Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Strafrechtliche Abteilung, Beschwerde in Strafsachen 6B.208/2019
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Bundesgericht

Tribunal fédéral

Tribunale federale

Tribunal federal

               

6B_208/2019

Urteil vom 13. September 2019

Strafrechtliche Abteilung

Besetzung

Bundesrichter Denys, Präsident,

Bundesrichterin Jacquemoud-Rossari,

Bundesrichter Rüedi,

Gerichtsschreiberin Bianchi.

Verfahrensbeteiligte

X.________,

vertreten durch Rechtsanwalt Tobias Schmidlin,

Beschwerdeführer,

gegen

Staatsanwaltschaft des Kantons Basel-Landschaft, Erste Staatsanwältin,
Grenzacherstrasse 8, 4132 Muttenz,

Beschwerdegegnerin.

Gegenstand

Grobe Verletzung der Verkehrsregeln (Rechtsüberholverbot), Willkür,

Beschwerde gegen das Urteil des Kantonsgerichts Basel-Landschaft, Abteilung
Strafrecht,

vom 23. Oktober 2018 (460 18 221).

Sachverhalt:

A. 

X.________ wird vorgeworfen, am 30. Oktober 2016 um 13:44 Uhr in einem Fiat
Abarth mit Kennzeichen xxx in Muttenz/BL auf der Autobahn A2 in Fahrtrichtung
Bern/Luzern mit leicht überhöhter Geschwindigkeit mehrere Fahrzeuge unter
Hervorrufung einer erhöhten abstrakten Gefährdung rechts überholt zu haben.

B. 

Das Strafgericht Basel-Landschaft sprach X.________ am 9. Mai 2018 der groben
Verletzung der Verkehrsregeln schuldig und verurteilte ihn zu einer bedingt
vollziehbaren Geldstrafe von 20 Tagessätzen zu je Fr. 100.-- unter Ansetzung
einer Probezeit von zwei Jahren, sowie zu einer Busse in der Höhe von Fr.
500.--.

Das Kantonsgericht Basel-Landschaft wies die Berufung von X.________ am 23.
Oktober 2018 ab und bestätigte das Urteil des Strafgerichts vollumfänglich.

C. 

X.________ beantragt mit Beschwerde in Strafsachen, das Urteil des
Kantonsgerichts sei aufzuheben und er sei vom Vorwurf der groben
Verkehrsregelverletzung frei zu sprechen. Eventualiter beantragt er, das Urteil
des Kantonsgerichts sei aufzuheben und die Sache sei zur Neubeurteilung an die
Vorinstanz zurückzuweisen. In prozessualer Hinsicht stellt er ein Gesuch um
aufschiebende Wirkung und beantragt, es seien sämtliche Verfahrensakten
beizuziehen sowie das Video der zivilen Polizeipatrouille zu visionieren.

Erwägungen:

1.

1.1. Der Beschwerdeführer wendet sich gegen die Verurteilung wegen grober
Verkehrsregelverletzung und beanstandet die vorinstanzliche
Sachverhaltsfeststellung. Ferner bringt er vor, es liege kein Rechtsüberholen
im Sinne der bundesgerichtlichen Rechtsprechung vor, er habe keine erhöhte
abstrakte Gefährdung geschaffen und der subjektive Tatbestand sei nicht
erfüllt.

1.2.

1.2.1. Nach Art. 90 Abs. 2 SVG macht sich strafbar, wer durch grobe Verletzung
der Verkehrsregeln eine ernstliche Gefahr für die Sicherheit anderer hervorruft
oder in Kauf nimmt.

