Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Strafrechtliche Abteilung, Beschwerde in Strafsachen 6B.1144/2019
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Bundesgericht

Tribunal fédéral

Tribunale federale

Tribunal federal

               

6B_1144/2019

Urteil vom 13. Februar 2020

Strafrechtliche Abteilung

Besetzung

Bundesrichter Denys, Präsident,

Bundesrichterinnen van de Graaf, Koch,

Gerichtsschreiberin Schär.

Verfahrensbeteiligte

Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Schwyz, Postfach 1201, 6431 Schwyz,

Beschwerdeführerin,

gegen

A.________,

Beschwerdegegner.

Gegenstand

Kostenauflage (Einstellung),

unrichtige Feststellung des Sachverhalts,

Beschwerde gegen den Beschluss des Kantonsgerichts Schwyz, Strafkammer, vom 2.
September 2019 (BEK 2019 66).

Sachverhalt:

A.

Die Kantonspolizei Schwyz unterzog A.________ am 31. Juli 2018 anlässlich einer
Verkehrskontrolle einem Drogenschnelltest. Dieser fiel positiv aus. In den
daraufhin angeordneten Blut- und Urinproben wurde eine unter dem Grenzwert von
Art. 34 lit. a der Verordnung des Bundesamtes für Strassen (ASTRA) zur
Strassenverkehrskontrollverordnung vom 22. Mai 2008 (VSKV-ASTRA; SR 741.013.1)
liegende Cannabismenge nachgewiesen. Die Staatsanwaltschaft March stellte da s
Verfahren wegen Fahrens in fahrunfähigem Zustand am 11. März 2019 ein,
auferlegte indes A.________ Verfahrenskosten von Fr. 1'796.55. Mit gleichzeitig
erlassenem, inzwischen in Rechtskraft erwachsenem Strafbefehl, wurde A.________
der mehrfachen Widerhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz, begangen
zwischen Ende Mai 2016 und 20. Juli 2018, schuldig gesprochen.

B.

A.________ opponierte gegen die Kostenauflage in der Teileinstellungsverfügung.
Das Kantonsgericht Schwyz hiess die Beschwerde mit Beschluss vom 2. September
2019 gut und hob Dispositivziffer 2 der angefochtenen Einstellungsverfügung
(Kostenauflage an A.________) auf.

C.

Die Oberstaatsanwaltschaft Schwyz führt Beschwerde in Strafsachen mit den
Anträgen, der vorinstanzliche Beschluss sei aufzuheben. Dispositivziffer 2 der
Einstellungsverfügung vom 11. März 2019 sei zu bestätigen und die Kosten des
Verfahrens von Fr. 1'796.55 seien vollumfänglich A.________ aufzuerlegen.
Sodann seien die Kosten des vorinstanzlichen Verfahrens von Fr. 1'200.--
ebenfalls A.________ aufzuerlegen. Eventualiter sei der angefochtene Beschluss
aufzuheben und das Verfahren zur neuen Beurteilung an die Vorinstanz
zurückzuweisen.

Erwägungen:

1. 

Die Staatsanwaltschaft ist ohne Einschränkung gemäss Art. 81 Abs. 1 lit. a und
b Ziff. 3 BGG zur Beschwerde in Strafsachen legitimiert (BGE 142 IV 196 E. 1.5
S. 198; 134 IV 36 E. 1.4.3 S. 40 ff.), mithin auch betreffend Kosten- und
Entschädigungsfolgen (Art. 81 Abs. 4 lit. b StPO). Ihre Legitimation ist nicht
an den Nachweis eines rechtlich geschützten Interesses gebunden, sondern leitet
sich direkt aus dem staatlichen Strafanspruch ab, den sie zu vertreten hat
(Urteile 6B_375/2018 vom 12. August 2019 E. 1, nicht publ. in: BGE 145 IV 359;
6B_564/2018 vom 2. August 2018 E. 1 und 6B_85/2017 vom 16. Oktober 2017 E. 1).
Auf die Beschwerde der Oberstaatsanwaltschaft Schwyz ist somit einzutreten.

