Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Strafrechtliche Abteilung, Beschwerde in Strafsachen 6B.355/2019
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Bundesgericht

Tribunal fédéral

Tribunale federale

Tribunal federal

               

6B_355/2019

Urteil vom 8. August 2019

Strafrechtliche Abteilung

Besetzung

Bundesrichter Denys, Präsident,

Bundesrichterin Jacquemoud-Rossari,

Bundesrichterin Jametti,

Gerichtsschreiberin Pasquini.

Verfahrensbeteiligte

X.________,

vertreten durch Rechtsanwalt Rinaldo Schärer,

Beschwerdeführer,

gegen

Generalstaatsanwaltschaft des Kantons Bern, Nordring 8, 3013 Bern,

Beschwerdegegnerin.

Gegenstand

Führen eines nicht betriebssicheren Fahrzeugs; grobe Verletzung der
Verkehrsregeln; Willkür,

Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Bern, 1. Strafkammer,
vom 6. Februar 2019

(SK 18 350).

Sachverhalt:

A. 

X.________ wird vorgeworfen, er habe am 14. November 2017, ca. um 21.50 Uhr,
einen Personenwagen geführt, obwohl dessen Frontscheibe stark beschlagen
gewesen sei und er lediglich durch eine kleine Stelle direkt oberhalb der
Lüftungsschlitze auf die Fahrbahn habe sehen können.

B. 

Die Staatsanwaltschaft des Kantons Bern sprach X.________ mit Strafbefehl vom
9. Januar 2018 der groben Verletzung der Verkehrsregeln durch Führen eines
nicht betriebssicheren Fahrzeugs schuldig. Sie bestrafte ihn mit einer
Geldstrafe von 10 Tagessätzen zu Fr. 60.-- und mit einer Busse von Fr. 500.--.
X.________ erhob Einsprache.

Mit Entscheid vom 10. Juli 2018 verurteilte das Regionalgericht Bern-Mittelland
X.________ wegen der Widerhandlung gegen das Strassenverkehrsgesetz durch
Führen eines nicht betriebssicheren Fahrzeugs zu einer Busse von Fr. 500.--.
Eine von der Staatsanwaltschaft dagegen erhobene Berufung hiess das Obergericht
des Kantons Bern mit Urteil vom 6. Februar 2019 gut. Es sprach X.________ der
groben Verletzung der Verkehrsregeln durch Führen eines nicht betriebssicheren
Fahrzeugs schuldig. Es bestrafte ihn mit einer Geldstrafe von 10 Tagessätzen zu
Fr. 60.-- und mit einer Busse von Fr. 120.--.

C. 

X.________ führt Beschwerde in Strafsachen. Er beantragt, das Urteil des
Obergerichts des Kantons Bern vom 6. Februar 2019 sei aufzuheben. Er sei der
Widerhandlung gegen das Strassenverkehrsgesetz durch Führen eines nicht
betriebssicheren Fahrzeugs schuldig zu erklären, zu einer Busse von Fr. 500.--
zu verurteilen und ihm seien die erstinstanzlichen Verfahrenskosten in der Höhe
von Fr. 1'620.-- aufzuerlegen. Eventualiter sei die Sache zur Neubeurteilung an
die Vorinstanz zurückzuweisen. Die vorinstanzlichen Verfahrenskosten seien dem
Kanton Bern und die bundesgerichtlichen Verfahrenskosten seien der
Schweizerischen Eidgenossenschaft aufzuerlegen. Ihm sei für das vorinstanzliche
Verfahren eine Parteientschädigung in der Höhe von Fr. 2'578.35 und für das
bundesgerichtliche Verfahren eine Parteientschädigung in der Höhe von Fr.
3'460.40 auszurichten. Schliesslich stellt X.________ ein Gesuch um
aufschiebende Wirkung, welches der Präsident der Strafrechtlichen Abteilung mit
Verfügung vom 27. März 2019 abwies.

Erwägungen:

1. 

