Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Strafrechtliche Abteilung, Beschwerde in Strafsachen 6B.169/2019
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Bundesgericht

Tribunal fédéral

Tribunale federale

Tribunal federal

               

6B_169/2019

Urteil vom 26. Februar 2020

Strafrechtliche Abteilung

Besetzung

Bundesrichter Denys, Präsident,

Bundesrichterin van de Graaf,

Bundesrichterin Koch,

Gerichtsschreiber Reut.

Verfahrensbeteiligte

C.________,

vertreten durch Fürsprecher Michael Burkard,

Beschwerdeführer,

gegen

Bundesanwaltschaft,

Beschwerdegegnerin.

Gegenstand

Mehrfache Widerhandlung gegen Art. 2 des Bundesgesetzes über das Verbot der
Gruppierungen

Al-Qaïda und Islamischer Staat sowie verwandter Organisationen; Vorsatz,
Medienfreiheit,

Beschwerde gegen das Urteil des Bundesstrafgerichts, Strafkammer, vom 15. Juni
2018 (SK.2017.49).

Sachverhalt:

A. 

Am 20. November 2015 veröffentlichte der Verein "E" (nachfolgend E.________)
das Video "AR/EN/FR/DE - Exclusive Interview with Dr. D.________ - The Islamic
State and I" auf seinem Youtube-Kanal. Am 5. Dezember 2015 führte der
E.________ in einem Hotelsaal in Winterthur ausserdem einen Film mit dem Titel
"al-Fajr as sâdiq" (deutsch: "Die wahrhaftige Morgendämmerung") auf und
publizierte diesen anschliessend ebenfalls auf seinem Youtube-Kanal. Die Filme
wurden auch über die sozialen Netzwerke des Vereins bekannt gemacht.

B. 

C.________ sowie den Mitbeschuldigten A.________ und B.________ wird
vorgeworfen, gegen das Bundesgesetz über das Verbot der Gruppierungen
"Al-Qaïda" und "Islamischer Staat" sowie verwandter Organisationen vom 12.
Dezember 2014 (SR 122; nachfolgend "Al-Qaïda/IS-Gesetz") verstossen zu haben,
indem sie die genannten Filme hergestellt (Vorwurf betrifft nur C.________),
veröffentlicht und über die sozialen Medien sowie an einer öffentlichen
Veranstaltung aktiv beworben hätten. Durch die Veröffentlichung der
Propaganda-Videos habe D.________, Anführer der damals Jabhat Al-Nusra
genannten Gruppierung (syrischer Ableger der Al-Qaïda), eine prominente,
mehrsprachige und multimediale Plattform erhalten, um seine eigene Person sowie
die Ideologie der von ihm vertretenen terroristischen Organsiation Al-Qaïda
vorteilhaft darzustellen und zu propagieren.

C. 

Am 15. Juni 2018 sprach die Strafkammer des Bundesstrafgerichts A.________ und
B.________ vom Vorwurf der mehrfachen Widerhandlung gegen das Al-Qaïda/
IS-Gesetz frei. C.________ sprach es dagegen in fünf von sechs Anklagepunkten
schuldig und verurteilte ihn zu einer bedingt aufgeschobenen Freiheitsstrafe
von 20 Monaten.

D. 

C.________ führt Beschwerde in Strafsachen. Er beantragt, das angefochtene
Urteil sei hinsichtlich der erfolgten Schuldsprüche aufzuheben und er sei
vollumfänglich freizusprechen. Eventuell sei die Sache zur Neubeurteilung an
die Vorinstanz zurückzuweisen. Ferner ersucht C.________ um unentgeltliche
Rechtspflege.

Erwägungen:

1. 

Der seit dem 1. Januar 2019 geltende neue Art. 80 Abs. 1 BGG (AS 2017 5769) ist
nur auf Entscheide anwendbar, die nach dem 31. Dezember 2018 erlassen wurden
(Urteil 6B_993/2017 vom 20. August 2019 E. 1.1). Da das Urteil der Strafkammer
des Bundesstrafgerichts vor dem 1. Januar 2019 erging, ist dessen Anfechtung
mit Beschwerde in Strafsachen vor dem Bundesgericht zulässig (Urteil 6B_37/2019
vom 8. Januar 2020 E. 1 mit Hinweisen).

2. 

