Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Strafrechtliche Abteilung, Beschwerde in Strafsachen 6B.1467/2019
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Bundesgericht

Tribunal fédéral

Tribunale federale

Tribunal federal

               

6B_1467/2019

Urteil vom 20. Februar 2020

Strafrechtliche Abteilung

Besetzung

Bundesrichter Denys, Präsident,

Bundesrichterinnen van de Graaf, Koch,

Gerichtsschreiber Reut.

Verfahrensbeteiligte

A.________,

vertreten durch Rechtsanwalt Martin Leiser,

Beschwerdeführer,

gegen

Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Aargau,

Beschwerdegegnerin.

Gegenstand

Grobe Verletzung der Verkehrsregeln, Willkür,

Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Aargau, Strafgericht,
3. Kammer, vom 25. November 2019 (SST.2019.228).

Sachverhalt:

A.

Die Staatsanwaltschaft Baden wirft A.________ vor, er habe am 23. Oktober 2018
um 14.55 Uhr mit seinem Personenwagen die signalisierte Höchstgeschwindigkeit
innerorts auf der Hauptstrasse in Remetschwil um 30 km/h nach Abzug der
Sicherheitsmarge überschritten. Die Staatsanwaltschaft erliess am 7. Dezember
2018 einen Strafbefehl.

B.

Nach erfolgter Einsprache und Überweisung der Angelegenheit an das Gericht
sprach das Bezirksgericht Baden A.________ am 9. August 2019 wegen grober
Verletzung der Verkehrsregeln schuldig und bestrafte ihn mit einer bedingten
Geldstrafe von 50 Tagessätzen zu Fr. 190.--, bei einer Probezeit von 2 Jahren,
und mit einer Busse von Fr. 1'900.--.

C.

Das Obergericht des Kantons Aargau bestätigte am 25. November 2019 das
erstinstanzliche Urteil.

D.

A.________ beantragt mit Beschwerde, er sei von Schuld und Strafe
freizusprechen. Die Sache sei zur Festlegung der Kosten- und
Entschädigungsfolge an die Vorinstanz zurückzuweisen.

Erwägungen:

1.

1.1. Der Beschwerdeführer rügt eine willkürliche Beweiswürdigung. Er macht
geltend, die Geschwindigkeitsmessung sei möglicherweise fehlerhaft, da das
LED-Licht des Fahrzeugs eine Fehlmessung verursachen könne. Nur mit einem
Gutachten könne eine falsche Messung ausgeschlossen werden. Eine Verurteilung
ohne ein solches sei willkürlich und verstosse gegen die Unschuldsvermutung
sowie den Grundsatz "in dubio pro reo".

1.2. Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die
Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Die Sachverhaltsfeststellung
der Vorinstanz kann vor Bundesgericht nur gerügt werden, wenn sie
offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art.
95 BGG beruht und die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens
entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1 und Art. 105 Abs. 2 BGG). Offensichtlich
unrichtig ist eine Sachverhaltsfeststellung, wenn sie willkürlich ist (BGE 143
IV 500 E. 1.1, 241 E. 2.3.1; je mit Hinweisen). Willkür liegt nach ständiger
Rechtsprechung nur vor, wenn die vorinstanzliche Beweiswürdigung
schlechterdings unhaltbar ist, d.h. wenn die Behörde in ihrem Entscheid von
Tatsachen ausgeht, die mit der tatsächlichen Situation in klarem Widerspruch
stehen oder auf einem offenkundigen Fehler beruhen. Dass eine andere Lösung
ebenfalls möglich erscheint, genügt nicht (BGE 143 IV 241 E. 2.3.1 mit
Hinweisen). Erforderlich ist, dass der Entscheid nicht nur in der Begründung,
sondern auch im Ergebnis willkürlich ist (BGE 141 IV 305 E. 1.2 mit Hinweisen).
Dem in Art. 10 Abs. 1 StPO, Art. 32 Abs. 1 BV und Art. 6 Ziff. 2 EMRK
verankerten Grundsatz "in dubio pro reo" kommt als Maxime der Beweiswürdigung
im Verfahren vor Bundesgericht keine über das Willkürverbot hinausgehende
selbständige Bedeutung zu (BGE 144 IV 345 E. 2.2.3.3; 143 IV 500 E. 1.1; je mit
Hinweisen).

