Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Strafrechtliche Abteilung, Beschwerde in Strafsachen 6B.1166/2019
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Bundesgericht

Tribunal fédéral

Tribunale federale

Tribunal federal

               

6B_1166/2019

Urteil vom 18. Dezember 2019

Strafrechtliche Abteilung

Besetzung

Bundesrichter Denys, Präsident,

Bundesrichter Oberholzer, Rüedi,

Gerichtsschreiber Briw.

Verfahrensbeteiligte

Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich,

Florhofgasse 2, 8090 Zürich,

Beschwerdeführerin,

gegen

1. A.________,

2. B.________ AG,

beide vertreten durch

Rechtsanwalt Andreas Josephsohn,

Beschwerdegegner.

Gegenstand

Herausgabe von Asservaten (Cannabisharz/Haschisch),

Beschwerde gegen den Beschluss des Obergerichts des Kantons Zürich, III.
Strafkammer, vom 6. September 2019 (UH190033-O/H/HON).

Erwägungen:

1.

1.1. Die zwischenzeitlich in eine AG gleichen Namens umgewandelte B.________
GmbH hatte im Solothurnischen in einem Industriequartier für den Betrieb einer
600 Quadratmeter grossen Hanf-Indooranlage Lokalitäten gemietet. Sie wurden in
einem Ermittlungsverfahren durchsucht. Dabei wurden zwei von rund 547
vorgefundenen Mutterpflanzen vor Ort positiv auf THC getestet. Diese sowie gut
25 kg als Cannabisharz bezeichnete Substanzen wurden sichergestellt.

Die Staatsanwaltschaft II des Kantons Zürich stellte am 16. Januar 2019 das
gegen Mischa Gribi (damals Geschäftsführer und einziger Gesellschafter der
GmbH, heute einziges Verwaltungsratsmitglied der AG) geführte Strafverfahren
ein. Sie ordnete die Vernichtung der mit Gutachten des Forensischen Instituts
Zürich (FOR) als Cannabisharz (Haschisch) mit THC-Gehalt zwischen 0,49% bis
0,78% qualifizierten Asservate A011'208'427, A011'208'461, A011'208'483,
A011'208'529 und A011'208'574 an.

1.2. Mischa Gribi und die GmbH erhoben Beschwerde und beantragten die
Herausgabe der Asservate mit der Begründung, die Unterscheidung in Cannabis
etc. und Cannabisharz ergebe keinen Sinn, sei widersprüchlich und verstosse
gegen die Verfassung; Cannabisharz unter 1% THC-Gehalt könne nicht als
Betäubungsmittel gelten.

Das Obergericht des Kantons Zürich hob am 6. September 2019 die
Einstellungsverfügung bezüglich der genannten Asservate auf und verpflichtete
die Staatsanwaltschaft, diese der B.________ AG auf erstes Verlangen
herauszugeben.

1.3. Die Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich beantragt mit Beschwerde in
Strafsachen, den vorinstanzlichen Beschluss aufzuheben und die Vernichtung der
genannten Asservate anzuordnen, eventualiter die Sache zu diesem Zweck an die
Vorinstanz zurückzuweisen.

1.4. Das Obergericht des Kantons Zürich verzichtete auf eine Stellungnahme zur
Beschwerde.

Die Beschwerdegegner beantragen in ihrer Vernehmlassung die kostenpflichtige
vollumfängliche Abweisung der Beschwerde. Sie führen aus, gestützt auf die
überzeugenden Überlegungen des Obergerichts im Beschluss müsse klar bleiben,
dass die im Verzeichnis (siehe unten) getroffene Unterscheidung unhaltbar sei
und dem Betäubungsmittelgesetz und der Bundesverfassung klar widersprechend
sei.

2.

Die Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich ist zur Beschwerde berechtigt
(Art. 81 Abs. 1 lit. a und b Ziff. 3 BGG; Urteil 6B_1091/2017 vom 15. August
2018 E. 1, nicht publ. in: BGE 144 IV 285).

3.

