Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Strafrechtliche Abteilung, Beschwerde in Strafsachen 6B.1365/2019
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Bundesgericht

Tribunal fédéral

Tribunale federale

Tribunal federal

               

6B_1365/2019

Urteil vom 11. März 2020

Strafrechtliche Abteilung

Besetzung

Bundesrichter Denys, Präsident,

Bundesrichterin van de Graaf,

Bundesrichterin Koch,

Gerichtsschreiber Briw.

Verfahrensbeteiligte

Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich,

Beschwerdeführerin,

gegen

A.________,

vertreten durch Rechtsanwalt Nicolas von Wartburg,

Beschwerdegegner.

Gegenstand

Art. 119 AIG; EU-Rückführungsrichtlinie,

Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich, II.
Strafkammer, vom 18. Oktober 2019 (SB190317-O/U/cw).

Sachverhalt:

A. 

Die Staatsanwaltschaft Limmat/Albis warf A.________ mit Strafbefehl vom 26.
Juli 2018 vor, er habe sich am Bahnhof Glanzenberg in Dietikon aufgehalten,
obwohl er mit Verfügung des Migrationsamts des Kantons Zürich vom 15. September
2017 mit einer Eingrenzung für das Gemeindegebiet Urdorf belegt worden sei. Sie
bestrafte ihn deshalb wegen Missachtung der Ein- und Ausgrenzung im Sinne von
Art. 119 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 74 Abs. 1 und 2 AuG mit einer
(unbedingten) Freiheitsstrafe von 90 Tagen (wovon 1 Tag durch Haft erstanden
war). A.________ erhob Einsprache.

B. 

Das Bezirksgericht Dietikon bestätigte mit Urteil vom 9. Januar 2019 den
Strafbefehl im Schuld- und Strafpunkt, wobei es auf den anerkannten
Anklagesachverhalt das am 1. Januar 2019 in Kraft getretene Ausländer- und
Integrationsgesetz (AIG) anwandte und A.________ gemäss Art. 119 Abs. 1 i.V.m.
Art. 74 Abs. 1 und 2 AIG verurteilte.

Das Bezirksgericht nahm an, die Behörden hätten alles Zumutbare und Nötige
vorgekehrt. Die Rückführung sei wiederholt am Verhalten von A.________
gescheitert. Er habe wissentlich und willentlich falsche Angaben zu seiner
Person gemacht und sei offenkundig nicht bereit, freiwillig auszureisen. Eine
Freiheitsstrafe könne daher nicht mehr geeignet sein, die Rückführung zu
beeinträchtigen. Diese werde sowieso durch ihn aktiv behindert. Die Bestrafung
erweise sich auch unter Mitberücksichtigung der EU-Rückführungsrichtlinie als
rechtmässig.

C. 

Das Obergericht des Kantons Zürich stellte am 18. Oktober 2019 auf Berufung von
A.________ hin das gegen ihn geführte Verfahren betreffend Missachtung der Ein-
und Ausgrenzung im Sinne von Art. 119 Abs. 1 AuG ein.

Das Obergericht entschied, der Anklagesachverhalt sei anerkannt und
rechtsgenügend erstellt. A.________ habe den Tatbestand der Missachtung der
Ein- und Ausgrenzung im Sinne von Art. 119 Abs. 1 AuG erfüllt.

A.________ hatte indes weiter geltend gemacht, eine Verurteilung sei mit Blick
auf die bundesgerichtliche Rechtsprechung zur Rückführungsrichtlinie erst
zulässig, wenn die zuständigen Behörden alles ihnen Zumutbare unternommen
hätten, um die Wegweisung zu vollziehen, der Vollzug indessen am Verhalten des
Betroffenen scheitere. Das Obergericht nahm an, das nicht abgeschlossene
Rückführungsverfahren stehe einer Strafverfolgung entgegen. Das Verfahren sei
einzustellen.

D. 

