Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Strafrechtliche Abteilung, Beschwerde in Strafsachen 6B.48/2019
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Bundesgericht

Tribunal fédéral

Tribunale federale

Tribunal federal

               

6B_48/2019

Urteil vom 9. August 2019

Strafrechtliche Abteilung

Besetzung

Bundesrichter Denys, Präsident,

Bundesrichter Oberholzer,

Bundesrichter Rüedi,

Gerichtsschreiber Briw.

Verfahrensbeteiligte

Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich, Florhofgasse 2, 8090 Zürich,

Beschwerdeführerin,

gegen

X.________,

Beschwerdegegnerin.

Gegenstand

Landesverweisung und EMRK sowie FZA,

Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich, II.
Strafkammer, vom 23. Oktober 2018 (SB180239-O/U/ad).

Sachverhalt:

A. 

X.________ war vom Bezirksgericht Zürich am 23. April 2010 wegen qualifizierter
Widerhandlung gegen aArt. 19 Ziff. 1 Abs. 4 und 5 i.V.m. aArt. 19 Ziff. 2 lit.
a Betäubungsmittelgesetz (BetmG) zu einer bedingten Freiheitsstrafe von 22
Monaten verurteilt worden.

B. 

Das Bezirksgericht Zürich verurteilte X.________ am 7. März 2018 wegen
qualifizierter Widerhandlung gegen Art. 19 Abs. 1 lit. c, d und g i.V.m. Art.
19 Abs. 2 lit. a BetmG zu 20 Monaten Freiheitsstrafe (wovon 2 Tage durch Haft
erstanden waren), unter Aufschub des Vollzugs der Freiheitsstrafe mit einer
Probezeit von 4 Jahren. Es sah von einer Landesverweisung ab.

Die Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich beantragte mit Berufung eine härtere
Bestrafung und die Anordnung der Landesverweisung. X.________ beantragte mit
Anschlussberufung eine Freiheitsstrafe von 16 Monaten.

Das Obergericht des Kantons Zürich stellte am 23. Oktober 2018 die Rechtskraft
des Schuldspruchs fest und bestrafte X.________ mit einer Freiheitsstrafe von
24 Monaten (wovon 2 Tage durch Haft erstanden sind), unter Aufschub des
Vollzugs der Freiheitsstrafe mit einer Probezeit von 4 Jahren. Es sah von einer
Landesverweisung im Sinne von Art. 66a Abs. 1 lit. o StGB ab (Ziff. 3 des
Dispositivs).

C. 

Die Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich beantragt mit Beschwerde in
Strafsachen, die Ziff. 3 des vorinstanzlichen Dispositivs aufzuheben und die
Landesverweisung anzuordnen oder eventualiter die Sache zur neuen Beurteilung
an die Vorinstanz zurückzuweisen.

Erwägungen:

1. 

Die Oberstaatsanwaltschaft (Beschwerdeführerin) ist ohne weiteres und
grundsätzlich ohne Einschränkungen zur Beschwerde berechtigt (Art. 81 Abs. 1
lit. a und lit. b Ziff. 3; BGE 145 IV 65 E. 1.2 S. 68).

2.

2.1. Die Beschwerdeführerin rügt, das Absehen von einer Landesverweisung
verletze Bundes- und Völkerrecht. Die Vorinstanz habe in der Gesamtbetrachtung
den schweren persönlichen Härtefall verneint und die Abwägung der öffentlichen
Interessen nicht vorgenommen. Angesichts des verneinten Härtefalls sei auch
kein Eingriff von einer gewissen Tragweite in den Anspruch auf das in Art. 13
BV und Art. 8 EMRK gewährleistete Privat- und Familienleben anzunehmen. Die
Vorinstanz beschränke den Schutzbereich ausschliesslich auf den unmündigen Sohn
und dessen Lehre. Ein Eingriff wäre aber im Sinne von Art. 8 Ziff. 2 EMRK zu
prüfen gewesen.

Die Vorinstanz erwäge mit dem Argument, für den minderjährigen Sohn (der in ca.
eineinhalb Jahren volljährig werde) zeichne sich ohne die Beschwerdegegnerin
keine tragbare Alternative für die Lehre ab, nicht, dass diese selber auf
Sozialhilfe angewiesen sei, dem Sohn von der KESB Unterstützung und generell
Betreuung zukäme und dieser mit den beiden älteren Geschwistern weiterhin über
Familie und persönliche Unterstützung verfüge. Wie die Beschwerdegegnerin
angesichts ihrer persönlichen Verhältnisse die familiäre Hilfe bieten sollte,
erscheine eher unverständlich und vermöge eine tatsächlich gelebte familiäre
Beziehung nur dürftig zu erläutern. Das Familienleben sei nur am Rande
tangiert.

Das auf die Umstände der bedingten Strafe und die achtzehnjährige Anwesenheit
in der Schweiz gestützte Argument kontrastiere mit den Tatsachen der fehlenden
Integration, der Angewiesenheit auf Sozialhilfe, der problematischen
beruflichen Situation, der erneuten qualifizierten Drogendelinquenz, der
Zweckentfremdung der Familienwohnung in eine gewinnbringende Kokainfiliale. Die
privaten Interessen, zumal keine überwiegenden Interessen des Familienlebens
nachhaltig betroffen oder auszumachen seien, könnten die öffentlichen
Interessen an der Landesverweisung nicht überwiegen. Auch die Praxis des EGMR
sei bezüglich Betm-Delinquenz rigoros (Urteil 6B_659/2018 vom 20. September
2018 E. 3.4).

