Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Strafrechtliche Abteilung, Beschwerde in Strafsachen 6B.493/2019
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Bundesgericht

Tribunal fédéral

Tribunale federale

Tribunal federal

               

6B_493/2019

Urteil vom 1. Juli 2019

Strafrechtliche Abteilung

Besetzung

Bundesrichter Denys, Präsident,

Bundesrichter Oberholzer,

Bundesrichterin Jametti,

Gerichtsschreiberin Arquint Hill.

Verfahrensbeteiligte

A.________,

vertreten durch Rechtsanwalt Max Auer,

Beschwerdeführer,

gegen

1. Staatsanwaltschaft des Kantons St. Gallen, Spisergasse 15, 9001 St. Gallen,

2. X.________,

vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Werner Ritter,

Beschwerdegegner.

Gegenstand

Verletzung des Amtsgeheimnisses; Willkür; Nichteintreten,

Beschwerde gegen den Entscheid des Kantonsgerichts St. Gallen, Strafkammer, vom
21. Januar 2019 (ST.2018.38-SK3).

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1. 

Dem Beschwerdegegner 2 wird vorgeworfen, in seiner Funktion als
Gemeindepräsident ein Schreiben des Gemeinderats B.________ vom 10. Juni 2015
einem unbeteiligten Dritten zugestellt und dadurch das Amtsgeheimnis verletzt
zu haben.

Die Einzelrichterin des Kreisgerichts Rheintal sprach den Beschwerdegegner 2
mit Urteil vom 15. Januar 2018 vom Vorwurf der Verletzung des Amtsgeheimnisses
frei. Die Verfahrensfahrenskosten wurden auf die Staatskasse genommen. Das
Begehren des Beschwerdeführers um Feststellung einer Schadenersatzpflicht dem
Grundsatz nach wurde auf den Zivilweg verwiesen.

Gegen dieses Urteil legte der Beschwerdeführer Berufung ein, welche das
Kantonsgericht St. Gallen am 21. Januar 2019 in Bestätigung des
kreisgerichtlichen Urteils abwies, soweit es darauf eintrat.

Der Beschwerdeführer wendet sich mit Beschwerde in Strafsachen an das
Bundesgericht.

2.

2.1. Zur Beschwerde in Strafsachen ist gemäss Art. 81 Abs. 1 BGG berechtigt,
wer (a.) vor der Vorinstanz am Verfahren teilgenommen hat oder keine
Möglichkeit zur Teilnahme erhalten hat; und (b.) ein rechtlich geschütztes
Interesse an der Aufhebung oder Änderung des angefochtenen Entscheids hat,
insbesondere (Ziff. 5) die Privatklägerschaft, wenn der angefochtene Entscheid
sich auf die Beurteilung ihrer Zivilansprüche auswirken kann.

2.2. Der Beschwerdeführer begründet seine Legitimation damit, dass er im
erstinstanzlichen Verfahren wie auch vor Vorinstanz Privatstrafkläger gewesen
sei. Er habe die Anklage vor Vorinstanz ohne die Staatsanwaltschaft vertreten.
Eine materiellrechtliche Beurteilung sei einzig aufgrund seiner Anträge erfolgt
(Beschwerde, S. 3 f.). Damit scheint sich der Beschwerdeführer der Sache nach
auf aArt. 81 Abs. 1 lit. b Ziff. 4 BGG berufen zu wollen. Diese Bestimmung sah
vor, dass die Privatstrafklägerschaft zur Beschwerde berechtigt war, wenn sie
nach dem kantonalen Recht die Anklage ohne Beteiligung des öffentlichen
Anklägers vertreten hatte. Indes wurde aArt. 81 Abs. 1 lit. b Ziff. 4 BGG, was
der Beschwerdeführer offenbar übersieht, mit dem Inkrafttreten der
eidgenössischen Strafprozessordnung aufgehoben, da diese das sog.
Privatstrafklageverfahren nicht kennt (siehe die Botschaft des Bundesrates vom
21. Dezember 2005 zur Vereinheitlichung des Strafprozessrechts, BBl 2006 1085
ff., 1336).

