Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Strafrechtliche Abteilung, Beschwerde in Strafsachen 6B.1173/2019
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Bundesgericht

Tribunal fédéral

Tribunale federale

Tribunal federal

               

6B_1173/2019

Urteil vom 27. April 2020

Strafrechtliche Abteilung

Besetzung

Bundesrichter Denys, Präsident,

Bundesrichterin Jacquemoud-Rossari,

Bundesrichter Muschietti,

Gerichtsschreiber Weber.

Verfahrensbeteiligte

Generalstaatsanwaltschaft des Kantons Thurgau,

Beschwerdeführerin,

gegen

A.________,

Beschwerdegegnerin.

Gegenstand

Herausgabe beschlagnahmter Vermögenswerte; Willkür,

Beschwerde gegen den Entscheid des Obergerichts des Kantons Thurgau vom 15.
Februar 2019 (SBR.2018.27).

Sachverhalt:

A.

Das Bezirksgericht Kreuzlingen sprach A.________ am 15. November 2017 der
mehrfachen ungetreuen Geschäftsbesorgung in Bereicherungsabsicht, der
mehrfachen Urkundenfälschung, der Veruntreuung, des Pfändungsbetrugs, der
mehrfachen Verfügung über mit Beschlag belegte Vermögenswerte, des Verstosses
gegen das Bundesgesetz über die Eidgenössische Finanzmarktaufsicht
(Finanzmarktaufsichtsgesetz, FINMAG; SR 956.1) und des Verstosses gegen das
Bundesgesetz über die kollektiven Kapitalanlagen (Kollektivanlagengesetz, KAG;
SR 951.31) schuldig. Vom Vorwurf des Betrugs sprach es A.________ frei. Es
bestrafte sie mit einer Freiheitsstrafe von 30 Monaten, wovon 24 Monate bedingt
mit einer Probezeit von vier Jahren. Das Bezirksgericht zog zu Unrecht
erworbene Vermögenswerte zugunsten des Staates ein.

B.

Auf Berufung von A.________ hin verurteilte sie das Obergericht des Kantons
Thurgau am 15. Februar 2019 wegen mehrfacher ungetreuer Geschäftsbesorgung in
Bereicherungsabsicht, Pfändungsbetrugs, mehrfacher Verfügung über mit Beschlag
belegte Vermögenswerte und Widerhandlung gegen das Kollektivanlagengesetz zu
einer bedingten Freiheitsstrafe von 24 Monaten mit einer Probezeit von zwei
Jahren. Von den Vorwürfen des Betrugs, der Veruntreuung, der mehrfachen
Urkundenfälschung, der Tätigkeit ohne Bewilligung, Anerkennung, Zulassung oder
Registrierung (Art. 44 FINMAG) sowie des Vertriebs in- und ausländischer
kollektiver Kapitalanlagen ohne Bewilligung (Art. 148 Abs. 1 lit. d KAG) sprach
es sie frei. Auch das Obergericht zog Vermögenswerte zugunsten des Staates ein.
Es ordnete in Dispositiv-Ziffer 7 seines Entscheids indessen an, "Das Bargeld
von Euro 93'000.-- zuzüglich der aufgelaufenen Zinsen (Kontostand per
01.10.2016: Euro 93'044.86, Tresorfach bei der Bank B.________ in U.________
lt. auf C.________) wird herausgegeben".

C.

Die Generalstaatsanwaltschaft beantragt mit Beschwerde in Strafsachen,
Dispositiv-Ziffer 7 des Entscheids des Obergerichts sei aufzuheben und
A.________ sei zu verpflichten, dem Staat als Ersatz für nicht mehr einziehbare
Vermögenswerte Euro 93'000.-- zu bezahlen. Die Beschlagnahme über das Bargeld
in dieser Höhe zzgl. Zinsen sei aufzuheben und das Guthaben zunächst zur
Deckung der Ersatzforderung und anschliessend zum Ausgleich der A.________
auferlegten Verfahrenskosten zu verwenden. Die Beschlagnahme sei allenfalls
aufrechtzuerhalten, bis zu ihrem Ersatz eine Massnahme des
Schuldbetreibungsrechts bestehe. Eventualiter sei der angefochtene Entscheid
teilweise aufzuheben und zu neuer Entscheidung an das Obergericht
zurückzuweisen. Die Generalstaatsanwaltschaft ersucht um Erteilung der
aufschiebenden Wirkung.

