Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Strafrechtliche Abteilung, Beschwerde in Strafsachen 6B.1203/2019
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Bundesgericht

Tribunal fédéral

Tribunale federale

Tribunal federal

               

6B_1203/2019

Urteil vom 29. November 2019

Strafrechtliche Abteilung

Besetzung

Bundesrichter Denys, Präsident,

Bundesrichterin Jacquemoud-Rossari,

Bundesrichter Oberholzer,

Gerichtsschreiber Briw.

Verfahrensbeteiligte

A.________, vertreten durch Advokat Christoph Dumartheray,

Beschwerdeführer,

gegen

Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Aargau,

Beschwerdegegnerin.

Gegenstand

Grobe Verletzung von Verkehrsregeln (ungenügender Abstand beim
Hintereinanderfahren),

Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Aargau, Strafgericht,
3. Kammer, vom 17. September 2019 (SST.2018.354).

Erwägungen:

1.

1.1. Nach dem Strafbefehl der Staatsanwaltschaft Brugg-Zurzach vom 9. Juni 2017
folgte A.________ am 20. Mai 2017 um 17:18 Uhr in Schinznach Bad auf der
Autobahn A3 Fahrtrichtung Zürich als Lenker eines Personenwagens einem
vorausfahrenden Fahrzeug mit einem Abstand von 6-12 Metern bei einer
Geschwindigkeit zwischen 95-100 km/h. Die Staatsanwaltschaft bestrafte ihn
wegen grober Verletzung der Verkehrsregeln durch ungenügenden Abstand beim
Hintereinanderfahren mit einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen sowie einer Busse
von Fr. 1'500.-- und widerrief eine von der Staatsanwaltschaft Basel-Landschaft
am 17. September 2013 mit einer Probezeit von 4 Jahren bedingt ausgesprochene
Geldstrafe von 15 Tagessätzen wegen Fahrens in fahrunfähigem Zustand.

1.2. Das Bezirksgericht Brugg bestätigte am 12. September 2018 den
staatsanwaltschaftlichen Schuldspruch und setzte eine bedingte Geldstrafe von
30 Tagessätzen zu Fr. 180.-- (mit einer Probezeit von 5 Jahren) sowie eine
Verbindungsbusse von Fr. 1'350.-- fest und bestätigte ebenfalls den Widerruf.

1.3. A.________ beantragte mit Berufung, ihn freizusprechen und sämtliche
polizeilichen Video- und Audioaufnahmen vom 20. Mai 2017 ab 17:16:36 Uhr (Time
35 min 12 s) sowie sämtliche Videoprints, insbesondere jene vom 26. Mai 2017,
aus den Akten zu entfernen.

Das Obergericht des Kantons Aargau fand ihn am 17. September 2019 der groben
Verkehrsregelverletzung durch ungenügenden Abstand beim Hintereinanderfahren
gemäss Art. 90 Abs. 2 SVG i.V.m. Art. 34 Abs. 4 SVG und Art. 12 Abs. 1 VRV
schuldig und bestätigte die bezirksgerichtlich ausgesprochene Strafe und den
Widerruf.

1.4. A.________ beantragte mit Beschwerde in Strafsachen, das vorinstanzliche
Urteil aufzuheben und ihn freizusprechen, eventualiter die Sache an die
Vorinstanz zurückzuweisen.

2.

2.1. Der Beschwerdeführer macht geltend, bei den polizeilichen Video- und
Audioaufnahmen vom 20. Mai 2017 und den Videoprints vom 26. Mai 2017 handle es
sich um rechtswidrige Beweismittel, die nicht zu seinen Lasten verwertet werden
dürften, da es in casu nicht um eine schwere Straftat im Sinne von Art. 141
Abs. 2 StPO gehe. Die Polizeipatrouille habe ohne Anlasstat und ohne jeglichen
Anfangsverdacht mit übersetzter Geschwindigkeit zu seinem bereits ausser
Sichtweite der Polizisten fahrenden Personenwagen aufgeschlossen. Zudem
stellten die Lichthupe und das zu nahe Auffahren sowie das Wegdrängen des vor
dem zivilen Polizeifahrzeug fahrenden Personenwagens grobe
Verkehrsregelverletzungen dar. Nur mittels strafbaren Verhaltens
(Verkehrsregelverletzungen, Nötigung) hätten die Aufnahmen gemacht werden
können. Mit der Beschwerde werde eine willkürliche Sachverhaltsfeststellung
geltend gemacht. Die Vorinstanz führe in E. 2.2 aus: "Die [Erstinstanz]
beurteilte die Video- und Audioaufnahmen sowie die entsprechenden Videoprints
als verwertbar. Sie befand, dass bereits zu einem frühen Zeitpunkt ein
hinreichender Tatverdacht bestanden habe, weil einer der beiden Polizisten
gefragt habe, ob der Beschuldigte jetzt wieder einen geringen Abstand habe
([erstinstanzliches] Urteil E. 2.3)." 

Es werde geltend gemacht, dass es sich bei diesem Passus nicht um eine
Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz, sondern lediglich um einen Verweis auf
Ausführungen im erstinstanzlichen Urteil handle und es keine
Sachverhaltsfeststellung darstelle, auf welche abgestellt werden könne, weil
seitens der Vorinstanz nur ein Verweis erfolge, aber keine eigene
Sachverhaltsschilderung. Falls es sich dabei aber um eine
Sachverhaltsfeststellung handle, werde geltend gemacht, dass es sich um eine
willkürliche Sachverhaltsfeststellung handle, weil keiner der beiden Polizisten
eine solche Äusserung gemacht habe und auch nicht geschildert werde, zu welchem
Zeitpunkt einer der beiden Polizisten eine solche Äusserung gemacht haben
solle.

