Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Strafrechtliche Abteilung, Beschwerde in Strafsachen 6B.1115/2019
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Bundesgericht

Tribunal fédéral

Tribunale federale

Tribunal federal

               

6B_1115/2019

Urteil vom 3. Dezember 2019

Strafrechtliche Abteilung

Besetzung

Bundesrichter Denys, Präsident,

Bundesrichter Rüedi,

nebenamtliche Bundesrichterin Griesser,

Gerichtsschreiber Matt.

Verfahrensbeteiligte

A.________,

vertreten durch Rechtsanwalt Nermin Zulic,

Beschwerdeführer,

gegen

Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Aargau,

Frey-Herosé-Strasse 20, 5001 Aarau,

Beschwerdegegnerin.

Gegenstand

Entschädigung der amtlichen Verteidigung; Willkür, rechtliches Gehör,

Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Aargau, Strafgericht,
1. Kammer, vom 19. August 2019 (SST.2019.95).

Sachverhalt:

A.

Am 11. August 2017 bestellte die Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Aargau
Rechtsanwalt A.________ zum amtlichen Verteidiger von B.________ in dessen
Verfahren wegen versuchter schwerer Körperverletzung etc. In der Folge vertrat
Rechtsanwalt A.________ den Beschuldigten im Untersuchungs- sowie im erst- und
zweitinstanzlichen Verfahren. Anlässlich der erstinstanzlichen Hauptverhandlung
stellte er den Antrag, ihm sei für einen Arbeitsaufwand von 59,28 Stunden à Fr.
200.-- eine amtliche Entschädigung von Fr. 11'856.--, zuzüglich Fr. 323.40
Spesen und Fr. 947.60 Mehrwertsteuer, insgesamt Fr. 13'127.--, zuzusprechen.

Das Bezirksgericht Aarau reduzierte den Zeitaufwand um rund2 /5 und sprach
Rechtsanwalt A.________ am 13. Februar 2019 Fr. 8'054.90 Entschädigung (inkl.
Spesen von Fr. 323.40 und Mehrwertsteuer von Fr. 581.50) zu.

B.

Gegen die Höhe der Entschädigung erhob Rechtsanwalt A.________ Beschwerde an
das Obergericht des Kantons Aargau mit dem Hauptantrag, die Entschädigung für
die amtliche Verteidigung sei gestützt auf die eingereichte Kostennote auf
59,28 Stunden à Fr. 200.--, total Fr. 11'856.-- (zuzüglich Auslagen und
Mehrwertsteuer) festzusetzen, eventualiter sei die Sache zur neuen Entscheidung
an die Erstinstanz zurückzuweisen. Zugleich erhob Rechtsanwalt A.________
namens seines Klienten gegen das erstinstanzliche Urteil Berufung. Da das
Obergericht hierrauf eintrat, behandelte es die von Rechtsanwalt A.________
erhobenen Einwände im Rahmen des Berufungsverfahrens. Es erachtete seine Rügen
als unbegründet und die ihm von der Erstinstanz zugesprochene Entschädigung von
Fr. 8'054.90 als angemessen.

C.

Mit Beschwerde in Strafsachen beantragt Rechtsanwalt A.________,
Dispositiv-Ziffer 8.2 des Urteils des Obergerichts des Kantons Aargau vom 19.
August 2019 sei hinsichtlich der amtlichen Verteidigung aufzuheben und es sei
ihm eine Entschädigung für einen Aufwand von 59,28 Stunden à Fr. 200.--, total
Fr. 11'856.-- (zuzüglich Auslagen und Mehrwertsteuer), zuzusprechen.
Eventualiter sei die Sache an das Obergericht zur Neuverlegung der in
Dispositiv-Ziffer 8.2 verfügten amtlichen Entschädigung zurückzuweisen.

Erwägungen:

1.

Angefochten ist ein Urteil des Obergerichts des Kantons Aargau, mit welchem
dieses über die dem amtlichen Verteidiger für das erstinstanzliche Verfahren
zugesprochene Entschädigung entschieden hat. Die vom Obergericht für das
Berufungsverfahren festgesetzte Entschädigung blieb unangefochten. Gemäss
bundesgerichtlicher Rechtsprechung liegt in dieser Konstellation kein
Anwendungsfall von Art. 135 Abs. 3 lit. b StPO vor, sodass die beim
Bundesgericht eingereichte Beschwerde zulässig ist (vgl. BGE 140 IV 213E. 1.7
mit Hinweisen; Urteil 6B_75/2017 vom 16. November 2017 E. 1).