Aus Art. 35 Abs. 1 SVG wird das Verbot des Rechtsüberholens abgeleitet. Hierbei
handelt es sich um eine für die Verkehrssicherheit objektiv wichtige
Vorschrift, deren Missachtung eine erhebliche Gefährdung der Verkehrssicherheit
mit beträchtlicher Unfallgefahr nach sich zieht und daher objektiv schwer
wiegt. Wer auf der Autobahn fährt, muss sich darauf verlassen können, dass er
nicht plötzlich rechts überholt wird. Das Rechtsüberholen auf der Autobahn, wo
hohe Geschwindigkeiten gefahren werden, stellt eine erhöht abstrakte Gefährdung
dar (BGE 142 IV 93 E. 3.2; 126 IV 192 E. 3; Urteil 6B_1423/2017 vom 9. Mai 2018
E. 2.1.2; je mit Hinweisen).

Überholen liegt vor, wenn ein schnelleres Fahrzeug ein in gleicher Richtung
langsamer vorausfahrendes einholt, an ihm vorbeifährt und vor ihm die Fahrt
fortsetzt, wobei weder das Ausschwenken noch das Wiedereinbiegen eine
notwendige Voraussetzung des Überholens bildet (BGE 142 IV 93 E. 3.2 S. 97; 133
II 58 E. 4; 126 IV 192 E. 2a S. 194; Urteil 6B_1423/2017 vom 9. Mai 2018 E.
2.1.2; je mit Hinweisen).

Eine Ausnahme vom Verbot des Rechtsüberholens sieht Art. 8 Abs. 3 Satz 1 VRV
allgemein und Art. 36 Abs. 5 lit. a VRV für Autobahnen "beim Fahren in
parallelen Kolonnen" vor. Gestattet ist, rechts an anderen Fahrzeugen unter
Wechsel des Fahrstreifens vorbeizufahren (sog. Vorfahren), wenn dies ohne
Behinderung des übrigen Verkehrs möglich ist (vgl. Art. 44 Abs. 1 SVG; BGE 142
IV 93 E. 3.3; 133 II 58 E. 4 S. 59; je mit Hinweisen). Das Rechtsüberholen
durch Ausschwenken und Wiedereinbiegen ist hingegen gemäss Art. 8 Abs. 3 Satz 2
VRV ausdrücklich untersagt. Beim Fahren in parallelen Kolonnen auf Autobahnen
darf deshalb in keinem Fall durch Ausschwenken und Wiedereinbiegen rechts
überholt werden. Dies ist namentlich der Fall, wenn ein Fahrzeuglenker die
Lücken in den parallelen Kolonnen ausnützt, um auf der rechten Fahrbahn zu
überholen. Nach der Rechtsprechung setzt paralleler Kolonnenverkehr dichten
Verkehr auf beiden Fahrspuren, somit ein längeres Nebeneinanderfahren von
mehreren sich in gleicher Richtung bewegenden Fahrzeugreihen voraus (BGE 142 IV
93 E. 3.3; 124 IV 219 E. 3a S. 222; Urteil 6B_1423/2017 vom 9. Mai 2018 E.
2.1.2; je mit Hinweisen). Kolonnenverkehr ist anhand der konkreten
Verkehrssituation zu bestimmen und zu bejahen, wenn es auf der (linken und/oder
mittleren) Überholspur zu einer derartigen Verkehrsverdichtung kommt, dass die
auf der Überhol- und der Normalspur gefahrenen Geschwindigkeiten annähernd
gleich sind (BGE 142 IV 93 E. 4.2.1).

Schliesslich darf der Fahrzeugführer auf Einspurstrecken ausnahmsweise rechts
an andern Fahrzeugen vorbeifahren, sofern für die einzelnen Fahrstreifen
unterschiedliche Fahrziele signalisiert sind (Art. 36 Abs. 5 lit. b VRV; Urteil
6B_216/2018 vom 14. November 2018 E. 1.7).