Der Beschwerdeführer rügt eine Verletzung von Art. 12 StGB. Die Vorinstanz habe
nicht rechtsgenüglich dargetan, dass der Beschwerdeführer die in den beiden
Videos enthaltene Propaganda als solche erkannt habe oder hätte erkennen müssen
und er in diesem Wissen auch gewollt habe, dass die beiden Videos eine
propagandistische Wirkung zugunsten von Al-Qaïda und mit ihr verwandter
Organisationen entfalten oder entfalten könnten. Das Handeln des
Beschwerdeführers sei in erster Linie von einer journalistischen Motivation,
namentlich der Informationsvermittlung über den syrischen Bürgerkrieg, getragen
worden. In zweiter Linie sei es dem Beschwerdeführer ein wichtiges Anliegen
gewesen, dem zum damaligen Zeitpunkt dominanten Diskurs des IS mit
Videoproduktionen entgegenzutreten, die er als im innerislamischen Diskurs als
glaubwürdig erachtet hätte. Zudem habe der Beschwerdeführer zum Zeitpunkt der
Produktion der beiden Videos nicht gewusst und auch nicht wissen können, dass
es sich bei seinem Interviewpartner D.________ um eine Person handle, die rund
ein Jahr später vom U.S. Department of the Treasury auf eine Sanktionsliste
gesetzt werden würde.

2.1. Nach Art. 2 Abs. 1 Al-Qaïda/IS-Gesetz macht sich strafbar, wer sich auf
dem Gebiet der Schweiz an einer nach Art. 1 verbotenen Gruppierung oder
Organisation beteiligt, sie personell oder materiell unterstützt, für sie oder
ihre Ziele Propagandaaktionen organisiert, für sie anwirbt oder ihre
Aktivitäten auf andere Weise fördert. Nach Art. 1 des Gesetzes sind namentlich
verboten die Gruppierungen "Al-Qaïda" (lit. a), "IS" (lit. b) und Tarn- und
Nachfolgegruppierungen derselben sowie Organisationen und Gruppierungen, die in
Führung, Zielsetzung und Mitteln mit jenen übereinstimmen oder in ihrem Auftrag
handeln (lit. c). Die Bestimmung bezweckt den Schutz der öffentlichen
Sicherheit schon im Vorfeld von Straftaten. Die Bedrohung manifestiert sich
dabei in einer aggressiven Propaganda, die Personen in der Schweiz zur Verübung
von Anschlägen oder zum Anschluss an andere terroristische Organisationen
verleitet (Urteil 6B_948/2016 vom 22. Februar 2017 E. 4.1 mit Hinweisen).

2.2. Vorsätzlich begeht ein Verbrechen oder Vergehen, wer die Tat mit Wissen
und Willen ausführt. Vorsätzlich handelt bereits, wer die Verwirklichung der
Tat für möglich hält und in Kauf nimmt (Art. 12 Abs. 2 StGB). Neben dem
direkten Vorsatz, bei welchem die Verwirklichung des Tatbestandes das
eigentliche Handlungsziel des Täters ist oder ihm als eine notwendige
Voraussetzung zur Erreichung seines Zieles erscheint oder eine notwendige
Nebenfolge darstellt, erfasst Art. 12 Abs. 2 StGB damit auch den
Eventualvorsatz (BGE 130 IV 58 E. 8.2 mit Hinweisen). Was der Täter wusste,
wollte und in Kauf nahm, betrifft sog. innere Tatsachen und ist damit Tatfrage
(BGE 141 IV 369 E. 6.3 mit Hinweisen). Solche prüft das Bundesgericht nur unter
dem Gesichtspunkt der Willkür (BGE 141 IV 369 E. 6.3). Rechtsfrage ist
hingegen, ob gestützt auf die festgestellten Tatsachen Fahrlässigkeit,
Eventualvorsatz oder direkter Vorsatz gegeben ist (BGE 137 IV 1 E. 4.2.3 mit
Hinweis).