2.2. Die Vorinstanz weist bezüglich des Anlassdelikts auf den anwendbaren
ordentlichen Strafrahmen beim qualifizierten Drogenhandel von nicht unter 1 bis
20 Jahren Freiheitsstrafe hin (Art. 19 Abs. 2 lit. a BetmG). Die
Beschwerdegegnerin habe innert 3 Monaten 40,2 g reines Kokain verkauft. Bei
ihrer Verhaftung seien zudem netto 42,4 g reines Kokain sichergestellt worden.
Damit sei der Grenzwert für den qualifizierten Fall von 18 g Kokain (BGE 109 IV
143) erheblich überschritten. Sie hätte jederzeit auch grössere Mengen
beschaffen können und habe innert kürzester Zeit in ihrer Wohnung, die sie
zusammen mit ihren beiden Söhnen bewohnte, und wo sie zeitweise das knapp
zweijährige Enkelkind betreut habe, eine kleine Kokainfiliale aufgebaut. Sie
habe als nicht süchtige Verkäuferin in selbständiger Stellung gedealt und ein
monatliches Zusatzeinkommen von 1'000 Franken verdient. Sie sei langjährig vom
Sozialamt finanziell unterstützt worden und nicht in einer eigentlichen Notlage
gewesen.

Die Vorstrafe (oben Sachverhalt A) wirke sich erheblich straferhöhend aus, auch
wenn sie bereits acht Jahre zurückliege. Das positive Nachtatverhalten könne zu
einer Strafreduktion bis zu einem Drittel führen. Die Beschwerdegegnerin sei
geständig gewesen, habe aber ihre Lieferanten nicht preisgegeben. Sie habe sich
einsichtig und reuig gezeigt, doch zeuge die erneute Delinquenz von einer
gewissen Unbelehrbarkeit. Ihr strafminderndes Nachtatverhalten sei nicht
stärker zu gewichten als die Vorstrafe.

Ihre gesundheitliche und wirtschaftliche Situation habe sich verbessert. Sie
arbeite stundenweise als Reinigungskraft. Ihr sei trotz namhafter
Rückfallgefahr nicht eine eindeutig schlechte Prognose zu stellen.

2.3. Zur Landesverweisung führt die Vorinstanz aus:

2.3.1. Der Gesetzgeber habe das Ermessen eingeschränkt, doch könne das Gericht
bei Bejahung eines Härtefalls im Sinne von Art. 66a Abs. 2 StGB von einer
Landesverweisung absehen. Die genaue Tragweite der Härtefallklausel sei
letztlich unklar und vom Gericht nach bestem Wissen und Gewissen auszulegen.
Jedoch werde der rigoros formulierte Automatismus des Abs. 1 durch die
Härtefallklausel des Abs. 2 wohl in dem Sinne relativiert, dass die
Landesverweisung zwar nicht zwingend verhältnismässig sein müsse, aber auch
nicht (krass) unverhältnismässig sein solle. Die relevanten "privaten
Interessen" schienen in erster Linie anhand des Ausmasses der persönlichen
Beziehungen bzw. Bindungen zur Schweiz bzw. zu den hier lebenden Personen zu
bestimmen zu sein, worauf auch die explizite Erwähnung der "besonderen
Situation" von sogenannten "Secundos" hindeute.

Als konkrete Härtefallgründe fielen insbesondere die Anwesenheitsdauer, die
familiären Verhältnisse, die Arbeits- und Ausbildungssituation, die soziale und
kulturelle Beziehung zur Schweiz (der Grad der Integration), die Beziehungen
zum Heimat- bzw. Zielland und die dortigen Wiedereingliederungsaussichten in
Betracht. Diese privaten Interessen seien dem öffentlichen Sicherheitsinteresse
an einer Landesverweisung gegenüberzustellen. Nur wenn das private Interesse
überwiege, sei ausnahmsweise von der obligatorischen Landesverweisung
abzusehen.

2.3.2. Wie die Vorinstanz feststellt, war die Beschwerdegegnerin 1976 in der
Dominikanischen Republik geboren und dort mit ihrer Mutter und ihren zwei
Brüdern aufgewachsen. Im Jahre 2000 reiste sie in die Schweiz ein und war in
den Jahren 2001 bis 2007 bei Reinigungsfirmen tätig und zwischenzeitlich auf
Sozialhilfe angewiesen. Danach übernahm sie die Wäscherei ihres Ex-Gatten,
musste aber aus finanziellen Gründen aufgeben. Ab 2009 bis 2017 arbeitete sie
teilzeitlich in Reinigungsunternehmen. Nach Entlassung aus der
Untersuchungshaft am 31. Mai 2017 erkrankte sie und konnte wieder Lohnarbeit
aufnehmen. Sie und ihr jüngster Sohn werden vom Sozialamt unterstützt.

