Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Strafrechtliche Abteilung, Beschwerde in Strafsachen 6B.254/2019
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Bundesgericht

Tribunal fédéral

Tribunale federale

Tribunal federal

               

6B_254/2019

Urteil vom 12. Juni 2019

Strafrechtliche Abteilung

Besetzung

Bundesrichter Denys, Präsident,

Bundesrichterin Jacquemoud-Rossari,

Bundesrichter Oberholzer,

Gerichtsschreiber Briw.

Verfahrensbeteiligte

X.________, vertreten durch

Rechtsanwältin Eveline Roos,

Beschwerdeführer,

gegen

Amt für Justizvollzug des Kantons Zürich, Rechtsdienst der Amtsleitung,
Hohlstrasse 552, 8090 Zürich,

Beschwerdegegner.

Gegenstand

Urlaub (Verweigerung begleiteter Ausgänge),

Beschwerde gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Zürich, 3.
Abteilung, Einzelrichterin,

vom 14. Januar 2019 (VB.2018.00628).

Sachverhalt:

A. 

Das Obergericht des Kantons Zürich verurteilte X.________ am 10. Juli 2001
wegen Vergewaltigung, versuchter Vergewaltigung, mehrfacher sexueller Nötigung
und mehrfachen Versuchs dazu, Raubes, mehrfacher einfacher Körperverletzung und
grober Verkehrsregelverletzung zu 9 Jahren Zuchthaus (abzüglich 799 Tage
erstandener Haft). Es verwahrte ihn gemäss aArt. 43 Ziff. 1 Abs. 2 StGB.

Das Obergericht führte am 13. November 2007 bei der Überprüfung gemäss Art. 2
Abs. 2 der Schlussbestimmungen des am 1. Januar 2007 in Kraft gesetzten
revidierten StGB die Verwahrung nach neuem Recht weiter. Das Strafende war am
2. Mai 2008 erreicht. Das Amt für Justizvollzug setzte die Verwahrung per 3.
Mai 2008 in Vollzug.

B. 

Das Amt für Justizvollzug lehnte am 29. Mai 2018 ein Gesuch um Bewilligung
begleiteter Ausgänge ab. Die Direktion der Justiz und des Innern
(Justizdirektion) wies den Rekurs am 4. September 2018 ab.

Das Verwaltungsgericht des Kantons Zürich wies am 14. Januar 2019 die
Beschwerde gegen den Entscheid der Justizdirektion ab.

C. 

X.________ beantragt mit Beschwerde in Strafsachen, den vorinstanzlichen
Entscheid aufzuheben, ihm begleitete Ausgänge zu bewilligen, eventualiter die
Sache zu neuer Entscheidung zurückzuweisen sowie ihm die unentgeltliche
Rechtspflege (und Verbeiständung) zu gewähren.

Erwägungen:

1. 

Der Beschwerdeführer bringt vor, er befinde sich seit dem 11. Juni 2001 im
Verwahrungsvollzug. Gesuche um begleitete Ausgänge seien stets abgelehnt
worden, zuletzt mit dem angefochtenen Entscheid. Die Vorinstanz begründe die
Ablehnung im Wesentlichen mit einer nach wie vor bestehenden Rückfallgefahr und
verletze damit Art. 84 Abs. 6 und Art. 74 StGB; zudem fänden sich willkürliche
Feststellungen im Entscheid.

1.1. Der Beschwerdeführer begründet, der vorinstanzliche Entscheid stütze sich
auf Argumente und Ausführungen, die im Zusammenhang mit der Wahrscheinlichkeit
eines Rückfalls generell stünden. Die Beurteilung eines Rückfalls im Rahmen
eines beispielsweise zweistündigen, begleiteten Besuchsrechts unterbliebe
gänzlich bzw. beschränke sich auf eine aktenwidrige Sachverhaltsfeststellung
und führe so zu einer unzulässigen Interpretation im Entscheid S. 11 Ziff.
3.3.2. Das psychiatrische Gutachten vom 19. April 2015 und der Führungsbericht
der ISK Bostadel vom 7. November 2017 sprächen sich eindeutig für die Gewährung
eines begleiteten Ausgangsrechts aus, das hinsichtlich Zeit, Rayon und
Begleitumständen noch zu definieren wäre. Die Vorinstanz habe diese
Feststellung hinsichtlich der relevanten Frage übergangen und sich der
pauschalen Ansicht der kantonalen Behörden angeschlossen, es herrsche weiterhin
eine negative Legalprognose vor, und schlussfolgere, es bestehe zumindest nicht
keine Gefahr weiterer Straftaten (Beschwerde S. 6).