1.1. Der Beschwerdeführer rügt eine willkürliche Beweiswürdigung und eine
Verletzung der Unschuldsvermutung. Die Vorinstanz äussere erhebliche Zweifel an
der Beweiskraft der objektiven Beweismittel. Sodann übergehe sie seine
nachvollziehbaren Aussagen, wonach er freie Sicht gehabt habe, weil sie
behaupte, er habe ein erhebliches Motiv dafür, die Sicht besser darzustellen,
als sie tatsächlich gewesen sei. Weiter stelle die Vorinstanz einseitig auf die
Angaben des Polizisten A.________ ab. Dieser habe erklärt, der Beschlag habe 80
% der Frontscheibe betroffen. Indem die Vorinstanz selber feststelle, dass der
Beschlag wohl weniger als 80 % der Scheibe abgedeckt habe, relativiere sie
indessen die Aussagen von A.________ und lasse erhebliche Zweifel an deren
Richtigkeit aufkommen. Trotzdem stelle die Vorinstanz uneingeschränkt auf
dessen Ausführungen ab. Es sei im Zweifel für ihn davon auszugehen, dass die
aus den Akten ersichtliche, beschlagsfreie Stelle der Frontscheibe eine in
verkehrstechnischer Hinsicht ausreichende Sicht auf die Strasse und die
Umgebung zugelassen habe. Auch sei die Konsistenz des Beschlags derart fein
gewesen, dass keine oder zumindest keine erhebliche Einschränkung der Sicht
vorgelegen habe (Beschwerde S. 4 ff.).

1.2. Die vorinstanzliche Sachverhaltsfeststellung kann nur gerügt werden, wenn
sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von
Art. 95 BGG beruht und wenn die Behebung des Mangels für den Ausgang des
Verfahrens entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1 BGG; vgl. auch Art. 105 Abs.
1 und 2 BGG). Offensichtlich unrichtig im Sinne von Art. 97 Abs. 1 BGG ist die
Sachverhaltsfeststellung, wenn sie willkürlich ist. Willkür liegt nach
ständiger Rechtsprechung nur vor, wenn die vorinstanzliche Beweiswürdigung
schlechterdings unhaltbar ist, d.h. wenn die Behörde in ihrem Entscheid von
Tatsachen ausgeht, die mit der tatsächlichen Situation in klarem Widerspruch
stehen oder auf einem offenkundigen Fehler beruhen. Dass eine andere Lösung
ebenfalls möglich erscheint, genügt nicht (BGE 143 IV 241 E. 2.3.1 S. 244 mit
Hinweisen).

Die Rüge der Verletzung von Grundrechten (einschliesslich Willkür bei der
Sachverhaltsfeststellung) muss in der Beschwerde explizit vorgebracht und
substanziiert begründet werden (Art. 106 Abs. 2 BGG; BGE 143 IV 500 E. 1.1 S.
503). Auf ungenügend begründete Rügen oder rein appellatorische Kritik am
angefochtenen Entscheid tritt das Bundesgericht nicht ein (vgl. Art. 42 Abs. 2
und Art. 106 Abs. 2 BGG; BGE 144 V 50 E. 4.2 S. 53; 142 III 364 E. 2.4 S. 368;
je mit Hinweisen).

