Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Strafrechtliche Abteilung, Beschwerde in Strafsachen 6B.1390/2019
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Bundesgericht

Tribunal fédéral

Tribunale federale

Tribunal federal

               

6B_1390/2019

Urteil vom 23. April 2020

Strafrechtliche Abteilung

Besetzung

Bundesrichter Denys, Präsident,

Bundesrichter Muschietti,

Bundesrichterin van de Graaf,

Gerichtsschreiberin Andres.

Verfahrensbeteiligte

A.________,

vertreten durch Rechtsanwalt Martin Künzle,

Beschwerdeführer,

gegen

Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Aargau,

Beschwerdegegnerin.

Gegenstand

Stationäre therapeutische Behandlung von psychischen Störungen; psychiatrisches
Gutachten,

Besetzung

Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Aargau, Strafgericht,
1. Kammer, vom 21. Oktober 2019 (SST.2018.101).

Sachverhalt:

A. 

Das Obergericht des Kantons Aargau verurteilte A.________ am 21. Oktober 2019
zweitinstanzlich wegen vorsätzlicher Tötung seiner Ehefrau, Täuschung der
Behörden, Drohung, Beschimpfung und Tätlichkeit zu einer Freiheitsstrafe von 13
Jahren, einer Geldstrafe von 180 Tagessätzen zu Fr. 10.-- sowie einer Busse von
Fr. 300.-- (Dispositiv-Ziff. 3 f.) und ordnete eine stationäre therapeutische
Behandlung von psychischen Störungen an (Dispositiv-Ziff. 5). Vom Vorwurf der
versuchten Nötigung sprach es ihn frei und stellte eine Verletzung des
Beschleunigungsgebots fest (Dispositiv-Ziff. 1 f.). Ferner verfügte es über die
Beschlagnahmungen, entschied über die Zivilansprüche und regelte die Kosten-
sowie Entschädigungsfolgen (Dispositiv-Ziff. 6 ff.).

B. 

A.________ beantragt mit Beschwerde in Strafsachen, Dispositiv-Ziff. 5 und 10.1
des obergerichtlichen Urteils seien aufzuheben. Es sei von der Anordnung einer
stationären Massnahme im Sinne von Art. 59 StGB abzusehen, eventualiter sei die
Angelegenheit zu neuer Beurteilung an das Obergericht zurückzuweisen. Die
erstinstanzlichen Verfahrenskosten seien ihm maximal im Umfang von Fr.
84'802.70 aufzuerlegen. Er ersucht um unentgeltliche Rechtspflege und
Verbeiständung.

C. 

Das Obergericht und die Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Aargau verzichten
mit Hinweis auf die Ausführungen im obergerichtlichen Urteil auf eine
Stellungnahme.

Erwägungen:

1. 

Der Beschwerdeführer weist einleitend darauf hin, dass er die ihm in der
Anklage vorgeworfenen Taten, insbesondere das Tötungsdelikt, nach wie vor
bestreite, seine Beschwerde sich jedoch primär nur gegen die
Massnahmenanordnung und die Kostenauflage richte (Beschwerde S. 4).
Verfahrensgegenstand vor Bundesgericht bilden damit ausschliesslich die
Anordnung der stationären therapeutischen Behandlung von psychischen Störungen
und die Höhe der erstinstanzlichen Verfahrenskosten.

2.

2.1. Der Beschwerdeführer rügt zunächst, indem die Vorinstanz bei der Anordnung
der Massnahme auf das mängelbehaftete, nicht schlüssige und im Ergebnis
untaugliche forensisch-psychiatrische Gutachten vom 14. respektive 28. Mai 2014
abstelle, verletze sie Bundesrecht sowie verstosse gegen das Willkürverbot. Er
kritisiert unter anderem, dass das erste Gespräch zwischen der Sachverständigen
und ihm im Inselspital Bern ohne vorgängige Information der Verteidigung, ohne
formellen Begutachtungsauftrag und ohne Rechtsbelehrung des Beschwerdeführers
stattgefunden habe. Damit seien bei der Ausarbeitung des Gutachtens Art. 184
Abs. 3 und Art. 184 Abs. 5 [recte: Art. 185 Abs. 5] StPO verletzt worden.