Die Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich beantragt mit Beschwerde in
Strafsachen, das vorinstanzliche Urteil aufzuheben und die Sache an die
Vorinstanz zurückzuweisen, eventualiter A.________ gemäss Art. 119 Abs. 1 AuG
in Verbindung mit Art. 74 Abs. 1 und 2 AuG schuldig zu sprechen und zu
bestrafen.

E. 

Das Obergericht verzichtete auf eine Stellungnahme.

A.________ bringt vor, die Staatsanwaltschaft wäre selbst verpflichtet gewesen,
den bedeutsamen Sachverhalt abzuklären. Bereits mit der Einsprache sei die
Rückführungsrichtlinie thematisiert worden. Nicht erst das obergerichtliche
Urteil habe Anlass geben können, die telefonische Abklärung (unten E. 2.1) als
Novum im Sinne von Art. 99 BGG zuzulassen. Das Obergericht sei nicht veranlasst
gewesen, weitere Beweise zu erheben. Der Vorwurf sei geradezu
rechtsmissbräuchlich. Auch die Migrationsbehörden hätten ihre Möglichkeiten zur
Identitätsfeststellung nicht voll ausgeschöpft. Inwiefern das Obergericht bei
der Beurteilung des willkürfrei und rechtmässig festgestellten Sachverhalts
Bundesrecht verletzt habe, lege die Staatsanwaltschaft nicht dar. Er ersucht um
Abweisung der Beschwerde.

Erwägungen:

1. 

Die Oberstaatsanwaltschaft (Beschwerdeführerin) ist grundsätzlich ohne
Einschränkungen zur Beschwerde berechtigt (Art. 81 Abs. 1 lit. a und lit. b
Ziff. 3; BGE 145 IV 65 E. 1.2 S. 68).

2.

2.1. Die Beschwerdeführerin bringt vor, die Vorinstanz begründe die
Verfahrenseinstellung damit, dass die Migrationsbehörden im Februar 2018 einen
erneuten Identifikationsversuch unternommen hätten, aufgrund des Schreibens der
Migrationsbehörden des Kantons Zürich vom 3. September 2018 jedoch Hinweise
bestünden, dass die Abklärungen zur Herkunft des Beschwerdegegners nach wie vor
pendent seien und es entsprechend nicht als erstellt erachtet werden könne,
dass das verwaltungsrechtliche Rückführungsverfahren abgeschlossen sei. Das
nehme die Vorinstanz gestützt auf ein einjähriges Schreiben an. Sie hätte
gemäss Art. 389 Abs. 3 StPO von Amtes wegen Beweise erheben müssen und verletze
den Untersuchungsgrundsatz. Nach telefonischer Rücksprache der
Beschwerdeführerin mit der Sachbearbeiterin des SEM sei die Identitätskontrolle
abgeschlossen gewesen, was die Sachbearbeiterin mit den Schreiben vom 30.
Oktober 2018 und 7. November 2018 dem Migrationsamt des Kantons Zürich
mitgeteilt habe. Diese telefonische Abklärung habe das vorinstanzliche Urteil
im Sinne von Art. 99 BGG erst veranlasst. Nur mit einer solchen Beweiserhebung
hätte die Vorinstanz beurteilen können, ob alles Zumutbare vorgekehrt worden
sei und der Vollzug nur am Verhalten des Beschwerdegegners scheitere (Urteil
6B_139/2014 vom 5. August 2014 E. 2). Überdies frage sich, ob eine
strafrechtliche Sanktion diese Identitätsabklärung bzw. das pendente
Abklärungsverfahren überhaupt verzögere oder verhindere (Urteile 6B_618/2012
vom 11. März 2013 E. 1.5; 6B_617/2012 vom 11. März 2013 E. 1.5). Die Vorinstanz
begründe nicht, auf welcher Rechtsgrundlage sie das Strafverfahren einstelle.