Sie hat drei Kinder der Jahrgänge 1996 und 1998 sowie 2002. Die beiden älteren
Kinder sind vorehelicher Geburt. Sie war zweimal verheiratet. Sie liess sich
2006 von ihrem italienischen Ehemann scheiden. Sie heiratete 2008 einen
dominikanischen Staatsangehörigen (der Vater des gemeinsamen jüngsten Sohnes),
von dem sie seit 2016 getrennt lebt und der sich in der Dominikanischen
Republik von ihr habe scheiden lassen (Urteil S. 17). Die beiden Väter der
Kinder leben in Santo Domingo, haben keinen Kontakt zu den Kindern und leisten
keine Unterhaltszahlungen. Für den jüngsten Sohn werden die Alimente
bevorschusst. Die beiden älteren Kinder kamen 2005 10- und 17-jährig in die
Schweiz, das jüngste ist 2002 in der Schweiz geboren. Die ledige Tochter lebt
mit ihrem zweijährigen Kind in einer eigenen Wohnung und befindet sich in
Ausbildung; die Beschwerdegegnerin holt das Kind täglich von der Krippe ab. Der
ältere Sohn schloss erfolgreich eine Lehre ab, lebt in einer eigenen Wohnung
und ist auf Arbeitssuche; er wird vom Sozialamt unterstützt. Nur der jüngste
Sohn lebt bei der Beschwerdegegnerin; er begann 2018 eine Lehre.

Die Beschwerdegegnerin besitzt die Staatsangehörigkeit der dominikanischen
Republik und aufgrund der Heirat mit dem Italiener auch jene von Italien; sie
hat die Aufenthaltsbewilligung C (Urteil S. 11, 18). Ihre Kinder sind im Besitz
der Aufenthaltsbewilligung C. Der jüngste Sohn wird in einem Monat den
Schweizer Pass erhalten (Urteil S. 20). Die Eltern der Beschwerdegegnerin sind
verstorben. Die beiden Brüder leben in der Dominikanischen Republik. Abgesehen
von diesen hat sie keine Beziehungen zur Dominikanischen Republik.

2.3.3. Wie die Vorinstanz weiter ausführt, ist die Beschwerdegegnerin in der
Schweiz nicht gut integriert und weist ausserhalb der Kernfamilie keine
besonderen Beziehungen zur Schweiz auf. Sie kann nicht Deutsch. Ihre berufliche
Situation ist prekär. Der gut achtzehnjährige Aufenthalt in der Schweiz sei
aber lebensprägend.

Eine Landesverweisung würde sich auf die Familie auswirken. Der Härtefall müsse
sich zwar bei der betroffenen Person auswirken, der Kontakt zum minderjährigen
Sohn würde aber deutlich eingeschränkt. Er sei auf die Beschwerdegegnerin
angewiesen. Diesbezüglich sei eine Härte sicherlich zu bejahen, ein schwerer
persönlicher Härtefall liege indes nicht vor (Urteil S. 19).

Eine Landesverweisung sei nur zulässig, wenn sie mit den Grund- und
Menschenrechten und insbesondere mit Art. 8 EMRK zu vereinbaren sei. Die
Ausweisung aus einem Land, in welchem nahe Verwandte wohnten, könne einen
Eingriff darstellen (Urteil 6B_506/2017 vom 14. Februar 2018 E. 2.2 mit Hinweis
auf die dort zitierten Urteile des EGMR in Sachen Hasanbasic c. Suisse, Salija
c. Suisse und Üner c. Niederlande). Eine Landesverweisung würde wegen der drei
Kinder den Schutzbereich von Art. 8 EMRK tangieren. Für den jüngsten Sohn
zeichne sich keine tragbare Alternative ab, um seine Lehre erfolgreich
weiterzuführen. Seine einzigen familiären Bezugspersonen blieben sein älterer
Bruder, der arbeitslos sei, und seine Schwester mit dem zweijährigen Kind, die
in Ausbildung sei.

Es seien daher die öffentlichen Interessen an der Ausweisung unter dem Titel
von Art. 8 Ziff. 2 EMRK zu prüfen. Angesichts des Betm-Delikts und der
einschlägigen Vorstrafe bestehe durchaus ein öffentliches Interesse an der
Landesverweisung. Allerdings sei ihr Nachtatverhalten positiv zu würdigen; auch
die Beschwerdeführerin habe eine bedingte Strafe beantragt, welche die
Abwesenheit einer Schlechtprognose voraussetze. Die Beschwerdegegnerin habe
acht Jahre deliktfrei gelebt. Bei weiterer Delinquenz könnte sie sich aller
Voraussicht nach nicht auf den Härtefall berufen, so dass sie ein grosses
Interesse habe, nicht mehr straffällig zu werden. Das öffentliche Interesse
vermöge somit den Eingriff in den Anspruch auf Achtung ihres Familienlebens
nicht zu rechtfertigen. Ob sie sich auf das Freizügigkeitsabkommen (FZA)
berufen könne, könne offenbleiben.

2.4.

