Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Strafrechtliche Abteilung, Beschwerde in Strafsachen 6B.154/2019
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Bundesgericht

Tribunal fédéral

Tribunale federale

Tribunal federal

               

6B_154/2019

Urteil vom 26. April 2019

Strafrechtliche Abteilung

Besetzung

Bundesrichter Denys, Präsident,

Bundesrichter Oberholzer, nebenamtliche Bundesrichterin Koch,

Gerichtsschreiberin Rohrer.

Verfahrensbeteiligte

X.________, vertreten durch

Fürsprecher Dr. Urs Oswald,

Beschwerdeführer,

gegen

Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich, Florhofgasse 2, 8090 Zürich,

Beschwerdegegnerin.

Gegenstand

Verweigerung des bedingten Strafvollzugs (versuchte sexuelle Handlungen mit
Kindern usw.),

Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich, I.
Strafkammer, vom 23. November 2018 (SB180258-O/U/jv).

Sachverhalt:

A. 

Am 9. März 2018 sprach das Bezirksgericht Zürich X.________ der versuchten
sexuellen Handlungen mit Kindern, der mehrfachen Pornographie und des
vorsätzlichen Fahrens in fahrunfähigem Zustand schuldig. Es bestrafte ihn mit
einer bedingten Freiheitsstrafe von 11 Monaten, bei einer Probezeit von 4
Jahren und unter Anrechnung der ausgestandenen Haft. Den Antrag auf Anordnung
eines Tätigkeitsverbots wies das Bezirksgericht Zürich ab.

B.

Auf Berufung der Staatsanwaltschaft erklärte das Obergericht des Kantons Zürich
mit Urteil vom 23. November 2018 die erstinstanzlich ausgefällte
Freiheitsstrafe von 11 Monaten für vollziehbar. Weiter ordnete es ein
Tätigkeitsverbot für 10 Jahre an und auferlegte X.________ die Kosten des
Berufungsverfahrens.

C.

X.________ führt Beschwerde in Strafsachen. Er beantragt, das Urteil des
Obergerichts Zürich sei in Ziffer 1 aufzuheben und es sei ihm für die
Freiheitsstrafe von 11 Monaten der bedingte Strafvollzug zu gewähren, unter
Ansetzung einer Probezeit von 4 Jahren. Weiter sei ihm lediglich die Hälfte der
Kosten des Berufungsverfahrens aufzuerlegen. Die andere Hälfte sei auf die
Staatskasse zu nehmen. X.________ ersucht um unentgeltliche Rechtspflege und
Verbeiständung.

Erwägungen:

1.

1.1. Der Beschwerdeführer wendet sich gegen die Verweigerung des vollbedingten
Vollzugs der Strafe. Er macht geltend, es sei von einer günstigen Prognose
auszugehen. Sein Lehrabschluss wirke sich entgegen der Auffassung der
Vorinstanz stabilisierend auf seine persönlichen und beruflichen Verhältnisse
aus. Dafür habe er sich angesichts seiner schwierigen Kinder- und Jugendzeit
mit verschiedenen Aufenthalten in Heimen ausserordentlich anstrengen müssen.
Seine Bemühungen dürften nicht mit dem Argument verworfen werden, er sei
mittlerweile über 30 Jahre alt, weshalb die Stabilisierung der schwierigen
persönlichen Verhältnisse zu einem gewissen Grad vorausgesetzt werden dürfe.
Auch die Delinquenz während laufender Strafuntersuchung sei dahingehend zu
berücksichtigen, dass es eine Person mit seiner Lebensgeschichte besonders
schwer habe, nicht rückfällig zu werden und dass es im Zuge der Wandlung zu
einzelnen Rückschlägen kommen könne. Schliesslich verfalle die Vorinstanz in
Willkür, indem sie einerseits erwäge, seine schwierigen persönlichen
Verhältnisse hätten sich stabilisiert, andererseits aber davon ausgehe, dass
sich seine berufliche und persönliche Situation weder besonders stabilisierend
noch besonders destabilisierend auswirke.

