Denys

Die Gerichtsschreiberin: Schär