2.2. Die Vorinstanz gibt zunächst den Inhalt der mit der Beauftragung der
Sachverständigen einhergehenden Akten zusammengefasst wieder. Sie erwägt,
aufgrund der Aktenlage sei davon auszugehen, dass die Sachverständige in einer
ersten Phase von der Staatsanwaltschaft lediglich den Auftrag erhalten habe,
Empfehlungen zur weiteren Behandlung und Platzierung des Beschwerdeführers
abzugeben, was den zweistündigen Explorationstermin vom 15. August 2013
erforderlich gemacht habe. Ob die Sachverständige den Beschwerdeführer
anlässlich dieses Termins belehrt habe, stehe nicht fest. Gestützt auf die
Beweislage sei jedoch anzunehmen, dass sie im Rahmen dieses Gesprächs den
Tatvorwurf und damit eng zusammenhängende Fragen (wie die Beziehung zu seiner
verstorbenen Ehefrau) nicht mit ihm besprochen habe. Thema des Gesprächs seien
einzig mit dem Tatvorwurf nicht direkt verknüpfte Fragen zu seiner Biografie
gewesen. Zwar könne nicht ausgeschlossen werden, dass einzelne dieser
Informationen auch in das Gutachten eingeflossen seien, zumal das Gespräch vom
15. August 2013 bei den Gutachtensgrundlagen ebenfalls aufgeführt sei. Dies
habe sich jedoch nicht zum Nachteil des Beschwerdeführers ausgewirkt. Vielmehr
seien die Aussagen zu seiner Biografie für ihn entlastend, weil sie die
Diagnose der Persönlichkeitsstörung stützten, die letztlich zur Annahme einer
verminderten Schuldfähigkeit geführt hätten. Ferner sei im Gutachten
ausgewiesen und unbestritten, dass der Beschwerdeführer im Rahmen des
Explorationsgesprächs vom 5. September 2013 über seine Rechte ordnungsgemäss
belehrt worden sei. Unter diesen Umständen erweise sich das Gutachten als
verwertbar (Urteil S. 77 ff.).

2.3.

2.3.1. Eine Massnahme ist anzuordnen, wenn eine Strafe allein nicht geeignet
ist, der Gefahr weiterer Straftaten des Täters zu begegnen, ein
Behandlungsbedürfnis des Täters besteht oder die öffentliche Sicherheit dies
erfordert und die Voraussetzungen der Art. 56-61, 63 oder 64 StGB erfüllt sind
(Art. 56 Abs. 1 StGB). Ist der Täter psychisch schwer gestört, so kann das
Gericht gemäss Art. 59 Abs. 1 StGB eine stationäre Behandlung anordnen, wenn
das Verbrechen oder Vergehen des Täters mit seiner psychischen Störung in
Zusammenhang steht und zu erwarten ist, dadurch lasse sich der Gefahr weiterer
mit seiner psychischen Störung in Zusammenhang stehender Taten begegnen.

2.3.2. Das Gericht stützt sich bei seinem Entscheid über die Anordnung einer
Massnahme auf eine sachverständige Begutachtung. Diese äussert sich über die
Notwendigkeit und die Erfolgsaussichten einer Behandlung des Täters, die Art
und die Wahrscheinlichkeit weiterer möglicher Straftaten und die Möglichkeiten
des Vollzugs der Massnahme (Art. 56 Abs. 3 StGB, Art. 182 StPO; BGE 134 IV 315
E. 4.3.1 S. 326; Urteil 6B_933/2018 vom 3. Oktober 2019 E. 3.1, zur Publikation
vorgesehen).