1.3. Die Vorinstanz begründet sorgfältig und nachvollziehbar, weshalb sie auf
ein Gutachten verzichtet und die Geschwindigkeitsüberschreitung von 30 km/h
innerorts als erstellt erachtet. Nach ihren Erwägungen enthalten die in den
Akten liegenden Fotos der Radarmessung keine Hinweise auf Unregelmässigkeiten
oder auf eine ungültige Messung, obschon eine Fehlmessung meistens schon bei
der Auswertung der Daten erkannt werde. Alle Daten, wie das verwendete
Messgerät (ES 7.0 Nr. 7015), die Kamera, die Messstelle, das Datum, die Zeit
und die gemessene Geschwindigkeit seien auf der Messung enthalten. Die
Vorinstanz würdigt sodann die weiteren beigezogenen Daten. Sie erwägt, aus dem
Eichzertifikat, der Ausbildungsbestätigung des Gerätebedieners, dem Protokoll
der Geschwindigkeitskontrolle sowie aus dem Bericht von Fw B.________ ergebe
sich, dass das Messgerät während der gesamten Kontrolle einwandfrei
funktioniert habe. Schliesslich berücksichtigt sie den Umstand, dass der
Beschwerdeführer auch nach Auffassung des die Messung durchführenden Beamten Fw
B.________ von blossem Auge erkennbar zu schnell gefahren sei und der
Beschwerdeführer selbst eingeräumt habe, er sei bewusst 80 km/h gefahren, weil
er von einer Ausserortsstrecke ausgegangen sei. Der Beschwerdeführer vermag mit
seinen Ausführungen zu angeblichen Fehlmessungen eines anderen Radargerätetyps,
der vorliegend nicht eingesetzt wurde, keine Willkür aufzuzeigen. Angesichts
dieser konkreten Umstände durfte die Vorinstanz eine Fehlfunktion des
Radargerätes ausschliessen und den Antrag auf ein Gutachten betreffend die
gemessene Geschwindigkeit in antizipierter Beweiswürdigung (Art. 139 Abs. 2
StPO; dazu Urteil 6B_582/2017 vom 19. Juni 2018 E. 2.1.1 mit Hinweisen; vgl.
auch BGE 141 I 60 E. 3.3) abweisen, ohne in Willkür zu verfallen.

Soweit der Beschwerdeführer im Übrigen vorbringt, er habe die
Geschwindigkeitsbegrenzung nicht gesehen, weil er möglicherweise bei der
Einfahrt in das Dorf Remetschwil ein anderes Fahrzeug gekreuzt habe und die
Geschwindigkeitssignalisation generell nicht gut sichtbar sei, begnügt er sich
mit appellatorischer Kritik am angefochtenen Urteil. Darauf ist nicht
einzutreten.

2.

2.1. Der Beschwerdeführer wendet sich gegen die Verurteilung wegen grober
Verkehrsregelverletzung durch Missachtung der signalisierten und zulässigen
Höchstgeschwindigkeit innerorts gemäss Art. 90 Abs. 2 SVG i.V.m. Art. 27 Abs. 1
SVG und Art. 4a Abs. 1 lit. a der Verkehrsregelverordnung vom 13. November 1962
(VRV; SR 741.11). Er macht geltend, die Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h sei
nicht gesetzeskonform signalisiert und somit unverbindlich. Art. 103 der
Signalisationsverordnung vom 5. September 1979 (SSV; SR 741.21) sei verletzt,
wonach Verkehrssignale rechts am Strassenrand anzubringen seien. Das Signal
"Höchstgeschwindigkeit 50 generell" stehe auf der linken Strassenseite, weshalb
es nicht klar erkennbar gewesen sei. Es liege keine Ausnahme für eine
linksseitige Signalisation vor.

2.2.

2.2.1. Wer durch grobe Verletzung von Verkehrsregeln eine ernstliche Gefahr für
die Sicherheit anderer hervorruft oder in Kauf nimmt, macht sich nach Art. 90
Abs. 2 SVG strafbar. Der objektive Tatbestand verlangt nach der Rechtsprechung,
dass der Täter eine wichtige Verkehrsvorschrift in objektiv schwerer Weise
missachtet und die Verkehrssicherheit ernstlich gefährdet. Eine ernstliche
Gefahr für die Sicherheit anderer ist bereits bei einer erhöhten abstrakten
Gefährdung gegeben. Diese setzt die naheliegende Möglichkeit einer konkreten
Gefährdung oder Verletzung voraus. Eine konkrete Gefahr oder Verletzung ist
nicht verlangt. Subjektiv erfordert der Tatbestand ein rücksichtsloses oder
sonst schwerwiegend verkehrsregelwidriges Verhalten, d.h. ein schweres
Verschulden, bei fahrlässigem Handeln mindestens grobe Fahrlässigkeit. Je
schwerer die Verkehrsregelverletzung objektiv wiegt, desto eher wird
Rücksichtslosigkeit subjektiv zu bejahen sein, sofern keine besonderen
Gegenindizien vorliegen (BGE 142 IV 93 E. 3.1 mit Hinweisen).

2.2.2. Die allgemeine Höchstgeschwindigkeit für Fahrzeuge beträgt in
Ortschaften unter günstigen Strassen-, Verkehrs- und Sichtverhältnissen 50 km/
h. Sie beginnt beim Signal "Höchstgeschwindigkeit 50 generell" und endet beim
Signal "Ende der Höchstgeschwindigkeit 50 generell" (Art. 4a Abs. 1 lit. a und
Abs. 2 VRV).