2.

2.1. Die Beschwerdeführerin rügt eine Verletzung von Art. 426 Abs. 2 StPO. Sie
führt aus, gestützt auf das pharmakologisch-toxikologische Gutachten sowie die
Aussagen des Beschwerdegegners sei erstellt, dass dieser vor der Fahrt vom 31.
Juli 2018 THC-haltiges Cannabis konsumiert habe. Der genaue Zeltpunkt des
Konsums lasse sich zwar nicht erstellen. Erwiesen sei allerdings, dass der
Beschwerdegegner zum Zeitpunkt der Blutentnahme einen Wert von 0.7-1.3
Mikrogramm THC pro Liter Blut aufgewiesen habe. Ebenfalls erwiesen sei gestützt
auf das Polizeiprotokoll vom 31. Juli 2018, dass beim Beschwerdegegner eine
verlangsamte Reaktion der Pupillen und wässrige Augen festgestellt worden seien
und er unruhig und aufgeregt gewirkt habe. Diese Anzeichen begründeten einen
rechtsgenügenden Verdacht auf eine betäubungsmittelbedingte Fahrunfähigkeit und
seien von der Polizei korrekt festgestellt und interpretiert worden. In diesem
Zusammenhang macht die Beschwerdeführerin eine willkürliche
Sachverhaltsfeststellung geltend, da die Vorinstanz für die Frage des
Vorhandenseins von Anzeichen von Fahrunfähigkeit zu Unrecht einzig auf den im
Anschluss an die Kontrolle erstellten Arztbericht, nicht aber auf den
Polizeibericht abstellte. Die Beschwerdeführerin ist der Ansicht, der
Beschwerdegegner habe vorliegend THC-haltiges Cannabis konsumiert und sich mit
THC im Blut hinter das Steuer gesetzt. Er habe Symptome gezeigt, die auf einen
Drogenkonsum hingewiesen hätten. Diese Anzeichen seien adäquat-kausal auf den
Drogenkonsum zurückzuführen. Der Beschwerdegegner habe damit rechtswidrig und
schuldhaft die Einleitung eines Verfahrens wegen Fahrens in fahrunfähigem
Zustand erwirkt. Er habe die damit einhergehenden Untersuchungskosten zu
bezahlen.

2.2. Die Vorinstanz erwägt, die untersuchende Ärztin habe ungefähr eine
Dreiviertelstunde nach der Polizeikontrolle beim Beschwerdegegner keine
äusseren Auffälligkeiten wie wässrige Augen, eine verlangsamte Pupillenreaktion
oder ein unruhiges Verhalten festgestellt. Anzeichen von Fahrunfähigkeit seien
damit nicht klar nachgewiesen und könnten mithin die Kostenauflage nicht
begründen. Ob die fraglichen Anzeichen unter diesen Umständen einen
Drogenschnelltest gerechtfertigt hätten, könne offengelassen werden.