Als Sachverständige können natürliche Personen ernannt werden, die auf dem
betreffenden Fachgebiet die erforderlichen besonderen Kenntnisse und
Fähigkeiten besitzen (Art. 183 Abs. 1 StPO). Gemäss Art. 184 Abs. 1 StPO
ernennt die Verfahrensleitung die sachverständige Person. Sie erteilt ihr einen
schriftlichen Auftrag, der die Bezeichnung der sachverständigen Person,
allenfalls den Vermerk, dass die sachverständige Person für die Ausarbeitung
des Gutachtens weitere Personen unter ihrer Verantwortung einsetzen kann, die
präzis formulierten Fragen, die Frist zur Erstattung des Gutachtens, den
Hinweis auf die Geheimhaltungspflicht der sachverständigen Person und ihrer
allfälligen Hilfspersonen sowie den Hinweis auf die Straffolgen eines falschen
Gutachtens nach Art. 307 StGB enthält (Art. 184 Abs. 2 StPO). Sie gibt den
Parteien - ausser bei blossen Laboruntersuchungen - vorgängig Gelegenheit, sich
zur sachverständigen Person und zu den Fragen zu äussern und dazu eigene
Anträge zu stellen (Art. 184 Abs. 3 StPO). Die sachverständige Person ist für
das Gutachten persönlich verantwortlich (Art. 185 Abs. 1 StPO). Bei Erhebungen
durch die sachverständige Person können die beschuldigte Person und, im Umfang
ihres Verweigerungsrechts, Personen, die zur Aussage- oder Zeugnisverweigerung
berechtigt sind, die Mitwirkung oder Aussage verweigern. Die sachverständige
Person weist die betroffenen Personen zu Beginn der Erhebungen auf dieses Recht
hin (Art. 185 Abs. 5 StPO).

Die beschuldigte Person betreffend stimmt die Vorschrift in Art. 185 Abs. 5
StPO inhaltlich mit jener in Art. 158 Abs. 1 lit. b StPO überein. Gemäss dieser
weisen die Polizei oder die Staatsanwaltschaft die beschuldigte Person zu
Beginn der ersten Einvernahme in einer ihr verständlichen Sprache darauf hin,
dass sie die Aussage und die Mitwirkung verweigern kann. Da sich die in Art.
185 Abs. 5 StPO enthaltene Vorschrift spezifisch auf die beschuldigte Person
bezieht, ist davon auszugehen, dass die sachverständige Person diese zu Beginn
ihrer Erhebungen über deren Rechte informieren muss. Diese Aufklärung ist auch
erforderlich, wenn die beschuldigte Person zuvor bereits von der Polizei oder
der Staatsanwaltschaft belehrt wurde (Urteile 1B_51/2020 vom 25. Februar 2020
E. 2.2.1; 6B_824/2018 vom 19. September 2018 E. 1.1 mit Hinweisen). Gemäss Art.
158 Abs. 2 StPO sind Einvernahmen, die ohne die in Abs. 1 der Bestimmung
genannten Hinweise durchgeführt wurden, nicht verwertbar. Bei der Orientierung
der beschuldigten Person handelt es sich nicht um eine blosse
Gültigkeitsvorschrift, bei deren Verletzung eine Verwertung nicht gänzlich
ausgeschlossen, sondern nach Massgabe von Art. 141 Abs. 2 StPO möglich bliebe.
Vielmehr ist die Einvernahme absolut unverwertbar (vgl. Art. 141 Abs. 1 StPO;
Botschaft vom 21. Dezember 2005 zur Vereinheitlichung des Strafprozessrechts,
BBl 2006 1193 Ziff. 2.4.2; Urteile 1B_51/2020 vom 25. Februar 2020 E. 2.2.1;
6B_824/2018 vom 19. September 2018 E. 1.1).

2.4.

2.4.1. Gemäss den verbindlichen vorinstanzlichen Feststellungen tötete der
Beschwerdeführer seine Ehefrau am 23. Juli 2013 (Urteil S. 63). Er wurde
gleichentags festgenommen. Am 5. August 2013 fragte die Staatsanwaltschaft die
Sachverständige an, ob sie bereit wäre, den Auftrag zur Erstattung eines
forensisch-psychiatrischen Gutachtens zu übernehmen. Gleichentags stellte sie
dieser eine Besuchsbewilligung und den Entwurf des Gutachtensauftrags mit dem
Hinweis zu, dass sich die Verteidigung dazu noch werde äussern können. Im
Entwurf wird sowohl auf die Pflicht zur wahrheitsgemässen Begutachtung als auch
auf die Straffolgen einer Pflichtverletzung hingewiesen. Ferner wird darauf
aufmerksam gemacht, dass die beschuldigte Person vor Beginn der Begutachtung
auf deren Aussageverweigerungsrecht und darauf hinzuweisen ist, dass die
Sachverständige gegenüber den Strafverfolgungsbehörden nicht dem Arztgeheimnis
unterliegt und die Informationen aus den Gesprächen Eingang in das Gutachten
finden sowie im Gerichtsverfahren zur Verwertung gelangen können. Ferner wird
die Empfehlung ausgesprochen, die Belehrung aktenkundig zu machen und deren
Durchführung von der zu untersuchenden Person unterschriftlich bestätigen zu
lassen.