3.1. Die Beschwerdeführerin begründet, gemäss Anhang 5, Verzeichnis d der
Betäubungsmittelverzeichnisverordnung (BetmVV-EDI; SR 812.121.11 [nachfolgend:
Verzeichnis]) würden Hanfpflanzen oder Teile davon mit einem durchschnittlichen
THC-Gehalt von mindestens 1% als Betäubungsmittel gelten. Das gelte namentlich
für Cannabis. Bei Cannabisextrakt, Cannabisöl, Cannabistinktur und Hanf sei der
Vermerk "siehe unter Cannabis" angebracht, woraus sich für diese Substanzen der
Grenzwert von 1% Gesamt-THC-Gehalt ergebe. Anders als diese Substanzen mit dem
jeweiligen Vermerk "siehe unter Cannabis" seien die Substanzen "Cannabisharz
(Haschisch) " und "Haschisch" im Verzeichnis explizit mit dem Vermerk "siehe
unter Cannabisharz" aufgeführt.

Daraus sei zu schliessen, dass der Gesetzgeber diese beiden Stoffe nicht der
Grenzwertregelung von Cannabis unterstellt und unabhängig vom Gesamt-THC-Gehalt
als verbotene Betäubungsmittel gemäss Art. 8 Abs. 1 lit. d BetmG qualifiziert
habe. Das Verzeichnis sei wiederholt bereinigt worden, letztmals 2019 (AS 2019
1057), ohne dass Anpassungen vorgenommen worden wären. "Cannabisharz
(Haschisch) " sei unabhängig von seinem Gesamt-THC-Gehalt eine verbotene
Substanz (FINGERHUTH/SCHLEGEL/JUCKER, Kommentar BetmG, 3. Auf. 2016, N. 24 zu
Art. 8 BetmG).

In korrekter Anwendung von Art. 8 Abs. 1 lit. d BetmG und Art. 1 Abs. 2 lit. a
i.V.m. dem Verzeichnis handle es sich bei Cannabisharz unabhänig vom
Gesamt-THC-Gehalt um verbotene Betäubungsmittel, die gemäss Art. 24 Abs. 2
BetmG zu vernichten seien.

3.2. Wie die Vorinstanz festhält, sind seit der Inkraftsetzung des novellierten
Art. 8 Abs. 1 lit. d BetmG am 1. Juli 2011 nicht mehr "Hanfkraut zur
Betäubungsmittelgewinnung und das Harz seiner Drüsenhaare (Haschisch) "
verboten, sondern "Betäubungsmittel des Wirkungstyps Cannabis". Nach dem
Bericht vom 4. Mai 2006 der Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit
des Nationalrats sollten die in der Praxis festgestellten Schwierigkeiten beim
Nachweis einer Absicht zur Betäubungsmittelgewinnung beseitigt werden; die
Kommission verwies dazu auf die Definition in Art. 2 BetmG und auf das gemäss
Art. 2a BetmG vom Eidgenössischen Departement des Innern (EDI) zu führende
Verzeichnis (BBl 2006 8573 8608).

Die Vorinstanz geht davon aus, nach den Erläuterungen des EDI habe sich als
objektives Unterscheidungskriterium der THC-Gehalt mit dem Grenzwert 1%
etabliert. Umstritten sei, wie der Umstand zu werten sei, dass bei Cannabisharz
/Haschisch anders als bei allen anderen Cannabisprodukten dieser Grenzwert
nicht mit einer Verweisung auf den Eintrag Cannabis genannt werde. Der dem EDI
eingeräumte Ermessensspielraum sei zwar für die rechtsanwendenden Behörden
verbindlich. Dieses Ermessen werde aber durch die gesetzlichen
Begriffsbestimmungen in Art. 2 BetmG begrenzt. Daraus sei zu schliessen, dass
sich das EDI an diese gesetzlichen Vorgaben zu halten habe (HUG-BEELI,
Kommentar zum Bundesgesetz über die Betäubungsmittel und die psychotropen
Stoffe, 2016, N. 48 zu Art. 2a). Die Kommission des Nationalrats habe explizit
auf Art. 2 BetmG verwiesen. Das BetmG verbiete nur abhängigkeitserzeugende
Stoffe des Wirkungstyps Cannabis, nicht Cannabis an sich. Dieser
gesetzgeberische Entscheid könne nicht in Frage gestellt werden. Die
psychoaktive, abhängigkeitserzeugende Wirkung rühre vom THC her. Haschisch sei
nichts anderes als das aus Teilen der Cannabispflanze gewonnene Harz, also ein
Cannabisextrakt. HUG-BEELI betrachte eine Ungleichbehandlung von
Cannabisextrakt und -harz offenbar als derart abwegig, dass er von einem
gesetzgeberischen Versehen ausgehe (N. 421 zu Art. 2 mit Fn. 1989). Die
gegenteilige, einzig am Wortlaut ausgerichtete Lesart des Verzeichnisses sei
mit dem BetmG und der BV nicht vereinbar. Das Verzeichnis sei in sich
widersprüchlich.