2.

2.1. Der Beschwerdeführer reichte diverse Beilagen ins Recht. Es handelt sich
dabei nicht um Noven, sondern um Urkunden, welche sich bereits in den
Verfahrensakten befinden.

2.2. Soweit der Beschwerdeführer zur Begründung der bundesgerichtlichen
Beschwerde auf seine Ausführungen in der vorinstanzlichen Beschwerde verweist,
ist er nicht zu hören. Die Begründung hat in der bundesgerichtlichen
Beschwerdeschrift selbst zu erfolgen und der blosse Verweis auf Ausführungen in
anderen Rechtsschriften oder auf die Akten genügt nicht (BGE 140 III 115E. 2;
Urteil 6B_28/2018 vom 7. August 2018 E. 5.3).

3.

3.1. Der Beschwerdeführer rügt vorab eine Verletzung der richterlichen
Begründungspflicht als Teilgehalt seines Anspruchs auf rechtliches Gehör gemäss
Art. 29 Abs. 2 BV. Er macht geltend, die Vorinstanz hätte zumindest kurz und in
nachvollziehbarer Weise begründen müssen, weshalb sie den von ihm gestellten
Aufwand für übersetzt hält. Die Vorinstanz habe es aber unterlassen,
darzulegen, weshalb sie seine Kostennote von 50,28 (recte: 59,28) auf 36
Stunden gekürzt habe. Sie erläutere nicht, welche der auf der Kostennote
aufgeführten Aufwendungen sie für überhöht halte. Dieses Unterlassen, d.h. die
Nichtberücksichtigung diverser auf der Kostennote aufgeführter Leistungen,
genüge den Anforderungen der Begründungspflicht nicht. Ohne Begründung sei eine
sachgerechte Anfechtung nicht möglich. Damit verletzte die Vorinstanz das
rechtliche Gehör.

3.2. Die Rüge des Beschwerdeführers erweist sich als unbegründet. Aus dem
Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 3 Abs. 2 lit. c StPO, Art. 29 Abs. 2 BV
und Art. 6 Ziff. 1 EMRK) ergibt sich für die Behörden die Pflicht, ihren
Entscheid zu begründen. Die Begründung muss so abgefasst sein, dass sich die
betroffene Person über die Tragweite des Entscheids Rechenschaft geben und ihn
in voller Kenntnis der Sache an die höhere Instanz weiterziehen kann. Nicht
erforderlich ist, dass sich die Behörde mit allen Parteistandpunkten
einlässlich auseinandersetzt und jedes einzelne Vorbringen ausdrücklich
widerlegt. In diesem Sinne müssen wenigstens kurz die Überlegungen genannt
werden, von denen sich die Behörde hat leiten lassen und auf die sich ihr
Entscheid stützt (vgl. BGE 141 III 28 E. 3.2.4; 139 IV 179 E. 2.2; Urteil
6B_844/2018 vom 13. September 2019 E. 1.3).

Die Vorinstanz begründet, weshalb sie die von der ersten Instanz vorgenommene
Kürzung der Kostennote des Beschwerdeführers im Ergebnis für angemessen
erachtet. Sie nennt die wesentlichen Überlegungen, von denen sie sich hat
leiten lassen und worauf sie ihren Entscheid stützt. So führt sie aus, die
einen Bundesordner umfassenden Akten seien wenig umfangreich, die Sachverhalte
erwiesen sich sowohl in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht als wenig
schwierig, zumal ein Grossteil der (SVG-) Tatbestände unbestritten geblieben
sei, und auch die Frage der Landesverweisung sei wenig kompliziert. Kontakte
und Korrespondenz zum Beschuldigten seien nur im notwendigen Umfang zu
vergüten, wozu keine umfassende soziale Betreuung gehöre. Vor diesem
Hintergrund sei ein Aufwand von beinahe 60 Stunden unverhältnismässig. In der
Folge begründet die Vorinstanz, weshalb sie einen zeitlichen Aufwand von rund
36 Stunden für angemessen hält. Sie listet diverse aus ihrer Sicht
entschädigungspflichtige Positionen auf und nennt den Zeitaufwand, welchen sie
hierfür als angemessen erachtet. Dem Beschwerdeführer war es denn auch ohne
Weiteres möglich, den Entscheid der Vorinstanz sachgerecht anzufechten. Eine
Verletzung der Begründungspflicht liegt nicht vor.