2.4.1. Bei Straftaten gegen das BetmG hat sich das Bundesgericht hinsichtlich
der Ausweisung zwecks Verhinderung neuer Straftaten zur Gewährleistung der
öffentlichen Sicherheit stets besonders streng gezeigt ("sempre mostrato
particolarmente rigoroso"); diese Strenge bekräftigte der Gesetzgeber mit Art.
66a Abs. 1 lit. o StGB (Urteil 6B_371/2018 vom 21. August 2018 E. 3.3).
"Drogenhandel" führt von Verfassungs wegen in der Regel zur Landesverweisung
(Art. 121 Abs. 3 lit. a BV; Urteile 6B_680/2018 vom 19. September 2018 E. 1.4,
6B_659/2018 vom 20. September 2018 E. 3.4, 6B_1079/2018 vom 14. Dezember 2018
E. 1.4.2, 6B_378/2018 vom 22. Mai 2019 E. 2.2 sowie Urteil 6B_594/2019 vom 4.
Juli 2019 E. 2.3 mit Hinweisen zur diesbezüglichen Rechtsprechung des EGMR).

Für die Beschwerdegegnerin ist angesichts ihrer erneuten qualifizierten
Betm-Delinquenz eine obligatorische Landesverweisung gemäss Art. 66a Abs. 1
lit. o StGB in Betracht zu ziehen. Die Vorinstanz verneint den "schweren
persönlichen Härtefall" im Sinne von Art. 66a Abs. 2 StGB. Die Härtefallklausel
ist nach Intention und Gesetzeswortlaut restriktiv ("in modo restrittivo")
anzuwenden. Ein Härtefall lässt sich erst bei einem Eingriff von einer gewissen
Tragweite ("di una certa porta") in den Anspruch des Ausländers auf das in Art.
13 BV und Art. 8 EMRK gewährleistete Privat- und Familienleben annehmen (Urteil
6B_378/2018 vom 22. Mai 2019 E. 2.2 mit Hinweis auf Urteil 6B_371/2018 vom 21.
August 2018 E. 2.5; zur Härtefallklausel BGE 144 IV 332 E. 3.3 ff. S. 339 ff.
und Urteil 6B_627/2018 vom 22. März 2019 E. 1.3).

2.4.2. Ob eine Landesverweisung anzuordnen ist, bestimmt sich nach dem
Schweizer Recht. Ist nach dem massgebenden Recht eine Landesverweisung
anzuordnen, stellt sich gegebenenfalls die weitere Frage, ob sie im Sinne von
Art. 66d StGB aufzuschieben ist oder ob ein völkerrechtlicher Vertrag wie das
FZA (die Kriterien der EMRK werden regelmässig bereits bei der
Härtefallbeurteilung zu prüfen sein) einen Hinderungsgrund für die
Landesverweisung bildet (Urteile 6B_378/2018 vom 22. Mai 2019 E. 2.1 und 6B_907
/2018 vom 23. November 2018 E. 2.4.2).

Nach diesem Gesamtkontext der für die Landesverweisung massgebenden
Rechtsordnung ist davon auszugehen, dass trotz des rigiden Gesetzeswortlauts
von Art. 66a StGB eine individuelle Einzelfallbeurteilung vorzunehmen ist
(Urteil 6B_378/2018 vom 22. Mai 2019 E. 2.1). Die Einzelfallbeurteilung ergibt
sich zwingend sowohl bei der Anwendung der Rechtsprechung des EGMR zu Art. 8
EMRK (unten E. 2.5) als auch nach der zu berücksichtigenden Rechtsprechung des
EuGH bei Staatsangehörigen der Mitgliedstaaten der EU (unten E. 2.8). Der
individuelle Rechtsschutz in Strafsachen ist durch Verfassung und Gesetz
gewährleistet (Art. 29a BV; Art. 81 BGG).

2.4.3. Bundesgesetze und Völkerrecht sind für das Bundesgericht und die andern
rechtsanwendenden Behörden massgebend (Art. 190 BV). Ohne dass dies in der BV
eigens festgeschrieben ist, zählt die BV zu diesem massgebenden Recht und damit
der fundamentale Grundsatz der Verhältnismässigkeit staatlichen Handelns (Art.
5 Abs. 2 BV), der durch die blosse Zustimmung zur "Ausschaffungsinitiative"
nicht ausser Kraft gesetzt wurde (BGE 145 IV 55 E. 3.4 S. 60). Bund und Kantone
haben gemäss Art. 5 Abs. 4 BV das Völkerrecht zu beachten.

Im Anwendungsbereich des Strafrechts und damit der Landesverweisung sind das
Legalitätsprinzip des Art. 1 StGB (lex scripta, certa, praevia) sowie die
massgebenden Auslegungsgrundsätze zu beachten, nach denen vom Wortlaut der
anzuwendenden Norm auszugehen ist (zur Publikation bestimmtes Urteil 6B_378/
2018 vom 22. Mai 2018 E. 3.3). Nach dem Wiener Übereinkommen vom 23. Mai 1969
über das Recht der Verträge [VRK; SR 0.111]) ist ein Vertrag nach Treu und
Glauben in Übereinstimmung mit der gewöhnlichen, seinen Bestimmungen in ihrem
Zusammenhang zukommenden Bedeutung und im Lichte seines Zieles und Zweckes
auszulegen (Art. 31 Ziff. 1 VRK). Ausgangspunkt bildet der Wortlaut des
völkerrechtlichen Vertrags (zur Publikation bestimmtes Urteil 6B_378/2018 vom
22. Mai 2018 E. 3.4.2).