D.

A.________ erklärte mit Eingabe vom 7. November 2019, dem Gesuch um Erteilung
der aufschiebenden Wirkung könne ohne Weiteres stattgegeben werden. Der
Präsident der Strafrechtlichen Abteilung des Bundesgerichts erkannte der
Beschwerde der Generalstaatsanwaltschaft mit Verfügung vom 11. November 2019
die aufschiebende Wirkung zu.

E.

In ihrer Eingabe vom 7. November 2019 nahm A.________ unaufgefordert auch zu
den übrigen Anträgen der Generalstaatsanwaltschaft Stellung. Sie beantragt die
Abweisung der Beschwerde.

Erwägungen:

1.

Die Generalstaatsanwaltschaft (Beschwerdeführerin) ist ohne Weiteres und
grundsätzlich ohne Einschränkungen zur Beschwerde berechtigt (Art. 81 Abs. 1
lit. a und lit. b Ziff. 3 BGG; BGE 145 IV 65 E. 1.2 S. 68).

2.

2.1. Die Beschwerdeführerin wendet sich gegen die Herausgabe der
beschlagnahmten Vermögenswerte von Euro 93'000.-- zzgl. Zinsen. Sie bringt vor,
die Eigentümerin des Bargelds sei die Beschwerdegegnerin. Die vorliegenden
Umstände sprächen eindeutig dafür, dass diese ihre Mutter, C.________,
vorgeschoben habe, um die tatsächlichen Eigentumsverhältnisse zu verschleiern.
Die Beschwerdegegnerin habe das entsprechende Bankschliessfach mit Vertrag vom
18. Mai 2009 selbst gemietet und am 6. Mai 2011 saldiert. Gleichentags habe neu
C.________ dasselbe Schliessfach gemietet und im gleichen Zug der
Beschwerdegegnerin eine "unbeschränkte Vollmacht" darüber erteilt. Es seien
zwei Schlüssel für das Schliessfach abgegeben worden und beide seien anlässlich
der Hausdurchsuchung am Wohnort der Beschwerdegegnerin sichergestellt worden.
Weiter wohne diese in der Nähe des Bankschliessfaches in U.________ und arbeite
dort. Deren Mutter wohne demgegenüber in Spanien. Die Besuchsfrequenz im
Bankschliessfach in den Jahren 2011 und 2012, als C.________ bereits 77 und 78
Jahre alt gewesen sei, sei ein weiteres Indiz für das Eigentum der
Beschwerdegegnerin. Die übrigen im Bankschliessfach aufgefundenen Gegenstände
hätten eindeutig der Beschwerdegegnerin, nicht aber deren Mutter zugeordnet
werden können. Schliesslich bleibe schleierhaft, woher C.________ das Bargeld
haben könnte. Da die Herkunft des Bargeldes nicht mehr restlos geklärt werden
könne, sei auf die beantragte Ersatzforderung zu erkennen.

2.2. Die Vorinstanz erwägt, es sei nicht erwiesen, dass das Bargeld in Höhe von
Euro 93'000.-- der Beschwerdegegnerin und nicht deren Mutter C.________ gehöre.
Daher sei dieser Vermögenswert nicht einzuziehen (angefochtener Entscheid, E.
VIII. 3.a S. 98).

2.3.

2.3.1. Das Gericht verfügt die Einziehung von Vermögenswerten, die durch eine
Straftat erlangt worden sind oder dazu bestimmt waren, eine Straftat zu
veranlassen oder zu belohnen, sofern sie nicht dem Verletzten zur
Wiederherstellung des rechtmässigen Zustandes ausgehändigt werden (Art. 70 Abs.
1 StGB). Die Einziehung ist ausgeschlossen, wenn ein Dritter die Vermögenswerte
in Unkenntnis der Einziehungsgründe erworben hat und soweit er für sie eine
gleichwertige Gegenleistung erbracht hat oder die Einziehung ihm gegenüber
sonst eine unverhältnismässige Härte darstellen würde (Art. 70 Abs. 2 StGB).

Sind die der Einziehung unterliegenden Vermögenswerte nicht mehr vorhanden, so
erkennt das Gericht auf eine Ersatzforderung des Staates in gleicher Höhe,
gegenüber einem Dritten jedoch nur, soweit dies nicht nach Artikel 70 Absatz 2
ausgeschlossen ist (Art. 71 Abs. 1 StGB).