1.2.2. Für das Bundesgericht ist grundsätzlich der vorinstanzlich festgestellte
Sachverhalt massgebend (Art. 105 Abs. 1 BGG). Die Beweiswürdigung ist Aufgabe
des Sachgerichts (Art. 10 Abs. 2 StPO). Soweit der Sachverhalt und damit die
Beweiswürdigung der Vorinstanz bestritten werden, hebt das Bundesgericht ein
Urteil nur dann auf, wenn es willkürlich ist, das heisst sich im Ergebnis (Art.
97 Abs. 1 BGG) als schlechterdings unhaltbar erweist, und nicht bereits dann,
wenn eine andere Lösung ebenfalls vertretbar erschiene. Für die Anfechtung des
Sachverhalts gilt das strenge Rügeprinzip (Art. 42 Abs. 2 i.V.m. Art. 97 Abs. 1
und Art. 106 Abs. 2 BGG). Auf eine abweichende eigene Darstellung des
Geschehens und blosse Kritik am angefochtenen Urteil tritt das Bundesgericht
nicht ein (BGE 141 IV 249 E. 1.3.1, 317 E. 5.4, 369 E. 6.3).

1.3. Gestützt auf die Videoaufnahme der Polizeipatrouille erwägt die
Vorinstanz, der Beschwerdeführer habe im Tunnel "Schweizerhalle" durch
Ausschwenken zwei Personenwagen, welche auf der ersten und zweiten Überholspur
gefahren seien, mit einer die zulässige Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h
leicht überschreitenden Geschwindigkeit überholt und dadurch die Lücke auf der
Normalspur ausgenützt. Eine strafbare Geschwindigkeitsüberschreitung könne zwar
nicht ohne Weiteres angenommen werden, eine durch Beschleunigung bewirkte
Geschwindigkeitsdifferenz sei hingegen klar ersichtlich. Für die Weiterfahrt
bis zur Ausfahrt Pratteln sei weiterhin erstellt, dass der Beschwerdeführer auf
der Normalspur an mindestens drei weiteren auf der ersten und zweiten
Überholspur fahrenden Fahrzeugen, darunter einem Reisecar, rechts vorbei
gefahren sei. Das Verkehrsaufkommen sei auf der ersten und zweiten Überholspur
trotz einiger Bremsmanöver bei konstanter Geschwindigkeit flüssig gewesen. Zu
einem Handorgeleffekt sei es nicht gekommen. Die Normalspur sei weitgehend
verkehrsfrei gewesen. Vor diesem Hintergrund kommt die Vorinstanz zum Schluss,
es habe kein Kolonnenverkehr geherrscht und der Beschwerdeführer habe durch das
Rechtsüberholen eine erhöht abstrakte Gefährdung der Verkehrsteilnehmer
geschaffen.

In subjektiver Hinsicht weist die Vorinstanz darauf hin, dass der
Beschwerdeführer unvermittelt hinter den vor ihm auf der Überholspur fahrenden
Fahrzeugen aufgetaucht sei, Mindestabstände zu den vorfahrenden Fahrzeugen
nicht eingehalten und rechts überholt habe. Die Sicht- und Lichtverhältnisse
seien im Tunnel naturbedingt eingeschränkt und die Ausweichmöglichkeiten der
anderen Verkehrsteilnehmer aufgrund der beengten Verhältnisse begrenzt gewesen.
Die Signalisation "Ausfahrt Pratteln 800 m" habe keine richtungsändernde
Fahrspur angezeigt und der Beschwerdeführer habe nicht wissen können, ob noch
ein anderes Fahrzeug von der ersten oder zweiten Überholspur die Ausfahrt
nehmen werde. Diese Umstände hätten die Gefährlichkeit des Überholmanövers
potenziert. Der Beschwerdeführer sei im Verkehrsfluss nicht dynamisch
mitgefahren, sondern stets schneller als die anderen Verkehrsteilnehmer
unterwegs gewesen. Damit habe der Beschwerdeführer in Kauf genommen, andere
Verkehrsteilnehmer zu gefährlichen Fehlverhalten zu veranlassen, weswegen sein
Verhalten als grobfahrlässig zu werten sei.

1.4.