1.2. Die Vorinstanz berücksichtigt bei der Anordnung des unbedingten
Strafvollzugs, dass der Beschwerdeführer noch nie zu einer Freiheitsstrafe
verurteilt worden ist. Allerdings verfüge er über mehrere Vorstrafen. Die
Vorinstanz listet die sieben Eintragungen im Strafregister zwischen dem 29.
Juli 2007 und dem 20. September 2018 detailliert auf. Sechs dieser Eintragungen
seien einschlägige Delikte gegen das Strassenverkehrsgesetz, weshalb
diesbezüglich von einer eigentlichen Unbelehrbarkeit auszugehen sei. Zudem habe
der Beschwerdeführer während laufender Strafuntersuchung delinquiert. Lediglich
etwas mehr als zwei Monate nach der Schlusseinvernahme im vorliegenden
Verfahren sei der Beschwerdeführer am 16. Dezember 2017 wieder straffällig
geworden. Zwar habe er bisher noch nie mit einer schwereren Strafe von mehr als
100 Tagessätzen Geldstrafe bestraft werden müssen. Allerdings habe ihn der
Vollzug von früheren unbedingt ausgesprochenen Geldstrafen nicht von erneuter
Straffälligkeit abgehalten, was sich legalprognostisch ungünstig auswirke. Der
Beschwerdeführer habe im Sommer 2018 die Lehre als Zimmermann EFZ
abgeschlossen. Dies sei an sich eine positive Veränderung seit der Tat. Er habe
den Lehrbetrieb per Ende Juni 2018 verlassen. Ob er derzeit eine Arbeit habe,
sei unbekannt. Seinen achtjährigen Sohn sehe er regelmässig. Er verfüge über
eine eigene Wohnung, wo er Unterstützung einer befreundeten Familie erhalte.
Auch wenn sich die schwierigen Verhältnisse stabilisiert hätten, dürfe dies zu
einem gewissen Grad vorausgesetzt werden, da der Beschwerdeführer mittlerweile
über 30 Jahre alt sei. Bei einer Gesamtwürdigung werde die strafrechtliche
Vorbelastung des Beschwerdeführers nicht durch die übrigen Umstände
kompensiert, weshalb nicht vom Fehlen einer ungünstigen Prognose ausgegangen
werden könne. Die Freiheitsstrafe sei daher zu vollziehen.

1.3.

1.3.1. Im Rahmen der am 1. Januar 2018 in Kraft getretenen Änderung des
Sanktionenrechts wurden Art. 42 und 43 StGB revidiert. Die revidierten
Bestimmungen sind für den Beschwerdeführer nicht milder, weshalb das alte Recht
zur Anwendung gelangt (vgl. Art. 2 Abs. 2 StGB; Urteil 6B_254/2018 vom 6.
September 2018 E. 1.2 mit Hinweisen). Da vorliegend eine Freiheitsstrafe von
unter einem Jahr ausgefällt wurde, stellt sich die Frage eines teilbedingten
Vollzugs nach aArt. 43 Abs. 1 StGB nicht. Gesetzlich zulässig sind nur der
vollbedingte oder der unbedingte Vollzug.

1.3.2. Das Gericht schiebt den Vollzug einer Geldstrafe, von gemeinnütziger
Arbeit oder einer Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten und höchstens
zwei Jahren in der Regel auf, wenn eine unbedingte Strafe nicht notwendig
erscheint, um den Täter von der Begehung weiterer Verbrechen oder Vergehen
abzuhalten (aArt. 42 Abs. 1 StGB).

Sind die objektiven Voraussetzungen für einen bedingten Strafvollzug gegeben,
hat das Gericht eine Prognose über das zukünftige Verhalten des Täters zu
stellen. Dabei setzt der bedingte Strafvollzug nach aArt. 42 Abs. 1 nicht die
Erwartung voraus, der Täter werde sich bewähren; es genügt die Abwesenheit der
Befürchtung, dass er es nicht tun werde. Der Strafaufschub ist deshalb die
Regel, von der grundsätzlich nur bei ungünstiger Prognose abgewichen werden
darf (BGE 134 IV 1 E. 4.2.2 S. 6 mit Hinweisen). In die Beurteilung
miteinzubeziehen sind neben den Tatumständen das Vorleben und der Leumund sowie
alle weiteren Tatsachen, die gültige Schlüsse auf den Charakter des Täters und
die Aussichten seiner Bewährung zulassen. Ein relevantes Prognosekriterium ist
insbesondere die strafrechtliche Vorbelastung (BGE 135 IV 180 E. 2.1 S. 185 f.;
134 IV 1 E. 4.2.1 S. 5). Einschlägige Vorstrafen sind bei der Prognosestellung
erheblich zu gewichten; sie schliessen den bedingten Vollzug aber nicht
notwendig aus (BGE 134 IV 1 E. 4.2.3 S. 7; Urteil 6B_235/2018 vom 1. November
2018 E. 2.2).