2.3. Massgebend für die Beschwerdelegitimation ist Art. 81 Abs. 1 lit. b Ziff.
5 BGG. Die Privatklägerschaft ist danach zur Beschwerde in Strafsachen
berechtigt, wenn der angefochtene Entscheid sich auf die Beurteilung ihrer
Zivilansprüche auswirken kann. Dies setzt voraus, dass die Privatklägerschaft,
soweit zumutbar und möglich, ihre Zivilansprüche im Strafverfahren geltend
gemacht hat. Als Zivilansprüche im Sinne von Art. 81 Abs. 1 lit. b Ziff. 5 BGG
gelten solche, die ihren Grund im Zivilrecht haben und deshalb
ordentlicherweise vor dem Zivilgericht durchgesetzt werden müssen. In erster
Linie handelt es sich um Ansprüche auf Schadenersatz und Genugtuung nach Art.
41 ff. OR. Nicht in diese Kategorie gehören Ansprüche, die sich aus
öffentlichem Recht ergeben. Öffentlich-rechtliche Ansprüche, auch solche aus
Staatshaftungsrecht, können nicht adhäsionsweise im Strafprozess geltend
gemacht werden und zählen nicht zu den Zivilansprüchen im Sinne von Art. 81
Abs. 1 lit. b Ziff. 5 BGG (BGE 131 I 455 E. 1.2.4 S. 461; 128 IV 188 E. 2.2 f.
S. 191 f.).

Der Beschwerdeführer bringt vor, er habe im erst- und vorinstanzlichen
Verfahren beantragt, den Beschwerdegegner 2 dem Grundsatz nach
schadenersatzpflichtig zu erklären. Seine Zivilansprüche habe er mit
erheblichen ausserprozessualen Anwaltskosten, ihm vorinstanzlich auferlegten
Verteidigerkosten des Beschwerdegegners 2 sowie Anwaltskosten für das
Ermächtigungsverfahren und die Vertretung vor erster Instanz im nicht gedeckten
Betrag begründet (Beschwerde, S. 4). Diese Positionen stellen indessen keinen
unmittelbar durch die angebliche Straftat verursachten Deliktsschaden dar und
begründen keine Geschädigtenstellung im Sinne von Art. 115 Abs. 1 StPO (Urteile
6B_1117/2017 vom 26. April 2018 E. 3, 6B_1036/2017 vom 27. November 2017 E. 3
sowie 6B_472/2017 vom 23. August 2017 E. 3).

Entscheidend ist vorliegend aber ohnehin, dass der Beschwerdeführer gegen den
angeblich fehlbaren Beschwerdegegner 2 in dessen Funktion als Gemeindepräsident
gar keine Zivilforderungen im Sinne von Art. 81 Abs. 1 lit. b Ziff. 5 BGG
geltend machen kann. Nach Art. 1 Abs. 1 des Verantwortlichkeitsgesetzes des
Kantons St. Gallen vom 7. Dezember 1959 (VG; sGS 161.1) haften der Staat, die
Gemeinden, die übrigen öffentlich-rechtlichen Körperschaften und die
öffentlich-rechtlichen Anstalten des kantonalen Rechtes für den Schaden, den
ihre Behörden und Angestellten in Ausübung dienstlicher Verrichtungen Dritten
widerrechtlich zufügen. Nach Art. 1 Abs. 3 VG/SG kann der Geschädigte
Behördemitglieder und Angestellte nicht unmittelbar belangen. Allfällige
Schadenersatzansprüche des Beschwerdeführers gegen den Beschwerdegegner 2
beurteilen sich mithin allein nach dem kantonalen Verantwortlichkeitsgesetz und
sind öffentlich-rechtlicher Natur. Der vom Beschwerdeführer erhobene
strafrechtliche Vorwurf kann sich daher allenfalls auf Staatshaftungsansprüche,
nicht aber auf Zivilansprüche im Sinne von Art. 81 Abs. 1 Ziff. 5 lit. b BGG
auswirken.