4.

4.1. Der Beschwerdeführer erachtet die Kürzung seines Honorars für das
erstinstanzliche Verfahren als willkürlich. Obwohl die Vorinstanz selbst
festhalte, dass der Landesverweis für den Beschuldigten von besonderer
Bedeutung gewesen sei, halte sie diese Frage im Widerspruch dazu für wenig
kompliziert. Es sei nicht klar, weshalb der Zeitaufwand für die Kontakte mit
dem Klienten gekürzt werde und nicht notwendig gewesen sein soll. Allein für
die Einvernahmen seien 15 Stunden aufgewendet worden. Wäre die Verteidigung den
Einvernahmen ferngeblieben, läge eine Verletzung der anwaltlichen
Sorgfaltspflicht vor. Sodann sei allein anlässlich der Hauptverhandlung ein
Zeitaufwand von sechseinhalb Stunden entstanden. Die Vorinstanz zitiere die
bundesgerichtliche Rechtsprechung, wonach auch bei einer detaillierten
Honorarnote die Entschädigung pauschal bemessen werden dürfe, verkenne aber,
dass vorliegend der geltend gemachte Zeitaufwand im Verhältnis zum Umfang und
zur Schwierigkeit des Falles stehe. Vor diesem Hintergrund erweise sich die
Kürzung des in der Honorarnote aufgeführten Aufwands als unzulässig.

4.2. Wie in Erwägung 3.2 oben ausgeführt, begründet die Vorinstanz, weshalb sie
den vom Beschwerdeführer in Rechnung gestellten Stundenaufwand für
offensichtlich übersetzt hält. Sie erachtet nur einen Teil des Aufwands
betreffend Kontakte des Verteidigers mit dem Beschuldigten und mit
Drittpersonen für notwendig und bemisst diesen auf 4 bzw. 2 Stunden. Als
angemessenen Aufwand setzt sie für das Studium des Gutachtens und den Antrag
auf Ergänzungsfragen 2 Stunden, für die Vorbereitung und Teilnahme an
Einvernahmen 14 Stunden, für die Vorbereitung der Hauptverhandlung 6 Stunden
und für die Hauptverhandlung mit Nachbesprechung 8 Stunden ein. Insgesamt seien
somit 36 Arbeitsstunden angemessen. Unter Berücksichtigung des gemäss § 9 Abs.
2bis des kantonalen Dekrets vom 10. November 1987 über die Entschädigung der
Anwälte (Anwaltstarif, AnwT/AG; SAR 291.150) üblichen (und vom Beschwerdeführer
anerkannten) Stundensatzes von Fr. 200.--, der separat zu entschädigenden
Auslagen von praxisgemäss 3% sowie der Mehrwertsteuer resultiere eine
Entschädigung von rund Fr. 8'000.--. Die dem amtlichen Verteidiger von der
Erstinstanz zugesprochene Entschädigung von Fr. 8'054.90 (inklusive Auslagen
und Mehrwertsteuer) sei im Ergebnis angemessen.

4.3. Nach der Rechtsprechung kommt den Kantonen bei der Bemessung des Honorars
des amtlichen Anwalts ein weiter Ermessensspielraum zu. In Fällen, in denen die
kantonale Behörde den vom Anwalt in Rechnung gestellten Arbeitsaufwand als
übersetzt bezeichnet, greift das Bundesgericht nur mit grosser Zurückhaltung
ein. Es ist Sache der kantonalen Behörde, die Angemessenheit anwaltlicher
Bemühungen zu beurteilen (BGE 141 I 124 E. 3.2.; Urteil 6B_1252/2016 vom 9.
November 2017 E. 2.4, nicht publ. in: BGE 143 IV 453; je mit Hinweisen). Das
Bundesgericht schreitet nur ein, wenn der Ermessensspielraum klarerweise
überschritten wurde und Bemühungen nicht honoriert werden, die zweifelsfrei zu
den Obliegenheiten eines amtlichen Verteidigers gehören. Für eine Verletzung
von Art. 135 StPO genügt es nicht, wenn die kantonale Behörde, welche die
Entschädigung festzusetzen hat, einen in Rechnung gestellten Posten irrtümlich
würdigt oder sich auf ein unhaltbares Argument stützt. Vielmehr muss die
Festsetzung des Honorars ausserhalb jedes vernünftigen Verhältnisses zu den vom
Anwalt geleisteten Diensten stehen und in krasser Weise gegen das
Gerechtigkeitsgefühl verstossen (Urteil 6B 75/2017 vom 16. November 2017 E.
3.3.1 mit Hinweisen).