Der Beschwerdegegner habe durch sein gesamtes Verhalten seit dem
Wegweisungsentscheid vom 12. November 2009 wiederholt gegen die hiesigen
Vorschriften verstossen. Er sei nicht gewillt, freiwillig zurückzukehren,
weigere sich, seine richtigen Personalien anzugeben bzw. die Richtigkeit der
angegebenen Personalien zu bestätigen und sei nicht bereit, bei der Beschaffung
der erforderlichen Reisepapiere mitzuwirken. Die Zwangsmassnahme im Sinne der
Rückführungsrichtlinie habe sich beim Auftrag zur Effektenkontrolle/
Durchsuchung elektronischer Datenträger auf Art. 70 Abs. 1 und Art. 98a AuG
i.V.m. Art. 9 ZAG gestützt. Weitere Massnahmen würden zu keinem Erfolg führen.
Der Beschwerdegegner verhindere seit zehn Jahren den Vollzug des
Rückkehrentscheids vom 12. November 2009 absichtlich. Die Verurteilung
verstosse nicht gegen die Rückführungsrichtlinie.

2.2. Die Vorinstanz führt aus, die Rückführungsrichtlinie räume dem
verwaltungsrechtlichen Verfahren den Vorrang ein. Nationale Strafbestimmungen
seien nicht ausgeschlossen, wenn im verwaltungsrechtlichen Verfahren alles für
den Vollzug der Rückkehrentscheidung Zumutbare vorgekehrt worden sei, dieser am
Verhalten des Betroffenen scheitere (Urteil 6B_139/2014 vom 5. August 2014 E.
2) und die Ausreise objektiv möglich sei (Urteil 6B_482/2010 vom 7. Oktober
2010 E. 3.2.2 f.).

Das Migrationsamt habe das Asylgesuch des Beschwerdegegners am 12. November
2009 abgelehnt und die Wegweisung verfügt. Mit der rechtskräftigen Ablehnung
der dagegen erhobenen Beschwerde durch das Bundesverwaltungsgericht am 25.
November 2009 sei seine Verpflichtung eingetreten, die Schweiz zu verlassen.
Dieser Verpflichtung und zahlreichen nachfolgenden Aufforderungen sei er nicht
nachgekommen. Er sei am 20. Januar 2010 in Ausschaffungshaft versetzt und nach
sechs Monaten entlassen worden. Er sei am 12. Februar 2014 auf das
Gemeindegebiet Adliswil eingegrenzt worden; diese Eingrenzung sei am 15.
Oktober 2014 aufgehoben worden. Er sei am 15. September 2016 für zwei Jahre auf
das Gebiet der Gemeinde Lindau eingegrenzt worden. Diese Eingrenzung sei am 15.
September 2017 auf das Gebiet der Gemeinde Urdorf ausgedehnt worden. Aufgrund
seiner Weigerung, seine Herkunft offen zu legen, hätten die Migrationsbehörden
diverse Abklärungsversuche betreffend Litauen, Weissrussland und Armenien
unternommen, die allesamt erfolglos geblieben seien. Am 31. Januar 2018 habe
das Migrationsamt der Kantonspolizei Zürich den Auftrag zur Durchführung einer
Effektenkontrolle und zur Auswertung des Mobiltelefons und des Laptops erteilt.
Daraus habe sich der Verdacht ergeben, dass er nicht wie behauptet aus Litauen,
sondern aus der Ukraine stammen könnte. Diese Daten seien dem SEM zur
Auswertung und weiteren Recherche weitergeleitet worden. Gemäss dessen
Schreiben vom 3. September 2018 seien die Identitätsabklärungen zum damaligen
Zeitpunkt noch pendent gewesen. Es könne nicht als erstellt erachtet werden,
dass das verwaltungsrechtliche Rückführungsverfahren abgeschlossen sei.

2.3.