2.5. Die Landesverweisung ist eine eigenständige strafrechtliche Massnahme ohne
jede migrationsrechtliche Komponente. Nach der Rechtsprechung bietet es sich
dennoch an, zur kriteriengeleiteten Prüfung des Härtefalls im Sinne von Art.
66a Abs. 2 StGB den Kriterienkatalog der Bestimmung über den "schwerwiegenden
persönlichen Härtefall" in Art. 31 Abs. 1 der Verordnung über Zulassung,
Aufenthalt und Erwerbstätigkeit vom 24. Oktober 2007 (VZAE; SR 142.201, in der
Fassung vom 1. Juni 2019) heranzuziehen (Urteil 6B_627/2018 vom 22. März 2019
E. 1.3.5 mit Hinweis auf BGE 144 IV 332 E. 3.3.2 S. 340 f.und das Urteil 6B_371
/2018 vom 21. August 2018 E. 2.4, 2.5, ferner u.a. Urteil 6B_143/2019 vom 6.
März 2019 E. 3.3.1). Primär aber ist die Rechtsprechung des EGMR zu beachten.

In einem jüngsten Urteil in Sachen I.M. c. Suisse vom 9. April 2019 (Req. 23887
/16) räumt der EGMR den nationalen Behörden bei Beurteilung einer Ausweisung
wohl ein gewisses Ermessen ein, erkennt jedoch Art. 8 EMRK wegen
oberflächlicher Prüfung als verletzt ("a effectué un examen superficiel"; Ziff.
78 sowie die "Opinion concordante"). Die Beschwerde gegen die Ausweisung des
Kosovaren war bundesgerichtlich am 18. April 2006 abgewiesen (Ziff. 11) und an
diesem Datum gemäss Art. 61 BGG rechtskräftig geworden (die EMRK-Beschwerde
richtete sich gegen einen nachträglichen Entscheid).

Der EGMR betrachtet die EMRK als "living instrument" und legt sie "autonom" aus
(FROWEIN/PEUKERT, Europäische Menschenrechtskonvention, 3. Aufl. 2009, S. 5 und
6). Es handelt sich hierbei um eine "dynamique plus ou moins affirmée
d'autonomisation", die völkerrechtlich unter dem Titel der "comptences
implicites" diskutiert wird (DUPUY/ KERBRAT, Droit international public, 14.
Aufl. 2018, Rzz. 26 [S. 21], 174). Entsprechend entwickelt der EGMR
eigenständig Kriterien, die für eine Landesverweisung beachtlich sind. Das
Bundesgericht legt das Landesrecht seit jeher konventionsfreundlich aus und
muss angesichts der für die Schweiz (monistisch) unmittelbar anwendbaren
Konvention bei der Landesverweisung die Kriterien dieser konventionsrechtlichen
Rechtsprechung beachten. Es hat die im Gesetzgebungsprozess ausführlich
debattierte Normierung von Art. 66a ff. StGB (BGE 145 IV 55 E. 3.4 S. 60 sowie
zur Publikation vorgesehenes Urteil 6B_378/2018 vom 22. Mai 2019 E. 3.2) im
Rahmen des massgebenden Bundesrechts (Art. 95 lit. a und b BGG) möglichst
kollisionsfrei in der Anwendung auszutarieren.

Der EGMR anerkennt das Recht der Staaten, die Einwanderung und den Aufenthalt
von Nicht-Staatsangehörigen auf ihrem Territorium zu regeln (Urteil 6B_627/2018
vom 22. März 2019 E. 1.4 mit Hinweis auf BGE 144 I 266 E. 3.2 S. 272). Die
Staaten sind berechtigt, Delinquenten auszuweisen; berührt die Ausweisung indes
Gewährleistungen von Art. 8 Ziff. 1 EMRK, ist der Eingriff nach Art. 8 Ziff. 2
EMRK zu rechtfertigen (Urteil in Sachen I.M. c. Suisse, Ziff. 68). Nach diesem
Urteil haben sich die nationalen Instanzen von den im Urteil Üner c.
Niederlande vom 18. Oktober 2006 (Req. 46410/99) resümierten Kriterien leiten
zu lassen:

1. der Natur und Schwere der Straftat (la nature et la gravité de l'infraction
commise par le requérant);

2. der Dauer des Aufenthalts im ausweisenden Staat (la durée du séjour de
l'intéressé dans le pays dont il doit être expulsé);

3. die seit der Straftat abgelaufene Zeit und das Verhalten während dieser Zeit
(le laps de temps qui s'est écoulé depuis l'infraction, et la conduite du
requérant pendant cette période);

4. die Nationalität der betroffenen Personen (la nationalité des divers
personnes concernées);

5. seine familiäre Situation, die Dauer seiner Ehe, und andere Umstände, die
ein tatsächliches Familienleben des Paares bezeugen (la situation familiale du
requérant, et notamment, le cas échéant, la durée de son mariage, et d'autres
facteurs témoignant de l'effectivité d'une vie familiale au sein d'un couple);

6. ob der Ehepartner bei der Familiengründung von der Straftat Kenntnis hatte
(la question de savoir si le conjoint avait connaissance de l'infraction à
l'époque de la création de la relation familiale);