Ein rechtswidriges und schuldhaftes Verhalten des Beschwerdegegners lasse sich
auch nicht anhand seiner eigenen Angaben beweisen. In der polizeilichen
Einvernahme habe der Beschwerdegegner widersprüchliche Angaben zum Konsum von
THC-haltigem Cannabis gemacht. Seinen Angaben sei nicht weiter nachgegangen
worden. Namentlich sei der Beschwerdegegner nicht mit der Tatsache konfrontiert
worden, dass laut pharmakologisch-toxikologischem Gutachten die Einnahme von
THC-Cannabis nachgewiesen sei, wenn auch in einer Menge unterhalb des in Art.
34 VSKV-ASTRA für die Bestimmung der Fahrunfähigkeit festgelegten
Nachweisgrenzwerts. Auf diesen Beweis habe die Staatsanwaltschaft in der
angefochtenen Verfügung die Kostenauflage auch nicht direkt gestützt. Vielmehr
habe sie die Kostenauflage damit begründet, der Beschwerdegegner habe wegen
Cannabiskonsums zu einem nicht näher bekannten Zeitpunkt vor der Fahrt Symptome
aufgewiesen, was die Polizei zum Drogenschnelltest veranlasst habe. Verurteilt
worden sei der Beschwerdegegner mit Strafbefehl vom 11. März 2019 lediglich für
den eingestandenen Cannabiskonsum bis zum 20. Juli 2018. Inwiefern zwischen
diesen Widerhandlungen und den angeblichen Symptomen, welche die Polizei bei
der Kontrolle am 31. Juli 2018 zu einem Drogenschnelltest veranlasst hätten,
ein Kausalzusammenhang bestehen sollte, habe die Staatsanwaltschaft nicht
konkret dargelegt. Soweit die Staatsanwaltschaft in der Beschwerdeantwort
behauptet habe, der Konsum von THC-haltigem Cannabis sei kausal für die
Einleitung des Strafverfahrens, könne sich dies also nur auf einen Konsum zu
einem unbekannten Zeitpunkt zwischen dem 20. Juli 2018 und der
Verkehrskontrolle vom 31. Juli 2018 beziehen. Für diesen Zeitraum lägen keine
Zugeständnisse des Beschwerdegegners vor. Die Staatsanwaltschaft habe nicht
aufgezeigt, wie kurz vor der kontrollierten Fahrt die Cannabiseinnahme erfolgt
sein soll und ob diese überhaupt geeignet gewesen sei, die
"Fahrunfähigkeitsanzeichen" zu verursachen. Somit lasse sich kein
Kausalzusammenhang zwischen dem innerhalb von elf Tagen zeitlich nicht genauer
fixierbaren Konsum und den Fahrunfähigkeitssymptomen nachweisen.

2.3. Gemäss Art. 426 Abs. 1 StPO trägt die beschuldigte Person die
Verfahrenskosten, wenn sie verurteilt wird. Wird das Verfahren eingestellt oder
die beschuldigte Person freigesprochen, so können ihr die Verfahrenskosten ganz
oder teilweise auferlegt werden, wenn sie rechtswidrig und schuldhaft die
Einleitung des Verfahrens bewirkt oder dessen Durchführung erschwert hat (Art.
426 Abs. 2 StPO). Das Verhalten einer beschuldigten Person ist widerrechtlich,
wenn es klar gegen Normen der Rechtsordnung verstösst, die sie direkt oder
indirekt zu einem bestimmten Tun oder Unterlassen verpflichten (vgl. Art. 41
Abs. 1 OR). Vorausgesetzt sind regelmässig qualifiziert rechtswidrige,
rechtsgenüglich nachgewiesene Verstösse. Die Verfahrenskosten müssen mit dem
zivilrechtlich vorwerfbaren Verhalten in einem adäquat-kausalen Zusammenhang
stehen (BGE 144 IV 202 E. 2.2 S. 205; Urteil 6B_4/2019 vom 19. Dezember 2019 E.
4.3 mit Hinweisen). Art. 426 Abs. 2 StPO ist als Kann-Vorschrift ausgestaltet,
sodass der Vorinstanz ein Ermessen zusteht. Das Bundesgericht schreitet nur mit
Zurückhaltung ein (Urteile 6B_925/2018 vom 7. März 2019 E. 1.3; 6B_1200/2017
vom 4. Juni 2018 E. 4.5.2).