2.3.1. Die Schweiz ist über das Schengen-Abkommen (SR 0.362.31) verpflichtet,
die EU-Rückführungsrichtlinie vom 16. Dezember 2008 (RL 2008/115/EU [vormals:
EG]) anzuwenden. Diese Richtlinie bezweckt eine minimale Harmonisierung der
Verfahren zur Wegweisung und Rückführung von sich illegal aufhaltenden
Drittstaatsangehörigen (BGE 143 IV 249 E. 1.2 S. 251, in: Pra 2018 Nr. 78 S.
651). Die Rückführungsrichtlinie ordnet das Rückführungsverfahren
verhältnismässig abgestuft mit Vorrang der freiwilligen Ausreise bis zum
"letzten Mittel" der Zwangsmassnahmen zur Durchführung der Abschiebung von
Widerstand leistenden Drittstaatsangehörigen (Urteil 2C_1063/2019 vom 17.
Januar 2020 E. 5 ff. zur Ausschaffungshaft). Die Richtlinie steht der
Bestrafung wegen illegalen Aufenthalts nicht entgegen; eine Bestrafung darf
aber die effektive Rückführung nicht gefährden (BGE 143 IV 249 E. 1.4.3 S. 254,
E. 1.5 S. 256 und E. 1.9 S. 261). Eine Freiheitsstrafe ist daher mit der
Richtlinie nur unter der Bedingung vereinbar, dass die Person einer
Zwangsmassnahme im Sinne von Art. 8 der Richtlinie unterworfen wurde; darunter
ist jede Massnahme zu verstehen, die effektiv und verhältnismässig zur
Rückführung der Person nach dem Recht des Mitgliedstaats führt (BGE 143 IV 249
E. 1.3 S. 253, E. 1.5 S. 256 und E. 3.1 S. 261 f.).

2.3.2. Der Empfehlung (EU) 2017/2338 der Kommission vom 16. November 2017 für
ein gemeinsames "Rückkehr-Handbuch", das von den zuständigen Behörden der
Mitgliedstaaten bei der Durchführung rückkehrbezogener Aufgaben heranzuziehen
ist (nachfolgend: HB), lässt sich u.a. entnehmen:

Den Mitgliedstaaten ist es nicht gestattet, den illegalen Aufenthalt von
Drittstaatsangehörigen in ihrem Hoheitsgebiet zu tolerieren, ohne entweder ein
Rückkehrverfahren einzuleiten oder eine Aufenthaltsberechtigung zu erteilen (HB
Rn. 5). Es besteht keine Pflicht zur Ausstellung eines Aufenthaltstitels für
nicht rückführbare Personen (HB Rn. 13.2). Der EuGH legt den Begriff der
fehlenden hinreichenden Aussicht auf Abschiebung dahingehend aus, dass "nur
eine tatsächliche Aussicht auf erfolgreichen Vollzug der Abschiebung unter
Berücksichtigung der in Art. 15 Abs. 5 und 6 festgelegten Zeiträume eine
hinreichende Aussicht auf Abschiebung darstellt" (HB Rn. 14.4.1).

Nach Entscheidungen des EuGH steht es den Mitgliedstaaten frei, wirksame,
verhältnismässige und abschreckende Sanktionen festzulegen, darunter
Freiheitsentzug als strafrechtliche Sanktion bei Verstössen gegen die
Migrationsbestimmungen, sofern diese Massnahmen nicht die Anwendung der
Rückführungsrichtlinie beeinträchtigen und sofern sie die uneingeschränkte
Achtung der Grundrechte gewährleisten. Die Rückführungsrichtlinie steht
strafrechtlichen Sanktionen nicht entgegen, die nach den nationalen
strafverfahrensrechtlichen Vorschriften gegen Drittstaatsangehörige verhängt
werden, auf die das mit dieser Richtlinie geschaffene Rückkehrverfahren
angewandt wurde und die sich ohne einen Rechtfertigungsgrund für ihre
Nichtrückkehr illegal im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats aufhalten. Die
Mitgliedstaaten dürfen nicht vor oder während Rückkehrverfahren allein wegen
illegalen Aufenthalts eine Haftstrafe nach nationalem Strafrecht verhängen, da
dies die Rückkehr verzögern würde. "Nicht berechtigte Gründe für die
Nichtrückkehr" können nach der Auslegung des EuGH Gründe innerhalb des
Einflussbereichs des Rückzuführenden sein, die durch das Unionsrecht und das
nationale Recht nicht als rechtmässig oder berechtigt anerkannt werden, wie
etwa mangelnde Kooperation bei der Beschaffung der Reisedokumente, mangelnde
Kooperation bei der Offenlegung der Identität, Vernichtung von Dokumenten,
Flucht oder Behinderung der Abschiebung (HB Rn. 4).