1.3. Die Rügen des Beschwerdeführers sind unbegründet, soweit darauf
einzutreten ist.

Die Vorinstanz begründet eingehend und nachvollziehbar, zum Teil unter Verweis
auf die erstinstanzlichen Ausführungen, weshalb sie zum Schluss gelangt, das
Sichtfeld des Beschwerdeführers sei durch den dünnen Eisbeschlag so stark
beeinträchtigt gewesen, dass er seine (beleuchtete) Umgebung nur schemenhaft
habe wahrnehmen können. Die nicht beleuchtete Umgebung sei kaum zu erkennen
gewesen. Das freie Feld im unteren Drittel der Frontscheibe habe sich nicht auf
der Höhe des Sichtfelds des Beschwerdeführers befunden und habe daher die
Sichtverhältnisse nicht verbessern können. Das Verkehrsaufkommen sei der
Tageszeit entsprechend schwach gewesen. Die Strasse sei jedoch insbesondere
aufgrund der beginnenden Nachtschicht von verschiedenen Verkehrsteilnehmern
befahren worden (Urteil S. 4 ff. E. 6 ff., erstinstanzliches Urteil S. 5 ff.).
Was der Beschwerdeführer dagegen vorbringt, erschöpft sich weitgehend in einer
appellatorischen Kritik am angefochtenen Entscheid, auf die das Bundesgericht
nicht eintritt. Entgegen seiner Darstellung äussert die Vorinstanz keineswegs
erhebliche Bedenken an der Beweiskraft der Fotodokumentation (Beschwerde S. 4
f.). Vielmehr hält sie ausdrücklich fest, die Fotoaufnahmen, welche den
Beschlag der Frontscheibe vor der Anhaltung des Beschwerdeführers zeigten,
seien von eher schlechter Qualität. Dennoch würden sie den Umfang und die
Dichte des Beschlags genügend deutlich zeigen (Urteil S. 6 E. 12.1). Ausserdem
widerspricht sich der Beschwerdeführer teilweise selber. Dies ist zum Beispiel
der Fall, wenn er zutreffend erörtert, die Vorinstanz stelle selber fest, dass
der Beschlag wohl weniger als 80 % der Frontscheibe abgedeckt habe (Beschwerde
S. 5 Ziff. 6; Urteil S. 7 E. 12.1), dann jedoch ausführt, die Fotoaufnahmen
zeigten, dass der Beschlag deutlich weniger als 80 % der Frontscheibe bedeckt
habe, weshalb die Beweiswürdigung der Vorinstanz aktenwidrig sei (Beschwerde S.
5 Ziff. 8). Es ist nicht zu beanstanden, dass die Vorinstanz nicht
grundsätzlich an den Aussagen des Polizisten A.________s zweifelt, selbst wenn
sie nicht davon ausgeht, dass die Frontscheibe gemäss dessen Schätzung zu 80 %
beschlagen war. Sie verfällt daher nicht in Willkür, wenn sie feststellt, der
Zeuge habe bestätigt, dass die Frontscheibe - abgesehen von der freien Stelle
oberhalb des Lüftungsschlitzes - mit einer dünnen Eisschicht beschlagen gewesen
sei. Es sei eine Art Film aus Eis gewesen (Urteil S. 7 E. 12.1). Schliesslich
kann dem Beschwerdeführer nicht gefolgt werden, wenn er behauptet, die
Vorinstanz setze implizit seine Sicht mit derjenigen eines Fahrzeuglenkers
durch eine beschlagsfreie Scheibe gleich, wenn sie festhalte, dass er die
(beleuchteten) Polizisten habe wahrnehmen können (Beschwerde S. 5 Ziff. 9).
Hierzu stellt die Vorinstanz zutreffend fest, dass der Beschwerdeführer die
Polizei rechtzeitig wahrgenommen habe, vermöge nichts daran zu ändern, dass
seine Sicht durch den Beschlag auf der Frontscheibe erheblich eingeschränkt
gewesen sei. Nachts würden beleuchtete Objekte, welche u.U. auch reflektierten
(Polizeifahrzeug oder Uniform), erfahrungsgemäss verhältnismässig rasch
wahrgenommen. Problematisch seien vielmehr Objekte oder Subjekte, die nicht
beleuchtet oder dunkel gekleidet seien. Gerade weil die Eisschicht eher dünn
gewesen sei, habe durchaus Licht ins Fahrzeuginnere gelangen können (Urteil S.
6 f. E. 12.1).

2. 

Auf die Beschwerde kann nicht eingetreten werden, soweit der Beschwerdeführer
die rechtliche Würdigung der Vorinstanz kritisiert (Beschwerde S. 7 ff.). Er
legt seinen Rügen seine eigenen tatsächlichen Feststellungen zugrunde.
Inwiefern die rechtliche Würdigung ausgehend von den Sachverhaltsfeststellungen
der Vorinstanz falsch sein soll (Urteil S. 9 f. E. 14), begründet er nicht
(Art. 42 Abs. 2 BGG) und ist auch nicht ersichtlich.

3. 

Auf die Anträge des Beschwerdeführers betreffend die Kosten- und
Entschädigungsfolgen ist nicht weiter einzugehen, da er sie in Abhängigkeit zum
Erfolg in der Hauptsache stellt (Beschwerde S. 9).

4. 

Die Beschwerde ist abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden kann. Die
Gerichtskosten sind dem Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG).

 Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 

Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.

2. 

Die Gerichtskosten von Fr. 3'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

3. 

Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Bern, 1.
Strafkammer, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 8. August 2019

Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung

des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Denys

Die Gerichtsschreiberin: Pasquini