2.3. Die Vorinstanz stellt zum Inhalt der Videos fest, dass sich D.________ in
dem vom Beschwerdeführer erstellten "Exklusivinterview" an Muslime und
insbesondere an muslimische Jugendliche im Westen richte. Zudem werde zum
bewaffneten Dschihad für die Jaysh Al-Fath aufgerufen. D.________'s Redezeit
betrage über 90% des etwas mehr als eine halbe Stunde dauernden Videos, was dem
Format der Videobotschaft sehr nahe komme. Der Verherrlichung des Dschihads und
der Motivation zum Dschihad setze der Beschwerdeführer nichts entgegen. Er habe
die entsprechende Propaganda ungefiltert und ohne kritische Relativierung, z.B.
durch Kommentare, Hintergrundinformationen oder Rahmenberichte, indessen mit
Untertiteln und in mehreren Sprachen publiziert, womit er die
Gedankenverbreitung auf allfällige nicht Arabisch sprechende Zuhörer gefördert
habe. Die Vorinstanz setzt sich alsdann einlässlich mit D.________ auseinander.
Sie gelangt zum Schluss, dass dieser die Haltung des IS, der sich mit Al-Qaïda
zerworfen und in der Folge abgespalten habe, missbillige, wogegen er die
Al-Qaïda, d.h. sowohl die "Kern-Al-Qaïda" als auch die territorial operativen
Al-Qaïda-Gruppierungen wie Jabhat Al-Nusra (Syrien) oder die Al-Qaïda auf der
arabischen Halbinsel sowie deren Führung rühme. Damit stelle sich D.________
als Sympathisant der Al-Qaïda dar. Zudem erhoffe und bemühe er sich um eine
Versöhnung des IS mit der Al-Qaïda. Insofern unterstütze D.________ deren
strategische Anliegen aktiv und setze sich für deren Stärkung ein. Gelungen sei
ihm dies durch die Mitgründung des Jaysh Al-Fath, einer Rebellenallianz gegen
das Regime von Bashar al-Assad in Syrien, zu der - zumindest zum
anklagerelevanten Zeitpunkt - auch Jabhat Al-Nusra gezählt habe. Damit sei der
Vorwurf, wonach der Beschwerdeführer durch die Produktion und die
Veröffentlichung des Exklusivinterviews Propaganda für die Jaysh Al-Fath
getätigt habe, erstellt (angefochtener Entscheid E. 3.2.10 f. S. 38 ff.).

Im Zusammenhang mit dem Video "Die wahrhaftige Morgendämmerung" hält die
Vorinstanz fest, dass dem Zuschauer, namentlich durch die Begrüssungsszene mit
D.________, die Freude eines solchen Kontakts bzw. die Sympathie des
Beschwerdeführers zu D.________ übermittelt werde. Insofern zeige das Video das
Wohlwollen des Videoherstellers zu D.________, dem geistigen Führer der Jaysh
Al-Fath und Befürworter der Ideologie der Al- Qaïda. Sodann würden sich die im
Hintergrund hörbaren Naschids auf den gewaltsamen Dschihad beziehen. Zu hören
sei ein Kampflied gegen Zion mit Aufruf zum Töten. Der Aufruf zum gewaltsamen
Dschihad durch die Begleitmusik zu einem Video über die Jaysh Al-Fath und die
von dieser eroberten Gebiete, glorifiziere deren militärisches Wirken und somit
auch jenes der dazugehörenden und militärisch operierenden Jabhat Al-Nusra. Das
Video stelle folglich Propaganda für die Jabhat Al-Nusra und somit auch für die
Ideologie der Al-Qaïda dar. Auch in diesem Video distanziere sich der
Beschwerdeführer nicht von Al-Qaïda (angefochtener Entscheid E. 3.3.11 S. 60
ff.).

2.4. Mit seinen Einwänden zum subjektiven Tatbestand nimmt der Beschwerdeführer
eine eigene Beweiswürdigung vor und setzt sich über die vorinstanzlichen
Feststellungen zum äusseren und inneren Sachverhalt hinweg, ohne dass sich aus
seinen Ausführungen ergäbe, dass und inwiefern die Beweiswürdigung der
Vorinstanz willkürlich und ihre Feststellungen offensichtlich unrichtig wären
(Art. 105 i.V.m. Art. 97 Abs. 1 BGG). Weshalb die Vorinstanz auf der Grundlage
der von ihr festgestellten Tatsachen den Vorsatz zu Unrecht bejaht haben soll,
legt der Beschwerdeführer nicht substanziiert dar und ist auch nicht
ersichtlich. Die Vorinstanz hat hierzu verbindlich erwogen, dass sich der
Beschwerdeführer mit der Thematik des Dschihads und dessen Protagonisten
befasst habe. Deren Positionen seien ihm bekannt gewesen. Das gelte auch für
das Zerwürfnis zwischen Al-Qaïda und dem IS. Eine Ablehnung des IS bedeute
somit nicht eine grundsätzliche Ablehnung der Al-Qaïda. Die in den Videos
gegenüber dem IS geäusserte Kritik betreffe keine Punkte, die den Gesetzgeber
veranlasst hätten, sowohl die Al-Qaïda wie auch den IS zu verbieten. Die Kritik
beziehe sich auf religiöse Fragen oder fremde Rechtsordnungen, etwa auf
islamisch-theologische Auslegungen wie die Voraussetzungen der Exkommunizierung
oder die Befugnis zur Umsetzung der Sharia (angefochtener Entscheid E. 3.2.12
S. 49 f.).