Haschisch falle nur bei einem THC-Gehalt von mindestens 1% unter den
Betm-Begriff des Art. 2 lit. a BetmG und sei gemäss Art. 8 Abs. 1 lit. d BetmG
verboten. Die strittigen Asservate enthielten 0,49, 0,60, 0,78, 0,71 und 0,52%
THC. Das seien keine Betäubungsmittel.

3.3. Gemäss der gesetzlichen Delegationsnorm des Art. 2a BetmG führt das EDI
ein Verzeichnis der Betäubungsmittel, der psychotropen Stoffe sowie der
Vorläuferstoffe und der Hilfschemikalien.

3.3.1. Kontrollierte Substanzen sind nach der Definition im Verzeichnis
Betäubungsmittel, psychotrope Stoffe, Rohmaterialien und Erzeugnisse mit
vermuteter betäubungsmittelähnlicher Wirkung, Vorläuferstoffe und
Hilfschemikalien nach Art. 2a und Art. 7 BetmG (Art. 1 Abs. 1 Verzeichnis),
d.h. die in den Anhängen 1-6 aufgeführten Stoffe (Abs. 2). In einer Durchsicht
der in den Anhängen 1-6 aufgeführten Stoffe wird augenscheinlich, dass die
"Betäubungsmittel" oder "abhängigkeitserzeugenden Stoffe" mit der (schlichten)
Begrifflichkeit des BetmG noch keineswegs bestimmt sind. Das strafrechtliche
Bestimmtheitsgebot gebietet die präzise Beschreibung dieser Stoffe. Diese
Aufgabe kommt von Gesetzes wegen dem EDI zu.

3.3.2. Wie die Vorinstanz anführt, ist die Hanfpflanze nur unter dem
betäubungsmittelrechtlichen Titel verboten, nämlich wegen des
abhängigkeitserzeugenden Wirkstoffs THC. Unbestreitbar lässt sich "Cannabisharz
(Haschisch) " als Bestandteil der Hanfpflanze phänomenologisch unter "Cannabis"
einordnen. Indes sind etwa Cannabissamen gemäss Art. 4 des Verzeichnisses von
den Bestimmungen für kontrollierte Substanzen ausgenommen, jedoch ausweislich
des Anhangs 5 nicht mehr mit einem Gesamt-THC-Gehalt von mindestens 1,0 Prozent
(die gleiche Regelung gilt für Cannabisstecklinge). Es kann nicht ein
phänomenologisches Vorverständnis zugrunde gelegt werden. Vielmehr muss für die
Erkenntnis, welcher Stoff qualititativ und quantitativ unter den Rechtsbegriff
"Cannabis" als verbotenes Betäubungsmittel im Sinne von Art. 2 lit. a und Art.
8 Abs. 1 lit. d BetmG zu subsumieren ist, auf das vom EDI geführte Verzeichnis
abgestellt werden.

3.3.3. Wie die Beschwerdeführerin einwendet, findet sich beim Eintrag
"Cannabisharz (Haschisch) " im Anhang 5 des Verzeichnisses kein Vermerk "siehe
unter Cannabis", wie das an gleicher Stelle für Cannabisextrakt, Cannabisöl,
Cannabistinktur und auch für Hanf gilt. Nach dem verwiesenen Eintrag "Cannabis"
fallen darunter Hanfpflanzen oder Teile davon, welche einen durchschnittlichen
Gesamt-THC-Gehalt von mindestens 1,0 Prozent aufweisen, und sämtliche
Gegenstände und Präparate, welche einen Gesamt-THC-Gehalt von mindestens 1,0
Prozent aufweisen oder aus Hanf mit einem Gesamt-THC-Gehalt von mindestens 1,0
Prozent hergestellt werden. Unter diesen Begriff ordnet das EDI nach dem
eindeutigen Verweisungszusammenhang den Stoff "Cannabisharz (Haschisch) "
explizit nicht ein. Es lässt sich daher nicht annehmen, dass es sich dabei um
ein gesetzgeberisches Versehen handelt.