2.4. Auch soweit der Beschwerdeführer aus Art. 8 EMRK i.V.m. Art. 81 Abs. 1
lit. b Ziff. 5 BGG eine Beschwerdelegitimation ableiten will (Beschwerde, S 4),
kann ihm nicht gefolgt werden. Zum einen ist nicht dargetan, inwieweit der
Freispruch des Beschwerdegegners 2 einen staatlichen Eingriff in das geschützte
Recht auf Achtung des Privatlebens darstellen soll (vgl. Art. 106 Abs. 2 BGG).
Zum anderen verkennt der Beschwerdeführer, dass die Frage einer Verletzung von
Art. 8 EMRK eine Überprüfung in der Sache darstellen würde, für die es aber
gerade an der Legitimation nach Art. 81 Abs. 1 lit. b Ziff. 5 BGG fehlt. Das
bundesgerichtliche Beschwerdeverfahren und damit auch die Frage der
Legitimation zur Beschwerde in Strafsachen richten sich nach den Vorschriften
des BGG und der diesbezüglichen Rechtsprechung. Art. 8 EMRK vermittelt im
bundesgerichtlichen Beschwerdeverfahren keine darüber hinausgehende
Legitimation zur Erhebung von Rügen materieller Natur (vgl. Urteile 6B_996/2018
vom 31. Oktober 2018 E. 3.2 und 6B_96/2019 vom 7. Juni 2019 E. 2.1).

Der Beschwerdeführer ist in der Sache folglich nicht zur Beschwerde in
Strafsachen legitimiert.

3. 

Unbesehen der fehlenden Legitimation in der Sache könnte er vor Bundesgericht
rügen, im kantonalen Verfahren in seinen Parteirechten verletzt worden zu sein.
Allerdings kann auf diesem Weg keine indirekte Überprüfung des Entscheids in
der Sache erlangt werden. Ein in der Sache nicht legitimierter Beschwerdeführer
kann deshalb weder die Beweiswürdigung kritisieren noch kann er geltend machen,
die Begründung sei materiell unzutreffend, unvollständig oder zu wenig
differenziert ausgefallen oder habe sich nicht mit sämtlichen von der Partei
vorgetragenen Argumenten auseinandergesetzt. Ebenso wenig ist der Vorwurf zu
hören, Beweisanträge seien wegen willkürlicher antizipierter Beweiswürdigung
abgelehnt worden. Er kann aber rügen, auf ein Rechtsmittel sei zu Unrecht nicht
eingetreten worden, er sei nicht angehört worden, habe keine Gelegenheit zur
Stellung von Beweisanträgen erhalten oder keine Einsicht in die Akten nehmen
können (sog. "Star-Praxis"; BGE 141 IV 1 E. 1.1 mit Hinweisen).

Der Beschwerdeführer führt aus, er habe den Beizug des E-Mail-Verkehrs der
Gemeinde B.________ aus der Zeit vom 1. März 2014 bis 31. Mai 2015 bezüglich im
Verfahren relevanter Personen bzw. die Edition dieser E-Mails durch den für den
Gemeindeserver Verantwortlichen beantragt. Das Kantonsgericht habe diesen
Antrag mangels Relevanz abgelehnt, wobei es sich in seiner Begründung auf den
vorhandenen (und als unvollständig gerügten) E-Mail-Verkehr abstütze. Die
Nichtabnahme des Beweismittels verletze seinen Gehöranspruch nach Art. 29 Abs.
2 BV.

Indessen erhebt der Beschwerdeführer damit keine formelle Rüge, deren
Beurteilung von der Sache selbst getrennt werden könnte. Sein Vorbringen zielt
vielmehr auf eine materielle Überprüfung des angefochtenen Entscheids ab, was
unzulässig ist.

4. 

Auf die Beschwerde ist im Verfahren nach Art. 109 BGG nicht einzutreten.
Ausgangsgemäss sind die Gerichtskosten dem Beschwerdeführer aufzuerlegen. In
Berücksichtigung des relativ geringen Aufwands ist eine reduzierte
Entscheidgebühr angemessen. Dem Beschwerdegegner 2 ist keine Entschädigung
zuzusprechen, da ihm im bundesgerichtlichen Verfahren keine Umtriebe entstanden
sind.

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 

Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten.

2. 

Die Gerichtskosten von Fr. 1'500.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

3. 

Dieses Urteil wird den Parteien und dem Kantonsgericht St. Gallen, Strafkammer,
schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 1. Juli 2019

Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung

des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Denys

Die Gerichtsschreiberin: Arquint Hill