Dem Richter steht bei der Prüfung der Prognose des künftigen Legalverhaltens
ein Ermessensspielraum zu. Das Bundesgericht greift nur ein, wenn das Ermessen
über- bzw. unterschritten oder missbraucht und damit Bundesrecht verletzt wird
(BGE 144 IV 277 E. 3.1.1 S. 281 mit Hinweis).

1.4. Die Vorinstanz prüft die für die Frage des bedingten Strafvollzugs
wesentlichen Kriterien. Es ist nicht ersichtlich, dass sie von rechtlich nicht
massgeblichen Gesichtspunkten ausgegangen wäre oder wesentliche Faktoren nicht
beachtet hätte.

Hinsichtlich der Strassenverkehrsdelikte bezieht sie in die Prognosestellung
mit ein, dass der Beschwerdeführer über zahlreiche Vorstrafen verfügt. Sie
unterscheidet zwischen einschlägigen Vorstrafen, welche den
Strassenverkehrsbereich betreffen und weiteren Vorstrafen. Am 28. Mai 2017, im
Zeitpunkt der vorliegend zur Diskussion stehenden Widerhandlung gegen das
Strassenverkehrsgesetz, wies der Beschwerdeführer sechs Vorstrafen auf, wovon
vier einschlägig sind und den Jahren 2009 bis 2014 entstammen. Dabei handelt es
sich in allen Fällen um Geldstrafen, von denen mehrere unbedingt ausgesprochen
und vollzogen worden sind. Diese Vorstrafen zeigen, dass der Beschwerdeführer
in den Jahren vor der vorliegend zu beurteilenden Widerhandlung gegen das
Strassenverkehrsgesetz mit diesem regelmässig in Konflikt geraten ist.

Zwar sind die entsprechenden Strafen mit bis zu 60 Tagessätzen gemessen an der
damals möglichen Anzahl von 360 Tagessätzen Geldstrafe nicht hoch, sondern
liegen im untersten Bereich des Strafrahmens. Indessen berücksichtigt die
Vorinstanz in korrekter Weise, dass der Beschwerdeführer während des
vorliegenden Strafverfahrens im Bereich des Strassenverkehrs erneut straffällig
wurde. Diese Straftat hat zu einer unbedingten Geldstrafe von 100 Tagessätzen
und zum aktuellsten Strafregistereintrag vom 20. September 2018 geführt und
somit hinsichtlich der Strafhöhe eine weitaus erheblichere Strafe nach sich
gezogen, als die bisherigen Widerhandlungen gegen das Strassenverkehrsgesetz.
Die Vorinstanz schliesst daher in korrekter Würdigung der vorhandenen
Beweismittel aus, dass sich die an sich günstige Entwicklung der persönlichen
und beruflichen Verhältnisse positiv auf die Delinquenz im
Strassenverkehrsbereich ausgewirkt hat. Aufgrund der neuerlichen
Straffälligkeit stellt die Vorinstanz dem Beschwerdeführer in Bezug auf diese
Deliktskategorie eine schlechte Prognose. In diesen vorinstanzlichen Erwägungen
ist entgegen den Ausführungen des Beschwerdeführers kein Widerspruch zu
erblicken. Der Beschwerdeführer hat sich trotz seiner Berufslehre und der damit
einhergehenden verbesserten sozialen und persönlichen Rahmenbedingungen nicht
von weiteren Straftaten im Strassenverkehrsbereich abhalten lassen, weshalb die
Vorinstanz zum Schluss gelangen durfte, dass die gebesserten Verhältnisse
keinen (positiven) Einfluss auf die Legalprognose hätten. Dies gilt umso mehr,
als im Zeitpunkt des vorinstanzlichen Urteils vom 23. November 2018 ungewiss
war, ob die positive berufliche Entwicklung anhält, zumal nicht bekannt ist, ob
der Beschwerdeführer nach dem Lehrabschluss bzw. nach dem Verlassen des
Lehrbetriebes per 30. Juni 2018 eine Stelle gefunden hat.