2.3.2. Entscheide, die der Beschwerde an das Bundesgericht unterliegen, müssen
namentlich die massgebenden Gründe tatsächlicher und rechtlicher Art enthalten
(Art. 112 Abs. 1 lit. b BGG). Aus dem Entscheid muss klar hervorgehen, von
welchem festgestellten Sachverhalt die Vorinstanz ausgegangen ist und welche
rechtlichen Überlegungen sie angestellt hat. Genügt der Entscheid diesen
Anforderungen nicht, so kann das Bundesgericht ihn in Anwendung von Art. 112
Abs. 3 BGG an die kantonale Behörde zur Verbesserung zurückweisen oder
aufheben. Hingegen steht es ihm nicht zu, sich an die Stelle der Vorinstanz zu
setzen, die ihrer Aufgabe nicht nachgekommen ist (BGE 141 IV 244 E. 1.2.1 S.
245 f.; Urteile 6B_48/2019 vom 9. August 2019 E. 2.7; 6B_285/2018 vom 17. Mai
2019 E. 1.7 und 6B_113/2018 vom 7. November 2018 E. 3.1).

2.4. Die Beschwerdeführerin brachte bereits im kantonalen Verfahren vor, die
Beschwerdegegnerin sei die Eigentümerin des sichergestellten Bargeldes (vgl.
etwa kant. Akten, act. 30 f.) und die Vorinstanz begründet ihren Entscheid
betreffend Einziehung resp. Herausgabe (Dispositiv-Ziffer 7) bloss
unzureichend. Den entsprechenden Erwägungen ist lediglich pauschal und
sinngemäss zu entnehmen, Eigentum der Beschwerdegegnerin sei nicht erwiesen
(vgl. E. 2.2 hiervor). Damit kommt die Vorinstanz den Begründungsanforderungen
gemäss Art. 112 Abs. 1 lit. b BGG nicht nach und der angefochtene Entscheid ist
aufzuheben. Die Vorinstanz wird die Sache neu beurteilen, dabei die Beweise
würdigen und sich insbesondere mit den Besitz- und Eigentumsverhältnissen
auseinandersetzen müssen.

2.5. Die Sache ist gemäss Art. 112 Abs. 3 BGG prozessualiter zurückzuweisen und
wird damit nicht präjudiziert, sodass auf eine Einladung zur Vernehmlassung
verzichtet werden kann (vgl. Urteil 6B_693/2018 vom 1. November 2018 E. 4 mit
Hinweisen). Die Beschwerdegegnerin wird anlässlich der Neubeurteilung ihr
Gehörsrecht erneut wahrnehmen können.

3.

Die Beschwerde erweist sich als begründet. Dispositiv-Ziffer 7 und daraus
resultierend die Kosten- und Entschädigungsfolgen gemäss Dispositiv-Ziffer 9
des angefochtenen Entscheids sind aufzuhebenund die Sache zu neuer Entscheidung
an die Vorinstanz zurückzuweisen.

Die Beschwerdegegnerin unterliegt mit ihrem Antrag auf Abweisung der
Beschwerde, weshalb sie grundsätzlich kostenpflichtig wird (Art. 66 Abs. 1
BGG). Die Kosten werden bei Rückweisung nach Art. 112 Abs. 3 BGG jedoch formell
nicht nach dem Ausgang des Verfahrens, sondern nach dem Verursacherprinzip
verlegt (vgl. Urteil 6B_9/2018 vom 20. Juni 2018 E. 2 mit Hinweisen). Der
Generalstaatsanwaltschaft sind weder Kosten aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 4 BGG)
noch eine Parteientschädigung zuzusprechen (Art. 68 Abs. 3 BGG). Der
Beschwerdegegnerin ist keine Entschädigung zuzusprechen, da sie im
bundesgerichtlichen Verfahren lediglich zu einer Stellungnahme zum Gesuch um
aufschiebende Wirkung gebeten wurde.

 Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.

Die Beschwerde wird gutgeheissen. Dispositiv-Ziffern 7 und 9 des Entscheids des
Obergerichts des Kantons Thurgau vom 15. Februar 2019 werden aufgehoben und die
Sache zu neuer Entscheidung an die Vorinstanz zurückgewiesen.

2.

Es werden keine Kosten erhoben und keine Parteientschädigung zugesprochen.

3.

Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Thurgau
schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 27. April 2020

Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung

des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Denys

Der Gerichtsschreiber: Weber