7. ob in der Ehe Kinder geboren wurden und deren Alter (la question de savoir
si des enfants sont issus du mariage et, dans ce cas, leur âge);

8. die Schwere der vom Ehepartner im Zielland anzutreffenden Schwierigkeiten
(la gravité des difficultés que le conjoint risque de rencontrer dans le pays
vers lequel le requérant doit être éxpulsé);

9. das Interesse und das Wohl der Kinder, insbesondere die Schwere der von den
Kindern im Zielland anzutreffenden Schwierigkeiten (l'intérêt et le bien-être
des enfants, en particulier la gravité des difficultés que les enfants du
requérant sont suceptibles de rencontrer dans le pays vers lequel l'intérêssé
doit être éxpulsé);

10. die Solidität der sozialen, kulturellen und familiären Bindungen mit dem
Gastland und mit dem Zielland (la solidité des liens sociaux, culturels et
familiaux avec le pays hôte et avec le pays de destination) (Ziff. 69).

11. In Rechnung gestellt werden müssen ebenfalls die besonderen Umstände des
Einzelfalls, beispielsweise die medizinischen Umstände oder die temporäre oder
definitive Natur des Landesverbots (Doivent également être prises en compte, le
cas échéant, les circonstances particulières entourant le cas d'espèce, comme
par exemple les éléments d'ordre médical ou la nature temporaire ou définitive
de l'interdiction de territoire) (Ziff. 70).

12. Die Gerichte müssen ihre Entscheide in hinreichend genauer Weise begründen
("les juridictions internes doivent motiver leurs décisions de manière
suffisamment circonstanciée"; Ziff. 72).

Die EMRK verpflichtet, Entscheide zu motivieren, wobei es auf den Einzelfall
ankommt, doch lasse sich Art. 6 Ziff. 1 EMRK nicht in der Weise auslegen, dass
eine detaillierte Antwort auf jedes Argument gefordert würde ("comme exigeant
une réponse détaillée à chaque argument"; Urteil Mäder c. Suisse vom 8.
Dezember 2015, Nr. 6232/09 und 21261/10, Ziff. 75, 77; Urteil 6B_150/2019 vom
19. Juni 2019 E. 2.4.5).

2.6. Die Beschwerdevorbringen erweisen sich als begründet. Darauf ist zu
verweisen (oben E. 2.1).

Die vorinstanzliche Motivation entbehrt der effektiven bundesrechtskonformen
Prüfung der Voraussetzungen sowohl von Art. 66a StGB als auch jener unter dem
Titel von Art. 8 EMRK, wobei diesbezüglich auf die Kriterien zwar hingewiesen
wird (oben E. 2.3.1), aber eine strukturierte Auseinandersetzung unterbleibt.

Nach der neueren ausländerrechtlichen Rechtsprechung ist nach rund zehnjähriger
rechtmässiger Aufenthaltsdauer regelmässig davon auszugehen, dass die sozialen
Beziehungen "in diesem Land so eng geworden sind, dass es für eine
Aufenthaltsbeendigung besonderer Gründe bedarf; im Einzelfall kann es sich
freilich anders verhalten und die Integration zu wünschen übrig lassen" (BGE
144 I 266 E. 3.9 S. 278; Urteil 6B_627/2018 vom 22. März 2019 E. 1.4). Die
Vorinstanz kann trotz des achtzehnjährigen Aufenthalts keine Integration der
Beschwerdegegnerin feststellen. Sie verneint den ausnahmsweisen Härtefall und
bejaht das öffentliche Interesse an der Landesverweisung. Sie lässt aber das
Nachtatverhalten und die Kriterien des bedingten Strafvollzugs positiv
überwiegen, obwohl sie die einschlägige Vorstrafe betont, eine gewisse
Unbelehrbarkeit und eine namhafte Rückfallgefahr feststellt und für eine
positive Legalprognose lediglich auf das Eigeninteresse verweisen kann. Wie die
Beschwerdeführerin darlegt, sieht die Vorinstanz den Schutzbereich des Art. 8
Abs. 1 EMRK lediglich bezüglich eines Lehrabschlusses des im Urteilszeitpunkt
unmündigen Sohnes tangiert.

Es ist der Vorinstanz einzuräumen, dass "eine Härte sicherlich zu bejahen" ist
(oben E. 2.3.3). Die Landesverweisung wird überwiegend eine Härte bewirken. Sie
ist denn auch eine strafrechtliche Massnahme, die nach der Zielsetzung des
Gesetzgebers primär als sichernde Massnahme zu verstehen ist (Urteil 6B_627/
2018 vom 22. März 2019 E. 1.3.2). Ihre causa liegt in der Delinquenz der
betroffenen Person selber. Ein langjähriger Aufenthalt in der Schweiz oder
familiäre oder private Verhältnisse bilden keinen Freipass für Straftaten,
namentlich qualifizierte Betm-Delinquenz.