Der Beschwerdeführer wusste, welcher Ideologie D.________ nahe stand. Durch die
Filme inszenierte er nicht nur eine positive Gesinnung zum geistigen Führer der
Jaysh Al-Fath bzw. der Jabhat Al-Nusra, sondern liess den Aufruf zum
bewaffneten Dschihad kritiklos zu. Im Video "Die wahrhaftige Morgendämmerung"
untermalte er die propagandistischen Botschaften von D.________ zudem mit einem
hetzerischen Kampflied. Unter diesen Umständen muss dem Beschwerdeführer eine
dokumentarfilmische bzw. journalistische Motivation abgesprochen werden. Seine
Absicht, die Entwicklungen in Syrien möglichst kontinuierlich zu dokumentieren
sowie den zu jener Zeit "hegemonialen IS-Diskurs zu dekonstruieren" ist nur
vorgeschoben. Mit der Herstellung und Verbreitung der Videos brachte er den
Willen zum Ausdruck, Propaganda für Jabhat Al-Nusra und die Ideologie von
Al-Qaïda zu betreiben. Nicht zielführend ist vor diesem Hintergrund auch der
Einwand des Beschwerdeführers, er habe nicht wissen können, dass es sich bei
seinem Interviewpartner D.________ um eine Person handle, die rund ein Jahr
später vom U.S. Department of the Treasury auf eine Sanktionsliste gesetzt
würde. Die Vorinstanz hält hierzu bereits zutreffend fest, dass eine
propagandistische Botschaft für die Al-Qaïda unabhängig der Aufnahme der sie
aussprechenden Person auf einer Terrorliste möglich ist. Ihre Schlussfolgerung,
der Beschwerdeführer habe vorsätzlich gehandelt, verletzt kein Bundesrecht.

3. 

Soweit der Beschwerdeführer das Vorliegen eines Rechtfertigungsgrunds im Sinne
von Art. 14 StGB bzw. eine Verletzung der Medienfreiheit nach Art. 17 BV und
Art. 10 EMRK geltend macht, ist auf die Beschwerde nicht einzutreten. Die
Rechtsrüge entspricht nicht der prozessordnungsgemässen Darstellung, da sich
der Beschwerdeführer im Wesentlichen darauf beschränkt, in allgemeiner Weise
auf seine Aussage, seine Funktion als "Verantwortlicher des Departements für
Kulturproduktion" im Verein E.________, einen von ihm vor Vorinstanz
eingereichten Bericht des E.________ sowie zwei (mutmasslich bestehende)
Artikel aus der Presse zu verweisen. Das Bundesgericht untersucht die
Verletzung von Grundrechten nur insoweit, als eine solche Rüge in der
Beschwerde präzise vorgebracht und begründet worden ist (Art. 106 Abs. 2 BGG;
BGE 143 IV 500 E. 1.1; 142 II 206 E. 2.5; 142 I 135 E. 1.5; je mit Hinweisen).
Das ist hier nicht der Fall.

4. 

Die Beschwerde ist abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden kann. Bei
diesem Ausgang des Verfahrens wird der Beschwerdeführer kostenpflichtig (Art.
66 Abs. 1 BGG). Dem Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege kann wegen
Aussichtslosigkeit der Beschwerde nicht entsprochen werden (Art. 64 Abs. 1
BGG). Der finanziellen Lage des Beschwerdeführers ist mit herabgesetzten
Gerichtskosten Rechnung zu tragen (Art. 65 Abs. 2 BGG).

 Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 

Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.

2. 

Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen.

3. 

Die Gerichtskosten von Fr. 1'200.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

4. 

Dieses Urteil wird den Parteien und dem Bundesstrafgericht, Strafkammer,
schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 26. Februar 2020

Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung

des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Denys

Der Gerichtsschreiber: Reut