Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Strafrechtliche Abteilung, Beschwerde in Strafsachen 6B.382/2019
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Bundesgericht

Tribunal fédéral

Tribunale federale

Tribunal federal

               

6B_382/2019

Urteil vom 8. August 2019

Strafrechtliche Abteilung

Besetzung

Bundesrichter Denys, Präsident,

Bundesrichterin Jacquemoud-Rossari,

Bundesrichterin Jametti,

Gerichtsschreiber Traub.

Verfahrensbeteiligte

X.________, vertreten durch Rechtsanwalt Bernhard Zollinger,

Beschwerdeführer,

gegen

Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich, Florhofgasse 2, 8090 Zürich,

Beschwerdegegnerin.

Gegenstand

Vergewaltigung; Strafzumessung, bedingter Strafvollzug; Grundsatz in dubio pro
reo,

Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich, II.
Strafkammer, vom 11. Januar 2019 (SB180086-O/U/hb).

Sachverhalt:

A. 

Das Bezirksgericht Zürich sprach X.________ am 9. November 2017 der mehrfachen,
teilweise qualifizierten Vergewaltigung sowie des Versuchs dazu, der
mehrfachen, teilweise qualifizierten sexuellen Nötigung sowie des Versuchs
dazu, der Gefährdung des Lebens, der mehrfachen Drohung und der mehrfachen
Tätlichkeit, alles zum Nachteil seiner Ehefrau A.________, für schuldig.
Ausserdem fällte es einen Schuldspruch wegen mehrfacher einfacher
Körperverletzung zum Nachteil von B.________ und C.________. Es verhängte eine
Freiheitsstrafe von 7 ½ Jahren und eine Busse von Fr. 500.--.

X.________ erhob Berufung, die Staatsanwaltschaft IV des Kantons Zürich
Anschlussberufung. Das Obergericht des Kantons Zürich bestätigte die
Schuldsprüche, soweit sie angefochten waren. Es erhöhte die Freiheitsstrafe auf
8 Jahre und belegte X.________ mit einer bedingten Geldstrafe von 110
Tagessätzen zu Fr. 10.-- und mit einer Busse von Fr. 500.--. Ausserdem ordnete
es eine stationäre Therapie nach Art. 59 StGB an und schob den Vollzug der
Freiheitsstrafe zu diesem Zweck auf (Urteil vom 11. Januar 2019).

B. 

X.________ führt Beschwerde in Strafsachen. Er beantragt Freisprüche. Eventuell
sei er mit einer bedingt zu vollziehenden Strafe zu belegen. Subeventuell sei
das Strafmass zu reduzieren. Schliesslich ersucht er um unentgeltliche
Rechtspflege (Prozessführung und Rechtsbeistand).

Erwägungen:

1. 

Im Hauptbegehren verlangt der Beschwerdeführer die Aufhebung der vorinstanzlich
strittigen Schuldsprüche (mehrfache, teilweise qualifizierte Vergewaltigung
sowie Versuch dazu; mehrfache, teilweise qualifizierte sexuelle Nötigung sowie
Versuch dazu; Gefährdung des Lebens).

1.1. Der Beschwerdeführer bestreitet, seine Frau ins Gesicht geschlagen, mit
einem Messer bedroht und zu sexuellen Handlungen gezwungen zu haben. Einziges
Beweismittel für die mehrfache qualifizierte Vergewaltigung sei die Aussage der
Ehefrau. Es existierten dazu keine Zeugenaussagen von Nachbarn, keine Aussagen
des Sohnes und keine Arztberichte. Unter diesen Umständen seien die Vorwürfe
nicht rechtsgenüglich nachgewiesen, wenn Aussage gegen Aussage stehe. Die
Unschuldsvermutung sei verletzt. Die Vorinstanz operiere mit Unterstellungen.
Der Beschwerdeführer illustriert dieses Vorbringen mit einer Erwägung der
Vorinstanz. Diese führt aus, es müsse davon ausgegangen werden, dass sich der
Beschuldigte bewusst war, dass er die Privatklägerin mit seinem intensiv
gewalttätigen und drohenden Verhalten zu den sexuellen Handlungen nötige. Wären
diese freiwillig gewesen, hätte es für ihn keinen Grund gegeben, das Opfer
davor mit der Faust ins Gesicht zu schlagen, es an den Haaren zu reissen, zu
treten oder mit dem Tod zu bedrohen (angefochtenes Urteil, S. 23 unten). Wenn -
so weiter der Beschwerdeführer - die von der Vorinstanz unterstellten massiven
physischen Übergriffe tatsächlich stattgefunden hätten, müssten sie ihrerseits
mit Arztzeugnissen oder mit Wahrnehmungen des Sohnes, von Nachbarn oder des
Arbeitgebers belegt sein. Solche Beweismittel seien jedoch nicht vorhanden. Da
die Gewalttätigkeit nicht bewiesen sei, gelte dies auch für den
Vergewaltigungsvorwurf. Insofern hätte er demnach in dubio freigesprochen
werden müssen.