Die Vorinstanz entschied ersichtlich unter dem Eindruck, dass die
Beschwerdegegnerin von den Ehegatten und Vätern ihrer drei Kinder im Stich
gelassen wurde. Anders als diese sorgte sie unter schwierigen Umständen für die
Kinder und ging im ihr zugänglichen harten Arbeitsfeld nach ihren persönlichen
Möglichkeiten der Erwerbstätigkeit nach. Strafrechtlich ist jedoch relevant,
dass sie sich im Kontrast zu diesem Bemühen erneut der qualifizierten
Drogendelinquenz schuldig machte und damit die Bereitschaft manifestierte, die
Gesundheit vieler Menschen sowie die öffentliche Ordnung zu gefährden (vgl.
Urteil 6B_378/2018 vom 22. Mai 2019 E. 4.5). Sie installierte zu diesem Zweck
eigens in ihrer Familienwohnung eine "Drogenfiliale" zur Lagerung und
Aufbereitung der beschafften Drogen für den kriminellen Absatz. Sie
organisierte sich mithin, um den Drogenhandel effizienter zu betreiben.
Angesichts dessen auf eine Landesverweisung zu verzichten, bedarf der
stringenten Begründung. 

2.7. Im Urteilszeitpunkt war die strafrechtliche Landesverweisung noch wenig
geklärt. Die inzwischen ergangene Rechtsprechung erweist die Anwendung der
neuen Gesetzgebung in der Umsetzung der Verfassungsbestimmung von Art. 121 Abs.
3-6 BV als komplexes Unterfangen. Die rechtlich korrekte und konfliktfreie
Umsetzung erschien bereits im Nationalrat durchaus teilweise als eine Quadratur
des Kreises (BGE 145 IV 55 E. 3.4 S. 60) und wird weiter kontrovers diskutiert.
Ein Urteil ist daher nicht vorschnell mangels genügender Motivation aufzuheben.
Jedoch ist die Sache nicht liquid.

Entscheide, die der Beschwerde an das Bundesgericht unterliegen, müssen
namentlich die massgebenden Gründe tatsächlicher und rechtlicher Art enthalten
(Art. 112 Abs. 1 lit. b BGG). Aus dem Entscheid muss klar hervorgehen, von
welchem festgestellten Sachverhalt die Vorinstanz ausgegangen ist und welche
rechtlichen Überlegungen sie angestellt hat. Genügt der Entscheid diesen
Anforderungen nicht, so kann das Bundesgericht ihn in Anwendung von Art. 112
Abs. 3 BGG an die kantonale Behörde zur Verbesserung zurückweisen oder
aufheben. Hingegen steht es ihm nicht zu, sich an die Stelle der Vorinstanz zu
setzen, die ihrer Aufgabe nicht nachgekommen ist (BGE 141 IV 244 E. 1.2.1 S.
245 f.; Urteile 6B_285/2018 vom 17. Mai 2019 E. 1.7 und 6B_113/2018 vom 7.
November 2018 E. 3.1).

2.8. Die Vorinstanz konnte nach ihrem Ergebnis die Prüfung unter dem
Gesichtspunkt des FZA offenlassen.

2.8.1. Auf ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 234 EG in Sachen Land
Baden-Württemberg gegen Panagiotis Tsakouridis vom 23. November 2010 (Rs. C-145
/09) beurteilte der Gerichtshof die Auslegung der "zwingenden Gründe der
öffentlichen Sicherheit", die eine strafrechtliche Ausweisung begründen können.
Den rechtlichen Rahmen bildete die Richtlinie 2004/38/EG, deren 22.
Erwägungsgrund die "Beschränkung des Rechts auf Freizügigkeit und Aufenthalt
aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit" vorsieht.

Der in Deutschland geborene, mehrfach vorbestrafte Panagiotis Tsakouridis wurde
im August 2007 vom Landgericht Stuttgart wegen bandemässigen Drogenhandels in
nicht geringer Menge zu sechs Jahren und sechs Monaten Freiheitsstrafe
verurteilt (Rn. 11 f.). Das Regierungspräsidium Stuttgart stellte im August
2008 den Verlust seines Rechts auf Einreise und Aufenthalt fest und drohte ihm
die Abschiebung nach Griechenland an. Das Mindestmass von fünf Jahren
Freiheitsstrafe sei überschritten, so dass die Massnahme durch "zwingende
Gründe der öffentlichen Sicherheit" gemäss der Richtlinie gerechtfertigt sei
(Rn. 13); das persönliche Verhalten "gefährde aktuell die öffentliche Ordnung"
(Rn. 14).

Der Gerichtshof stellte fest, dass eine Ausweisung sehr schaden könne und der
Schutz vor Ausweisung umso stärker sei, je besser der Unionsbürger und seine
Familienangehörigen integriert seien (Rn. 24 f.), so dass eine Ausweisung "nur
aus schwerwiegenden Gründen der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit" verfügt
werden dürfe (Rn. 27). Nach zehnjährigem Aufenthalt dürfe die Massnahme nicht
verfügt werden, es sei denn, die Entscheidung beruhe auf "zwingenden Gründen
der öffentlichen Sicherheit, die von den Mitgliedstaaten festgelegt wurden"
(Rn. 28). Der Gerichtshof weist auf die verheerenden Folgen der mit diesem
Handel verbundenen Kriminalität hin (Rn. 46); die Rauschgiftsucht sei ein
grosses Übel für den Einzelnen und eine soziale und wirtschaftliche Gefahr für
die Menschheit (Rn. 47). Bei der Anwendung der Richtlinie 2004/38 sei
insbesondere der aussergewöhnliche Charakter der Bedrohung der öffentlichen
Sicherheit aufgrund des persönlichen Verhaltens der betroffenen Person [...],
gegen die Gefahr abzuwägen, die Resozialisierung in dem Staat, in den er
vollständig integriert ist [...], zu gefährden" (Rn. 50). Der Gerichtshof
erkannte, die Ausweisung könne nach zehnjährigem Aufenthalt gerechtfertigt
sein.