2.3.3. Diese Auslegung der Rückführungsrichtlinie wurde mit dem novellierten
AIG in das schweizerische Recht integriert (vgl. Botschaft vom 2. März 2018 zur
Revision des Ausländergesetzes [AuG; Verfahrensnormen und Informationssysteme],
BBl 2018 1685 1694 f. und 1752 f.). Die seit 1. Juni 2019 in Kraft gesetzten
Art. 115 Abs. 4-6 AIG (in der Fassung AS 2019 1413 1424) koordinieren das
Strafverfahren mit dem Aus- und Wegweisungsverfahren. Die Abs. 4 und 5
(Sistierung des Strafverfahrens [Abs. 4] oder Absehen von der Strafverfolgung,
der Überweisung an das Gericht oder der Bestrafung, die einem unmittelbar
bevorstehenden Vollzug einer rechtskräftigen Weg- oder Ausweisung entgegensteht
[Abs. 5]), gelten nicht, wenn eine Weg- oder Ausweisung aufgrund des Verhaltens
der betroffenen Person nicht vollzogen werden konnte (Abs. 6).

2.3.4. Zusammengefasst hindert die Rückführungsrichtlinie nicht, den illegalen
Aufenthalt unter Strafe zu stellen, das Rückkehrverfahren geht aber der
Bestrafung vor. Wenn auch eine Zwangsmassnahme die Rückführung nicht ermöglicht
hat, ist eine Bestrafung wegen illegalen Aufenthalts wieder zulässig. Ist
mithin eine zwangsweise Rückschaffung nicht möglich, steht der strafrechtlichen
Sanktionierung nichts entgegen; Durchsetzungshaft muss zuvor nicht angeordnet
werden (ANDREAS ZÜND, in Migrationsrecht, Marc Spescha et al. [Hrsg.], 5. Aufl.
2019, N. 12 zu Art. 115 AIG).

2.4.

2.4.1. Den Beschwerdegegner trifft ausländerrechtlich eine Mitwirkungspflicht
(Art. 90 lit. a-c AIG). Er muss insbesondere zutreffende und vollständige
Angaben über die für die Regelung des Aufenthalts wesentlichen Tatsachen machen
(lit. a), die erforderlichen Beweismittel unverzüglich einreichen oder sich
darum bemühen, sie innerhalb einer angemessenen Frist zu beschaffen (lit. b),
die Ausweispapiere beschaffen oder bei deren Beschaffung durch die Behörden
mitwirken (lit. c; vgl. Urteil 2C_296/2019 vom 31. Juli 2019 E. 3.1 f.). Der
Untersuchungsgrundsatz wird durch die Mitwirkungspflichten des Ausländers
relativiert (Urteil 2C_746/2018 vom 11. März 2019 E. 3.3).