2.2.3. Art. 27 Abs. 1 SVG schreibt vor, dass Signale und Markierungen sowie die
Weisungen der Polizei befolgt werden müssen. Nach der Rechtsprechung gilt diese
Pflicht zur Befolgung von Signalen und Markierungen grundsätzlich unabhängig
von der Anfechtbarkeit und allenfalls erfolgten Anfechtung der zugrunde
liegenden Verfügung. Signale und Markierungen richten sich an eine Vielzahl von
Strassenbenutzern. Diese müssen sich auf die Verkehrszeichen verlassen können.
Eine allfällige Rechtswidrigkeit eines solchen Zeichens ist meist nicht
erkennbar. Auch nicht gesetzeskonforme Geschwindigkeitsbeschränkungen sind
daher in der Regel zu beachten. Die Verbindlichkeit vertrauensbegründender
Verkehrszeichen findet ihre Grenze bei nichtigen Anordnungen. Nichtigkeit wird
angenommen bei Anordnungen, deren Mangelhaftigkeit besonders schwer wiegt und
offensichtlich oder zumindest leicht erkennbar ist (BGE 128 IV 184 E. 4.2 f.;
113 IV 123 E. 2b; Urteile 6B_95/2017 vom 22. Mai 2017 E. 1.4.2; 6B_493/2015 vom
15. April 2016 E. 2.3.2; je mit Hinweisen). Signale vermögen Fahrzeuglenker nur
zu verpflichten, wenn sie so aufgestellt sind, dass sie leicht und rechtzeitig
erkannt werden können. Dabei ist als Massstab ein Fahrzeuglenker zu Grunde zu
legen, der dem Strassenverkehr die notwendige und von ihm vernünftigerweise zu
erwartende Aufmerksamkeit widmet. Fahrzeuglenker sind nicht gehalten, nach
unzulässigerweise fernab von der Fahrbahn aufgestellten Signalen Ausschau zu
halten (BGE 127 IV 229 E. 2c/aa und E. 2c/cc; Urteil 6B_493/2015 vom 15. April
2016 E. 2.3.2 mit Hinweis). Nach Art. 103 SSV stehen Signale am rechten
Strassenrand. Sie können am linken Strassenrand wiederholt, über die Fahrbahn
gehängt, auf Inseln gestellt oder in zwingenden Ausnahmefällen ausschliesslich
links angebracht werden (Abs. 1 Satz 1 und 2). Signale werden so aufgestellt,
dass sie rechtzeitig erkannt und nicht durch Hindernisse verdeckt werden (Abs.
2 Satz 1). Der Abstand zwischen dem Fahrbahnrand und der nächsten Signalkante
beträgt innerorts 0.30-2.00 Meter, ausserorts 0.50-2.00 Meter, in besonderen
Fällen maximal 3.50 Meter (Abs. 4 Satz 2).

2.3. Der Beschwerdeführer bringt zu Recht vor, die Tafel stehe entgegen der in
Art. 106 Abs. 1 Satz 1 SSV aufgestellten Regel am linken statt am rechten
Strassenrand. Aus dem angefochtenen Urteil geht auch nicht hervor, ob ein
zwingender Ausnahmefall vorliegt, der ein Anbringen des Signals am linken
Strassenrand erlauben würde. Dies führt vorliegend jedoch nicht zur
Unbeachtlichkeit der Signalisation. Denn die Vorinstanz erwägt, dass das Signal
"Höchstgeschwindigkeit 50 generell" bei der Einfahrt nach Remetschwil deutlich
und bereits von Weitem erkennbar gewesen sei. Daran ändere die Signalisation
auf der linken Strassenseite nichts. Die Strasse sei an dieser Stelle derart
schmal, dass sie nur einspurig befahren werden könne. Dadurch sei der
Fahrzeuglenker gezwungen, seine Geschwindigkeit entsprechend zu verlangsamen
(angefochtenes Urteil S. 5 und S. 8 ff.). Soweit der Beschwerdeführer in seiner
Beschwerde vom Gegenteil ausgeht, ist er von vornherein nicht zu hören, da er
damit von der vorinstanzlichen Sachverhaltsfeststellung abweicht, ohne jedoch
Willkür geltend zu machen oder darzutun. Die örtlichen Verhältnisse liessen ein
leichtes und rechtzeitiges Erkennen des Signals ohne Weiteres zu. Der
Beschwerdeführer war daher verpflichtet, dem erkennbaren Signal Folge zu
leisten. Ohnehin musste er bereits anhand der Einfahrt über die Zopfstrasse,
der Überbauungen sowie der schmalen Strassenführung davon ausgehen, dass er
innerorts unterwegs war (vgl. Art. 4a Abs. 2 VRV).

3.

Die Beschwerde ist abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden kann. Bei
diesem Ausgang des Verfahrens sind die Gerichtskosten dem Beschwerdeführer
aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.

Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.

2.

Die Gerichtskosten von Fr. 3'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

3.

Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Aargau,
Strafgericht, 3. Kammer, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 20. Februar 2020

Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung

des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Denys

Der Gerichtsschreiber: Reut