In einer Telefonnotiz der Staatsanwaltschaft vom 14. August 2013 wird
festgehalten, dass die Sachverständige den Beschwerdeführer am 15. und 16.
August 2013 im Inselspital Bern besuchen und danach der Staatsanwaltschaft
mitteilen werde, welche vorläufige Diagnose sie stellen oder welche Empfehlung
zur weiteren Behandlung sie erteilen könne. Gemäss einer weiteren Telefonnotiz
der Staatsanwaltschaft vom 16. August 2013 motivierte die Sachverständige den
Beschwerdeführer anlässlich des Gesprächs vom 15. August 2013 dazu, mit ihr zu
sprechen. Der Beschwerdeführer habe von seiner Kindheit in der Türkei, seiner
Arbeitssituation und seiner ersten Ehe in der Schweiz erzählt. Er habe auch
über seine verstorbene Ehefrau sprechen wollen, was die Sachverständige
abgeblockt habe. Diese gab der Staatsanwaltschaft gestützt auf dieses Gespräch
vorab mündlich Empfehlungen betreffend die weitere Platzierung und Behandlung
des Beschwerdeführers, die sie am 19. August 2013 schriftlich festhielt.

Nachdem der Beschwerdeführer durch seinen Verteidiger gerügt hatte, die
Sachverständige habe mit ihm anlässlich ihres Besuchs am 15. August 2013
bereits den Tatvorwurf besprochen, bestätigte der Leiter der Bewachungsstation
des Inselspitals Bern am 20. August 2013, die Sachverständige habe dem
Beschwerdeführer in aller Deutlichkeit erklärt, dass das Delikt und seine
somatischen Beschwerden nicht "Gegenstand des Gutachtens" (gemeint wohl ihres
derzeitigen Auftrags) seien, was der Beschwerdeführer akzeptiert habe. Am 20.
August 2013 wurde die Sachverständige formell mit der Erstattung des Gutachtens
beauftragt. Mit Schreiben vom 25. August 2013 an die Staatsanwaltschaft hielt
die Sachverständige fest, der Beschwerdeführer habe im Gespräch vom 15. August
2013 über seine rechtliche Situation in der Schweiz, seine zwei in der Türkei
lebenden Kinder, die politische Benachteiligung und Ausgrenzung der Kurden in
der Türkei und seine frustranen Bemühungen, für seine Kinder in der Schweiz die
Aufenthaltsbewilligung zu erlangen, berichtet. Es sei in keinem Augenblick über
die Rahmenbedingungen des Tatvorwurfs (weder über seine Ehefrau noch über die
Beziehung zu dieser) oder über den konkreten Tatvorwurf gesprochen worden. Im
Gegenteil habe die Sachverständige den Tatvorwurf konsequent ausgespart, weil
ihr vollkommen bewusst gewesen sei, dass weder die Staatsanwaltschaft noch der
Verteidiger mit dem Beschwerdeführer über dieses Thema gesprochen hätten und es
nicht in ihrer Kompetenz liege, die Erstbefragung zum Tatvorwurf durchzuführen.
Im Gutachten vom 28. Mai 2014 wird bei den Grundlagen des Gutachtens auch das
Gespräch vom 15. August 2013 aufgeführt, in teilweisem Widerspruch dazu wird
jedoch im Gutachten die Exploration vom 5. September 2013 als "Erstkontakt"
bezeichnet (Urteil S. 77 f.).