Diesen Ausführungen ist Folgendes entgegenzuhalten: Zunächst einmal beruhen die
vorinstanzlichen Schuldsprüche entgegen der Darstellung des Beschwerdeführers
nicht allein auf Opferaussagen. Die Vorinstanz hält fest, die Aussagen der
Privatklägerin, welche (im Gegensatz zu denjenigen des Beschwerdeführers)
glaubhaft seien (vgl. angefochtenes Urteil, S. 22 ff. E. 4.2 und S. 26 ff. E.
4.3), würden u.a. durch Aussagen Dritter sowie durch objektive Beweismittel
gestützt. Im Einzelnen würdigt die Vorinstanz u.a. Aussagen von
Arbeitskolleginnen, die bei der Privatklägerin Spuren von körperlichen
Misshandlungen bemerkt haben, als zusätzliche Indizien sowie ärztliche Befunde,
eine polizeiliche Fotodokumentation und sichergestellte Gegenstände als
objektive Sachbeweise (a.a.O., S. 29 ff. E. 4.4 und 4.5 sowie S. 32 E. 5). Im
Übrigen ist das Zeugnis des Opfers auch in "Aussage gegen Aussage"-Situationen,
d.h. wenn es einziges direktes Beweismittel ist (vgl. Urteil 6B_687/2018 vom 4.
Juni 2019 E. 2.3), Gegenstand einer freien Beweiswürdigung (dazu BGE 144 IV 345
E. 2.2.3.1 S. 349 mit Hinweisen). Es kann zum entscheidenden Beweismittel
werden, wenn das Gericht von seinem Wahrheitsgehalt überzeugt ist (zu den
Merkmalen einer glaubhaften Aussage, insbesondere den sog. Realitätskriterien,
vgl. BGE 133 I 33 E. 4.3 S. 45 f.). Es verstösst gewiss nicht gegen
Bundesrecht, wenn die Vorinstanz mit Blick auf den sorgfältig erarbeiteten
Beweisbestand den erwähnten Zusammenhang zwischen dem Einsatz körperlicher
Gewalt resp. von Drohungen und den nötigenden Handlungen sexueller Art
herstellt.

In diesem Kontext bringt der Beschwerdeführer vor, die Strafbehörden müssten
die Aussagen der Privatklägerin missverstanden haben. Ansonsten hätte sie nach
seiner erstinstanzlichen Verurteilung nicht ihre eigene Rechtsvertreterin
angerufen und ihr zum Vorwurf gemacht, dass ihr Ehemann anklagegemäss schuldig
gesprochen und mit einer Freiheitsstrafe belegt wurde. Diese Verhaltensweise
der Privatklägerin zeigt indes - wie auch ihre Desinteresseerklägung (vgl.
sogleich E. 1.2) - bloss eine nachvollziehbar ambivalente Haltung an, was die
strafrechtlichen Konsequenzen für ihren Ehemann betrifft. Das manifestierte
Unbehagen über die Verurteilung tangiert die Beurteilung der Glaubhaftigkeit
ihrer Aussagen über die Tathergänge nicht. Die Vorinstanz hat überzeugend
dargelegt, dass und weshalb die Privatklägerin den Beschwerdeführer erst
angezeigt hat, als es auch aus ihrer Sicht gar nicht mehr anders ging (vgl.
angefochtenes Urteil, S. 25 f. E. 4.2.5-4.2.7). Darauf ist zu verweisen.

1.2. Im Subeventualbegehren beantragt der Beschwerdeführer eine reduzierte
Strafe. Er begründet dies mit einer Desinteresseerklärung seiner Frau. Diese
habe in einem Schreiben vom 24. Januar 2018 an das Obergericht erklärt, wieder
mit ihrem Ehemann zusammenleben zu wollen. In der Erklärung sei notabene nur
von nichtsexuellen Übergriffen die Rede, die fortan nicht mehr zu erwarten
seien. Selbst wenn er die Ehefrau zu sexuellen Handlungen gezwungen habe, was
er ausdrücklich bestreite, müsse die vorinstanzlich ausgefällte Freiheitsstrafe
von 8 Jahren erheblich reduziert werden.

Die Vorinstanz hat dargetan, dass die betreffende Erklärung das Ausmass und die
Art der dem Beschwerdeführer zur Last gelegten Handlungen nicht infrage stellt
(angefochtenes Urteil, S. 15). Der Beschwerdeführer legt nicht dar, weshalb
dieser Schluss bundesrechtswidrig sein sollte (zur beschränkten
Überprüfungsbefugnis des Bundesgerichts bezüglich der konkreten Bestimmung des
Strafmasses: BGE 136 IV 55 E. 5.6 S. 61; 134 IV 17 E. 2.1 S. 19). Auf den
Subeventualantrag ist daher nicht einzutreten (Art. 42 Abs. 2 BGG). Dies gilt
sinngemäss auch für den Eventualantrag auf bedingten Vollzug der
Freiheitsstrafe, soweit der Beschwerdeführer aus der Desinteresseerklärung eine
namhaft verbesserte Legalprognose ableitet.

2. 

Die Beschwerde ist abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden kann. Der
Beschwerdeführer trägt die Kosten des Verfahrens (Art. 66 Abs. 1 BGG). Sein
Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege ist abzuweisen; die Beschwerde war von
vornherein aussichtslos. Bei der Festsetzung der Gerichtskosten ist der
finanziellen Lage des Beschwerdeführers Rechnung zu tragen (Art. 65 Abs. 2
BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 

Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit auf sie einzutreten ist.

2. 

Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen.

3. 

Dem Beschwerdeführer werden Gerichtskosten von Fr. 1'200.-- auferlegt.

4. 

Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Zürich, II.
Strafkammer, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 8. August 2019

Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung

des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Denys

Der Gerichtsschreiber: Traub