Dieselben Überlegungen zur Legalprognose gelten auch in Bezug auf die zu
beurteilenden Delikte gegen die sexuelle Integrität. Der Beschwerdeführer wurde
in diesem Bereich im September 2016straffällig, d.h. in einem Zeitpunkt, in
welchem er die Lehre als Zimmermann, welche er als besonders positiven Umstand
ins Feld führt, bereits angetreten hatte. Die Vorinstanz durfte daher davon
ausgehen, dass sich die an sich günstige berufliche und persönliche Entwicklung
nicht positiv auf die künftige Delinquenz des Beschwerdeführers in diesem
Deliktsbereich auswirke. Dies gilt umso mehr, als eine deutliche Steigerung
hinsichtlich der Deliktsschwere festzustellen ist, welche weit über das zu
erwartende Mass des vom Beschwerdeführer ins Feld geführten "punktuellen
Rückschlags" hinausgeht. So schlug der Beschwerdeführer einem vermeintlich
13-jährigen Mädchen auf einer Internetplattform vor, mit ihm geschlechtlich zu
verkehren. Als das Kind dies ablehnte, unterbreitete er ihm den Vorschlag
andere sexuelle Handlungen vorzunehmen und verabredete sich mit ihm. Beim
"Opfer" handelte es sich indes um einen verdeckten Fahnder der Stadtpolizei
Zürich. Am Treffpunkt wurde der Beschwerdeführer von der Stadtpolizei Zürich
erwartet und verhaftet. In der Folge konnten beim Beschwerdeführer sieben
Abbildungen nackter, minderjähriger Mädchen in sexuell aufreizender Stellung,
eine Abbildung eines masturbierenden minderjährigen Knaben sowie eine
Gewaltdarstellung einer nackten Frau sichergestellt werden.

Der Beschwerdeführer befand sich nach seiner Festnahme während zwei Tagen in
Haft. Damit wurden ihm die Konsequenzen vor Augen geführt, die ein weiteres
strafbares Verhalten haben könnte. Ungeachtet dessen beging der
Beschwerdeführer während des laufenden Strafverfahrens am 16. Dezember 2017
erneut Strassenverkehrsdelikte, für welche er am 20. September 2018 zu einer
unbedingten Geldstrafe von 100 Tagessätzen und zu einer Busse von Fr. 100.-
verurteilt wurde. Der Beschwerdeführer hat sich somit weder durch die
Vorstrafen, noch durch die ausgestandene Untersuchungshaft, noch durch das
vorliegende Strafverfahren von weiteren Straftaten abhalten lassen. Die
Vorinstanz stellt dem Beschwerdeführer angesichts der konkreten Umstände in
korrekter Anwendung von Bundesrecht auch für Delikte gegen die sexuelle
Integrität eine schlechte Legalprognose, die einen bedingten Strafvollzug
ausschliesst. Die Rüge des Beschwerdeführers ist damit unbegründet.

1.5. Der Beschwerdeführer begründet seinen Antrag, die Kosten des
Berufungsverfahrens seien ihm bloss zur Hälfte aufzuerlegen, nicht respektive
einzig mit der beantragten Aufhebung des vorinstanzlichen Urteils. Bei diesem
Verfahrensausgang erübrigt es sich, darauf einzugehen.

2.

Die Beschwerde ist abzuweisen. Dem Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und
Verbeiständung kann angesichts der Aussichtslosigkeit der Rechtsbegehren nicht
entsprochen werden (Art. 64 Abs. 1 und 2 BGG). Dem Beschwerdeführer sind die
Gerichtskosten aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Seiner finanziellen Lage wird
mit herabgesetzten Gerichtskosten Rechnung getragen (Art. 65 Abs. 2 und Art. 66
Abs. 1 BGG).

 Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 

Die Beschwerde wird abgewiesen.

2.

Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen.

3.

Die Gerichtskosten von Fr. 1'200.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

4. 

Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Zürich, I.
Strafkammer, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 26. April 2019

Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung

des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Denys

Die Gerichtsschreiberin: Rohrer