2.4.2. Die Argumentation des Beschwerdegegners (Sachverhalt E) vermag bereits
angesichts des vorinstanzlich festgestellten Sachverhalts nicht durchzudringen,
so dass die Zulässigkeit des Novums im Sinne von Art. 99 Abs. 1 BGG (vgl. BGE
143 V 19 E. 1.2 S. 22 f.) letztlich offen bleiben kann. Die Vorinstanz
entschied abweichend vom erstinstanzlichen Urteil. Sie wäre gehalten gewesen,
den Sachverhalt so festzustellen, wie er sich zum Zeitpunkt ihres Urteils
tatsächlich präsentierte; sie durfte angesichts des aktenkundigen Verhaltens
und der zahlreichen erfolglosen Identitätsabklärungen der Behörden nicht
schlicht auf ein überjähriges Schreiben vom 3. September 2018 betreffend eine
zum damaligen Zeitpunkt noch pendente Identitätsabklärung abstellen (vgl.
Urteil 2C_728/2014 vom 3. Juni 2015 E. 2.2.3). Bundesgerichtliche Vorinstanzen
sind entsprechend Art. 110 BGG gehalten, den Sachverhalt so festzustellen, wie
er sich zum Zeitpunkt ihres Urteils tatsächlich präsentiert (Urteil 6B_378/2018
vom 22. Mai 2019 E. 4.2 mit Hinweisen, nicht publ. in BGE 145 IV 364).

2.4.3. Es sind zahlreiche Identitätskontrollen und Zwangsmassnahmen
durchgeführt worden. Um solche Zwangsmassnahmen im Sinne der
Rückführungsrichtlinie handelt es sich insbesondere bei der Ausschaffungshaft,
den Eingrenzungen (vgl. BGE 144 II 16 E. 2.1 S. 18) und der Effektenkontrolle
(oben E. 2.2) zwecks Durchsetzung der Ausreise. Der Beschwerdegegner handelte
vollauf in Kenntnis der Sachlage und hat sich in seiner Verweigerungshaltung
eingerichtet. Er hält sich ohne Rechtfertigungsgrund seit über einem Jahrzehnt
illegal im Hoheitsgebiet der Schweiz auf, und zwar aufgrund von innerhalb des
Einflussbereichs des Rückzuführenden liegenden "nicht berechtigten Gründen für
die Nichtrückkehr"; aktuell ist keine "hinreichende Aussicht auf Abschiebung"
erkennbar (vgl. oben E. 2.3.2).

Es ist vorinstanzlich nicht begründet, inwiefern ein Freiheitsentzug die
Anwendung der Rückführungsrichtlinie beeinträchtigen sollte. Die Vorinstanz
wird den massgebenden Sachverhalt (Art. 105 Abs. 1 BGG) im Urteilszeitpunkt
festzustellen und aufgrund dieser Feststellungen neu zu entscheiden haben.

3. 

Die Beschwerde ist gutzuheissen, das angefochtene Urteil aufzuheben und die
Sache zu neuer Beurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen (Art. 107 Abs. 2
BGG; BGE 143 IV 214 E. 5.2.1 S. 220 und E. 5.3.3 S. 222 f.). Das Gesuch um
unentgeltliche Rechtspflege ist gutzuheissen. Der Anwalt des Beschwerdegegners
ist aus der Bundesgerichtskasse für das Vernehmlassungsverfahren zu
entschädigen (Art. 64 Abs. 2 BGG). Es sind keine Kosten aufzuerlegen (Art. 66
Abs. 4 BGG).

 Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 

Die Beschwerde wird gutgeheissen. Das Urteil des Obergerichts des Kantons
Zürich vom 18. Oktober 2019 wird aufgehoben und die Sache zu neuer Beurteilung
an die Vorinstanz zurückgewiesen.

2. 

Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird gutgeheissen.

3. 

Es werden keine Kosten erhoben.

4. 

Rechtsanwalt Nicolas von Wartburg wird aus der Bundesgerichtskasse mit Fr.
2'000.-- entschädigt.

5. 

Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Zürich, II.
Strafkammer, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 11. März 2020

Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung

des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Denys

Der Gerichtsschreiber: Briw