Hinzu komme, dass der Nachweis für diese Behauptung nicht mittels der nicht
verwertbaren Video- und Audioaufnahmen der Nachfahrt erfolgen dürfe. Es werde
weiter eine willkürliche Sachverhaltsfeststellung gerügt, indem die Vorinstanz
ausführe (Urteil S. 6), es sei keine gefährliche Situation geschaffen worden.

2.2. In der Begründung ist in gedrängter Form darzulegen, inwiefern der
angefochtene Akt Recht verletzt (Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG). Um diesen
Erfordernissen zu genügen, muss der Beschwerdeführer sich mit den Erwägungen
des angefochtenen Entscheids auseinandersetzen (BGE 140 III 115 E. 2 S. 116 f.,
86 E. 2 S. 88 ff.). Den kantonalen Instanzen steht bei der Beweiswürdigung ein
weites Ermessen zu (BGE 141 IV 369 E. 6.3 S. 375). Willkür liegt nach ständiger
Rechtsprechung nur vor, wenn die Beweiswürdigung schlechterdings unhaltbar ist;
dass eine andere Lösung ebenfalls möglich erscheint, genügt nicht (BGE 143 IV
241 E. 2.3.1 S. 244). Für Willkürrügen gelten qualifizierte
Begründungsanforderungen (BGE 141 IV 305 E. 1.2 S. 309).

Der Beschwerdeführer legt unbekümmert um die bundesrechtlichen
Begründungsanforderungen frei eine Version des Geschehens dar, ohne
aktengestützt eine Willkür der vorinstanzlichen Entscheidung aufzuzeigen. Das
genügt nicht (Urteil 6B_1375/2016 vom 12. April 2017 E. 3.1). Massgebend bleibt
der vorinstanzlich festgestellte Sachverhalt (Art. 105 Abs. 1 BGG; vgl. BGE 145
I 227 E. 5.1 S.232 f.).

2.3. Die Vorinstanz referiert in der zitierten E. 2.2 das erstinstanzliche
Urteil und kommt in der anschliessenden E. 2.3 gestützt insbesondere auf Art.
306 f. StPO, Art. 3 Abs. 1 SKV (SR 741.013) i.V.m. § 3 Abs. 1 lit. a
Polizeigesetz (PolG/AG; SAR 531.200) und Art. 9 Abs. 1 lit. c SKV sowie die
Urteile 6B_1047/2018 vom 19. Februar 2019 E. 1.3.2 und 6B_1143/2015 vom 6. Juni
2016 E. 1.3.1 (vgl. ferner BGE 142 IV 23 und Urteil 6B_372/2018 vom 7. Dezember
2018 E. 3.4.3) zum Ergebnis, nach dem Gesetz sei die Verkehrskontrolle zulässig
gewesen und die Beweisverwertbarkeit der durch die beiden Polizisten der
Mobilen Einsatzpolizei (Mepo) während der Patrouillentätigkeit gemachten Video-
und Audioaufnahmen und damit einhergehend der entsprechenden Videoprints stehe
nicht in Frage (Urteil S. 5). Die Vorinstanz prüft die Nacheile- oder
Nachfahrkontrolle (mit der dreimaligen Lichthupe). Sie hält zusammenfassend
auch fest, sachverhaltsmässig sei der ungenügende Abstand mit der Erstinstanz
erstellt, und beurteilt die Fragen einer groben Verkehrsregelverletzung.

Die Vorinstanz prüft somit Rechtsfragen auf der Grundlage des erstinstanzlich
festgestellten Sachverhalts. Das Vorgehen ist verfahrenskonform. Mit dem
Einverständnis der Parteien wurde das schriftliche Berufungsverfahren
durchgeführt (Urteil S. 3). Das ist zulässig, wenn ausschliesslich Rechtsfragen
zu entscheiden sind (Art. 406 Abs. 1 lit. a StPO). Im Rechtsmittelverfahren
kann auf die Begründung der Vorinstanz verwiesen werden (Art. 82 Abs. 4 StPO).
Eine Verweisung erscheint aber bei strittigen Sachverhalten nicht sinnvoll (BGE
141 IV 244 E. 1.2.3 S. 246 f.), und die schlichte Verweisung auf die
erstinstanzliche Begründung ist unzulässig, wenn gerade diese Begründung als
unzutreffend gerügt wird (Urteil 6B_183/2018 vom 31. Oktober 2018 E. 1).
Einerseits nimmt die Vorinstanz den entscheidenden Sachverhalt kurz gefasst in
ihr Urteil auf (keine schlichte Verweisung) und andererseits bildete die
Sachverhaltsfeststellung nicht Gegenstand des Berufungsverfahrens und kann
mithin auch nicht mehr Beschwerdegegenstand im bundesgerichtlichen Verfahren
bilden.

Mit der rechtlichen Würdigung setzt sich der Beschwerdeführer nicht auseinander
(die behauptete Verletzung von Art. 141 Abs. 2 StPO erscheint angesichts des
massgebenden Sachverhalts unbegründet). Jedenfalls soweit eine Rechtsverletzung
nicht geradezu offensichtlich erscheint, ist das Bundesgericht nicht gehalten,
wie ein erstinstanzliches Gericht alle sich stellenden rechtlichen Fragen zu
prüfen, wenn diese vor Bundesgericht nicht mehr vorgetragen werden (BGE 143 V
19 E. 2.3 S. 24).

3. 

Die Beschwerde ist abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist. Die
Gerichtskosten sind dem Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 

Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.

2. 

Die Gerichtskosten von Fr. 3'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

3. 

Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Aargau,
Strafgericht, 3. Kammer, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 29. November 2019

Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung

des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Denys

Der Gerichtsschreiber: Briw