2.4. Gemäss Vorinstanz sowie Staatsanwaltschaft steht in tatsächlicher Hinsicht
lediglich fest, dass der Beschwerdegegner am 20. Juli 2018 und somit elf Tage
vor der Verkehrskontrolle letztmals THC-haltiges Cannabis konsumiert hatte. Mit
Strafbefehl vom 11. März 2019 wurde der Beschwerdegegner denn auch nur wegen
des Cannabiskonsums bis zum 20. Juli 2018 verurteilt. Inwiefern zwischen diesem
"früheren" Cannabiskonsum und den angeblich am 31. Juli 2018 gezeigten
Anzeichen von Fahrunfähigkeit ein Kausalzusammenhang bestehen soll, legt die
Beschwerdeführerin auch im bundesgerichtlichen Verfahren nicht dar. Dass oder
wann genau der Beschwerdegegner auch in der Zeit nach dem 20. Juli 2018, aber
noch vor der Verkehrskontrolle am 31. Juli 2018, Drogenhanf konsumierte,
stellte weder die Vorinstanz noch die Staatsanwaltschaft verbindlich fest. Für
diesen Zeitraum hat der Beschwerdegegner nur eingestanden, legalen CBD-Hanf
konsumiert zu haben. Mit den positiven Ergebnissen der
pharmakologisch-toxikologischen Untersuchung wurde der Beschwerdegegner nicht
konfrontiert. Somit wurde der Sachverhalt bezüglich des letztmaligen
Drogenkonsums des Beschwerdegegners nicht abschliessend geklärt. Selbst wenn,
entgegen der vorinstanzlichen Feststellung und im Sinne der Beschwerdeführerin
angenommen würde, der Beschwerdegegner habe am 31. Juli 2018 die vom Polizisten
erwähnten Anzeichen von Fahrunfähigkeit aufgewiesen, könnte aufgrund der
unklaren tatsächlichen Gegebenheiten kein eindeutiger Kausalzusammenhang
zwischen einem Cannabiskonsum und den Anzeichen von Fahrunfähigkeit hergestellt
werden. Dem Beschwerdegegner kann daher nicht vorgeworfen werden, er habe sich
unter dem Einfluss von Betäubungsmitteln hinter das Steuer gesetzt und damit
schuldhaft die Einleitung eines Strafverfahrens verursacht. Somit fehlt es
vorliegend sowohl an unbestrittenen und klar nachgewiesenen Umständen sowie
aufgrund der zeitlichen Komponente auch am für die Kostenauflage erforderlichen
Kausalzusammenhang zwischen der Verletzung einer Verhaltensnorm und den
Verfahrenskosten. Unbehelflich ist der Verweis der Beschwerdeführerin auf den
Entscheid 1B_180/2012 vom 24. Mai 2012. Im genannten Fall hatte der
Beschwerdeführer am Vorabend der Verkehrskontrolle Kokain konsumiert. Bei der
Kontrolle wies er Symptome auf, die ihn für die Polizisten als möglichen
Rauschgiftkonsumenten erscheinen liessen. Der Sachverhalt war damit vollständig
geklärt. Der Drogenkonsum erfolgte erstelltermassen nur kurze Zeit vor der
Verkehrskontrolle und die bei der Kontrolle festgestellten Anzeichen von
Fahrunfähigkeit waren eindeutig auf den Drogenkonsum am Vortag zurückzuführen.
Es bestand damit - anders als im vorliegenden Fall - ein hinreichender
Kausalzusammenhang zwischen dem Betäubungsmittelkonsum und der Anordnung eines
Drogenschnelltests.

Zusammengefasst verletzt die Kostenauflage, welche vom Bundesgericht ohnehin
nur mit Zurückhaltung überprüft wird, vorliegend kein Bundesrecht. Nach dem
Ausgeführten erübrigt es sich, auf die Einwendungen der Beschwerdeführerin
betreffend die Sachverhaltsfeststellung weiter einzugehen. Die Beschwerde ist
abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden kann. Somit sind auch keine Gründe
ersichtlich, die für eine Neuverlegung der Kosten im vorinstanzlichen Verfahren
sprechen würden.

3.

Im bundesgerichtlichen Verfahren sind keine Kosten zu erheben (Art. 66 Abs. 4
BGG). Der Beschwerdegegner wurde im Zusammenhang mit dem vorliegenden
Beschwerdeverfahren nicht zur Stellungnahme aufgefordert, weshalb ihm keine
Parteientschädigung zuzusprechen ist.

 Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.

Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.

2.

Es werden keine Kosten erhoben.

3.

Dieses Urteil wird den Parteien und dem Kantonsgericht Schwyz, Strafkammer,
schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 13. Februar 2020

Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung

des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Denys

Die Gerichtsschreiberin: Schär