Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Strafrechtliche Abteilung, Beschwerde in Strafsachen 6B.282/2019
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Bundesgericht

Tribunal fédéral

Tribunale federale

Tribunal federal

               

6B_282/2019

Urteil vom 5. April 2019

Strafrechtliche Abteilung

Besetzung

Bundesrichter Denys, Präsident,

Bundesrichter Oberholzer,

Bundesrichterin Jametti,

Gerichtsschreiberin Unseld.

Verfahrensbeteiligte

X.________,

Beschwerdeführer,

gegen

Staatsanwaltschaft des Kantons Basel-Landschaft, Erste Staatsanwältin,
Grenzacherstrasse 8, 4132 Muttenz,

Beschwerdegegnerin.

Gegenstand

Strafbefehl (Rückzug der Einsprache zufolge Nichterscheinens zur
Gerichtsverhandlung),

Beschwerde gegen den Beschluss des Kantonsgerichts Basel-Landschaft, Abteilung
Strafrecht, vom 12. November 2018 (470 18 274).

Erwägungen:

1. 

Gemäss einer Radarmessung der Polizei Basel-Landschaft überschritt ein
Personenwagen mit dem niederländischen Nummernschild "yyy" am 26. September
2016 auf der Autobahn in Tenniken (BL) die zulässige Höchstgeschwindigkeit von
120 km/h nach Abzug der Sicherheitsmarge um 9 km/h. Beim Beschwerdeführer
handelt es sich gemäss einer Auskunft der niederländischen Behörden um den
Halter des Personenwagens mit dem erwähnten Nummernschild. Die
Staatsanwaltschaft Basel-Landschaft erklärte den Beschwerdeführer mit
Strafbefehl vom 25. Oktober 2017 der einfachen Verletzung von Verkehrsregeln im
Sinne von Art. 90 Abs. 1 SVG schuldig und verurteilte ihn zu einer Busse von
Fr. 60.--. Der Beschwerdeführer erhob gegen den Strafbefehl Einsprache. Die
Staatsanwaltschaft überwies die Akten am 9. März 2018 zur Durchführung des
Hauptverfahrens an das Strafgericht Basel-Landschaft. Dieses lud den
Beschwerdeführer mit Schreiben vom 31. Mai 2018 auf den 13. August 2018 zur
Hauptverhandlung vor. Nachdem der Beschwerdeführer der Vorladung keine Folge
geleistet hatte, schrieb das Strafgericht das Einspracheverfahren gestützt auf
Art. 356 Abs. 4 StPO ab. Das Kantonsgericht Basel-Landschaft wies die vom
Beschwerdeführer dagegen erhobene Beschwerde am 12. November 2018 ab.

Der Beschwerdeführer gelangt gegen diesen Entscheid mit Beschwerde an das
Bundesgericht.

2. 

Der Beschwerdeführer macht geltend, eine Drittperson habe sein Nummernschild,
nicht jedoch sein Fahrzeug, gebraucht. Er sei nicht bereit, sich wegen einer
Sache, mit der er nichts zu tun habe, in die Schweiz zu begeben oder in dieser
Angelegenheit einen Anwalt zu mandatieren. Damit rügt der Beschwerdeführer
zumindest sinngemäss, er sei nicht verpflichtet gewesen, der Vorladung des
Strafgerichts für die Hauptverhandlung vom 13. August 2018 Folge zu leisten.

3. 

Bleibt die gegen einen Strafbefehl Einsprache erhebende Person der
Hauptverhandlung unentschuldigt fern und lässt sie sich auch nicht vertreten,
so gilt ihre Einsprache als zurückgezogen (Art. 356 Abs. 4 StPO).

Die schweizerische Staatsgewalt beschränkt sich auf das hiesige Staatsgebiet.
Die schweizerischen Strafbehörden dürfen daher unter den gesetzlichen
Voraussetzungen Zwang auf den sich hier befindenden Beschuldigten ausüben,
nicht dagegen auf den sich im Ausland befindenden. Sie dürfen dem sich im
Ausland aufhaltenden Beschuldigten zwar eine Vorladung zukommen lassen.
Zwangsandrohungen dürfen sie damit aber nicht verbinden. Die Vorladung stellt
daher in der Sache eine Einladung dar. Leistet ihr der Beschuldigte keine
Folge, darf er keinerlei rechtliche oder tatsächliche Nachteile erleiden. Die
Einsprache gegen den Strafbefehl kann bei Fernbleiben des Beschuldigten an der
in der Schweiz von der Staatsanwaltschaft anberaumten Einvernahme oder von der
gerichtlichen Hauptverhandlung deshalb nicht gestützt auf Art. 355 Abs. 2 bzw.
Art. 356 Abs. 4 StPO als zurückgezogen gelten (BGE 140 IV 86 E. 2.4 S. 89 ff.;
Urteile 6B_615/2017 und 6B_614/2017 vom 2. Mai 2018 E. 1.2 f.; 6B_678/2015 vom
28. September 2015 E. 1.3; 6B_404/2014 vom 5. Juni 2015 E. 1.3).

4. 

Der Beschwerdeführer ist in den Niederlanden wohnhaft, wo ihm das Strafgericht
auch die Vorladung für die Hauptverhandlung vom 13. August 2018 zustellte. Die
Rückzugsfiktion gemäss Art. 356 Abs. 4 StPO gelangt daher nicht zur Anwendung.
Die Vorinstanz entschied zu Unrecht, das Strafgericht habe das Verfahren als
erledigt abschreiben dürfen, weil der Beschwerdeführer der Verhandlung vom 13.
August 2018 fernblieb. Der angefochtene Entscheid verstösst gegen Bundesrecht.

5. 

Die Beschwerde ist gutzuheissen, der Beschluss vom 12. November 2018 aufzuheben
und die Sache zu neuer Entscheidung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Da es
sich um einen prozessualen Entscheid handelt, der auf einer gefestigten
Rechtsprechung basiert und die Beurteilung in der Sache nicht präjudiziert,
kann auf eine Vernehmlassung der Vorinstanz und der Staatsanwaltschaft
verzichtet werden (Urteile 6B_1129/2018 vom 11. Februar 2019 E. 4; 6B_986/2016
vom 20. September 2017 E. 2.2 mit Hinweisen, nicht publ. in: BGE 143 IV 380).
Der Kanton Basel-Landschaft trägt keine Gerichtskosten (Art. 66 Abs. 4 BGG).
Dem nicht anwaltlich vertretenen Beschwerdeführer ist keine Parteientschädigung
zuzusprechen, da er keine besonderen Verhältnisse oder Auslagen geltend macht,
die eine solche rechtfertigen könnten (vgl. BGE 127 V 205 E. 4b S. 207; 125 II
518 E. 5b S. 519 f.).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 

Die Beschwerde wird gutgeheissen. Der Beschluss des Kantonsgerichts
Basel-Landschaft, Abteilung Strafrecht, vom 12. November 2018 wird aufgehoben
und die Sache zu neuer Entscheidung an die Vorinstanz zurückgewiesen.

2. 

Es werden keine Kosten erhoben.

3. 

Dieses Urteil wird den Parteien und dem Kantonsgericht Basel-Landschaft,
Abteilung Strafrecht, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 5. April 2019

Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung

des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Denys

Die Gerichtsschreiberin: Unseld