Die Entscheidung betraf die Auslegung der Richtlinie 2004/38/EG vom 29. April
2004, mit welcher die beiden in Art. 5 Abs. 2 Anhang I FZA in Bezug genommenen
Richtlinien aufgehoben und die Regelungsmaterie in einem neuen Kontext
renormiert wurde. LUZIA VETTERLI (in: ius.focus 1/2019 S. 28) vertritt offenbar
eine autoritativ die Schweiz verpflichtende Wirkung dieser Rechtsprechung.

2.8.2. Der bloss im Anhang des Abkommens aufgeführte Art. 5 Abs. 1 Anhang I FZA
betrifft stricto sensu Einschränkungen der erwerbsrechtlichen Freizügigkeit und
des rechtmässigen Aufenthalts nach der Zielsetzung von Art. 1 des Abkommens.
Solche Sachverhalte regelt an sich das Ausländer- und Integrationsgesetz (AIG;
SR 142.20). Mit Art. 16 Abs. 2 FZA in Verbindung mit Art. 5 Abs. 1 Anhang I FZA
wurde aber in einem nicht näher differenzierten Umfang gewissermassen auch die
am 21. Juni 1999 bestehende binnenrechtliche Freizügigkeitsrechtsprechung des
EG-Gerichtshofs und damit ein strafrechtlicher Konnex in das FZA transponiert,
eine Rechtsprechung, die gemäss Art. 16 Abs. 2 FZA zu "berücksichtigen" bzw.
der "Rechnung zu tragen" ist (Urteil 6B_378/2018 vom 22. Mai 2019 E. 4.3.4).
Die strafrechtliche Landesverweisung ist keine Regelungsmaterie des FZA. Das
Strafrecht schränkt delinquentes Verhalten und damit den nicht "rechtmässigen"
Aufenthalt (Art. 2 FZA) mit souveräner Staatsgewalt ein und greift damit seiner
unabdingbaren Rechtsnatur nach massiv in Freiheitsrechte beschuldigter
ausländischer Personen ein (allerdings unter der Kautel von Art. 36 BV). Das
Strafrecht beansprucht insoweit systematisch einen "Vorrang".

2.8.3. Die Strafrechtliche Abteilung des Bundesgerichts folgt für die
Landesverweisung der ausserordentlich restriktiven Interpretation von Art. 5
Abs. 1 Anhang I FZA durch den EuGH nicht, da sich eine derart am "effet utile"
(oder dem Vorrang des Unionsrechts: RUDOLF STREINZ, in: Streinz [Hrsg.], EUV/
AEUV, 3. Aufl. 2018, N. 33 zu Art. 4 EUV; DUPUY/KERBRAT, a.a.O., Rz. 451)
ausgerichtete teleologische Reduktion des Normgehalts von Art. 5 Abs. 1 Anhang
I FZA nicht in klassischer Auslegung auf Art. 31 VRK (oben E. 2.4.3) abstützen
lässt ("L'interprétation doit prendre appui sur 'le texte suivant le sens
ordinaire à attribuer à ses termes'" [DUPUY/KERBRAT, a.a.O., Rz. 314]; zur
Publikation bestimmtes Urteil 6B_378/2018 vom 22. Mai 2019 E. 3.8 und 3.9).

2.9. Die Sache ist gemäss Art. 112 Abs. 3 BGG prozessualiter zurückzuweisen und
wird damit nicht präjudiziert, sodass auf eine Vernehmlassung verzichtet werden
kann (Urteil 6B_693/2018 vom 1. November 2018 E. 4). Die Beschwerdegegnerin
wird anlässlich der Neubeurteilung ihr Gehörsrecht wahrnehmen können.

3. 

Die Beschwerde ist gutzuheissen, das Urteil aufzuheben und die Sache zu neuer
Beurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Die Kosten werden bei Rückweisung
nach Art. 112 Abs. 3 BGG formell nicht nach dem Ausgang des Verfahrens, sondern
nach dem Verursacherprinzip verlegt (Urteil 6B_9/2018 vom 20. Juni 2018 E. 2).
Es sind indes weder Kosten aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 4 BGG) noch
Entschädigungen auszurichten (Art. 68 Abs. 3 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 

Die Beschwerde wird gutgeheissen, das Urteil des Obergerichts des Kantons
Zürich vom 23. Oktober 2018 aufgehoben und die Sache zu neuer Beurteilung an
die Vorinstanz zurückgewiesen.

2. 

Es werden keine Kosten erhoben und keine Entschädigung ausgerichtet.

3. 

Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Zürich, II.
Strafkammer, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 9. August 2019

Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung

des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Denys

Der Gerichtsschreiber: Briw