2.4.2. Die Vorinstanz stellt damit für das Bundesgericht verbindlich fest (vgl.
Art. 105 Abs. 1 BGG), dass die Sachverständige beim zweistündigen
Explorationstermin vom 15. August 2013 den Auftrag hatte, Empfehlungen zur
weiteren Behandlung und Platzierung des Beschwerdeführers abzugeben.
Unbestritten ist, dass sie zu diesem Zeitpunkt noch nicht formell mit der
Erstellung des Gutachtens beauftragt war, jedoch bereits den Entwurf des
Gutachtensauftrags mit den Belehrungen erhalten hatte. Die Rechtsnatur und die
Rechtmässigkeit dieses "Vorabauftrags" der Sachverständigen sowie die Frage, ob
sie in der Folge allenfalls vorbefasst im Sinne von Art. 56 lit. b (i.V.m. Art.
183 Abs. 3) StPO war, braucht vorliegend mangels Rüge nicht beurteilt zu werden
(vgl. zur Vorbefassung bei Vorabgutachten: Urteile 1B_141/2017 vom 10. Oktober
2017 E. 4.4; 1B_343/2016 vom 3. Oktober 2016 E. 2.5; 1B_196/2015 vom 17. Mai
2016 E. 4.4.4; je mit Hinweisen).

2.4.3. Zu prüfen ist, ob die vom Beschwerdeführer anlässlich dieses Gesprächs
gemachten Angaben verwertbar sind. Die Vorinstanz stellt fest, dass der
Beschwerdeführer im Rahmen des Explorationsgesprächs vom 5. September 2013 über
seine Rechte ordnungsgemäss belehrt worden ist. Spätestens ab diesem Zeitpunkt
sind seine Angaben gegenüber der Sachverständigen verwertbar. Hingegen konnte
die Vorinstanz nicht erstellen, ob der Beschwerdeführer von der
Sachverständigen im Rahmen ihres "Vorabauftrags" über sein Mitwirkungs- und
Aussageverweigerungsrecht sowie darüber informiert worden war, dass sie
gegenüber der Staatsanwaltschaft nicht an die ärztliche Schweigepflicht
gebunden ist. Da es Aufgabe der Strafverfolgungsbehörde wäre, eine
entsprechende Belehrung nachzuweisen, ist davon auszugehen, dass diese nicht
erfolgte. Dies bedeutet, dass der Beschwerdeführer weder darüber aufgeklärt
wurde, dass die Sachverständige der Staatsanwaltschaft den Inhalt des Gesprächs
rapportieren darf beziehungsweise wird, noch, dass er die Fragen der
Sachverständigen nicht beantworten muss. Erschwerend fällt vorliegend ins
Gewicht, dass der Beschwerdeführer im Gesprächszeitpunkt noch nicht wusste,
dass die Sachverständige später ein forensisch-psychiatrisches Gutachten über
ihn erstellen wird und dass seine Äusserungen in die gutachterliche Beurteilung
einfliessen werden. Damit verfügte der Beschwerdeführer bei seiner
Entscheidung, ob er mit der Sachverständigen spricht und was er ihr erzählt
beziehungsweise wie er sich verhält, nicht über alle relevanten Informationen.