3.3.4. Der Gesetzgeber räumt dem EDI mit der Delegationsnorm von Art. 2a BetmG
ein weites Ermessen für die Regelung auf Verordnungsstufe ein (vgl. Urteil
6B_1113/2013 vom 30. Juni 2014 E. 4.2.2). Das EDI sprengt mit einer
differenzierten Regelung der Cannabis-Stoffe im Verzeichnis die delegierten
Kompetenzen nicht. Es lässt sich bereits angesichts komplexer pharmakologischer
Wirkmechanismen nicht vorschnell eine willkürliche und damit verfassungswidrige
Regelung annehmen. Strafrecht wird im politischen Gesetzgebungsprozess
normiert. Indem der Gesetzgeber mit der Exekutive eine politische Behörde mit
der (wissenschaftsbasierten) Erarbeitung des Verzeichnisses beauftragt, dürfen
legitime straf- und gesundheitspolitische Gesichtspunkte ebenfalls
berücksichtigt werden. Diese Ermessenseinräumung ist für das Bundesgericht
verbindlich; es kann nicht sein Ermessen an die Stelle desjenigen des
Bundesrats setzen (vgl. BGE 136 II 337 E. 5.1 S. 348 f.). Die Zweckmässigkeit
der kontrollierten Substanzen hat das Bundesgericht nicht zu beurteilen (vgl.
BGE 137 III 217 E. 2.3 S. 221; 130 I 26 E. 2.2.1 S. 32; Urteil 6B_1113/2013 vom
30. Juni 2014 E. 4.2.1).

3.3.5. Im von den Verfahrensbeteiligten nicht berücksichtigten, zur Publikation
bestimmten Urteil 6B_878/2018 vom 29. Juli 2019 setzte sich das Bundesgericht
mit "Cannabis" insbesondere unter dem Gesichtspunkt der Bestimmung des
Wirkstoffs auseinander. Es stellte dabei fest, Hanfpflanzen, die einen
durchschnittlichen Gesamt-THC-Gehalt von mindestens 1% aufwiesen, seien als
verbotene Betäubungsmittel zu qualifizieren (Art. 1 Abs. 2 lit. a i.V.m.
Verzeichnis d [Anhang 5] BetmVV-EDI), und schloss: "Damit wird - mit Ausnahme
von Cannabisharz (Haschisch), für das eine spezielle Regelung gilt - klar
festgehalten, wann Cannabis als Betäubungsmittel zu gelten hat" (a.a.O, E.
2.3.3 sowie E. 4.5 betr. Hanfsirup oder Hanflikör; zur Strafbarkeit der
"geringfügigen Menge" von Cannabis das zur Publikation bestimmte Urteil 6B_509/
2018 vom 2. Juli 2019 E. 1).

3.4. Zusammengefasst ist im Verzeichnis klar festgehalten, unter welchen
Bedingungen "Cannabis" als Betäubungsmittel zu gelten hat. Es sind keine
Gesichtspunkte dargetan, die zu einer Überprüfung der differenzierten Praxis
veranlassen müssten (zur Praxisänderung BGE 145 III 303 E. 4.1.2 S. 308; 145 I
227 E. 4 S. 232).

4.

Somit ist die Beschwerde gutzuheissen, das angefochtene Urteil aufzuheben und
die Sache zu neuer Entscheidung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Den mit ihren
Rechtsbegehren in der Vernehmlassung unterliegenden Beschwerdegegnern sind die
Kosten des Beschwerdeverfahrens zu gleichen Teilen in solidarischer Haftung
aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 und 5 BGG).

 Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.

Die Beschwerde wird gutgeheissen, der Beschluss des Obergerichts des Kantons
Zürich vom 6. September 2019 wird aufgehoben und die Sache zu neuer
Entscheidung an die Vorinstanz zurückgewiesen.

2.

Die Gerichtskosten von Fr. 3'000.-- werden den Beschwerdegegnern zu gleichen
Teilen in solidarischer Haftung auferlegt.

3.

Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Zürich, III.
Strafkammer, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 18. Dezember 2019

Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung

des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Denys

Der Gerichtsschreiber: Briw