1.2. Die Vorinstanz führt an der gerügten Stelle (Entscheid S. 10, Ziff. 3.3.2,
sowie S. 11) aus, wie das Verwaltungsgericht im Urteil vom 2. Oktober 2018
erwogen habe, habe sich das Vollzugsverhalten, namentlich die Kooperation im
Rahmen der Therapie, die Intensivierung der sozialen Kontakte bzw. die
Verbesserung der Sozialkompetenz, die (nunmehr) vorhandene Fähigkeit, Konflikte
zu lösen, in den letzten Jahren verbessert. Das gelte jedoch nicht für die
Legalprognose. Laut den danach erstellten Berichten hätten sich diesbezüglich
keine relevanten Veränderungen ergeben und es habe weiterhin keine
rückfallpräventive Auseinandersetzung mit seinen problematischen
Persönlichkeitsanteilen stattgefunden. Daran ändere nichts, dass das Gutachten
gleichzeitig begleitete Ausgänge für sinnvoll erachte. Da eine Umwandlung in
eine therapeutische Massnahme nicht absehbar sei, kämen "therapeutische
Ausgänge" nicht in Frage. Da letztlich die Unterbringung in eine betreute
Wohneinrichtung als Maximalziel angegeben werde, selbst dies aber in weiter
Ferne liege, geschweige denn eine bedingte Entlassung, käme den begleiteten
Ausgängen wohl zum wesentlichen Teil der Charakter unzulässiger "humanitärer
Ausgänge" zu. Zu beachten sei sodann, dass er eine Vielzahl von Delikten
begangen habe und dabei mindestens teilweise spontan und ohne Vorlaufzeit
gehandelt, eine erhebliche Gewaltbereitschaft an den Tag gelegt und keinerlei
Opferempathie gezeigt habe. Vor diesem Hintergrund erscheine eine Begleitung
als nicht ausreichend, um einer Rückfallgefahr während des Ausgangs
entgegenzuwirken. Es sei nicht relevant, dass Begleitpersonen den Alkoholkonsum
während des Ausgangs kontrollieren könnten.

1.3. Die Vorinstanz stellt somit einerseits fest, dass begleitete Ausgänge im
Gutachten für sinnvoll erachtet würden, und geht andererseits von einer nicht
in Kauf zu nehmenden Rückfallgefahr während begleiteter Ausgänge aus. Das sind
zwei unabhängige Fragestellungen, aus deren Gegenüberstellen sich keine Willkür
erschliessen lässt. Sodann sprechen sich, wie der Beschwerdeführer vorbringt,
das Gutachten und ein Führungsbericht "eindeutig für die Gewährung eines
begleiteten Ausgangsrechts aus, das hinsichtlich Zeit, Rayon und
Begleitumstände noch zu definieren wäre" (Beschwerde S. 6). Wie ein Ausgang
bewilligt werden könnte, ist mithin nach diesen Gewährsleuten nicht definiert,
d.h. völlig offen.

Auch die Diskussion der Alkoholproblematik oder dass der Beschwerdeführer im
Vollzug alkoholabstinent lebe, ändert nichts daran, dass die rückfallpräventive
Aufarbeitung nicht stattgefunden hat. Eine Abstinenzmedikation hatte er
gegenüber dem Gutachter verweigert (Entscheid S. 11 f.). Hinsichtlich der
Modalitäten der Tatbegehung ist nicht auf ein psychiatrisches Gutachten
abzustellen, sondern auf die Beweiswürdigung des Gerichts (entgegen Beschwerde
S. 8). Hinsichtlich der Berufung auf die Menschenwürde und die persönliche
Freiheit (Art. 10 BV; Art. 74 StGB) ist auf die gesetzlichen ordentlichen
Folgen der Verwahrung zu verweisen. Es ist nicht ersichtlich, woraus der
Beschwerdeführer schliessen will, dass weder die Gefahr der Begehung weiterer
Straftaten noch der Flucht bestehen. Ein tadelloses Verhalten im Vollzug
spricht nicht gegen die Gewährung begleiteter Ausgänge (Beschwerde S. 10), aber
auch nicht gegen die Rückfallgefahr.

1.4. Gemäss Art. 84 Abs. 6 StGB ist dem Gefangenen aus den im Gesetz
umschriebenen Gründen in angemessenem Umfang Urlaub zu gewähren, "soweit keine
Gefahr besteht, dass er flieht oder weitere Straftaten begeht".

Da nach dem Gesetz ein "Urlaub" nur zu gewähren ist, soweit keine Gefahr
besteht, dass der Gefangene flieht oder weitere Straftaten begeht, ist davon
auszugehen, dass Anstaltsverlassungen, welche nur dem sogenannten "Lüften" des
Insassen dienen oder aus "humanitären" Gründen gewährt würden, nicht aber in
eine realistische Lockerungsperspektive eingebettet sind, nicht bewilligt
werden dürfen, da sie ein zu grosses Risiko für die öffentliche Sicherheit
darstellen (Urteil 6B_619/2015 vom 18. Dezember 2015 E. 2.7 mit Hinweisen).
Begleitpersonen dürfen keinen Gefahren ausgesetzt werden. Die Urlaubsgewährung
kann insbesondere von der aktiven Teilnahme an deliktpräventiven Therapien
abhängig gemacht werden (Urteil 6B_1037/2014 vom 28. Januar 2015 E. 5.2).

Entscheidend für den Ausgang des Verfahrens ist indes von vornherein die
Tatsache, dass nicht dargelegt ist (Art. 42 Abs. 2 BGG), welchem Zweck die
begleiteten Ausgänge überhaupt dienen sollten. Das Bundesgericht hat nicht über
abstrakte Fragestellungen zu urteilen.

2. 

Die Beschwerde ist abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist. Das Gesuch um
unentgeltliche Rechtspflege ist wegen Aussichtslosigkeit des Rechtsbegehrens
abzuweisen (Art. 64 Abs. 1 BGG). Der finanziellen Lage des Beschwerdeführers
ist mit herabgesetzten Gerichtskosten Rechnung zu tragen (Art. 66 Abs. 1 i.V.m.
Art. 65 Abs. 2 BGG).

 Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 

Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.

2. 

Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen.

3. 

Die Gerichtskosten von Fr. 1'200.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

4. 

Dieses Urteil wird den Parteien und dem Verwaltungsgericht des Kantons Zürich,
3. Abteilung, Einzelrichterin, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 12. Juni 2019

Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung

des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Denys

Der Gerichtsschreiber: Briw