Weiter ist zu berücksichtigen, dass die Sachverständige gemäss einer Aktennotiz
in ihrer mündlichen Beurteilung gegenüber der Staatsanwaltschaft unter anderem
ausgeführt habe, der Beschwerdeführer habe anlässlich des Gesprächs vom 15.
August 2013 auch ihr den kranken, alten Mann vorgespielt, sei nicht
kommunikativ gewesen und habe sich angeblich an nichts erinnern können. Dies
sei rund 15 Minuten so gegangen. Sie habe dem Beschwerdeführer dann klar
gemacht, dass dies zu nichts führe. Sie habe ihm die verschiedenen
Möglichkeiten und Konsequenzen aufgezeigt. Nach etwas mehr als 15 Minuten habe
der Beschwerdeführer begonnen wie aus dem "Nähkästchen" zu reden. Sie hätten
seine Kindheit in der Türkei, seine Arbeitssituation, seine erste Ehe in der
Schweiz und Weiteres aufarbeiten können (Aktennotiz der Staatsanwaltschaft vom
16. August 2013, kantonale Akten, act. G 264). Was das erwähnte "Aufzeigen der
verschiedenen Möglichkeiten und Konsequenzen" konkret umfasste, ergibt sich aus
der Aktennotiz nicht. Unklar ist, ob dies der im Gutachten erwähnte Hinweis der
Sachverständigen war, dass "eine Demenz ein schweres Krankheitsbild mit einer
ausgeprägten ungünstigen medizinischen und somit auch Legalprognose" sei.
Gemäss Gutachten sei dieser Hinweis beim ersten Explorationstermin erfolgt, als
sich der Beschwerdeführer mit Symptomen einer fortgeschrittenen Demenz
präsentiert habe. Nach dem Hinweis habe er seine Haltung geändert und habe ein
mehr als einstündiges und weitestgehend adäquates Gespräch führen können, bei
dem er biografische Daten aus seiner Kindheit und Jugend sowie Details über
seine zwei Söhne lückenlos habe wiedergeben können (Gutachten vom 28. Mai 2014,
kantonale Akten, act. G 177; vgl. auch act. G 170). Entweder wird in der
Aktennotiz und im Gutachten das gleiche Gespräch beschrieben, womit die Angaben
des Beschwerdeführers vom 15. August 2013 in nicht unbedeutendem Umfang in das
Gutachten eingeflossen sind, oder der Beschwerdeführer hat sich sowohl beim
Gespräch vom 15. August 2013 als auch bei jenem vom 5. September 2013 zunächst
als alt und vergesslich dargestellt und sein Verhalten nach einem Hinweis der
Sachverständigen geändert. Ob ein solcher "Hinweis" der Sachverständigen
zulässig ist (vgl. Beschwerde S. 13), braucht vorliegend nicht beurteilt zu
werden. Jedenfalls ergibt sich aus den Akten, dass der Beschwerdeführer
anlässlich des Gesprächs vom 15. August 2013 aufgrund eines Hinweises der
Sachverständigen sein Verhalten änderte, sich öffnete und zu erzählen begann.

Die Vorinstanz kann nicht ausschliessen, dass einzelne Angaben des
Beschwerdeführers vom Gespräch vom 15. August 2013 in das Gutachten
eingeflossen sind. Dass es sich dabei lediglich um Informationen zur Biografie
des Beschwerdeführers gehandelt haben soll, erscheint irrelevant. Aufgrund des
Gesagten muss davon ausgegangen werden, dass auch die Verhaltensänderung des
Beschwerdeführers nach dem "Hinweis" der Sachverständigen in deren Beurteilung
einfloss. Ferner erscheint die vorinstanzliche Beurteilung, die Aussagen zu
seiner Biografie seien für den Beschwerdeführer entlastend, weil sie die
Diagnose der Persönlichkeitsstörung stützten, die letztlich zur Annahme einer
verminderten Schuldfähigkeit geführt habe, zumindest diskutabel. Es ist
ungewiss, zu welcher Einschätzung die Sachverständige gelangt wäre, wenn der
Beschwerdeführer sein Verhalten nicht geändert hätte.

2.4.4. Zusammenfassend ist festzuhalten, dass es sich vorliegend nicht um einen
Fall handelt, in dem ein Explorand anlässlich einer Begutachtung, über die er
informiert war und bei der ihm das rechtliche Gehör gemäss Art. 184 Abs. 3 StPO
gewährt worden war, von der Sachverständigen nicht auf sein Mitwirkungs- und
Aussageverweigerungsrecht hingewiesen wurde. Ob in einer derartigen
Konstellation die Aussagen zur Biografie des Exploranden verwertbar wären,
erscheint gestützt auf die Rechtsprechung und die Lehre fraglich (vgl. Urteil
6B_824/2018 vom 19. September 2018 E. 1.2 zweitletzter Absatz; Urteil des
Kassationsgerichts des Kantons Zürich vom 29. Januar 2003, ZR 102/2003 S. 152
ff.; NIKLAUS OBERHOLZER, Grundzüge des Strafprozessrechts, 4. Aufl. 2020, N.
1038; MARIANNE HEER, in: Basler Kommentar, Schweizerische Strafprozessordnung,
2. Aufl. 2014, N. 32 zu Art. 185 StPO), braucht jedoch vorliegend nicht
beurteilt zu werden.