1.4.1. Nicht einzutreten ist auf die Vorbringen des Beschwerdeführers, soweit
er seinen rechtlichen Ausführungen einen von den vorinstanzlichen
Feststellungen abweichenden Sachverhalt zugrunde legt, ohne den qualifizierten
Begründungsanforderungen zu genügen. Dies ist etwa der Fall, wenn er vorträgt,
es sei zu einem Handorgeleffekt und einer Verlangsamung des Verkehrs gekommen
oder im Zusammenhang mit den vorinstanzlichen Erwägungen zum subjektiven
Tatbestand beispielsweise die im Tunnel vorherrschenden Sicht- und
Lichtverhältnisse bestreitet. Die Erwägungen der Vorinstanz stimmen mit der
Situation, wie sie sich aus der Videoaufzeichnung ergibt, überein.

1.4.2. Der dem Beschwerdeführer vorgeworfene Sachverhalt besteht nicht darin,
auf Verlangsamungen auf der Überholspur nicht mit eigenem Abbremsen reagiert zu
haben (vgl. BGE 142 IV 93 E. 4.2.1 S. 101), sondern mit überhöhter
Geschwindigkeit mehrere Fahrzeuge eingeholt und in der Folge rechts überholt zu
haben. Ein paralleler Kolonnenverkehr ist zu verneinen, wenn die gefahrenen
Geschwindigkeiten wie vorliegend zwar annähernd gleich sind, jedoch auf beiden
Überholspuren im Bereich der zulässigen Höchstgeschwindigkeit liegen. Eine
massgebliche Verlangsamung des Verkehrs aufgrund der Verkehrsdichte lag nicht
vor. Der Einwand des Beschwerdeführers, er sei auf der Normalspur gefahren und
damit dem Gebot des Rechtsfahrens nachgekommen, ist in diesem Zusammenhang
unbehelflich. Dies gilt ebenfalls, wenn er geltend macht, nicht wieder auf die
Überholspur eingebogen zu sein, sondern die Ausfahrt genommen zu haben. Eine
abstrakt gesteigerte Gefahrensituation war unter Berücksichtigung des
Fahrverhaltens des Beschwerdeführers, insbesondere seiner fehlenden Anpassung
an den vorherrschenden Verkehrsfluss sowie der überhöhten Geschwindigkeit,
gegeben. Bei den gefahrenen Geschwindigkeiten mussten die weiteren
Verkehrsteilnehmer entgegen den Vorbringen des Beschwerdeführers nicht damit
rechnen, dass ein Auto rechts auf der Normalspur vorbei fährt. Dies gilt auch
für den unmittelbar auf die Aufhebung der Geschwindigkeitsbegrenzung auf 100 km
/h folgenden Streckenabschnitt, auf dem es weder zu einer massgeblichen
Verlangsamung noch zu einer sofortigen Beschleunigung der weiteren
Verkehrsteilnehmer auf 120 km/h kam. Schliesslich ist der subjektive Tatbestand
im Sinne der vorinstanzlichen Erwägungen ebenfalls zu bejahen.

1.5. Die Verurteilung wegen Rechtsüberholens gemäss Art. 90 Abs. 2 und Art. 35
Abs. 1 SVG verletzt kein Bundesrecht.

2. 

Die Beschwerde ist abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden kann. Das
Gesuch um aufschiebende Wirkung wird mit dem Entscheid in der Sache
gegenstandslos. Bei diesem Ausgang trägt der Beschwerdeführer die Kosten des
bundesgerichtlichen Verfahrens (Art. 66 Abs. 1 BGG).

 Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 

Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf eingetreten wird.

2. 

Die Gerichtskosten von Fr. 3'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

3. 

Dieses Urteil wird den Parteien und dem Kantonsgericht Basel-Landschaft,
Abteilung Strafrecht, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 13. September 2019

Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung

des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Denys

Die Gerichtsschreiberin: Bianchi