Die amtliche Verteidigung wird nach dem Anwaltstarif des Bundes oder desjenigen
Kantons entschädigt, in dem das Strafverfahren geführt wurde (Art. 135 Abs. 1
StPO). Gemäss Art. 9 AnwT/AG bemisst sich die Entschädigung in Strafsachen nach
dem angemessenen Zeitaufwand des Anwalts (Abs. 1), wobei der Stundenansatz in
der Regel Fr. 220.-- beträgt und in einfachen Fällen bis auf Fr. 180.--
reduziert und in schwierigen Fällen bis auf Fr. 250.-- erhöht werden kann (vgl.
Abs. 2); die Entschädigung in Strafsachen gilt auch für die amtliche
Verteidigung (vgl. Abs. 3).

4.4. Die Rügen des Beschwerdeführers sind unbegründet. Entgegen seiner
Auffassung stellt es keine widersprüchliche Begründung dar, dass die Vorinstanz
einerseits festhält, die drohende Ausweisung sei für den Beschuldigten von
grosser Tragweite und sie anderseits feststellt, die Frage der Ausweisung sei
wenig kompliziert. Die vorinstanzliche Feststellung, wonach sich der gesamte
Sachverhalt sowohl in tatsächlicher als auch in rechtlicher Hinsicht als wenig
schwierig präsentiere und der Aktenumfang wenig umfangreich gewesen sei, rügt
der Beschwerdeführer nicht. Nicht zu beanstanden ist ferner, dass die
Vorinstanz den Aufwand für Kontakte mit dem Klienten und mit Dritten auf das
für die amtliche Verteidigung Notwendige reduziert. In der Beschwerde wird
nicht dargelegt, dass und weshalb sämtliche in der Honorarnote aufgeführten
Kontakte im Rahmen der amtlichen Verteidigung notwendig gewesen und die
Bemessung dieses Aufwands durch die Vorinstanz (krass) unzutreffend sein
sollen. Nicht nachvollziehbar ist sodann der Einwand des Beschwerdeführers, er
sei aufgrund der anwaltlichen Sorgfaltspflicht zur Teilnahme an den
Einvernahmen verpflichtet gewesen, entschädigt ihn doch die Vorinstanz für
diesen Aufwand. Dies gilt ebenso für den Einwand, dass ihm anlässlich der
Hauptverhandlung ein Aufwand von 6 ½ Stunden entstanden sei. Die Vorinstanz
bemisst seinen Zeitaufwand für die «Hauptverhandlung mit Nachbesprechung» auf 8
Stunden. Der Beschwerdeführer setzt sich mit den vorinstanzlichen Erwägungen
zur Bemessung seines Aufwands nicht auseinander. Soweit er auf seine
Ausführungen in der vorinstanzlichen Beschwerde verweist, kann er nicht gehört
werden (vgl. oben E. 2.2). Mit seiner pauschalen Kritik am angefochtenen
Entscheid legt der Beschwerdeführer nicht dar, inwiefern der von der Vorinstanz
bemessene Aufwand ausserhalb des ihr zustehenden Ermessens liegen sollte.

Die Beurteilung der Vorinstanz, wonach ein Aufwand von 36 Stunden angemessen
sei, ist ohne Weiteres haltbar. Das von ihr auf Fr. 8'054.90 (inkl. Auslagen
und Mehrwertsteuer) festgesetzte Honorar bis und mit Abschluss des
erstinstanzlichen Verfahrens liegt innerhalb des ihr zustehenden Ermessens und
steht insgesamt in einem vernünftigen Verhältnis zu den vom Beschwerdeführer
geleisteten Diensten. Es liegt weder eine willkürliche Sachverhaltsfeststellung
noch eine willkürliche Anwendung von Art. 9 AnwT/AG vor.

5.

Die Beschwerde ist abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist. Ausgangsgemäss
sind die bundesgerichtlichen Kosten dem Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 66
Abs. 1 BGG).

 Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.

Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.

2.

Die Gerichtskosten von Fr. 3'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

3.

Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Aargau,
Strafgericht, 1. Kammer, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 3. Dezember 2019

Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung

des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Denys

Der Gerichtsschreiber: Matt