Vorliegend muss davon ausgegangen werden, dass der Beschwerdeführer anlässlich
des Gesprächs vom 15. August 2013, das im Übrigen ohne vorgängige Information
des Verteidigers stattfand, weder über sein Mitwirkungs- und
Aussageverweigerungsrecht noch über die Rolle der Sachverständigen
beziehungsweise den Umstand, dass diese gegenüber der Staatsanwaltschaft nicht
an das Arztgeheimnis gebunden ist, informiert wurde und auch nicht wusste, dass
die Sachverständige über ihn ein forensisch-psychiatrisches Gutachten erstellen
wird, in das seine verbalen sowie nonverbalen Angaben einfliessen könnten.
Damit sind Art. 185 Abs. 5 StPO und der Anspruch des Beschwerdeführers auf
rechtliches Gehör verletzt. Dies hat zur Folge, dass die Angaben, die der
Beschwerdeführer gegenüber der Sachverständigen anlässlich des Gesprächs vom
15. August 2013 machte, nicht verwertbar sind und nicht in das Gutachten hätten
einfliessen dürfen. Gestützt auf die vorinstanzlichen Feststellungen ist davon
auszugehen, dass dies dennoch geschah. Aus dem Gutachten ergibt sich nicht,
welche Angaben des Beschwerdeführers vom 15. August 2013 in welchem Umfang in
das Gutachten einflossen. Ebenso wenig ist ersichtlich, ob er sich bei den
(weiteren) Explorationsterminen, als er über das Gutachten informiert und über
seine Rechte belehrt worden war, nochmals gleich verhielt und seine Angaben
wiederholte. Angesichts all dieser formellen Mängel und Unsicherheiten verletzt
die Vorinstanz Bundesrecht, indem sie bei der Anordnung der stationären
Behandlung von psychischen Störungen auf das forensisch-psychiatrische
Gutachten vom 14. respektive 28. Mai 2014 abstellt.

2.5. Die Vorinstanz wird ein neues Gutachten einholen müssen. Damit erübrigt es
sich auf die weiteren Rügen des Beschwerdeführers (zum Gutachten und der
Anordnung der stationären therapeutischen Behandlung von psychischen Störungen)
einzugehen. Die Vorinstanz wird in ihrem neuen Urteil die Kosten neu verlegen
und sich dabei auch mit dem Vorbringen des Beschwerdeführers auseinandersetzen
müssen, wonach ihm die Kosten für das Gutachten vom 14. respektive 28. Mai 2014
nicht auferlegt werden können. Es erübrigt sich daher, vorliegend auf die
entsprechende Rüge einzugehen.

3. 

Die Beschwerde ist gutzuheissen, soweit darauf eingetreten werden kann. Die
Dispositiv-Ziffern 5, 9.1 und 10.1 des Urteils des Obergerichts des Kantons
Aargau vom 21. Oktober 2019 sind aufzuheben und die Sache ist zur neuen
Beurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen.

Es sind keine Kosten zu erheben (Art. 66 Abs. 4 BGG). Der Kanton Aargau hat den
Beschwerdeführer für das bundesgerichtliche Verfahren angemessen zu
entschädigen (Art. 68 Abs. 1 und 2 BGG), womit dessen Gesuch um unentgeltliche
Rechtspflege und Verbeiständung gegenstandslos wird. Die Entschädigung ist
praxisgemäss dessen Rechtsvertreter auszurichten.

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 

Die Beschwerde wird gutgeheissen, soweit darauf einzutreten ist. Die
Dispositiv-Ziffern 5, 9.1 und 10.1 des Urteils des Obergerichts des Kantons
Aargau vom 21. Oktober 2019 werden aufgehoben und die Sache wird zur neuen
Beurteilung an das Obergericht zurückzuweisen.

2. 

Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

3. 

Der Kanton Aargau hat den Rechtsvertreter des Beschwerdeführers, Rechtsanwalt
Martin Künzle, für das bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 3'000.-- zu
entschädigen.

4. 

Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Aargau,
Strafgericht, 1. Kammer, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 23. April 2020

Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung

des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Denys

Die Gerichtsschreiberin: Andres